Montag, 14. Juni 2010

Marketinglügen haben lange Haare - Meine Reaktion auf den Trailer zu "Rapunzel - Neu verföhnt"

Donnerstag ging ein Ruck durch die Onlinegemeinschaft der Disneyfans, und bis heute haben sie sich nicht wirklich beruhigt. Hitzige Diskussionen und Analysen erwecken derzeit selbst die schläfrigeren der Disneyforen. Der Anlass? Selbstverständlich der Trailer zu Rapunzel - Neu verföhnt.

Ich versprach, meine Meinung zu diesem Trailer noch zu veröffentlichen, und ich möchte dieses Versprechen auf keinen Fall brechen. Ganz besonders nicht, seit ich miterleben durfte, wie viele Leute von diesem Trailer vollkommen abgeshrekt abgeschreckt wurden, obwohl sie eigentlich über sämtliche Meldungen wissen müssten, die seit der US-Umbenennung in Tangled gemacht wurden. Nämlich Disneys Absicht, den Film anders zu vermarkten, als er eigentlich ist.

Ohne weiteres Vorgeplänkel, hier meine Meinung über den viel diskutierten Trailer:

Der Trailer an sich / Die Marketingabsicht

Um es kurz zu machen: Den Trailer an sich, also die Art wie er geschnitten wurde, die Musikauswahl, das Timing, seine Atmosphäre und dergleichen, finde ich sehr schwach.
Zunächst mag ich es generell nicht, wenn in Disney-Animationstrailern Lieder verwendet werden, die nicht im Film vorkommen (vom Triff die Robinsons-Handytrailer abgesehen). Bei Bolt, einem modernen, im hier und jetzt spielenden Film, hätte ich es verkraften können, wäre es nicht ausgerechnet das vollkommen überreizte Little Less Conversation gewesen. Doch bei Rapunzel ist die Entscheidung für Pinks Trouble extrem anstrengend. Popmusik in Animationstrailern erwecken nunmal Assoziationen mit Shrek, insbesondere bei Filmen mit Märchenkontext. Dann noch die "Rapunzels Haare verprügeln Flynn"-Szene (die angeblich gar nicht mal so im Film vorkommen soll), zu der dieses Lied läuft, und schon wird für den unbedarften Betrachter ein Schuh draus. Oder gar ein ganzes Paar. Doof nur, dass Rapunzel (mittlerweile) exakt das Gegenteil davon ist und Disney zu seinem in den 90ern perfektionierten Mix aus Abenteuer, Romantik, Märchen und Musical bringt.

Die Protagonistenlüge ist weniger schwerwiegend. Zwar sagen einige Insiderberichte, dass Rapunzel klar die Hauptfigur des Films ist und Flynn, trotz einer starken und sympatischen Charakterisierung, im Schatten der Prinzessin steht (und somit keinen Aladdin abzieht), doch in den Ländern, in denen der Film weiterhin Rapunzel heißt, wird man nach dem Trailer sicher auch mit diesem Gedanken entlassen. In den Tangled-Ländern dagegen wird durch die an den Rand und aus dem Titel gedrängte Rapunzel der Eindruck erweckt, Disney habe eine fesch-modernen Abenteuerkomödie über einen Dieb produziert, der halt in die Rapunzel-Sage stolpert. Zusammen mit der Musikauswahl und der Konzentration auf Slapstickszenen eine klare Mogelpackung. Und nicht auf die coole Lilo & Stitch-Weise.

Allerdings muss ich zugeben, dass der Trailer sein Ziel nicht völlig verfehlt. Wenn man sich im Internet umsieht, wird man auch Foren entdecken, in denen er durchaus wohl aufgenommen wird. Hängt halt doch davon ab, was man sich so verspricht...

Der Inhalt des Trailers

Gut, der Trailer als eigenständiges Werk oder auch als Werbemittel ist in meinen Augen schwach. Aber was ist mit dem gezeigten Rapunzel-Material?
Diesbezüglich möchte ich mich erstmal als Verteidiger aufspielen. So wiederholt sich die Beschwerde, der versprochene Ölgemälde-Look sei überhaupt nicht mehr vorhanden.

