Samstag, 13. November 2010

Die Simpsons - Die komplette dritte Staffel


ProSieben. Ein Sender unter dem Zeichen Stefan Raabs, der US-Blockbuster und der Simpsons. Allerdings darf man keinesfalls vergessen, dass die Simpsons ihren Karrierestart in Deutschland im ZDF absolvierten. Dort konnten sie irgendwann nach der Erstausstrahlung am 13. September 1991 unter anderem meinen ältesten Bruder als Zuschauer für sich gewinnen. Dieser begann später damit, die Simpsons auf Videokassette aufzuzeichnen und gab diese Videos letztlich an mich weiter um mich anzufixen. Damals hatten wir alle noch keine Ahnung von Serienstaffeln und ähnlichem, doch nachdem einige Jahre ins Land zogen, lernten wir, dass ich mit der kompletten dritten Staffel an die Simpsons geleitet wurde. Dies ist auch die letzte Staffel, die ProSieben seit einigen Jahren für die Nachmittags-Dauerwiederholungsschleife gesperrt hat. Aufgrund ihres anderen Zeichenstils und des weniger frenetischen Humors sind diese frühen Episoden der langlebigsten westlichen Zeichentrickserie bei der großen Sieben Mangelware geworden (es gab zum Beispiel eine Phase, in der sie Samstagvormittags gezeigt wurden).

Eigentlich nahm ich mir vor, keine Simpsons-DVDs zu kaufen. Die ersten zwei Staffeln find ich noch recht lahm, so dass ich mit den Erinnerungen an die raren Ausstrahlungen gut leben kann. Alles ab der Folge Der vermisste Halbbruder wird dagegen dank der intensiven Simpsons-Liebe auf ProSieben so häufig gezeigt, dass ich DVD-Sets für mich persönlich unnötig finde. Aber Staffel 3... Die Mischung aus Nostalgie zu diesen Folgen und der hohen Qualität der dritten Staffel hat mich nach einigem Hin und Her dazu verführt, mir tatsächlich eine Simpsons-Staffel auf DVD zu kaufen. Denn Videokassetten werden im Gegensatz zu Wein mit dem Alter leider nicht immer besser.

Nachdem ich mir die dritte Staffel wieder vollständig angesehen habe, wundere ich mich mehr denn je, wieso ProSieben die Staffel am liebsten für immer versteckt hielte (und sie auf Sat.1Comedy versteckt). Generell ist es fragwürdig, Episoden oder ganze Staffeln einer Serie verschwinden zu lassen und gerade bei den Simpsons ist es wahrer Schwachsinn. Bei dieser hohen Ausstrahlungsfrequenz hat ProSieben die ungeliebten Folgen in rund einem Monat versendet. Bei über 400 Episoden Simpsons fällt das nicht weiter ins Gewicht. Und wieso die dritte Staffel sozusagen "mitgehangen, mitgefangen" ist, verstehe ich noch weniger. Dass ProSieben stutzig neben der kritzeligen ersten Staffel mit ihren wabernden Figuren steht, lässt sich ein Stück weit ja noch nachvollziehen. Bei der zweiten Staffel sind die Zeichnungen wenigstens ein bisschen konstanter am Modell der Figuren orientiert - und die dritte Staffel fällt optisch kaum noch aus dem Rahmen. Stellt man eine frühe Folge der dritten Staffel neben eine aus der vierten, bemerkt man als trainierter Zeichentrickkonsument nur noch recht unbedeutende Unterschiede, die dem breiten Publikum wohl weniger auffallen dürften. Die Hintergründe sind beispielsweise sehr undetailliert, oft sieht man nur große, einfarbige Flächen in simplen geometrischen Formen. Der Detailreichtum entwickelt sich in dieser Staffel jedoch genauso rapide, wie der geschickte und wirkungsvolle Einsatz von Schattierungen.Visuell lässt sich die dritte Staffel gen Schluss von den darauf folgenden zwei oder sogar vier Staffeln nur noch daran unterscheiden, dass die Farbpalette insgesamt etwas dunkler ist.

