Donnerstag, 19. Februar 2009

Die vierte Oscar-Prognose 2009: Wer holt sich den Goldjungen?


Am Sonntag ist es wieder so weit: Zum mittlerweile 81. Mal werden die Oscars verliehen. Dieses Jahr ging es wieder drüber und drunter, Oscar-Favoriten stiegen auf, verbrannten sich an den Kritikern die Finger, andere waren urplötzlich da und wieder andere scheiterten an ihrem Ursprungsmaterial (iiiihhh, ein Superheldenfilm) oder an ihrem Medium (Computeranimation schön und gut, aber nicht in der Hauptkategorie!).

Nach dem eher mittleren Erfolg meiner letzten Prognose, in der ich versuchte die Nominierungen richtig vorherzusagen, setze ich nun alles daran euch an dieser Stelle die Gewinner der großen Oscar-Nacht vorwegzunehmen. Neben bisher verliehenen Preisen fließen in diese Überlegungen auch althergediente Oscar-Klischees und -Vorurteile mit ein sowie mein geschätztes Bauchgefühl.

Nun schaut nicht so, alle anderen Oscar-Tipps entstehen mittels des selben Prozesses, nur gebe ich das wenigstens zu.
Hier sind also meine Oscar-Tipps. Solltet ihr auf sie Geld wetten und dank mir reich werden: Schickt mir einen großen Batzen von der Kohle. Solltet ihr duch diese Tipps verarmen: Was hört ihr Idioten auch auf einen dahergelaufenen Typen aus dem Internet?!

Bester Kurzfilm: Alle vier Kurzfilme klingen sehr interessant. Und mit Ausnahme von The Pig, einem dänischen Kurzfilm der eine Diskussion über den Wert von persönlichen und religiösen Rechten abhält, indem er davon erzählt, wie in einem Krankenzimmer ein Bild eines Schweins abgehangen werden soll, weil es ein islamischer Patient verlangt, und Manon on the Asphalt, über eine Frau die während eines Fahrradunfalls eine außerkörperliche Erfahrung erlebt, haben auch alle bereits auf Kurzfilmfestivals und -preisverleihungen abgeräumt.
Ich tippe auf den irischen Beitrag New Boy über einen afrikanischen Immigrantensohn, der Probleme auf seiner neuen Schule hat. Dieser soll sowohl komödiantische als auch dramatische Elemente enthalten und ist, zusammen mit dem schweizer Beitrag Auf der Strecke, der einzige Kurzfilm, der dieses Jahr eine Oscarkampagne erhielt. Das muss doch irgendwas wiegen.

Bester animierter Kurzfilm: Eine weitere Kategorie, in der ich gern alle Beiträge kennen würde, doch so lange die Acadamy nicht über ihren Schatten springt und einen offiziellen Youtube-Kanal öffnet, muss ich mit beschränktem Wissen an diese Kategorie gehen. Ich kenne nur zwei der Nominierten, doch beide gehören zu den wahrscheinlichsten Gewinnern:
Der populärste Film in dieser Kategorie ist ganz klar Presto, der zudem hervorragende Kritiken erhielt. Ein guter Ruf und ein hoher Bekanntheitsgrad können nie schaden und bei der Abstimmung das rettende Zünglein an der Waage sein. Die meisten Preise erhielt bislang aber This Way Up über zwei Bestatter, deren Leichenwagen zerstört wurde und nun verzweifelt versuchen mit dem zu transportierenden Sarg zu einer Beerdigung zu kommen.
Presto ist der besser, flüssiger animierte Film von diesen beiden und könnte vielleicht auch davon profitieren, dass seit For The Birds (dem Monster AG-Vorfilm) kein Pixarkurzfilm mehr gewonnen hat. Möglicherweise genügt das, um einige der Oscar-Wähler weich zu machen. Zusammen mit der dieses Jahr (hoffentlich) überquellenden Pixar-Liebe könnte das für Presto den Ausschlag geben.
Beste Kurzdokumentation: Dieses Rennen entscheidet sich wohl zwischen The Conscience of Nhem En und The Witness From the Balcony of Room 306. Erster behandelt einen Soldaten, der in seiner Jugend als Gefängnisfotograf dafür zuständig war Gefangene kurz vor ihrer Exekution durch die Roten Khmer zu fotografieren, der zweite Film handelt von einem Reverend, der von seinem Hotelzimmer aus die letzten Lebensmomente und die Ermordung von Dr. Martin Luther King jr. mitbekam. The Conscience of Nhem En stammt von Dokumentarfilmer Steven Okazaki, der bereits zum vierten Mal für einen Dokumentarfilm nominiert wurde (und bereits einmal gewann). Ich tippe dennoch (oder gerade deshalb?) auf The Witness From the Balcony of Room 306.

