Mittwoch, 24. September 2008

Tropic Thunder

Eigentlich ist dieser Film von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Hauptrolle in diesem auf den Kriegsmemoiren des Vietnam-Veteranen "Four Leaf" Tayback basierenden Actiondramas verkörpert Actionstar Tugg Speedman, dessen von unnötigen und hirnrissigen Fortsetzungen geschundenes Actionfranchise Scorcher langsam im Sumpf der Vergessenheit versinkt. Sein Versuch, mit der Rolle des geistig behinderten Simple Jack ins ernst zu nehmende Fach zu weckseln und nach dem Oscar zu greifen ging kläglich unter und wurde von Kritikern und Zuschauern als armselig abgestempelt.
Eine weitere zentrale Rolle spielt der übergewichtige, launische und drogensüchtige Jeff Portnoy, dessen hirnlosen Komödien nur aus Furzwitzen und dem Fakt, dass er sämtliche Rollen verkörpert, bestehen. Dann wären da noch der sexistische Kommerzrapper Alpa Chino, der sein Gesicht für penetrante Energydrink- und Schokoriegel-Werbung hergibt, der nun seine schauspielerischen Ambitionen entdeckt und der frisch von der Schauspielerschule kommende Kevin Sandusky.

Schlagzeilen im Vorfeld machte Tropic Thunder, als der aus Australien stammende, fünffache Oscar-Preisträger und Method-Actor Kirk Lazarus eine aufwändige Operation durchführen ließ, um nun die Rolle eines Afro-Amerikaners übernehmen zu können. Trotz seiner Beliebtheit bei der Acadamy gilt Lazarus als Exzentiker, der sich nichts befehlen lässt und all zu sehr in seinen Rollen aufgeht.
Debütant Damien Cockburn, der bei dieser Produktion (immerhin der teuerste Kriegsfilm aller Zeiten) Regie führen soll, ist wirklich nicht zu beneiden. Ein wahrer Mordsjob. Guerilla-Filmtechniken sollen Abhilfe schaffen: Im echten Dschungel von Vietnam stapfen die Darsteller durch teils echte Gefahren. Das soll ihre Egos runterkühlen und dem Film einheitzen.

Verwirrt?
Also: Ben Stillers neuste Regiearbeit Tropic Thunder erzählt die Geschichte der Dreharbeiten zu einem fiktiven Film namens Tropic Thunder, der wiederum eine klassische Vietnam-Kriegstragödie erzählt, inklusive allem was nunmal dazu gehört, also auch allerlei Blut und herumfliegende Gedärme.

Dieses Film-im-Film(-im-Film?)-Konstrukt ist sicherlich nicht die jüngste Erfindung der Filmgeschichte, aber bislang noch immer selten genutzt und deshalb weiterhin unverbraucht, frisch und erfrischend zugleich.
Ein entscheidender Grund dafür ist sicherlich, dass solche auf Meta-Humor und Selbstreflexionen Hollywoods gemünzten Filme schwerlich mit dem Massenpublikum vereinbar sind. Zwar möchten die Kinozuschauer nicht dauernd für dumm verkauft werden, doch zugleich sträuben sich erschreckend viele solche Konzepte zu akzeptieren, geschweige denn zu verstehen. Ein Film über einen Film? Ein Film, der so tun will, als sei er eine Kinoerfahrung? Der Allgemeinheit passen solche Ideen nicht wirklich, gnadenlos floppten Produktionen wie Fahr zur Hölle, Hollywood; Last Action Hero oder Grindhouse, die allesamt auf unterschiedliche Weise die Meta-Ebene erklommen.

Schuld daran sind jedoch auch die Filmemacher: Häufig verzetteln sie sich in ihrerm Konstrukt und der Humor bleibt auf der Strecke. Last Action Hero gehört noch zu den besseren Beispielen für diese Art von Filmen, und das will schon was heißen, bedenkt man die unglaublich nervige Hauptfigur (nein, nicht Arnold Schwarzenegger). Dennoch wurde er zu einem heimlichen Filmfan-Favoriten. Ganz zu schweigen von Grindhouse, der alles richtig machte, was man richtig machen konnte - sein Misserfolg ist allein darin begründet, dass er sich direkt an Filmfreaks und Genreliebhaber richtete. Eigentlich darf man bei diesem Film dann auch gar nicht mehr von Misserfolg sprechen, seine Zielgruppe hat er ja erreicht.