Der inhaltliche Stil der dritten Staffel gleicht erstmals dem der Simpsons-Blütezeit. Zuvor waren zu viele Episoden zu sitcomhaft, die letzten Jahre sind die Simpsons (im Vergleich) zu aufgedreht. In der dritten Staffel dagegen holen die Autoren das beste aus dem Konzept einer animierten Sitcom: Manche der Plots ähneln in ihrem Grundriss noch der Idee herausstechender Episoden einer normalen Sitcom (die schlaue Tochter gewinnt einen Schreibwettbewerb, der Sohn nimmt am Seifenkistenrennen teil, die Mutter hat einen Nervenzusammenbruch), es wird aber ohne die engeren Grenzen des Formats und mit ironischer (manchmal auch satirischer) Spitze in Richtungen weitergesponnen, wie es nur mit absurdem Budget, etwas weniger realistischer Bodenhaftung oder halt im (Zeichen-)Trickmedium möglich ist. Andere Episoden ähneln schon eher dem modernen Simpsons-Stil, bloß ohne die Konzentrationsschwächer heutiger Tage und in Folge dessen auch weniger knallig. Eine Macke der ersten Episoden aus der dritten Staffel ist das häufig sehr abrupte Ende - diese störende Eigenheit verläuft sich jedoch mit der zunehmenden Autorenübung im Laufe der Staffel.

Davon abgesehen beginnt die Staffel bereits mit einem Simpsons-Meilenstein, ohne direkt danach an Dampf zu verlieren: In der Staffelpremiere Die Geburtstagsüberraschung ("Stark Raving Dad") gibt sich Michael Jackson (im Abspann unter einen Pseudonym gelistet) die Ehre. Jedoch steht er nicht so plakativ im Fokus der Episode, wie manche späteren Gaststars, stattdessen liegt der Fokus der Episode auf Homer, der aufgrund eines rosa Hemds in die Nervenheilanstalt geliefert wird, sowie auf Lisa, die sich riesig auf ihren Geburtstag freut, nur um von Bart völlig enttäuscht zu werden, der dieses große Ereignis vollkommen versäumt. Mit Hilfe eines dicken, großen Kerls, den Homer aus der Klapse mitbringt und der sich für Michael Jackson hält, denkt er sich ein Versöhungsgeschenk aus... Die Episode ist sehr charmant gemacht und enthält einen tollen Ohrwurm. Ein toller Start in die dritte Staffel der Simpsons und ein tolles Beispiel für die Balance zwischen cartoonigem und sitcomhaften Humor, die frühere Staffeln der Serie so toll machte.

In der darauf folgenden Episode Einmal Washington und zurück ("Mr. Lisa Goes to Washington") treten die Simpsons eine der ersten Ausflüge an, die mittlerweile gar nicht mehr aus der Serie wegzudenken sind. In bester Carl-Barks-Tradition wird erstmal minutenlang mit einem anderen Handlungsfaden (Homer wird zum begeisterten Magazinleser) zum Schreibwettbewerb hingeleitet, der Lisa und ihre Familie nach Washington bringt. Der Bruch zwischen A- und B-Story ist allerdings noch längst nicht so krass wie heute und kommt deutlich logischer rüber. In Washington gibt es einige kurze Wegschmeiß-Gags (die Simpsons bei Touristenführungen oder beim Hotelbettenverteilen), bevor der zynische Kern der Episode zum Vorschein kommt: Lisa, die beim politischen Schreibwettbewerb eine patriotische Rede vorstellen soll, wird Zeugin eines Bestechungsaktes. Was sich daraus entwickelt ist herrlich abgefahren und sarkastisch. Ein Fluch auf Flander ("When Flanders Failed") hält die Bitterkeit aufrecht (Homer wünscht sich, dass Flanders neues Geschäft bankrott geht - und muss mitansehen, wie sein Wunsch harsche Realität wird), fügt aber auch eine ehrliche und rückblickend vielleicht auch leicht befremdlich wirkende Bodenständigkeit und Herzlichkeit hinzu, da diese Story dazu verwendet wird, um über Nachbarschaftshilfe und Freundschaft zu referieren. Das Ende ist leider ein absolutes Spitzenbeispiel für die angesprochene Hast in den letzten Minuten, und somit ein Dämpfer für die ansonsten sehr amüsante Folge.