Bester Dokumentarfilm: Keine Frage: Der von den Kritikern umjubelte und mit Preisen überhäufte Man on Wire - Der Drahtseilakt über den Franzosen Philippe Petit, der am 7. August 1974 auf einem Drahtseil zwischen den Zwillingstürmen des World Trade Centers balancierte wird sich diesen Oscar schnappen können.
Bester fremdsprachiger Film: Während WALL•E seiner verdienten Nominierung in der Kategorie Bester Film beraubt wurde und somit nicht den noch mehr verdienten Sieg feiern kann, wird Waltz with Bashir als erster animierter Film in dieser Kategorie ausgezeichnet. Wenigstens auf diesen Weg wird das Medium des Animationsfilms endlich mit etwas mehr Anerkennung versehen.


Bestes Make Up: Die Wahl fällt zwischen fantastisch (Hellboy II), düster-realistisch (The Dark Knight) und leicht träumerisch realistisch (Benjamin Button). Da Hellboy II eine Fortsetzung ist, der Vorgänger gar nicht nominiert wurde und viele der aufwändigen Charaktere bereits im ersten Teil zu sehen waren, bezweifle ich, dass er gewinnen wird. Somit entscheidet es sich wohl zwischen The Dark Knight (welcher im Grunde wohl allein für den Joker nominiert wurde) und Benjamin Button. Letzterer hatte streckenweise aber viel CG-Unterstützung, allerdings ist das Alters-Make-Up an Cate Blanchett und das weniger effektreiche, aber effektiv eingesetzte Make Up für den äußerlich Ende 60 bis ca. Anfang 50 Jahre alten Benjamin Button wahrlich erstaunlich. Ich tippe aufgrund des Sieges in der Make Up-Kategorie bei den BAFTAs auf Der seltsame Fall des Benjamin Button.

Beste Kostüme: Ganz klar Die Herzogin, der typischste "Kostümfilm" dieses Jahres.

Bestes Szenenbild: Mit Blick auf bisherige Preisverleihungen sind in dieser Kategorie Benjamin Button und The Dark Knight die Favoriten. So großartig The Dark Knight auch sein mag, und so wichtig das Szenenbild für die Atmosphäre des Films sein mag, so ist Benjamin Button hier klar der künstlerischere. Die Gratwanderung zwischen poetisch verschnörkelt und realistisch prägt sich zudem stärker ein, weshalb Button in dieser Kategorie mein Favorit ist. Und ich denke, dass die Acadamy ähnlich fühlt.

Beste Effekte: Iron Man ist zu knallig, bei Benjamin Button sind die Effekte zu subtil und gehen in die Kategorien Make Up oder auch Schnitt und Kameraarbeit ineinanderüber, The Dark Knight hat bombastische, dramatische Effekte und das sogar zum großteil praktisch und ohne Computerhilfe. Das sollte den Sieg bedeuten.

Beste Kamera: Die Favoriten sind Der Vorleser, Slumdog Millionär und The Dark Knight. Deakins, der bereits achtmal für einen Oscar nominiert wurde wird seinen wohl verdienten Oscar hoffentlich für einen spektakuläreren, eher seinem Stil entsprechenden Film als Der Vorleser bekommen, womit der große Oscar-Favorit und der große Publikumsliebling übrig bleiben. Während der Kameramann von Slumdog (Anthony Dod) nun erstmalig nominiert wurde, ist dies die dritte Nominierung für Wally Pfister, der zuvor schon für Batman Begins und Prestige nominiert wurde. Da Pfister schon dort zu den großen Favoriten gehörte, und er in The Dark Knight zudem mit dem IMAX-Format arbeitete und somit die Kameraarbeit für narrative Langfilme erneuerte tippe ich darauf, dass er gewinnen wird. Es war eine kleine technische Revolution, und die wird hoffentlich entlohnt.
(Anmerkung: Je mehr Wallys einen Oscar gewinnen, desto besser. ;-) )

Bester Schnitt: Slumdog Millionär gewann fast alle Oscarindikatoren für den besten Schnitt und unterlag lediglich bei den Satellite Awards und zwar gegen den (bei den Oscars nichtmal für den Schnitt nominierten) Iron Man. Deshalb sollte der Danny-Boyle-Film ein sicherer Kandidat sein.
Bester Ton: Die meisten Nominierungen für Tonschnitt erhielten bei anderen Preisverleihungen WALL•E, The Dark Knight und Slumdog Millionär. Mein Favorit wäre natürlich WALL•E, jedoch ist es bislang keinem Animationsfilm gelungen in dieser Kategorie einen Preis einzuheimsen (im Gegensatz zum Tonschnitt, wo Die Unglaublichen einen Sieg davontrugen). Die gesamte Tonabmischung von The Dark Knight könnte der Acadamy etwas zu aggressiv rüberkommen, weshalb Slumdog Millionär zum klaren Favoriten avanciert. Jedoch gewann ein unscheinbarer Film namens Hello, Dolly in dieser Kategorie seinerzeit einen seiner drei Oscars. Wenn das Mal kein Wink des Schicksals ist. WALL•E wird gewinnen.

