Freitag, 23. April 2010

Kick-Ass

Ein das Rächergenre dekonsturierender Superheldenfilm der mit seiner Unverschämtheit provoziert, mit seinen liebenswürdigen Figuren berührt, dessen erfrischende Absurdität unterhält und der zugleich die Gesellschaft beißend kommentiert. Hancock wollte es mit aller Macht sein, Kick-Ass ist es. Die sehr kostengünstig unabhängig produzierte Comicadaption pflückt die Geschichten über maskierte Rächer der Unterdrückten außeinander wie Watchmen, reißt en passant während seiner spannenden und unterhaltsamen Handlung gesellschaftliche Probleme an wie es schon The Dark Knight tat, verleiht dem Blockbusterkino auf einer herrlich ehrlichen Weise den Blickwinkel eines durchschnittlichen, gesichtslosen Normaloschülers wie es bereits Superbad tat und ist bei alledem eine wahnsinnig kurzweilige, originelle Achterbahnfahrt.

Kick-Ass handelt vom Durchschnittsversager Dave Lizewski, dessen Alltag aus Masturbation, High-School-Trott, Langeweile und Comics besteht. Um aus der Bedeutungslosigkeit auszubrechen und gegen das über unserer Gesellschaft träge schwebende Desinteresse an Selbstlosigkeit ein Zeichen zu setzen, beschließt er eines Tages, sich als verkleideter Kämpfer für das Gute zu verdingen und gegen kriminelle Individuuen zu kämpfen. Schnell bekommt Kick-Ass eine harte Lektion über die Umbarmherzigkeit der Realität erteilt. Trotzdem steigt der Naivling im grünen Neoprenanzug im Internet zum Kultphänomen auf. Schnell bekommen die 11-jährige Hit-Girl und ihr äußerst unkonventionelle Erziehungsmethoden wählender Vater Big Daddy Wind davon, zwei wesentlich professionellere und kaltblütigere Selbstjustizler in Maske und Cape.

Ich mache es kurz: Während Kick-Ass hatte ich so viel Freude im Kino, wie schon lange nicht mehr. Tränen wurden gelacht, es wurde (gewollt) fremdgeschähmt und ich grinste mit den Machern des Films über bitterböse, schwarzhumorige Seitenhiebe auf Missstände in unserer Gesellschaft. Die nerdige Dekonstruktion des Superheldenfilms, die stets weiß, was von ihr erwartet wird und gekonnt damit spielt, ist die flippige, überdrehte und leichtfüßige, pseudorealistische Variante des gefeierten Kult-Comicmeisterwerkes Watchmen und liefert mit der fluchenden und metzelnden Hit-Girl eine der coolsten Filmfiguren der letzten Jahre.

Wie ich zu den Änderungen gegenüber der Comicvorlage stehe? Ich habe mich dazu entschieden, neutral dazu zu stehen. Manche werden sich über die Änderungen freuen, wie es Internet-Kritiker Spoony tat, andere werden fluchen.

Spoiler für den Comic und den Film. Zum Lesen den kommenden Abshcnitt markieren:

Es gibt zwei nennenswerte Unterschiede zum Comic. Der eine betrifft Big Daddy. Im Comic erfahren wir, dass er seine gesamte Hintergrundgeschichte erlogen hat und einfach nur ein Spinner ist, der unbedingt Superheld sein wollte. Während Big Daddy im Film qualvoll verbrennt, segnet er im Comic eher unspektakulär das Zeitliche.
Diese beiden Änderungen gleichen sich meiner Meinung nach aus: Während die Enthüllung im Comic zu schocken weiß, nimmt einen sein Tod nicht mehr wirklich mit. Im Film wird der Schrecken sozusagen verlagert, dadurch, dass er im Film hehre Motive verfolgte und trotz seiner Verschrobenheit als liebender Vater durchgeht, nimmt einens ein brutaler Tod mit und überrascht.

Die Veränderung bezüglich Daves Liebesglück hingegen kann man nicht zurecht reden, hier gleiche sich keine Details so aus, dass die Endwirkung von Comic und Film gleich bleiben. Im Film bekommt er seine Auserwählte und hat heißen, leidenschaftlichen Sex mit ihr, im Comic weißt sie ihn ab, lässt ihn verprügeln und schickt ihm als letzte Demütigung per MMS ein Foto von sich und ihrem Macker, wie sie ihm gerade einen bläst. Krönung des Zynismus: Dave holt sich auf diesem Bild einen runter.

Schnell kann man dem Film vorwerfen, er würde den klassischen Hollywoodweg des schmalzig fröhlichen Liebes-Happy End gehen. So kommt Daves Liebesglück im Film jedoch nicht rüber, es wird dafür nicht genug zelebriert, irgendwann schafft er es einfach sie rumzukriegen.
Viel mehr nimmt sich der Film in dieser Beziehung bezüglich des Zynismus einfach etwas zurück und erhöht dafür wieder den Grad des ironisch vermittelten Realismus, indem er durch diesen abgeänderten handlungsstrang wesentlich schlüssiger erklärt, weshalb dem alltäglichen Heldentum ad hoc Einhalt gewährt wird. Die Menschen haben Angst, durch ihr heroisches Einschreiten die simplen Vergnügen ihrer nichtigen Existenz zu verlieren. Dadurch, dass man Dave diese Wandlung durchmachen lässt, wird der Sozialkommentar dieser Geschichte etwas relavanter, als in der Comicvariante. Jemand wie Dave würde im Comic sogar eher irgendwann die Seiten wechseln, als ein Held zu bleiben, diese Charakterzeichnung ist also unschlüssig. Und sobald jemand Glück in der Liebe hat, hat er guten Grund klein beizugeben. Irgendwie deprimierend, nicht wahr?