Mit Verbrechen lohn sicht nicht ("Bart the Murderer") legt die Staffel sogar einen höheren Gang ein: Bart erlebt einen absoluten Unglückstag und landet schließlich im strömenden Regen vor der Tür des Mafioso-Treffs von Fat Tony. Da sich Bart als Pferderenn-Orakel entpuppt, darf er sein Leben behalten und wird sogar als Barkeeper engagiert. Bart führt fortan ein gelassenes Leben im Schatten zwischen Recht und Unrecht, bis er einmal zu spät zur Arbeit kommt und Rektor Skinner dafür bei den Mafioso anschwärzt. Am Tag darauf wird er als vermisst gemeldet und schnell gerät Bart in Verdacht, den Mord an Skinner in Auftrag gegeben zu haben. Diese Folge ist durchweg im besten Simpsons-Humor gehalten und weißt eine Story auf, die einem ihrerzeit nur bei den Simpsons begegnen konnte. Und trotz der abgedrehten Grundidee eines Grundschülers, der als Barjunge für das organisierte Verbrechen arbeitet, wird alles noch bodenständig und plausibel gehalten. In der fünften Folge erreicht Staffel 3 ihren vorzeitigen Höhepunkt: Der Ernstfall ("Homer Defined") zeigt, was passiert, wenn im Springfielder Atomkraftwerk eine Kernschmelze bevorsteht und nur Homer seine Heimatstadt vor dem Atom-GAU bewahren kann. Eingerahmt wird die Handlung dieser denkwürdigen Episode voller vorzüglicher Einfälle durch wiederkehrende Blicke in ein Lexikon.

Danach lässt die Staffel, auf hohem Niveau, etwas nach. Der Vater eines Clowns ("Like Father, Like Clown") lenkt seinen Fokus auf Krusty, der sich nach Anerkennung durch seinen Vater sehnt. Der Rabbi möchte aber nichts von seinem albernen Sohn wissen. Die Episode hat zwar Herz, aber ein viel zu abruptes Ende und es wird sehr wenig Handlung in, wenngleich toll ausgefeilten, sehr langen Dialogszenen abgehakt. Die zweite Halloween-Folge der Simpsons ist treffsicherer als ihr direkter Vorläufer und atmosphärisch dichter als neuere Folgen, hat aber auch etwas Leerlauf, den es zu überwinden gilt und Lisas Pony gibt Lisa das lang ersehnte Pony, während die Zuschauer mit zu viel Handlung in zu kurzer Zeit konfrontiert werden. Dennoch ist es eine Folge, nach der man sich heute sehnen würde, da trotz der unausgewogenen Behandlung der einzelnen Plots die Gags sitzen und sehr organisch aus den Eigenheiten der Figuren erwachsen.


Nach dieser Episode erreicht die Staffel, meiner Meinung nach, ihre beste Phase.Sie beginnt mit Das Seifenkistenrennen ("Saturdays of Thunder"), der dritten Episode innerhalb kürzester Zeit, die von schlechten Vätern handelt. Ein Fakt, der in den informativen Audiokommentaren auf der Sammelbox herauskristallisiert und kritisch beleuchtet wird. Das Seifenkistenrennen ist eine mit denkwürdigen Szenen vollbepackte Folge, wie dem legendären McBain-Clip, in dem der Titelheld Rache für seinen brutal ermordeten, kurz vor der Pension stehenden Partner schwört ("MEN-DO-ZAAAAAA!"), Homer, der einen Zeitschriftentest nimmt um festzustellen, ob er ein guter Vater ist ("Welche Hobbys hat Bart?" -"Öh... er kaut immer an den Telefonkabeln rum...?!") und natürlich die vor (fließend eingebauten) Filmanspielungen sprühenden Seifenkisten-Rennen.
Daraufhin kommt meine absolute Lieblingsepisode der Simpsons: Das Erfolgsrezept ("Flaming Moe's"). Allein schon die Grundidee finde ich als gelegentlicher Hobby-Getränkemischer (für einen Hobby-Barkeeper mache ich's dann doch viel zu selten) genial: Um sich die Urlaubsdias von Patty und Selma erträglich zu trinken, mixt Homer aus dem Restalkohol in der Küche einen Drink zusammen. Dabei mischt er aus Versehen auch eine Flasche von Krustys Kinderhustensaft unter die Spirituosen. Der Cocktail schmeckt ganz okay, als ein Zigarettenstummel seiner Schwägerinnen ihn jedoch in Brand steckt, entwickelt er ein unwiderstehliches Aroma. Als Homer seinem Kumpel und Stammkneipen-Besitzer Moe davon erzählt, stiehlt dieser das Rezept - und macht damit einen wahnsinnig absurden Umsatz. Moe's wird zur Szenekneipe des Landes, mit Häuserblocks umspannenden Warteschlangen, prominentem Besuch und Industriespionen. Homer geht dabei vor lauter Neid an die Decke...