Bester Tonschnitt: Während in der Kategorie "Bester Ton" das Endergebnis prämiert wird, werden hier die einzelnen Elemente begutachtet, also auch die Herstellung der einzelnen Soundeffekte. Somit stehen in dieser Kategorie die Chancen für WALL•E gleich um einiges besser, zumal hier bereits die "Furcht" vor Animationsfilmen abgebaut sein sollte. Des Weiteren erhielt Sounddesigner Ben Burtt sämtliche seiner bisherigen Oscars für den Tonschnitt bzw. das Sounddesign, während er in der anderen Tonkategorie zwar nominiert, aber noch nicht ausgezeichnet wurde.
Im Zweifelsfall gewinnt dann doch Slumdog Millionär, auch wenn's schade wäre. Ein Film, der zu so weiten Teilen nur durch Töne erzählt wird, sollte entlohnt werden.

Beste Musik: Die großen diesjährigen Gewinner bei den Filmmusikpreisen sind Slumdog Millionär, WALL•E, The Dark Knight (nicht Oscar-nominiert) und Der seltsame Fall des Benjamin Button, welcher ein paar Kritikerpreise gewann. Für die Oscars, die in dieser Kategorie ausnahmsweise nicht für den ruhigsten Kandidaten ausfallen, halte ich den Score von Alexandre Desplat allerdings zu ruhig. Somit wird es sich wohl zwischen WALL•E und Slumdog Millionär entscheiden. Für WALL•E spricht Thomas Newmans bisherige Oscar-Statistik (er ist mittlerweile zehnfach nominiert), was langsam einen Entschuldigungsoscar herbeiruft, für Slumdog Millionär spricht der Sieg bei den Golden Globes und den BAFTAs sowie die generelle Beliebtheit des Films in der Acadamy. Mein Tipp lautet, dass Slumdog Millionär in dieser Kategorie die Nase leicht vorne haben wird.

Bester Song: Dafür wird sich WALL•E hier das Gold holen. In weiten Teilen ähnelt sich diese Kategorie mit der für die beste Musik. Die Favoriten bei anderen Verleihungen sind Bruce Springsteens The Wrestler (nicht nominiert) und halt Down To Earth aus WALL•E und Jai Ho aus Slumdog Millionär. Jai Ho tritt jedoch gegen einen Song aus den eigenen Reihen an, O Saya. Zwar ist er nicht auf der Fox-Searchlight-CD für Oscarjuroren zu hören, womit sich das Studio erhofft einer Teilung der Stimmen zu entgehen, jedoch ließ das Studio den Song auch vor Bekanntgabe der Nominierungen aus der Kampagne heraus. O Saya scheint also einen hartknäckigen Fanblock zu haben, der sich nicht für Jai Ho umstimmen lässt. Ob dieser wiederum ohne die O Saya-Fans genug Stimmen für einen Sieg erhält bleibt zu bezweifeln. Bei den Globes und den Grammys war Slumdog Millionär schließlich überhaupt nicht nominiert.
Außerdem kann man Thomas Newman, der an der Musik zum Song beteiligt war, über diesen Weg noch immer den Mitleidsoscar geben.

Bester Animationsfilm: WALL•E. Oder Hollywood wird in Flammen aufgehen!

Bestes Original-Drehbuch: Auf Gold Derby wird diese Kategorie hervorragend zusammengefasst: Es entscheidet sich zwischen dem einzigen Bester Film-Nominierten in dieser Kategorie (Milk) und WALL•E. Für WALL•E spricht, dass er jede Menge Hype für sich vereinnehmen konnte und dass die Juroren, die wissen wie schwer es ist ein gutes Drehbuch zu schreiben welches auf Dialoge verzichtet, die Leistung von Andrew Stanton garantiert sehr zu schätzen wissen. Allerdings kämpft WALL•E zugleich gegen das in die entgegengesetzte Richtung schlagende Vorurteil ("Welches Drehbuch? Was soll da schon drin stehen, wenn kein Dialog vorkommt?") und mit den üblichen Vorurteilen gegenüber Animationsfilmen. Dennoch glaube ich, dass WALL•E diesen Fluch endlich brechen und erstmals ein Animationsfilm für sein Drehbuch ausgezeichnet wird.

Bestes adaptiertes Drehbuch: Slumdog Millionär gewann bei den Globes, den BAFTAs und den Preis der Autorengewerkschaft. Sollte er gerade bei den Oscars verlieren, wäre es eine riesige Überraschung.

