Mittwoch, 1. April 2009

Der Feel-Good-Movie des Jahrzehnts...


Äh, Moment einmal. Was? War ich im richtigen Film?
Kinotrailer, Plakate und Filmkritiken dreschten Kinogängern in den letzten Wochen immer und immer wieder diese Aussage entgegen: Slumdog Millionär ist der Feel-Good-Film dieser Dekade.

Sagt Mal, bin ich jetzt ein Sauertopf, weil ich nicht heiter durch die Straßen tanzte, als ich aus Danny Boyles mehrfach Oscar-prämierten Film kam? Oder spinnt der Rest der Welt?

So oder so, gestern hatte ich endlich die Gelegenheit mich selbst davon überzeugen zu können, ob Slumdog Millionär seine acht Oscars, das nicht enden wollende Kritikerlob und all diesen Trubel überhaupt verdient hat. Normalerweise würde nun an dieser Stelle eine für diesen Blog eher "typische" Rezension folgen, möglicherweise auch eine etwas ausführlichere, analystische wie für The Dark Knight oder WALL•E. Da ich aber gerade weder Lust darauf habe eine solche Kritik zu verfassen, noch eine Notwendigkeit besteht mich dennoch auf diese Weise mit dem Film zu befassen, gibt's an dieser Stelle einfach zur Abwechslung eine etwas lockere Kritik.
Und nun guckt nicht so enttäuscht oder verweist wütend auf diesen Beitrag ("Ach, darauf hast du Lust, auf eine analytische Slumdog-Rezi dagegen nicht?"), viele Filme die ich mir ansehe kommen gänzlich ohne Rezension im Blog aus, einfach weil mich die Schreiblust nicht packt.

Bei Slumdog Millionär dagegen habe ich Lust meine Gedanken kreisen zu lassen - aber halt auf andere Weise als sonst. Nachdem das nun geklärt ist, möchte ich nochmal unterstreichen, was mich so verwirrt:

Feel-Good-Movie des Jahrzehnts? Feel-Good? Jahrzehnt?
Zugegebenermaßen, Slumdog Millionär entlässt den Zuschauer mit einem zufriedenen Gefühl aus dem Kinosaal, mit einem Schuss Energie und einem Glauben daran, dass jeder in seinem Leben die Chance finden kann, glücklich zu werden. Das macht ihn in meinen Augen aber längst nicht zu einem echten Feel-Good-Movie. Zufrieden gehe ich immer aus dem Kinosaal, wenn der Film mindestens meinen (guten) Erwartungen entspricht. Die antreibende Energie, die Boyle freisetzt ist da schon etwas rarer wiederzufinden, das mag sein, aber trotzdem stehe ich ziemlich perplex vor dieser Titelierung als "Feel-Good-Movie".

Ja, Slumdog Millionär schafft es wundersamerweise zwischen den Welten zu agieren, uns einen Einblick in das Leben eines indischen Straßenkindes zu geben und Gewalt, Armut und Kriminalität anzusprechen, zugleich aber wie ein modernes Märchen oder mehr wie eine nach Indien verlagerte "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Träumerei a lá Horatio Alger zu wirken. Und diese schwer zu erreichende, hier einfach wie das Einmaleins wirkende, Vereinigung von grausamer Realität und traumhafter Erfolgs- und Liebesgeschichte macht einen Großteil der Faszination von Slumdog Millionär aus. Aber selbst wenn man dies berücksichtigt bleibt es dabei, dass wir fast den gesamten Film über nur ab und zu schmunzeln dürfen, wenn der clevere "Slumdog" Jamal sich mit Gerissenheit durchs Leben schlägt. Dem stehen genügend Szenen gegenüber, in denen sich Boyle dem harten und unnachgiebigem Leben der Armen widmet. Zu Gunsten der märchenhaften Elemente (und weil nicht jeder Film schockierend sein muss) hält er zwar nicht die in Nahaufnahme auf Leichen, Kindesmissbrauch und Schusswunden drauf, doch er geht mit der Realität um ein vielfaches ehrlicher um als Bollywood. Für "Hollywoods ersten von einem Briten gedrehten Bollywoodfilm" schon ein Ding, nicht wahr?
Vor allem hindert es mich daran, Slumdog Millionär als Feel-Good-Movie ansehen zu können. Mamma Mia! ist ein Feel-Good-Streifen (wenn gleich nicht unbedingt der Feel-Good-Film dieser Dekade), aber doch nicht Slumdog Millionär.