Das Erfolgsrezept würde heute sicherlich zu überzogen umgesetzt, mit zu starkem Fokus auf Promigäste und einem idotisch-aggressiven Homer. Doch in ihrer tatsächlichen Form lässt die Folge viel Verständnis und Mitleid für Homers nachvollziehbares, nicht aber vollkommen akzeptables Verhalten aufkommen. Die zahlreichen kleinen Gags über In-Clubs, die Moes Drink in Laboren analysierende, habgierige Konkurrenz und Moes neue sexy Assistentin sitzen und die ganze Folge hat einfach eine kultige Atmosphäre. Hinzu das Phantom der Oper-Finale und eine Cheers-Hommage sowie eine Gesangseinlage von Aerosmith, die sich unter anderem mit einer mannstollen Edna Krabappel rumschlagen müssen, und das Paket ist rund.

In der Folge, die von den ProSieben-Zuschauern zum Highlight der Staffel gewählt wurde, Kraftwerk zu verkaufen ("Burns Verkaufen der Kraftwerk"), dürfen wir Deutschen mal was über uns selbst lachen, nachdem wir uns während der Serie sonst über die Durchschnittsamerikaner lächerlich machten. Burns möchte mehr aus seinem Leben machen und verkauft das Kraftwerk gewinnbringend an deutsche (in einer frühen Skriptfassung japanische) Investoren. Es folgen schmeichelnde Details (Deutsche sind sehr freundlich, richten als allererstes einen firmeninternen Kindergarten ein) und auch weniger nette Seitenhiebe, ein ausführlicher Traumausflug ins Schokoladenland (im Stil, den Jahre später Scrubs für sich gewinnen konnte) und Homer als einziger Depp, der seine Aktien am Kraftwerk viel zu früh abstieß und sich damit zum Gespött der Familie macht. Blick zurück aufs Eheglück ("I Married Marge") wiedrum ist, wie eigentlich alle Rückblickfolgen, herzlich mit feinem Sinn für Humor, starker Charakterisierung von Homer und Marge sowie einer großen Dosis Zeitgeistgefühl.


Wer anderen einen Brunnen gräbt ("Radio Bart") ist meiner Ansicht nach wiederum ein erzählerisches Serienhighlight. Bart bekommt zum Geburtstag blöden und nichtsnützigen Krimskrams geschenkt, darunter auch ein (in einem der für frühere Simpsons-Staffeln so typisch irrwitzigen Werbespot beworbenes) Funkradio von Homer. Da Bart es noch ätzender als die Etikettiermaschine von Patty und Selma, ist sein Vater derart geknickt, dass Marge Bart mit all ihrer mütterlichen Überzeugungskraft zureden muss, damit er das Geschenk gebraucht. Nachdem er das Radio für allerlei harmlosere Streiche gebraucht und es nutzt, um sich bei seinen streng gläubigen Nachbarskindern als Gott auszugeben und ihr Gottvertrauen auf die Probe zu stellen, lässt er sein Radio in einen Brunnen fallen, um so zu tun, als sei er ein armer, hilfloser Junge, der im Brunnen gefangen ist. Was sich an diesen sorgfältig vorbereitenden und durchdachten ersten Akt folgt, ist ein wunderbar sarkastischer Kommentar auf die Medienöffentlichkeit, Wohltätigkeit unter Prominenten und die wankelmütige Scheinmoral des Normalbürgers.