Spoiler Ende

Kommen wir zum Schluss: Kick-Ass kann ich nur empfehlen. Witzig, frech, Feel-Good-Elemente, super Musik, gute Actionszenen, super Figuren und schwarzhumoriger Gesellschaftskommentar. That kicks ass!

Weiterführende Artikel bei Sir Donnerbolds Bagatellen:

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also für eine "Komödie", wie der film bei uns betitelt war, kam mir dann doch _etwas_ zuviel und exzessiv zur Schau gestellte sinnlose Gewalt in dem Film vor.

Ein kleiner Tipp fürs Schreiben:"Dass «Kick-Ass» diese Gratwanderung dermaßen gelingt, dass der Zuschauer mit einem feisten Grinsen den Kinosaal verlässt ohne die ernsteren Hintergründe der soeben erzählten Geschichte zu verkennen, liegt insbesondere am formidablen Ensemble, dass die in ihren Figuren liegende Absurdität gleichermaßen pointiert vermittelt, wie es die emotionale Bodenständigkeit in ihnen zu finden weiß" - Solache Sätze mit über 40 Wörtern sind einfach zu lange. Ja ich weiß, Germanisten sind in der Lage anspruchsvollere Satzgefüge zu bauen und nehmen diese nichteinmal mehr als solche wahr, aber gute Journalisten können Inhalte auch weniger aufgeblustert auf einen Punkt bringen.
Generell wirkt deine Rezension etwas "schwaffelig" am Anfang. Erst als du zu HitGirl kommst, wirst du konkreter und schreibst mehr als nur Lob, aufgebalsen auf viele Zeilen.
Ist nicht bös' gemeint, wollte dir nur Feedback geben, wie es auf mich wirkte.

Anonym hat gesagt…

Der Satz ist zwar lang, aber keineswegs komplizert oder anspruchsvoll. Lesen muss halt gelernt sein. Bin eh froh, wenn Journalisten mal NICHT im Bild-Stil schreiben und Hauptsatz an Hauptsatz reihen und schon bei einem Relativsatz die große Sause kriegen.

Die Flennpolizei hat gesagt…

Es wird bei vielen BEVORZUGT, wenn die Sätze kurz sind. Aber ob das besser ist? Das "gute Journalisten" ist deshalb schonmal falsch. Wir reden hier ja von einer Filmkritik und nicht von einer Kurzmeldung.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Hey, keine Angriffe, der Beitrag war doch ganz freundlich.

Meine Stellungnahme dazu: Es stimmt, dass bei Nachrichten eine klare, kurze Sprache bevorzugt wird. Wortwahl und Satzkonstruktion sind dabei weiterhin abhängig vom Medium - gedruckte Sprache darf mehr als gesprochene. Allerdings sind ausführliche Filmkritiken keine Nachrichten. Es gibt Publikationen, die in ihren Rezensionen ungebrochen simple Nachrichtensprache bevorzugen. Doch mindestens genauso viele verleihen ihnen stilistisch einen etwas wissenschaftlicheren Hauch. Das ist halt Glaubensfrage - ist das Auseinanderpflücken eines Films noch journalistische Berichterstattung oder schon (populär-)kulturwissenschaftlich?

Deshalb finde ich deine Aussage, das "gute Journalisten" keine Satzkonstruktionen verwenden in diesem Kontext etwas unglücklich gewählt. Der gute Tageszeitungs-Durchschnittsjournalist soll ja auch keine Fachwörter verwenden, aber im Fachbereich ist eher das Gegenteil der Fall. In einem TV- und Kinomagazin wird man nicht alles haarklein erklären. Und bei Filmkritiken (auch noch auf einer Seite für ein "Nischenpublikum" das sich intensiv mit TV und Kino auseinandersetzt) ist es Ermessensfrage, wie weit man sich vom journalistischen Minimalstil einer Kurzmeldung entfernt.

Damit möchte ich dich, Anonym 1, nicht in die Ecke quatschen. Ich werde es mir schon merken, dass es Leser gibt, die einen einfacheren Stil bevorzugen. Aber es gibt halt auch Leser, die bei solchen journalistischen Randformen wie einer Filmkritik einen leicht gehobeneren Stil bevorzugen. Es wird ja nichts geboten - das sind keine tagesaktuellen Nachrichten, in denen allein das berichtete Ereignis zählt.

Ich werde weiterhin versuchen, beide Seiten zu befriedigen. Aber ich bitte um Verständnis dafür, dass Filmkritiken sich stilistisch eben DOCH von den alltäglichen journalistischen Darstellungsformen unterscheiden dürfen. Natürlich darf ich nicht in einen Diplomarbeit-Schreibstil verfallen. Aber ich persönlich fand den zitierten Satz noch im Rahmen. Nächstes Mal vlt. ein Nebensatz weniger. Bis sich wer beschwert, meine Kritiken wären stilistisch neuerdings verwässert. :-p

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