Dienstag, 9. Juni 2009

Der lauteste und erfolgreichste "heimliche Star" aller Zeiten wird 75!

He’s got the sweetest disposition. He’d never, ever start an argument. He never shows a bit of temperament. He's never wrong but always right. He'd never dream of starting a fight. He get stuck with all the bad luck. He's our lovely... Donald Duck!

Den heutigen Gratulanten als "heimlichen Star" zu bezeichnen klingt sicherlich vermessen. Schließlich ist Donald Duck, der am 9. Juni 1934 sein Leinwanddebüt feierte, nicht bloß eine der bekanntesten und erfolgreichsten Cartoon- und Comicikonen aller Zeiten, jahrelang war er Mitglied der Speerspitze im Merchandisinggeschäft und seine Stimme kann man unter tausenden wiedererkennen. Mit seinem Temperament und seinem unwiderstehlichem Charme kann man ihn nicht einfach ignorieren. Was soll an diesem Wüterich also heimlich sein?

Donald ist deshalb der heimliche Star Disneys, weil er zwar allgegenwärtig, populär und unvergleichlich sympatisch, aber nie der penetrant nach vorne geschobene, mit Tamtam und Trara gefeierte Mittelpunkt ist. Er parkt sich im Schatten des wandelnden Konzernlogos Micky Maus: Donalds unförmige Silhouette verfrachtet ihn ein paar Ligen unterhalb der popkulturellen Wiedererkennbarkeit und Simplizität des Lollipopdesigns vom Kreiskopf- und Kreisohr-Mäuserich. Obwohl er jahrelang im Merchandisingbereich beliebter als Micky gewesen sein soll, wurde nicht er, sondern Micky durch die legendäre Ingersoll-Armbanduhr, die eine ganze Firma vor dem Konkurs bewahrte, zum Lizenzproduktgott ernannt. Und selbst wenn Donald bei den Sammlerstücken weiterhin den Schnabel vorne hat, die schiere Masse an Micky-Produkten und -Aufdrucken wird er niemals mehr aufholen können. Von den in den letzten Jahren millionenfach verkauften Winnie-Puuh-Knuddelpaten für Kleinkinder ganz zu schweigen.

Auch konzernhistorisch wird Donald eine weniger enorme Bedeutung beigemessen, als seinem schwarznasigen Kollegen Micky.Vor allem jedoch wurde Donald von Anfang an als freche Brise, als vorlauter Sidekick Mickys, als ungewöhnliche und turbulente Belebung der Disney-Cartoons konzipiert.

Möglicherweise mag diese knappe, das Gesamtbild nur anschneidende, Ausführung frustrierend klingen, doch was in Wahrheit daraus resultiert ist eine einmalige Mischung, die Donald Duck in die unvergleichliche Position bringt als glorifizierter Star für die Disney-Cartoon- und Comicstudios zu stehen, Menschen jeden Alters zu erheitern und zugleich ungehemmt vom Erfolg nahezu verantwortungslos seinen Charakter ausleben zu dürfen. Denn obwohl Donald populär, erfolgreich und unzertrennlich mit dem Disney-Konzern verbunden ist (und ganz besonders das Gesicht der Disneycomics dominiert) steht er trotz allem in sämtlichen Repräsentantenangelegenheiten weit hinter dem durch seine Frontstellung weichgespülten Micky Maus.

Der vermeintliche Fluch der strahlenden Maus, deren Beliebtheit Donald beim Gesamtpublikum eigentlich schon vor Jahrzehten ablief und welcher er sich angeblich nie mehr unterordnen musste, ist für Donald letztlich ein wahrer Segen. Denn dadurch, dass sich alle Welt in kritischen Punkten an Micky wendet und hauptsächlich in ihm ein pädagogisches Vorbild sehen möchte, darf Donald seine Persönlichkeit behalten.

Und was das für eine ist...