Der Wettkönig ("Lisa the Greek") und Homer Alone ("Wenn Mutter streikt") blicken erneut auf das Elterndasein. Erstere Folge verpackt dies in einer mit Simpsons-Würze verfeinerten, Sitcom-haften Handlung über Football-Wetten, die unerwartet als gemeinsame Interesse Lisas und Homers auftreten, letztere ist eine etwas langatmige, aber charmante Episode über Marge, die vor Hausfrau- und Mutterstress einen Nervenzusammenbruch erleidet, weshalb ein überforderter Homer den Haushalt schmeißen muss. Das haben Die Dinos so ähnlich in einer Folge allerdings besser hingekriegt.
Die Kontaktanzeige ("Bart the Lover") nimmt dagegen wieder an Fahrt auf. Sie ist zwar gehetzter als die beiden vorherigen Episoden, aber auch dichter an Witz und Einfallsreichtum. Zudem erzählt sie eine in dieser Form vergleichsweise einmalige Geschichte, während manch anderer Plot aus dieser Staffel mit leichter Variation in der langen Simpsons-Historie wiederholt vorkommt. Die Episode stellt Barts Lehrerin Krabappel in den Fokus und zeigt ihr einsames Leben als verbitterte Grundschullehrerin, die von ihrem Mann verlassen wurde und sich erfolglos durch Kontaktanzeigen arbeitet. Als Bart davon spitzkriegt, schreibt er ihr einen Brief, in dem er sich als gebildeter, erwachsener Mann ausgibt, der sich gerne mit ihre treffen möchte. Natürlich versetzt Bart sie, aber als er sieht, dass der Streich nach hinten losging und er das Herz von Ms. Krabappel brach, bemüht er sich um Wiedergutmachung... Eine herzliche, charmante und denkwürdige Episode - mit absolut dämlichen Schlussgag, der richtig Hass auf sich zog, ganz zum Unverständnis der Autoren.
In Der Wunderschläger ("Homer at the Bat") übernehmen dann tatsächlich die Gaststars die Bühne, wobei die Folge trotz Fokus auf damalige Baseball-Koryphäen mehr durch (zunehmend abstrusen) Witz besticht, als durch bloßes Promi-Schaulaufen. Homer nimmt sich vor, in der kommenden Saison der Star der Softballmannschaft des Atomkraftwerks zu werden und bastelt sich seinen eigenen Schläger, mit dem er einen Homerun nach dem anderen schlagen möchte. Tatsächlich beweist sich Homer als Wunder an der Schlagposition. Aber Mr. Burns, der auf das Finale eine Wette abschloss, ersetzt Homer und seine Kollegen im letzten Spiel durch die Besten der Besten im Baseballsport. Welche Wende die Episode danach nimmt, wird wohl kaum jemand erahnen... Der Wunderschläger ist eine der besten, wenn nicht sogar die beste Sportfolge der Simpsons voller Einfallsreichtum, unvergesslichen Sprüchen und einem richtig dichten Skript, das ein nahezu perfektes Timing aufweist. Allerdings muss ich wohl eingestehen, dass manchen die Folge zu kurios sein könnte.

Mit Der Eignungstest ("Separate Vocations") gönnt der Höhenflug der dritten Staffel eine kleine Atempause. Die Folge, in der Lisa und Bart ihr Image in der Schule tauschen hat einen laschen Anfang, wofür allerdings die tolle zweite Hälfte weitestgehend zu entschädigen weiß. Heute wäre sie sicherlich das Staffelhighlight, damals war sie dagegen oberer Durchschnitt. In Auf den Hund gekommen ("Dog of Death") benötigt der Familienhund Knecht Ruprecht eine dringende Operation, deren hohen Kosten die Familie an den Rand des Ruins treiben. Die üblichen "Familie Simpson hat kein Geld mehr"-Gags sind ganz nett, die Parodie auf Uhrwerk Orange ebenfalls, insgesamt ist es für mich aber eine Folge, die beim erneuten Anschauen nicht an meine durch Nostalgie verklärten Erinnerungen anschließen konnte.