Dieses Jahr tritt also Ben Stiller auf den Plan, dem Massenpublikum den Metahumor nahe zu bringen.
Das Konstrukt von Tropic Thunder bietet sich schonmal für allerlei Spaß an: Die Kriegsfilmparodie mit schamlos überzogenen Blutlachen, Waffen mit unendlich viel Schuss Munition und tragischen Helden, die von einem ganzen Batallion niedergestreckt werden, aber noch immer genug Kraft für bewegende letzte Worte haben.
Die verrückte Hirn-aus-Komödie, die im charmanten Ben-Stiller-Stil trottelige Charaktere zeigt, die mit ihrem Tunnelblick schlimmen Situationen gegenübertreten und den Umständen einfach nicht Herr werden, wo der Wahnsinn eskaliert, vermeidet aber peinliche Fremdschäm-Momente.
Und nicht zu letzt die abgedrehte Hollywood-Satire, die selbstverliebten und sich überschätzenden Schauspielern, dem geldgeilen Studisystem und abgenutzten Filmkonzepten einen Spiegel vorhält. Das ganze noch mit zahlreichen Gastauftritten garniert, die sich um die bunt gemischte Hauptdarstellerriege reiht, und wir haben einen kleinen Streifzug durch die Welt des Humors zusammengestellt.
Liebhaber der subtilen Komödien oder in der Realität verwurzelten Filmen, die mit feingeistigem Witz im Detail ein Schmunzeln auf die Gesichter zaubern werden hier trotzdem keinesfalls zufrieden gestellt, doch Freunde der lauten und schrägen humoristischen Gangarten werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

Dass der derbe und grenzenlose, aber nie beleidigend werdende, Spaßmarathon in Tropic Thunder nahezu reibungslos abläuft, ist vor allem der Darstellerriege zu verdanken, die völlig in ihren Rollen aufgeht, allen vorran Robert Downey, jr. als überengagierter und möglicherweise dadurch schon psychisch verwirrter Über-Schauspieler Kirk Lazarus. Allein schon die Idee, ihn einen australischen Schauspieler spielen zu lassen, der einen afro-amerikanischen Soldaten aus dem Klischee-Einmaleins verkörpert und sich dabei all zu sehr in sein Dasein als Schwarzer hineinsteigert und es auch außerhalb des Drehs nicht mehr ablegt ist großartig - doch sie wäre lediglich ein guter Gedanke, würde Downey nicht mit Leib und Seele in dieser Rolle und mehr noch in deren Rolle aufgehen. Man kauft ihm den ehrgeizigen und verschrobenen, überaus talentierten Schauspieler ab, verliert dies jedoch schnell aus dem Blick und sieht wahrlich einen afro-amerikanischen Charakterdarsteller vor sich, der sich seinen Kollegen gegenüber zu sehr mit seinem Ghetto-Gerede und dem "schwarzen Tonfall" aufspielt.
Was auf dem Papier (oder dem Bildschirm) vielleicht noch leicht verworren klingt, ist auf der Leinwand einfach nur noch zum wegschmeißen. Dem Spiel mit den verschiedenen Identitäten, die Downey jr. (oder doch nur Downeys Rolle?) hier so leidenschaftlich annimmt, kann man einfach nicht wiederstehen. Die köstlichen Reaktionen seiner Umwelt runden das ganze perfekt ab.

Natürlich ist dies aber auch ein gefundenes Fressen für Synchro-Hasser - schließlich könne man Downey jr.s Rolle unmöglich adäquat umsetzen. Der "schwarze Dialekt" und das Ghettoenglisch funktionieren auf Deutsch nicht so wie im Original, da es diese Klischees hier nicht so gibt.
Was die Synchrogegner aber unterschätzen ist das schauspielerische Talent der deutschen Sprecherelite, der auch Charles Rettinghaus (Downeys Stammsprecher) angehört. So viele stempeln im DVD-Zeitalter Synchronisationen als hölzern ab und tun ihnen somit unrecht: Was von alleine nicht funktioniert, muss die deutsche Synchro halt durch Mühe wieder wett machen. Und tatsächlich hört man auch auf Deutsch die Unterschiede zwischen dem "schwarzen" und dem "echten" Kirk Lazarus heraus.
Um die assoziativen Defizite auszugleichen, nahm man sich die bestmöglichen Alternativen zur Brust. Andere Komödien ersetzen übertriebene US-Dialekte durch deutsche Dialekte, wie etwa hessisch oder bayrisch, was hier natürlich nicht gepasst hätte, also ersetzte man das "Böser-schwarzer-Mann-aus-dem-Ghetto"-Vokabular durch deutsche Straßensprache. Das Prolldeutsch bleibt dabei glücklicherweise in einem erträglichen Rahmen, da es allzuschnell deplatziert wirken könnte. Schließlich spielt Downey einen Australier, der einen schwarzen US-Soldaten im Vietnamkrieg verkörpert, und nicht etwa einen Australier mit turko-deutschen Wurzeln und einem starken Sonnenbrand.

So, wie man das Prolldeutsch aber einsetzte, machte die Synchronregie das Beste aus der zugegebenermaßen vertrackten Situation. Natürlich ist der deutsche Ton hier nicht ganz so pointiert und geschliffen, da der Film nicht für diese sprachlichen Ausschweifungen von Downeys Rolle geschrieben und geschnitten wurde, aber es bleibt dennoch viel Humor erhalten.
Den Tonfall, die Betonung und die Stimmfärbung von Rettinghaus in seinen "schwarzen" Momenten ist dagegen rundum gelungen - hilfreich für die Rolle ist dabei auch, dass Rettinghaus schon mehrere afro-amerikanische Rollen sprach (darunter Deacon aus King of Queens), was zwischenzeitlich die Illusion aufbaut, dass er hier erneut einen schwarzen Darsteller spricht.