Donald ist alles zugleich, und paradoxerweise trotzdem ein fest umrissener Charakter, der nicht von Widersprüchlichkeiten verwässert wird. Für mich ist das ein Hauptgrund für die Faszination für diese Figur. Denn, seien wir doch Mal ehrlich: Donald ist deshalb wie so ziemlich jeder von uns. Wir alle haben vielleicht einige persönlichkeitsdefinierende Schwerpunkte (bei Donald wären es sein Jähzorn, seine cholerische Seite, seine Ungeduld und sein Unglück, vielleicht noch seine Abneigung gegen ihm aufgezwungene Arbeit), was allerdings noch lange nicht heißt, dass man uns darauf festlegen kann. Wir haben verborgene Seiten, die wir nur in bestimmten Situationen zeigen. Wenn wir alleine sind, unter Fremden, unter Freunden oder zusammen mit der Person unseres Herzens, immer zeigen wir weitere Facetten unserer Persönlichkeit. Und so groß unser charakterliches Spektrum auch ist - die charakterliche Grundlage bleibt immer erkennbar, Widersprüchlichkeiten bleiben (zumindest in unseren Augen) aus.

Natürlich ist dies eine Sichtweise eines passionierten Donald-Fans. Die meisten Gelegenheitsliebhaber des vom Unglück verfolgten Erpels mögen ihn dagegen einfach nur wegen seiner offensichtlichen Attribute, also dem, was für mich seine Charaktergrundlage ist.

Donald ist dort glücklicherweise stets das geblieben, was er von Anfang an sein sollte. Im Gegensatz zu Micky, der vom fidelen Frechdachs zum glattgebügelten und spießigen Kleinbürger (mit gelegentlichen Detektivambitionen) mutierte, wurde Donald Duck als frecher, lauter und unterhaltsamer Gegenpol zu Disneys damaligen Figurenrepertoire entworfen, und noch heute gehört Donald zu den frechsten, eigensinnigsten, starrköpfigsten und aufmüpfigsten "Helden" des Disneyuniversums.

Nur wenige Charaktere dürfen ungehindert solch ein reizbares Temperament aufweisen, in Wutanfällen ganze Wohnungen oder gar Landstriche vernichten, mit Waffenarsenalen ausgerichtet kleinen Vögelchen hinterherjagen, weil sie ihnen auf den Geist gingen oder laut schimpfend auf alles eindreschen, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Im eher handzahmen Disneykader ist Donald Duck der Rebell, ein kleiner Anarchist, der Handeln darf, wie es ihm passt. Er verballhornt seine Neffen, jagt Frauen hinterher und statt grinsend sein Schicksal hinzunehmen, wagt er es den Schnabel extra weit aufzureißen und die Faust zusammenzuballen.
Seine Erziehungsmethoden sind mitunter äußerst fragwürdig, und ginge es nach ihm, würde er tagein, tagaus lieber in seiner Hängematte schlummern, statt seinen Pflichten als Vormund nachzugehen und zu arbeiten. Oft genug legte er sich mit seinem Erbonkel an und in der Verkleidung des Phantomias nimmt er sogar durchaus hinterlistig Rache an denen, die ihm (in seinen Augen) unrecht taten.

Deshalb liebe ich ihn so sehr: Er bringt Abwechslung in den Alltag voller friedwertiger Disney-Gemüter. Zwar bin ich Disneyfan, doch das hindert mich keinesfalls daran, mehr die Extremtypen Disneys anzuhimmeln, statt die vorbildlichen Standardcharaktere. Donald ist der Urtypus der extremeren Disneycharaktere, der geistige Vorläufer von charismatischen Halunken wie Jack Sparrow, programmierten Zerstörungsmaschinen wie Stitch oder auch kleinen Frechdachsen wie A-Hörnchen und B-Hörnchen.
Eigentlich vereinigt Donald alles, was sich für Disneys größte Vorzeigefigur Micky Maus nicht geziemt. Er ist der Anti-Micky, die Schattenseite dessen, wofür Disney-Charaktere abseits des Bösewichtekanons stehen.
Und dennoch schafft er die schwierige Balance, trotz all seiner schlechten Seiten nicht zum schwarzen Schaf Disneys zu verkommen.