Nach dieser Atempause hauten die Simpsons-Macher aber noch zwei Serien-Meilensteine raus: Homer auf Abwegen ("Colonel Homer"), eine der unvergesslichsten Simpsons-Episoden überhaupt, lässt Homer vom Ehealltag und -zwist gefrustet in eine Westernkneipe fahren, wo die Kellnerin mit Gesangsambitionen Lurleen Lumpkin ihm aus der Seele singt. Der naiv-kindliche und begeisterte Homer möchte unbedingt, dass Lurleens herzerwärmenden Texte und ihre engelsgleiche Stimme der ganzen Welt gehören und bietet ihr an, ihre Karriere zu managen. Lurleen verknallt sich in den tölpelnden Glatkopf mit dem großen Herzen, doch der ist vollkommen blind und bemerkt gar nicht, dass die hübsche Sängerin ein Auge auf ihn geworfen hat. Deswegen hat er auch keinerlei Verständnis für Marges Eifersucht und spornt so nur weiter den Zorn seiner Ehefrau an. Tolle Countrysongs und eine mittlerweile kaum vorstellbar mehrschichtige Charakterisierung macht Homer auf Abwegen zu einer gefühlvollen und äußerst unterhaltsamen Simpsons-Folge, die eine Sitcom-Dramaturgie nimmt und ihr den feschen Drive früher Simpsons-Staffeln verleiht. Bis dass der Tod euch scheidet ("Black Widower") dagegen gehört zu den besten Episoden mit dem wiederkehrenden Widersacher Barts, den kriminellen Sideshow/Tingeltangel Bob, der in dieser Episode Tante Selma heiratet. Alle glauben an Bobs Resozialisierung, doch Bart ist davon überzeugt, dass er einen eiskalten Plan hat. Sarkasmus und eine kurzweilige Kriminalgeschichte machen Bis dass der Tod euch scheidet zum letzten Höhepunkt der dritten Staffel.

Der Fahrschüler ("The Otto Show") hat einige gute Ideen, allerdings werden sie nicht sonderlich gut zusammengebracht. Eigentlich hätte man zwei Episoden aus ihr machen sollen: Bart, der wegen eines Spinal Tap-Konzerts Rockstarambitionen hat, und Otto, der den Führerschein verliert und sich bei Familie Simpson einnistet. Beide Storylines werden mehr schlecht als recht vereint, aufgrund guter Gags wie Homers Erinnerungen an wilde, köstliche Nächte auf der Autorückbank, würden Der Fahrschüler aber zu einer der besseren Folgen heutiger Staffeln machen. Das Ende ist dagegen völlig abrupt und recht sinnbefreit, worüber die Autoren im Audiokommentar auch scherzen. Liebe und Intrige ("Bart’s Friend Falls in Love") lässt Bart eifersüchtig auf Milhouses erste Freundin werden. Die Story ist gut, die Auflösung passabel, aber es mangelt an prägnanten Gags. Ähnliches gilt für die vergleichsweise beliebte Episode Der vermisste Halbbruder ("Brother Can You Spare Two Dimes?"), die abseits ein paar richtig guter Gags (wie einer von vielen 2001-Parodien bei den Simpsons) humotistisch eher lasch ist und sich auf die Handlung verlässt. Die Rückkehr von Homers Halbbruder (im Original gesprochen von Danny DeVito) ist zwar freudig und (in Simpsons-Logik) plausibel, der Konflikt zwischen Homer und Herb wird aber zu schnell aufgelöst und durch die "Status quo ist Gott"-Welt, in der die Simpsons leben, kann sie auch keine größere emotionale Schwere entwickeln. Dennoch recht amüsant und nicht die schlechteste Folge der genialen dritten Staffel.

Für mich ist die dritte Staffel von Die Simpsons ein weiterer Beweis dafür, dass der Spruch "Man soll aufhören, wenn's am schönsten ist" absoluter Schwachsinn ist und ausrangiert gehört. Denn das durchschnittliche Staffelniveau dieser Season bleibt in meinen Augen bei der gelben Familie unerreicht. Trotzdem wäre es ein großer Fehler gewesen, nach dieser Staffel aufzuhören, denn seither sind zahlreiche großartige Episoden entstanden, darunter auch viele, die einige der besten dieser Staffel schlagen. Nur weil hier unter dem Strich über zwanzig Episoden lang das höchste Niveau gehalten wurde, kann man nicht automatisch sagen, dass die Simpsons nach der dritten Staffel schlechter wurden. Das klingt für manche vielleicht widersprüchlich, doch das ist es nicht.

