Montag, 3. November 2008

Lordi: Deadache

Nachdem ich den Soundtrack von High School Musical 3: Senior Year über den grünen Klee lobte, was kann da noch kommen? Womit werde ich mich musikalisch als nächstes beschäftigen? Richtig, mit einer Rezension der neuen Lordi-Platte, Deadache.
Ach kommt, guckt nicht so überrascht... Ich zumindest halte mich in meiner Inkonsequenz für ziemlich konsequent. Und so sehr schließen sich diese Interessen auch nicht aus...
Hallo? Habt ihr mir genug widersprochen? Dann darf ich ja mit der Rezension fortfahren, oder...?

Deadache ist das vierte Studioalbum der in Horroroptik gekleideten Finnenrocker, die klassischen und traditonellen Hard-Rock-Sound munter mit schnellem sowie melodischem Heavy Metal und (leicht?) augenzwinkender Monster- und Horrorfilmthematik in ihren Texten verbinden.
Die mittlerweile zwölf Jahre alte Band erlangte ihre heutige Popularität wohl vornehmlich durch ihren sensationellen Auftritt beim Eurovision Song Contest 2006, wo sie den Sieg mit einem Rekordergebnis nach Hause holten. Die Grand-Prix-Single Hard Rock Hallelujah und das dazugehörige Album The Arockalypse wurden europaweite Erfolge (das Album holte u.a dreifach Platin in Finnland und Gold in Deutschland). Entsprechend größer wurde der Fankreis und umso höher auch die Erwartungen.

Im neuen Album Deadache lassen allerdings die helleren und offensichtlicher vergnügten Klänge eines Hard Rock Hallelujah oder Who's Your Daddy wieder nach, was so manche beim Song Contest angefixten Monsterrockanhänger mit fragenden Ohren zurücklassen wird. Rein stilistisch ist Deadache eher mit den kleinen, spaßig-düsteren Nischenalben zu vergleichen, die man sonst so in dem Regal finden wird, wo die Elektronikmärkte das neue Lordi-Album platzieren werden. Dabei ist Deadache keineswegs eine alternative Independent-Platte. Bereits Arockalypse wurde aufwändig produziert und hatte von der Klangqualität und der fast schon epischen Tragweite der Instrumentalisierung so manche Erinnerung an den stolzen und effektreichen Glam Rock vergangener Zeiten erinnert (selbst wenn die Stilistik der Musik diesen Vergleich zur Diskussionsgrundlage macht).
Deadache merkt man den Erfolg des Vorgängers an: Gespart wurde hier keineswegs, die Finnen feuern aus allen Rohren, was sich mit der dunkleren, engeren Gesamtklangästhetik des neuen Albums zu einer ganz reizvollen Geräuschverführung vereinigt. Man muss halt bloß das Ohr dafür haben. Denn im Gegensatz zu Arockalypse werden Lordi Deadache nur schwerlich als Einstiegsdroge für Neuzukömmlige gebrauchen können. Es ist bei diesem Album schon von Vorteil, die Monster bereits zu kennen.

Wer sie aber kennt (und beim Vorgänger auch Songs neben den launigen Krachern Who's Your Daddy und Hard Rock Hallelujah mochte) bekommt genau das geliefert, was er von Lordi zu erwarten hat, ohne dass Lordi bloß alten Alben ein neues Booklet verpasste. Sie wiederholen sich keineswegs, sondern bleiben sich einfach nur treu. Dieses Mal weniger monströs-glamourös, dafür mit mehr Horrorfilmanleihen und einem härteren Einschlag. Genauso wie zuvor machen Lordi noch immer Spaßnummern, wie etwa bei Track 2, Girls Go Chopping. Von dem Wortspiel muss man sich erstmal erholen, bevor man zu den schnellen, energischen Riffs mitbangen kann.
Für Kenner ebenfalls spaßig ist auch Devil Hides Behind Her Smile (Track 12), mit welchem sich das Album wohl auch am ehesten erklären lässt: Neben den strikteren Songs gibt es ebenso wie beim Vorgänger auch Songs mit einem musikalisch vermittelten breiten Grinsen. Waren diese beim Vorgänger aber auch musikalisch heller und (so sehr ich diese Umschreibung auch hasse) "massentauglicher". Der Anleihen vom Phantom der Oper nehmende Song Devil Behinds Her Smile ist dagegen vergleichsweise düster, kratzig und halt "härter".