Es ist aber nicht nur Downey jr., der hier Lob verdient. Auch Ben Stiller geht in seiner Rolle auf und vereint das liebenswürdig trottelige seiner populärsten Rollen mit dem eines abgebrühten Actionfilmdarstellers, so dass man ihm beide Facetten seiner Rolle abkauft.
Die Gast- und Nebendarsteller passen sich diesem Niveau nahtlos an, darunter Nick Nolte als kaputter Vietnam-Veteran [Spoiler]und auch der heimliche Star des Films: Tom Cruise, der als fetter, überaus behaarter, glatzköpfiger und wild fluchender, geldgieriger und sich sehr seltsam benehmender Studioboss nicht nur eine Rundumklatsche an Hollywood-Mogule wie Joel Silver und Harvey und Bob Weinstein oder die heimliche Vorlage der Rolle, Ben Stillers Stammproduzent Stuart Cornfeld, verteilt, sondern auch noch stellenweise sich selbst und sein überdrehtes Auftreten in den Medien auf die Schippe nimmt. Wohl mit Abstand seine beste Rolle seit seinem jüngsten Popularitätsabsturz. [/Spoiler]

Leider bleibt ausgerechnet der von mir so geschätzte Jack Black ziemlich farblos, jedoch bot seine Figur auch nicht sonderlich viel Potential. Schade ist auch, dass sich zwischen all den herrlichen Wortwitz- und Slapstickmomenten, den genialen Parodien und den pointierten Seitenhieben auch ein paar lahme Parodien eingschlichen haben. Manchmal begnügt sich Tropic Thunder dann doch mit der naheliegendsten Nachahmung einer Szene oder eines Klischees, ohne viel hinzu zu fügen. Der Witz bleibt zwar auch in solchen Szenen weit über dem Niveau solcher Filme wie Date Movie, doch im Vergleich zum restlichen Film fallen sie dann doch zu sehr ab. Vor allem kurz vor dem großen, rasanten und auch lauten Finale gönnt sich Tropic Thunder eine kurze Verschnaufpause, in der die Brüller durch Schmunzler ersetzt werden und auch die Trefferquote was nachlässt.

Allerdings sind das im Grunde genommen nur Kleinigkeiten, langweilig wird Tropic Thunder niemals, und obwohl auf manchen Gags lange herumgeritten wird, so bekommt man nie genug von ihnen. Stiller, der am Drehbuch beteiligt war und Regie führte, findet stets den richtigen Zeitpunkt um die Schraube weiterzudrehen. Das und die Detailverliebtheit lassen den Zuschauer letztlich noch nach mehr schreien.
Eine Fortsetzung wird es wohl kaum geben, doch das virale Marketing zum Film komplett mit Fake-Webseiten und einer Mockumentary, die sich als Making of des fiktiven Tropic Thunder ausgibt. Material für die DVD wird also zu Genüge vorhanden sein.

Nach dem langweiligen und bemühten Nachts im Museum ist Tropic Thunder die umso glorreiche Wiedergutmachung Stillers. Weiter so.

Siehe auch:

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich hatte das Gefühl, dass Tropic Thunder in Deutschland wieder einer dieser Filme war, die auf Unverständnis stießen. Eine Freundin, mit der ich immer die etwas... unkonventionelleren Filme anschaue, wollte zuerst auch nicht mit mir reingehen, aber meinen freundlich dargebrachten Argumenten musste sie sich dann doch beugen.

Sie hat sich weggeschmisse. *g* Was klar war. Natürlich ist der Humor ziemlich überzogen und allein aufgrund des Kriegsfilmgenres auch recht krass, aber fast alle Gags sind Treffer.

Robert Downey Jr. ist natürlich grandios. Seine Erklärung dafür, wann man einen Oscar erhält, ist einfach herrlich (und nur zu wahr) - und dass die Academy ihn tatsächlich nominiert hat, ließ micht doch sehr lachen. Welch Ironie - muss ihm auch gefallen haben.*g*

Ach, immer diese leidlichen Diskussionen über Synchronisationen. Ich gebe zu, dass ich meist viel zu faul bin, mir die Filme auch noch im Original anzuschauen (von Ausnahmen abgesehen, eben z.B. Sweeney Todd, der für mich synchronisiert gar keinen Sinn macht; dass bisschen was David Nathan da sprechen durfte. *g*). Das wird immer alles so mies gemacht, dabei sind unsere Synchronsprecher so gut wie alle höchst professionell und versuchen, dem Original so gerecht wie möglich zu werden. Es gehen in der Übersetzung usw. natürlich auch Dinge verloren, aber das liegt nun mal an der Tatsache an sich, dass synchronisiert wird.

Die Trailer zu Beginn des Films waren auch herrlich, sehr treffend. "Beide Daumen hoch, hoc, hoch!" ;)

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