Sonntag, 29. August 2010

Getting Crap Past The Disney Radar #2

 Wie konnte sich Jack Sparrow das nur einfangen?

Herzlich willkommen zur zweiten Ausgabe einer hoffentlich langlebigen Reihe hier im Blog: Getting Crap Past The Disney Radar, ein liebevoll gemeinter Führer durch die Welt der versteckten, derberen Gags in Disneywerken, unserer Sammlung des an verbiesterten Moralhütern vorbeigemogelten Erwachsenbonus.

Spreewälder Damenglück

Die High School Musical-Filme wurden ja vielerorts geschunden, weil sie das Leben an einer High School zu züchtig skizzierten. Keine Fremdgänger, keine Prügeleien, kein Alkohol, kein hemmungsloser Sex. Welche Schule in welchem Universum soll das bitte sein?
Allerdings sollte man sich, wenn man solche Kritik äußert, vor Augen halten, dass die High School Musical-Filme einiges an über den Köpfen des kindlischen Kernpublikums vorbeigeschmuggelte Scherzereien gibt, was High School Musical 1 - 3 im Zusammenspiel mit der fabulösen Selbstironie um Längen besser als Disneys zahlreiche Selbstkopien wie etwa Camp Rock erscheinen lässt. In der Premierenausgabe dieser Reihe äußerte ich mich ja schon begeistert über ein aus kindlicher Perspektive betrachtet unschuldig-schwachsinniges Lied, das für aufmerksame erwachsene Zuschauer das Gewand einer hemmungslosen Werbung für's Hochschlafen annimmt. Denn nichts öffnet den Weg nach oben besser, als das Öffnen des Hosenstalls...

In High School Musical 3: Senior Year gibt es dagegen einen sehr obskuren Dialog zwischen zwei Nebenfiguren, der keinerlei Bedeutung für den Plot aufweist und der im Kino auch kein einziges Kind zum Lachen gebracht hat. Das ältere Publikum hingegen hat sehr erfreut gekichert... Woran das wohl liegen mag?

Der hibbelige Basketballer Jimmy "Rocket Man" Zara (woher der Spitzname kommt, wird nie erklärt) wird zur Zweitbesetzung für das kommende Schulmusical erklärt. Er ist davon vollkommen begeistert und prahlt damit bei der britischen Austausschülerin Tiara Gold. Nicht in einer "Guck mal, toll, ne?"-Weise, sondern ganz klar baggernd.  Es entsteht ein gemeinsamer Austausch darüber, wie sehr man auf sein Gegenüber verzichten kann. Schließlich meint Rocket Man, er könne in Brand stehen und würde sich niemals mit Tiars löschen, selbst wenn sie der letzte Eimer wäre, den er erreichen könne. Tiaras Konter: Wenn sie verhungern würde, würde sie Rocket Man nichtmal essen, wenn er die letzte Gurke auf der Welt wäre. Sie verlässt entrüstet den Raum, und Rocket Mans bester Freund meint zu ihm begeistert in anzüglichem Stimmtimbre, er solle die Motoren starten und rollen lassen, roaaar! In seiner Seltsamkeit grenzt diese Szene an einen BIG LIPPED ALLIGATOR MOMENT, vor allem aber haut sie einem die Zaunpfähle um die Ohren, dass es nur so kracht. Wieso muss Tiara von allen Metaphern, die man wählen könnte ein Eimer sein (ihr wisst schon, rund, man kann etwas hineinstopfen, im Idealfall ist er von innen feucht oder gar nass...) und von allen Nahrungsmitteln wird Rocket Man als eine Gurke bezeichnet. Er könnte ja eine Erdbeere, Kokusnuss oder Pizza sein. Nein. Gurke. Dazu dieser augenzwinkernde Tonfall der Darsteller...

Der Adler mit den speziellen Hobbys

Ein paar Jahrzehnte vorher bot auch Condorman einen eindeutig zweideutigen Dialog zwischen Mann und Frau. Der frisch zum Agenten beförderte Comiczeichner Woody stolpert auf der Suche nach seiner Kontaktperson durch ein Etablissment in Istanbul, als er über zwei lange, verführerische Frauenbeine fällt. Er richtet sich mühselig auf, blickt ins "Femme fatale"-Gesicht einer russischen Spionin. "Wir haben etwas auszutauschen", meint sie zu ihm. "Ja, denke ich auch. Ich mein, ich bin schließlich ein Mann, sie eine Frau..."
Etwas spezieller ist ein Gag kurz zuvor. Woody bekommt von seinem Kumpel einen Aktenkoffer in die Hand gedrückt. Er zückt ein Paar Handschellen und kettet Woody an den Koffer. Als der Freizeitagent das kalte Stahl der Handschellen an seinem Gelenk spürt, ruft er ein freudiges "Ooooooh...!" in die Welt hinaus. Die trocken, leicht genervte Antwort seines Kumpels: "Ich wusste, dass dir das gefällt..."