Beste Nebendarstellerin: Penelope Cruz (Vicky Christina Barcelona) ist schon länger für einen Oscar fällig und hat für diese Rolle bereits viel Ruhm erhalten. Sichere Wette.

Bester Nebendarsteller: Heath Ledger (The Dark Knight). Oder sonst bekommt die Acadamy vorgeführt, woher der Joker diese Narben wirklich hat.

Bester Hauptdarsteller: Wird wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Sean Penn (Milk) und Mickey Rourke (The Wrestler). Wenn letzterer gewinnt hätte es aber einen Oscar typischen "später Ruhm für zwischenzeitlich kaputten Typen"-Touch. Und deshalb wird er gewinnen.

Beste Hauptdarstellerin: Alle Nominierten erhielten bereits mehrere Preise (sowohl für diese Rollen, als auch früher in der Karriere), doch die meisten dieses Jahr gingen an Anne Hathaway, Meryl Streep und Kate Winslet. Hathaways Film Rachel Getting Married balanciert zwischen Komödie und Drama, was bei den Oscars eher ein Nachteil ist, allerdings erhielt er schon früh Oscar-Buzz ohne ihn später wieder einzubüßen. Winslet hat dieses Jahr einen Lauf, der vorerst in ihren zweifachen Globe-Gewinn gipfelte und Streep erhielt für ihre Rolle in Glaubensfrage noch mehr Lob als sie eh schon gewohnt sein sollte. Es könnte also jede dieser drei Damen sein.
Bei Winslet vermute ich allerdings, dass sie nicht auf ihren "Entschuldigungsoscar" hoffen kann - der Doppelsieg bei den Globes war bereits ein Trost. Ihr Oscarpech wird Kate Winslet, so vermute ich, erst bezwingen können, wenn sie (wieder) die Hauptrolle in einem klaren Oscarfavoriten hat. Der Vorleser hat dafür zu wenige Nominierungen und fällt auch in der Hauptkategorie nicht genug auf. Somit tippe ich auf Meryl Streep (Glaubensfrage), die große, alte Oscarfavoritin, die zum Abschluss ihres letzten Kinojahres einen Oscar erhält, nachdem sie mit Mamma Mia! bereits einen riesigen Publikumserfolg hatte.


Beste Regie und Bester Film:
Vor den Golden Globes wäre hier ein längerer Absatz von Nöten gewesen, um zwischen Danny Boyle / Slumdog Millionär und David Fincher / Der seltsame Fall des Benjamin Button abzuwägen, und wären die Oscars nicht zu sehr in ihre eigene Nische verliebt müsste ich hier noch Andrew Stanton / WALL•E, und Christopher Nolan / The Dark Knight berücksichtigen. Doch nun ist der Favorit eindeutig: Danny Boyle wird der beste Regisseur und Slumdog Millionär der beste Film.

Übersicht:

3 Kommentare:

The Great Gonzo hat gesagt…

Das der "Slumdog Millionaire" - Score überhaupt nominiert ist bzw. bei den Golden Globes gewonnen hat wundert mich sehr. Persönlich fand ich den grauenhaft unmelodisch, mit viel elektro und Bollywoodkitsch. Also mein Favorit ist hier ganz klar WALL-E.

Bei Bester Film/ Beste Regie ist Benjamin Button mein Favorit, da der zumindest Regietechnisch eine größere Bandbreite und wohl mehr Aufwand hat/hatte als Slumdog Millionaire. Da ich letzteren aber noch nicht gesehen habe, kann ich das auch noch nicht wirklich beurteilen.

Sonst wieder gut geschriebener Beitrag. :)

Sir Donnerbold hat gesagt…

Stets zu erwähnen, dass Wall-E überall gewinnen SOLLTE fand ich auch mittlerweile unnötig. ;-)

Wäre aber schon genial, wenn Wall-E auch den Musik-Oscar bekäme und dann mit sechs Siegen als der große Gewinner des Abends nach Hause ginge. Wäre ein überdeutliches Signal und ginge sicher in die Oscar-Geschichte ein.

Leider wird das wohl ein Traum bleiben (naja, Sonntag sind wir klüger). Ich werd's jedenfalls live gucken und dazu auch bloggen - so gut ich kann. Wenn Wall-E alles abräumt, werd ich vor lauter Freudentränen nix zu Stande bringen...^^

Kevin Kyburz hat gesagt…

jetzt hab ich also auch mal deine nominierten gelesen. wir ähneln uns da sehr, wall-e 4tw!!-Taktik und golden-globe-orientierung + der typiscke streep-bonus inklusive. so, jetzt druck ichs mir meins aus und dann guck ich mal morgen ;D

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