Wie schafft Donald es, ausgleichend zu seinen ungehobelten Charakterzügen charmant und liebenswürdig zu sein? Ganz einfach: Er ist deshalb sie charismatisch, weil man ihm einfach nicht böse sein kann. Und weshalb das das schon wieder? Zunächst, weil wir unsere eigenen, persönlichen Schwächen in ihm wiedererkennen und zweitens, weil Donalds ganzen, schlechten Eigenschaften aus so süßen und sympatischen Zügen wie seiner kindlichen Neugier, seiner Naivität, seiner spielerischen (und nicht etwa gehässigen) Schadenfreude oder dem ganz und gar nachvollziehbaren Bedürfnis nach Entspannung resultieren.
Das erstickt alle eventuellen Antipathien sofort im Keim. Wenn man dann zusätzlich in Betracht zieht, dass Donald wenn es Hart auf Hart kommt jede Menge Herzensgüte zeigt, und all seine kleinen "Misadventures" (wie der englischsprachige Liebhaber Donalds sagen würde) meistens nach dem zum Identifizieren einladenden Schema "kleiner Mann gegen die Tücken der Erziehung / Technik / Umwelt / Arbeitswelt" ablaufen, dann sollte es wirklich niemanden mehr verwundern, wieso Donald so beliebt ist. Er ist eine Kämpfernatur, die ihr Schicksal nicht einfach so runterschluckt, und somit eine Identifikationsfigur, manchmal sogar ein Vorbild. Und weil dieser gleichzeitig idealisierte und dramatisierte Jedermann sich immer wieder zu großen Abenteuern und Schatzsuchen aufmacht (manchmal freiwillig, manchmal vom hier nicht nur sprichwörtlichen reichen Onkel erzwungen), ist Donald mitunter für einige seiner Leser ein Idol.

Aber stets bleibt ihm auch die Schattenseite haften, Donald ist bei allem weiterhin ein abschreckendes Beispiel und eine humorvoll manifestierte Form unseres "Es".

So eine komplex-paradoxe Persönlichkeit, mit der man als Leser und Zuschauer so leicht umgehen kann, muss man doch einfach lieben. Um Donald zu verstehen muss man sich nicht mit seiner Biografie befassen. Man schlägt einfach ein Comicheft/-buch auf oder legt einen Cartoon ein, und lässt sich königlich unterhalten. Keinerlei Hintergrundwissen nötig.


Donald Duck, du perfekter Philosoph im Entertainerfederkleid, du zwiespältiges, in sich schlüssige Abbild des menschlichen Charakters: Feiere dein heutiges Bühnenjubiläum und lass es dir gut gehen! Ich wünsche dir jeden dazu nötigen Segen!



Alles Gute, Donald!

Dein dir ergebener Fan auf Lebzeiten,
Sir Donnerbold

Mehr Donald Duck:

14 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Na super, meine Mom hat am selben Tag Geburtstag wie Johnny Depp und Donald Duck...

milan8888 hat gesagt…

Happy Birthday

Green Ninja hat gesagt…

Sag mal Donnerbold. Kennst du eigentlich die alten WW2 Propagandafilme mit Donald in der Hauptrolle? :D

Sir Donnerbold hat gesagt…

Dass du das überhaupt fragen musst, zeigt, dass du meine Beziehung zu meinem Hobby gehörig unterschätzt. Die "On The Front Lines"-DVD ist nicht nur Teil meiner Sammlung, sie rotiert auch so eben in meinem DVD-Player (nein ehrlich, ich habe sie gerade eingelegt, bevor ich diesen Kommentar abschickte).

Anonym hat gesagt…

Donnerbold in der Duckipedia über die Kriegscartoons:
http://www.duckipedia.de/index.php5?title=Die_Disney-Studios_im_Krieg

So als (Lese-)Tipp.

Andi hat gesagt…

Toller Artikel.
Du hast "On The Front Lines" im DVD-Player? Somit hast du also einen der Region-1-DVDs wiedergeben kann? Toll, müsste ich mir auch mal irgendwann zulegen; im Moment vertraue ich noch darauf, dass Disney die "Kostbarkeiten" weiterveröffentlicht.

Allerdings muss ich sagen, dass ich bei Donald nie den Eindruck einer Schattenpersönlichkeit hatte - im Gegenteil er ist so überpräsent und überbeliebt, dass ich mich oft als den empfinde der sagt "Hallo, eigentlich ist ja die Maus die Nummer 1". Viele von Mickys älteren Comics gefallen mir sehr gut (ich bin großer Paul-Murry-Fan) und trotzdem blieb Micky immer zugleich noch Cartoon-Figur, während mich die elitäre Arroganz der Donald-Comic-Fans gegenüber seinem eigentlichen Ursprungsmedium immer wieder auf's neue ärgert (Schönen Gruß hierbei an alle Donaldisten: Heute traue ich mich zum ersten Mal öffentlich zuzugeben: Ich finde an Carl Barks Stories absolut nichts besonderes! Na, wenn ich hiermit mal nicht "Jehova" gesagt habe)

Bei Donald wünsche ich mir immer das er ein bisschen ausgebauter würde, als so eine Art Sitcom-Charakter. Und gerne auch mal mit "erwachsenen" Themen zu tun habend. Ganz gut gefällt er mir in den langen Abenteuer-Stories von Don Rosa (der ohnehin mein Lieblingscomicautor- und -zeichner ist). Hier ist Donald in seiner Sidekick-Version auch gerne mal ein bisschen ironisch und sarkastisch (wie Dagobert übrigens auch). Das steht ihnen ganz gut, so lange sie dabei trotzdem ihre Herzenswärme behalten.

