Mittwoch, 26. November 2008

True Romance

Die brutale und schonungslose Liebesgeschichte eines Einzelgängers und eines Callgirls. Coole Sprüche. Ehrliche Liebe. Brutales Gemetzel. Und Drogen.

Christian Slater (Der Name der Rose, Robin Hood, Interview mit einem Vampir) in der Hauptrolle.
Patricia Arquette (Ed Wood, Lost Highway) in schampigen Outfits.
Brad Pitt (Se7ven, Fight Club, Twelve Monkeys, Die Ocean-Trilogie) als relaxter Kiffer, der nie seine Couch verlässt.
Dennis Hopper (Easy Rider, Apocalypse Now) und Christopher Walken (Pulp Fiction, Annie Hall) in einer übercoolen Dialogszene über die genetischen Vorfahren der Sizilaner. Val Kilmer (Deja Vu, Top Gun, The Doors) als Elvis. Gary Oldman (Batman-Filme, Harry Potter-Filme, JFK). Samuel L. Jackson (Pulp Fiction, Stirb langsam 3, Unbreakable,...), James Gandolfini (8mm, Sopranos). Die Musik stammt aus der Feder von Pirates of the Caribbean- und Gladiator-Komponist Hans Zimmer.
Regie von Tony Scott (Top Gun, Der Staatsfeind Nr. 1, Mann unter Feuer).
Drehbuch: Quentin Tarantino, Meister des Kults.

Klingt nach dem Stoff, aus dem unsterbliche DVD-Geheimtipps sind? Nach einem weltberühmten Kultfilm?

Nunja. Nicht so ganz. Zwar hat True Romance dank der zahlreichen Fans seines Drehbuchautors in den Jahren seit seinem Kinostart (1993) eine treue Anhängerschaft aufgebaut, an den Klutstatus eines Natural Born Killers oder From Dusk Till Dawn (zwei anderen Tarantino-Skripten, die nicht von ihm verfilmt wurden) reicht er jedoch bei weitem nicht heran. Geschweige denn an die treue Fanliebe, die "echte" Tarantinos erfahren.

Weshalb True Romance trotz dieser geballten Starpower zu seiner Zeit kein Riesenerfolg wurde, lässt sich ja dadurch erklären, dass viele seiner Zugpferde erst später den kultigen Ruhm genießen durften. Tarantino war zum Kinostart noch nicht so bekannt wie heute, Brad Pitt stand ebenfalls am Anfang seiner Karriere. Und sogar Samuel L. Jackson war zu dieser Zeit nicht der obercoole "Motherfucker" der er heute ist. Zudem ist seine Rolle im Film verflixt klein.

Doch wieso konnte sich True Romance nicht über die Jahre hinweg einen so hohen Status aufbauen, wie es Natural Born Killers und From Dusk Till Dawn taten? Warum ist True Romance eine Fußnote im Kultgefahrbericht der 90er-Jahre?
Diese Frage kann ich nicht mit der nötigen Expertise beantworten, allerdings kann ich erklären, warum mir persönlich True Romance nicht so wirklich gefällt. Und vielleicht lassen sich einige meiner Kritikpunkte auf andere Zuschauer übertragen - womit wir dem Geheminis der im Vergleich zu anderen Tarantinos geringe Popularität auf die Spur kämen.

Mein Problem mit True Romance ist sogar schnell zusammengefasst: Die interessante Mischung aus ungewöhnlicher Liebesgeschichte und knallhartem Gangster-Roadmovie scheitert ganz einfach am Regisseur. Beziehungsweise am Drehbuchautor.

Tarantino schreibt am besten für sich selbst. Er schreibt Geschichten, wie er sie liebt, wie sie ihm als Filmemacher liegen. Er schreibt was er sehen und filmen will. True Romance hat auf der Handlungsebene den waschechten Tarantino-Stil mit obercoolen Dialogen, die Charaktere lassen auf Tarantinos distinktives Figurenrepertoire zurückschließen, die Gewalt ist typisch Tarantino. Doch die Umsetzung ist nicht von ihm.

Tony Scott ist kein schlechter Regisseur, auch wenn er vor allem bei elitären Filmkritikern weit hinter seinen Bruder Ridley zurückfällt, er schafft Spannung und ist gehört visuell zu den stärkeren aktiven Actionregisseuren. Aber er ist nunmal nicht Tarantino. Unter Scott wirken die Charaktere zu verschroben, die Dialoge knallen gegen die restliche Inszenierung, laufen auf. Als Slaters Charakter früh im Film erfährt, dass seine neue Bekannte und Geliebte ein Callgirl ist, das damit beauftragt wurde in dieser Nacht mit ihm zu schlafen, nimmt er es total locker hin.

In Tarantinos sowieso verzerrtem Filmuniversum würde dies überhaupt nicht stören, doch in True Romance sitzt Quentin nicht auf dem Regiestuhl, und das spürt man. Diese unvergleichliche, leicht überzogene stetige Aura des unwirklich-coolen fehlt einfach, macht die überaus simple Beziehung zwischen den Hauptfiguren albern. Realistisch wäre die so zweidimensional gezeichnete Liebe eh nicht, aber bei Tarantino hätte sie einen gewissen Style, würde Flair ausstrahlen. Leider schafft Scott es nicht, den tarantino'schen Inhalt auf Tarantino-Weise umzusetzen, oder aber den Inhalt sich selbst anzupassen.

Unter Scott, der eher für ästhetische Verfolgungsjagden und Explosionen steht, wirken auch die tarantino'schen Blutorgien deplatziert. Einige Gewaltspitzen würden bei Tarantino unvermeidlich und zum Film passend wirken, doch in True Romance erscheinen mir die harten Szenen unnötig, aufgesetzt und selbstverliebt.

Diese zwei Mängel ziehen - für mich - den Gesamtgenuss von True Romance so sehr runter, dass die guten Pointen und der originelle Verlauf des Films nicht mehr zum tragen kommen. True Romance schafft es bei mir einfach nicht, seine Mängel zu überdecken. Ähnlich geht es auch Natural Born Killers (den ich zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht auch hier im Blog bespreche), allerdings reizt mich bei ihm die Komponente der Mediendiskussion genug, um den gesamten Filmgenuss zu rechtfertigen - und dank seiner schrägen Visualität und der exzessiven Gewalt baut er sich in (vornehmlich männlichen) Jugendgruppen auch genug weitere Reize auf, um zum Kult zu werden.

Wirklich gut ist unter den Ergebnissen von Tarantino-Drehbüchern, die sich andere Regisseure vorknöpften, bloß From Dusk Till Dawn von Rodriguez, dem man die Freundschaft zu Tarantino anmerkt. Zwar haben beide Regisseure einen eigenen visuellen Stil und gänzlich andere Neigungen was das Erzähltempo angeht, doch sie sind dennoch auf der gleichen Wellenlänge...

Darum trauere ich Tarantinos außerordentlich produktiven Zeit der 90er nicht nach - nur er selbst und Rodriguez können Tarantinos Drehbücher gebührend umsetzen. Und da ich Rodriguez eigene Werke auch sehr mag, wäre es schade, wenn er denen Zeit abzwacken würde, um Tarantinos Drehbücher zu verfilmen.

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