Wirklich? Ich weiß nicht, welche Vorstellungen von Ölgemälden so vorherrschen, doch ich sehe ganz klar die Farb- und Detailstruktur eines Ölgemäldes in diesem Trailer. Vielleicht liegt es daran, dass viele nicht daran gewöhnt sind, Cartoonfiguren in Öl zu sehen, so dass sie sofort wieder an typische Computeranimationsgrafik denken. Deshalb hier ein kleiner Service:

Computeranimation von der Stange

Am Computer animierte Rapunzel, die wie aus Öl aussehen soll

Cartoonige Enten in Öl

Okay, der Vergleich zwischen Donald und Rapunzel ist nun wirklich einer, der eine das Hirn zermatern kann, doch Rapunzel neben ein photorealistisches Porträt einer Adeligen zu stellen, wäre unfair und würde vom eigentlichen Ziel des Films ablenken. Die Figuren in Rapunzel hatten in jeder (mir bekannten) Konzeptphase einen klaren Disneyeinschlag, ja, einen Glen-Keane-Einschlag, um genau zu sein. Sie waren nie hyperrealistisch. Deshalb ziehe ich hier Carl Barks' Ölgemälde aus der Tasche: Man beachte die leicht verwaschenen Hintergründe, die Pinselstriche oder die ungerade Linien- und Schattenführung. Rapunzel erreicht tatsächlich eine "ölige" Textur. Ist es das, was ich mir versprochen habe? Nein.

Fragonards Die Schaukel

Früher Rapunzel-Test

Ich erwartete, nicht zuletzt wegen des unteren Bildes, etwas detaillierteres, eine stilisierte Bildkontur wie sie aus dem Rokoko-Zeitalter bekannt ist. Dies gelang nur bedingt. Die wenigen Ausblicke auf die Landschaften des Films, die wir im Trailer erhaschen konnten, versprechen einen ähnlich schwelgerischen Blick für die filigrane Schönheit der Natur, die Farbästhetik ist jedoch eine ganz andere. Sie ist bedeutsam heller und die Beleuchtung hat einen sehr "computerigen" Beigeschmack. Es besteht noch Hoffnung, dass der endgültige Film dank Shading und Rendering besser aussieht und aus den glitzernd-hellen Naturaufnahmen etwas kreiert, das naturalistischer oder malerischer wirkt. Hey, selbst Robert Zemeckis Motion-Creepturing sah im fertigen Eine Weihnachtsgeschichte schmucker aus, als im ersten Trailer.

Dann wäre da noch die Animation. Glen Keane versprach uns die Verquickung der Stärken beider Welten. Die Komplexizität und Greifbarkeit der Computeranimation, die Dynamik, Energie und Wärme des Zeichentricks. Statt steifer Figuren sollen uns Figuren mit einem eigenen Bewegungsrhythmus erwarten. Viele verstanden das falsch und erwarteten eine technische Kombination beider Medien oder Computeranimation, die wie Zeichentrick aussieht.
Nein, so etwas sollte es nicht sein. Es sollte etwas werden, woran sich wir Animationsfreaks aufhalten können. Und ja, es ist im Trailer vorhanden. Zur Verdeutlichung präsentiere ich euch die Szene, in der Flynn von Rapunzels Haaren verprügelt wird in Zeitlupe. Man achte bitte auf Flynns Gesicht:



Es wird ganz klar das in vielen Computeranimationsfilmen missachtete, laut Frank Thomas und Ollie Johnston höchste Prinzip des Zeichentrickfilms befolgt, nämlich "Squash & Stretch". Insofern muss ich zugeben, dass diese Szene sehr wohl zu etwas gut ist, da sie sehr gut vorführt, worauf Glen Keane es bei der Konzeption von Rapunzel abgesehen hat. Ganz zu Beginn kann man auch sehen, wie während Flynns Abführung "Slow in and slow out" befolgt wird, sein Gang hat einen richtig schwingenden Takt, sein Körper beschleunigt und verlangsamt sich.

Natürlich ist das noch nichts weltbewegendes. In Himmel und Huhn hat man ebenfalls stellenweise richtig gute Animation vom Stapel gelassen, die an Disneys Classic Cartoons erinnerte, halt bloß etwas plastischer. Und ja, ich erwartete etwas mehr. Bloß kann man nicht sagen, dass Rapunzel in seinen Vorhaben scheiterte. Ob nicht noch viel mehr Zeichentrickqualitäten in der Charakteranimation auf uns warten, kann man nach diesem unrepräsentativen Trailer sowieso nicht sagen.

Wären die versprochenen Elemente selbst für's ungeübte Auge offensichtlicher zu bemerken, würde der Disneykonzern nach knapp einer Dekade Entwicklungshölle für Rapunzel nicht urplötzlich hetzen und den Film nach einer erschreckend eng gesteckten Produktionszeit rauspressen wollen? Ja. Bloß gilt für Disneytrickfilme schon längst das, was auch für Pixarfilme gilt: Sie werden nie fertig, sie werden bloß veröffentlicht. Walt Disney war anfangs mit Schneewittchen ungeheuerlich unzufrieden, da seine Zeichner während der Produktion so viel lernten, dass er am liebsten von neu angefangen hätte. Ohne seinen wirtschaftlich bedachteren Bruder Roy wäre wohl nie ein Disneyzeichentrickfilm in die Kinos gekommen, da Walt ständig dran rumgedoktert hätte. Und später wurde es nicht wirklich besser. Immer wieder treiben kreative Köpfe in den Disney-Trickstudios Neuentwicklungen voran und erträumen sich große, bahnbrechende Ideen, die runtergedampft werden, um die Realisation möglich zu machen. Ist Rapunzel also ein Opfer des Kommerzgedanken? Jein. Ja, sicherlich hätte man alles noch deutlicher, stärker, schöner machen können. Aber nein, Rapunzel ist nicht stärker betroffen, als die meisten anderen Animationsfilme des Studios (von Filmen wie Die Kühe sind los! wollen wir jetzt nicht reden).