Und sogar jetzt, wo zahlreiche alte Simpsons-Fans der Serie den Rücken zukehren, sind die Simpsons weiterhin besser als zahlreiche andere Serien. Sie sind wie Pizza: Selbst misslungen munden sie. Noch schöner aber natürlich, wenn sie nahezu perfekt sind. Wie in dieser Staffel. Man kann wehmütig zurückblicken - oder Spaß an den wenigen Treffern neuer Jahre haben und sich die goldenen Schätzchen auf DVD immer wieder ansehen.

7 Kommentare:

Jaguar D Sauro hat gesagt…

Mann, als Simpsons Fan seit Jahren kann man es ja gar nicht lassen, das nicht zu Kommentieren...

Sehr schöne Review, der ich mich zum Großteil voll und ganz anschließe, wobei ich finde das du mit Staffel 2 zu Hart ins Gericht gehst: Die Staffel hatte schließlich Meisterwerke wie "Der Aushilfslehrer" oder "Wie alles began". Auch schade finde ich, das du nichts zu den damaligen Produktionswechsel in der Serie sagst, da ja Groening, Simon und Brooks sich zurückzogen und Jean und Reiss das Ruder übernahmen. Aber dafür gehst du sehr detailliert an die Serie ran und machst wirklich gute Reviews zu den Folgen.

Was die neuen Staffeln betrifft: Die Qualität schwankt wirklich sehr,17, 18 und 19 waren Katastrophen. Widerrum Staffel 21 gefällt mir zurzeit richtig gut, eine so positive Staffel sah ich schon lange nicht mehr. Daher muss ich wohl, obwohl ich auf die neuen Staffeln oft einhaue, mich deinen Endsatz wohl anschließen...

Cooper hat gesagt…

Klasse Review vom Erpel, das kann man wohl direkt unterzeichnen!

Die Simpsons habe ich früher auch mal gesehen und kann mich an die von dir beschriebene 3.Staffel wirklich gut erinnern. Das ist umso befremdlicher, da ich nie ein großer Fan der Serie gewesen bin. Manche Folgen hab ich gesehen, doch müßte ich das in Zahlen ausdrücken, dann sind mir allerhöchstens 100 der 460 (oder mehr?) Episoden bekannt. Staffel drei hab ich gar komplett gesehen, wie ich bei deinem tollen, unverklärten Staffelrückblick merken durfte. Ich denke, wenn es eine Staffel der Gelben gibt, die mich zum Kauf verführen könnte, dann wäre es jene von dir hier ausführlich geschilderte Dritte.
Zur Serie werd ich kein übergreifendes Statement abgeben - zum einen aufgrund der wenigen betrachteten Folgen. Zum anderen, weil ich schon lange aufgehört habe "Die Simpsons" anzusehen. Wichtiger ist aber, dass ich es mir schlichtweg nicht anmaße, über diese Serie zu urteilen.
Schwankungen in Stil und Qualität sind jedoch selbst mir manches Mal unliebsam aufgefallen - aber welche Serie hat die nicht? ^_^


Sir Donnerblog - ich hab da eine kleine Anmerkung:
Sieh doch mal nach beim dritten Absatz deines Beitrages, dort fehlt dir im letzten Satz ein Zahlwort.
Deine Texte sind abgesehen vom sprachlichen Können wirklich sehr fehlerarm und in den von mir bislang gelesenen Kommentaren findet sich keine solche Handhabe. *sfz*
Nicht dass ich perfektes Deutsch in Wort und Schrift ausübe, aber ich bin seitens anderer immer für sachliche Bemerkungen dankbar und vermute das auch bei dir - so wie du dich hier im Blog zeigst.
Lange Rede gar kein (nennenswerter) Sinn, hier nun die o.g. Textstelle -->

"...von den darauf folgenden zwei oder sogar Staffeln nur noch daran unterscheiden, ..."


Wie gehabt, Grüße und Dank für einen versierten, lebendigen Beitrag.