Noch kantiger, schwerfälliger und "metalliger" erweist sich der sehr strigente Bite It Like a Bulldog (Track 3), der auch als erste Single-Auskopplung dient. Hier fehlt mir leider die Lordi-Mischung aus hartem und eingänig-melodiösem Material. Es müssen ja nicht gleich wieder partytaugliche Lieder wie Hard Rock Hallelujah sein. Man Skin Boots (Track 5) geht nach dem viel zu langsamen und eintönigen Monsters Keep Me Company den richtigen Weg, und zerhäckselt schnelles und schweres zu einem unverkennbaren Lordi-Sound. Genial, wie sich die Gitarre in der zweiten Hälfte aus dem dunklen, einfachen Sound der ersten eineinhalb Minuten rauszerren lässt und zu einem fast psychadelischen Solo steigert.

Simpel, bass- und gitarrenlastig ist auch Dr. Sin is In (Track 6), der mich nach kurzer Eingewöhnungszeit faszinierte. Schaurige Gesangsmelodie, Gitarren und Bass wie AC/DC (aus Transylvanien) und dann noch ein schön dunkles, starkes Schlagzeug. Sehr gut.

Sehr Keyboard-lastig geht es dagegen bei The Ghost Of The Hetcha Head (Track 7) zu, der einen in den Soli glatt Mal in die 70er Jahre zurückwirft. Der Nostalgie-Faktor (beziehungsweise die liebevoll-brutale Zerstückelung vergangener Rockstilistika) ist für mich eh einer der Anziehungsfaktoren Lordis.
Direkt danach darf bei der Horror-Ballade Evilyn übrigens aus voller Seele und herzlich mitgegröhlt und Fackel-schwingend geschunkelt werden (sofern man seine Arme nicht an den hungrigen Zombie gegenüber verloren hat). Atmosphärisch schließt sich gleich der wohl ungewöhnlichste Track an, The Rebirth Of The Countess ein fast zweiminütiges, ruhig-bedrohliches Stück mit sanftem, französischen Sprechpart. Viel schneller (und mir persönlich etwas zu einfach gestrickt) ist da schon Raise Hell in Heaven (Track 10), wo man fast Angst hat, die Gitarre würde in Flammen aufgehen. Obwohl das sicher zur Bühnenshow passen würde.

Der "Titelsong" Deadache (Track 11) kommt dann cool-groovy rüber, ohne den rockigen Monsterstil zu untergraben. Musikalisch wohl die faszinierendste Nummer des Albums und ein kleines Kunststück, was dafür naturgemäß ein klein wenig auf Kosten der Eingängigkeit geht.

Missing Miss Charlene (Track 13) beendet in hübscher, aber nicht im Kopf festsetzender, Horrorfilmstilistik und mit Kinderchor sowie 5 Minuten Laufzeit die normale Version von Deadache.
Für etwas mehr Geld gibt es eine Luxusvariante mit Lordi-Maske und Bonustrack, der wie ich finde jedoch nur wenig taugt.

Fazit: Das neue Album ist weniger eingängig, dafür kantiger und klingt beim durchhören zusammenhängender. Mit Ausnahme des mehr als fünfminütigen Monsters Keep Me Company geht kein Song total daneben, auch wenn die erste Singleauskopplung zumindest meine Vorlieben nur kurz streift. Die anderen Lieder dagegen sind gut, und mit The Ghost Of The Hetcha Head, Girls Go Chopping, Devil Hides Behind Her Smile und Man Skin Boots habe ich auch ein paar klare Favoriten gefunden. Es fehlt bloß an einem absoluten Überkracher...
Kauftipp für Lordi-Kenner, alle anderen sollten erst reinhören und im Zweifelsfall mit Arockalypse in den Monsterwahnsinn einsteigen, bevor es zum Deadache-Kauf kommt.

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