Bin ich von Rapunzel enttäuscht? Nein. Die Figuren sind schön, die Hintergründe wunderschön, die Animation gut, die Konturen / das Shading ebenfalls. Besonders letzteres könnte sich bis zum Kinostart noch erheblich verbessern.
Sind meine Erwartungen erfüllt? Nein. Meine Erwartungen an Rapunzel waren enorm und am jetzigen Trailer kann ich mich einfach nicht orientieren. Allerdings dürfte er mich visuell eher zufriedenstellen, als verärgern.

Wird Rapunzel ein guter Film?
Das kann man anhand eines Trailers nie beurteilen, ganz besonders aber nicht an einer offensichtlichen Mogelpackung wie diesem. Die Handlung, die Inszenierung, die Charakterisierung der Figuren, die Musik, von all dem wissen wir bislang nichts. Selbst die optischen Elemente, die mir bereits jetzt gefallen, könnten zu Stolpersteinen werden. Denn fassen wir nochmal zusammen: Es ist ein am Computer animierter Film, der wie ein bewegtes Ölgemälde aussehen soll, dessen Figuren den Prinzipien des Zeichentricks gehorchen, während sich Haar und Kleidung realistisch verhalten sollen. Dieses Mischmasch wird Augen sicherlich tränen lassen. Vor Glück oder Überlastung, das wissen wir nach Kinostart.

Bis dahin (oder zum nächsten Trailer) weiß ich aber eins: Selbst wenn meine himmelhohen Erwartungen nicht vollstens erfüllt wurden, bin ich hinsichtlich des Ölgemälde-Looks von Rapunzel optimistisch, freue mich auf gelungene Animationen, Flynn ist recht cool und ich finde Rapunzels Lachen gegen Ende des Trailers richtig süß. Punkt.

Achja, war eigentlich Quentin Tarantino Gastregisseur dieses Trailers? So viele Aufnahmen nackter Frauenfüße... Und selbst Flynn verliert zwischenzeitlich einen Stiefel...

  • Mehr über lügende Trailer erfahrt ihr außerdem in dieser Ausgabe meiner Kolumne Popcorn und Rollenwechsel sowie hier.
Mehr Rapunzel:

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Endlich! Auf diese Bewertung war ich wirklich sehr neugierig und stimme ihr auch voll zu. Ich kann den Film kaum erwarten, wenn ich mir auch einen viel deutlicheren "Fragonard-Look" ersehnt hätte.

Clochette hat gesagt…

Mhmm, klingt für mich nach einer guten Zusammenfassung des "Problems".

Noch eine Anmerkung:
Wenn man genau darauf achtet findet man imo gute Indikatoren dafür, dass die Szenen wirklich aus dem Zusammenhang gerissen sind uns im Umfeld lange nicht so flach wirken. Zum Beispiel die elegante, katzenartige Art mit der Flynn landet und der zwar dumme, aber nicht Cartoon-dämliche Gesichtsausdruck nach der Pfannen-Attacke - das würde bei einer "echten" No-Brainer-Comedy ganz anders aussehen.


Ach ja, und ich liebe die Nahaufnahme von Rapunzels Mund beim Chamäleon-Shot.

Andi hat gesagt…

Für mich ist das alles Schöngerede! Ich bin maßlos enttäuscht. Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass ich tatsächlich davon ausging, dass es sich um einen Zeichentrickfilm mit verstärktem CGI-Einfluss handeln würde, als umgekehrt. Und diese weiche Optik ist zwar was anderes als die kantige optik der meisten CGI-Filme, schön finde ich die aber auch nicht. Erinnert mich total an die Szene aus Shrek, die ich neulich beim Raab gesehen habe. Und der Prinz ist und bewegt sich so saudumm - das hat meines Erachtens mit gutem Slapstick nichts zu tun. Zusammen mit "Trouble down" wirkt es echt total wie "Shrek". Schade, dass Disney das nötig hat, wo sie doch erst kürzlich mit "Küss den Frosch" bewiesen haben, dass sie "es" noch können.
Neenee, da freue ich mich ja fast mehr auf Winnie Puuh. Jedenfalls finde ich es jetzt noch viel mehr schade, dass die "Schneekönigin" eingestellt wurde.

Anonym hat gesagt…

deine schrecklichen kommentare nerven ich finde rapunzel neu verfönt witzig aber du kannst so etwas nicht witzig finden da du kein humor hast

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