Das muss er auch nicht sein. Wirklich nicht. Man muss Slumdog Millionär nicht mit Biegen und Brechen in diese Nische drängen, bloß weil er von einem Jungen aus der Unterschicht handelt, der die Chance hat beim indischen Wer wird Millionär? 20 Mio. Rupien zu gewinnen und davon träumt endlich mit seiner Jugendliebe zusammenzukommen.

Slumdog Millionär ist in meinen Augen genauso wenig Feel-Good-Movie, wie Sozialkritik. Es sind Elemente des Films. Durchaus bedeutsame, denn sie machen den mitreißenden bzw. mitnehmenden Mix aus. Aber den Film mit diesen Begriffen zu etikettieren führt nur zu enttäuschten oder gar wütenden Kinogängern. Ich habe schon Leute gehört, für die im Film viel zu viel "fiese Szenen" vorkamen, und andere fanden ihn "abartig beschönigend".
Sicherlich hätte es so oder so manche Stimmen gegeben, die derartiges von sich geben, um davor gefeiht zu sein ist Slumdog Millionär eine zu undefinierbare Emotions- und Genremixtur. Aber die Kritikerstimmen und Marketingversprechungen züchten unzufriedene Kinozuschauer geradezu heran, befürchte ich.

Ich selbst litt ein klein wenig unter falschen Erwartungen. Zwar gab ich weder um das Feel-Good-Movie-Urteil etwas, noch um die "Versprechen" großer Sozialkritik, aber der Awardregen und die vielen Kritkerstimmen, die Slumdog Millionär wahlweise als das Highlight des Jahrzehnts in seinem Metier oder als bester Oscargewinner der letzten zehn Jahre bezeichneten beeinflussten mich da schon. Mir war zwar bereits vorher klar, dass ich wahrscheinlich anders denken werde, doch leicht enttäuscht war ich trotzdem.

Slumdog Millionär ist zweifelsohne zugleich unterhaltsam, als auch ernstzunehmen. Inspirirend und bewegend. Die Erzählstruktur gefällt mir ungemein (Rückblicke im großen Rückblick zeigen, wie Jamal wegen seines bewegten Lebens die Antworten auf die Fragen bei Wer wird Millionär? geben konnte), die Darsteller gut, die Optik zuweilen ein wenig zu hektisch geraten, ansonsten aber sowohl hübsch anzusehen als auch rau, dreckig, nah am Geschehen in den Slums.

Ein wirklich sehr gut umgesetzter Film mit einer guten Idee, bei dem mir das Gesamtpaket nochmal einen Tick besser gefällt als die einzelnen Elemente. Möglicherweise wirklich der beste aus den fünf für den besten Hauptfilm nominierten Oscar-Anwärtern dieses Jahres (ich muss noch Frost/Nixon nachholen) und somit ein verdienter Sieger. Dass dieser Slumdog aber nicht nur den Hauptgewinn absahnt, sondern für solch eine Massenbegeisterung sorgt... Naja... Da spielt wohl ein wenig das gute alte Timing mit. Scheinbar tauchte Slumdog Millionär einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf. Märchenhafter Optimismus in Mitten einer dreckigen Realität. Indisches Setting. Farbenfroh sowie alltäglich.

Ich finde Slumdog Millionär sehenswert, und ich sage ihm eine bessere Halbwertszeit voraus als manch anderen Oscar-Siegern (Shakespeare in Love!? Bester Film?!), der beste unter ihnen ist er aber noch lange nicht. Er ist nichtmal mein Liebling aus diesem Jahrzehnt. Und wie die Abspann-Tanznummer Jai Ho gegen Peter Gabriels Down to Earth verlieren konnte, welches das Pixar-Meisterwerk WALL•E perfekt abrundete und zu Ende erzählte, möchte ich besser nicht wissen...

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