Cooper

Sir Donnerbold hat gesagt…

*etwas fester auf Tatatur gehämmert und so fehlendes Wort wieder eingefügt*

Wenn du dich noch so lebendig an diese Staffel erinnern kannst, Cooper, bist du dann auch ein "Simpsons auf ZDF"-Gucker?

@ Jaguar D Sauro: Ich fand diese halbe Staffelstabübergabe noch nicht so bedeutsam, dass ich groß auf sie eingehen wollte. Aber es ist schon gut und richtig, dass sie durch deinen Kommentar nun auch hier verewigt wurde. :-)
Mit deinen beiden Beispielen der zweiten Staffel hast du eigentlich auch schon die genannt, die ich noch recht gut fand. Sonst war sie halt der evolutionäre Schritt von der mauen ersten zur genialen dritten. Wobei ich den Aushilfslehrer sogar noch etwas überschätzt finde. Ich weiß aber, damit eine leise Stimme der Minderheit zu sein. Dein großer Simpsons-Countdown ist ja leider nicht mehr nachzulesen - welche 4-5 Folgen der Season 2 findest du denn noch besonders herausragend?

Jaguar D Sauro hat gesagt…

Nun, definitiv zu nenne währen von mir die schon zwei genannten, "Frische Fische mit drei Augen" (die erste Politsatire der Show, der legendäre drei Augen Fisch), "Bart kommt unter die Räder" (erstauftritt von Lionel Hutz, sehr gute Handlung mit einem etwas überhasteten Ende), "Marges Meisterwerk" (eine Folge, die gerne übersehen wird), "Das achte Gebot" (zurecht mit Emmy ausgezeichnet) und natürlich die Folge "Der Lebensretter" (typisch George Meyer).

Ansonsten bleiben eher große Momente als Folgen hängen, wie der legendäre Klippensprung mit Homer und Skateboard als auch das Legendäre Segment mit den Raben in der allerersten Halloweenfolge.

P.S: Der Countdown ist das, was ich am meisten vermisse. Hätte ihn besser speichern sollen...

Cooper hat gesagt…

@den heute ausnahmsweise mal gelben Erpel:

Ich hab einige Zeit nachdenken müssen Sir. D.
Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, habe ich die Simpsons 91 auf Premiere zum ersten Mal erblickt. Ich kann mich aber auch irren. Sicher bin ich nicht und belege für eine VÖ 1991 bei PREMIERE finden sich genauso wie massenhaft Seiten ohne selbige Erwähnung. Sollte vllt. mal hier ne eMail schreiben und mich erkundigen ob die VÖ-Angabe denn stimmt:
http://www.presseportal.de/pm/33221/596895/sky?search=presseportal

Meine drei Jahrzehnte lassen mich alt genug sein, um "Die Simpsons" auf ZDF gesehen zu haben. Dam ist auch so, doch als richtiger "Simpsons auf ZDF"-Gucker bezeichne ich mich nicht. Ich habe nur ein paar Folgen beim Zweiten Deutschen Fernsehen geschaut ich mochte sie, kam aber selten zum Fernsehen auf dem Zweiten (3 Geschwister und 1 Fernseher...).

So richtig regelmäßig und zeitweise wirklich begeistert, hab ich die Serie bei der großen Sieben mitverfolgt (eines Zimmer, eigener TV ^_^).

Lange davor war ich aber Fan des Liedes das M.J. Jackson geschrieben hat und das '91 zu einem internationalen Hit wurde.^_^ Das Lied gefiel mir viel besser als die Serie und bei uns daheim lief regelmäßig "Do the Bartman" im Plattenspieler der Grundig-Anlage meines älteren Bruders.

Martina hat gesagt…

Hey super Kommentar!!!!
ich glaube, ich werde nun wieder einmal Simpsons schauen ;)

Gruß

Justin L. Brown hat gesagt…

Sue Grafton lives in Santa Barbara in which her Kinsey Millhone Protagonist lives, but she possesses renamed This Santa Theresa on the books. several years ago another author, Ross Madonald, also set his protagonist, Lew Archer, with Santa Theresa. http://www.mordocrosswords.com/2016/02/sue-graftons-for-innocent.html

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