Captain Jack Sparrows Sehschärfe

Mit ihrem PG-13-Rating und ihrem generellen Fokus auf piratig-verräterischem Abenteuer, spaßiger Action und freibeuterischem Alkoholkonsum fallen die Pirates of the Caribbean-Filme weitesgehend aus dem Raster für diese Artikelreihe heraus. Erstens, weil sie eh auf ein älteres Mindestalter angelegt sind, und zweitens weil in ihnen nicht wirklich etwas unter dem Radar durchgeschleust wird, sondern alle Karten offen gelegt werden. In Aladdin würden Kommentare über die Jungfräulichkeit der Figuren überraschen, dass sich Elizabeth Swan schon tierisch auf ihre heiße Hochzeitsnacht gefreut hat, bevor alles schieflief, das überrascht angesichts der generellen Ausrichtung der Filmreihe eher weniger. Natürlich gibt es dennoch ein paar Momente, wo sich der Zuschauer erstaunt fragt "Wie haben die das denn bitte an der Disney-Geschäftsführung und/oder der MPAA vorbeigekriegt?", wie etwa die Anhäufung unangenehmer On-Screen-Tode im finalen Teil der ursprünglichen Trilogie. Kopfschüsse, Massenexekutionen, Genickbrüche und mehrere von Schwertern durchbohrte Brustkörbe, alles heiter mit einem PG-13-Rating? Ja, die MPAA hatte einen guten Tag, ebenso wie die FSK, die an anderen Tagen sicher statt einer FSK ab 12 auch mit dem blauen Freigabelogo auf Am Ende der Welt geantwortet hätte. Eine typischere Form von "Getting Crap Past The Radar" findet aber in Dead Man's Chest statt, und eine in ihrer Durchführung besonders geschickte ist es noch dazu! Denn dieser verruchte Scherz wurde von den schelmischen Autoren so dezent untergebracht, dass er nicht nur über die Kindesköpfe hinwegflog. Auch ich kam erst nach über einem Dutzend Sichtungen dahinter.

Captain Jack Sparrow wird aufgrund seiner Schulden bei Davy Jones mit dem schwarzen Mal gebrandmarkt, einem schwarzen, schwülstigen Fleck in seiner Handinnenfläche das als Zeichen dienen soll, dass er von Davy Jones' fürchterlichem Leviathan verfolgt wird und einem grausamen Tod geweiht ist. Auf der Suche nach einem Schlupfloch aus dem Deal mit Davy Jones stattet Sparrow in all seiner Verzweiflung sogar einer mystischen ehemaligen Flamme einen Besuch ab: Der Voodoohexerin Tia Dalma, die in einer kleinen Hütte irgendwo im Sumpf lebt. Als diese Jacks schwarzes Mal enttarnt, reagieren Sparrows abergläubischen Weggefährten panisch, drehen sich um sich selbst und spucken auf den Boden, um sich vor diesem Zeichen des Verderbens zu feihen. Jack Sparrow setzt daraufhin ein verschmitztes Grinsen auf und verkündet stolz: "Meine Augen sind so gut wie eh und je, nur damit ihr's wisst!"

Hände hoch, wer hat sich nicht gefragt, was dieser Spruch soll? Tja, liebe Leute, ich erkläre es euch. Wie ihr vielleicht selbst erfahren musstet oder bei Michael Mittermeier aufgeschnappt habt, erzählen strenge Eltern und/oder katholische Pädagogen sich in der Pubertät befindlichen Jungs', dass ihr Rückenmark schwinden wird und sie erblinden werden, sollten sie zu viel an ihren Geschlechtsmerkmalen herumspielen. Im amerikanischen Kulturkreis bestehen weitere urbane Legenden über das selbstherbeigeführte Erleben sexueller Freudengefühle. In den Handinnenflächen sollen angeblich nämlich haarige Auswüchse oder grässliche Geschwülste wachsen, wenn man seine Finger nicht außerhalb der eigenen Intimzone halten kann. So heißt es wenigstens... wenn man an dererlei Dinge glaubt. Die Blindheitsmärchen sind aber ebenfalls verbreitet.

Was Jack Sparrow seiner einstigen Affäre und seinen Mannschaftsmitgliedern also verschmitzt verkündet, ist dass es sich bei seinem schwarzen Mal nicht um diese Art eines Handinnenflächengeschwürs handelt. Er mag zwar ein Lügner, Betrüger, ein hinterlistiger Schurke, ein Säufer und ein Dieb sein, aber bei den schlechten Zähnen der heidnischen Meeresgöttin, er ist kein Wich... kein mörderischer Zylinderträger in Totenkopfmaske, nicht der große Master Bate.

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