Schade übrigens, dass es zu diesem Jubiläum kein Interview mit Peter Krause gibt.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Ich empfehle dir, wenn du einen Regionalcode freien DVD-Player suchst, ein Auge auf Angebote/Aktionen bei Discounter vom Schlage Aldi, Lidl, Plus und Co. zu achten. Manchmal auch Prospektware von Supermärkten... Da sind öfter gute Teile ohne Regionalcode dabei.

Dass Krause zum Jubiläum nicht im Fernsehen war, liegt wohl darin, dass die Sender in ihren Beiträgen zwischen einem S/W-Ausschnitt [sic!] aus "The Wise Little Hen" und der Vorstellung der Donaldisten dafür keine Zeit mehr hatten...

Sir Donnerbold hat gesagt…

Edit: Was ich noch dranhängen wollte, aber vergessen hatte: Andi, du hast mit Teilen deines Kommentars einem meiner geplanten Beiträge ein klein wenig vorweggegriffen. Mehr dazu, wenn's an der Zeit ist... *künstlich Spannung erzeug*

Andi hat gesagt…

Oh sorry, tut mir leid. Gespannt bin ich jetzt jedenfalls!

Sir Donnerbold hat gesagt…

Muss dir doch nicht leidtun. Wundere dich halt dann nur nicht, wenn passend dazu Ende des Monats ein Artikel kommt. ;-)

Lutz hat gesagt…

Schöner Artikel, allerdings redest du mir zu lange über das "Schattendasein" von Donald. Seine hervorstechenden Elemente sind die, die du später beschreibst.

Ich fand die Disney-Cartoons immer schöner gezeichnet als die von Warner, aber vom Humor her sind sie mir oft ein wenig zu zahm. Donald ist da eine tolle Ausnahme. Zwar ist auch er nicht so anarchisch drauf wie die Kollegen bei WB, aber er darf jedenfalls richtig schön übertreiben.

Eine Sache noch: Meinst du nicht eher, dass Donald die manifestierte Form des "Es" ist als die manifestierte Form des "Über-Ichs"? Ich denke, er ist weniger das wandelnde Gewissen als der wandelnde Trieb.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Das Schattendasein war mein Aufhänger - das sollte so lange sein. Man muss sich ja was einfallen lassen, um aus den Geburtstagsbeiträgen rauszustechen.

Und ich meinte natürlich das "Es", nicht das "Über-Ich".

Lutz hat gesagt…

War ja auch keine bös gemeinte Kritik. Es ist nur so, dass irgendwie jeder Artikel, den ich in den letzten beiden Tagen darüber gelesen habe, meint, das unterbringen zu müssen. Und da Donald in der öffentlichen Wahrnehmung eine so andere Position hat, hat es mich einfach gestört.

Ich habe mir den Clip erst angesehen, nachdem ich den Kommentar gepostet hatte. Ich kann mich noch an die Geburtstagsfeier im Fernsehen wage erinnern. Da wurde dieser Clip auch gezeigt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Michael Schanze (der das Geburtstagsspecial damals auch moderiert hat), dann auch die deutsche Version davon gesungen.

Mann, bin ich schon alt....

Anonym hat gesagt…

Aber es steht doch schon in der Überschrift, wie es zu verstehen ist. Der Artikel führt doch aus, dass Donald eigentlich als schwarzes Schaf konzipiert wurde und so aufgenommen werden müsse, aber er ist viel erfolgreicher und lauter, auffälliger, als ein "heimlicher Star" eigentlich ist.

Donnerbold stellt also die tatsächlcihe Position von Donald in der öffentlichen Meinung sehr wohl heraus.

Vielleicht sollte man sich nicht zu sehr darauf konzentrieren unbedingt Kritik zu üben und auch mal die Artikel genießen wie sie sind...

Kommentar veröffentlichen