Freitag, 2. Dezember 2011

Der Weg nach El Dorado


Im Jahr 1 vor Shrek wagten es die Walt Disney Studios, sich selbst ein wenig auf die Schippe zu nehmen. Ein Königreich für ein Lama wäre einst unter dem Titel Kingdom of the Sun ein typisches Disney-Musical mit den gewöhnlichen Morallektionen geworden. Doch im Laufe der Produktion nahm dieses Projekt eine radikale Wende und wurde mit wildem Humor und einem Egomanen von Helden zu einer Art liebenswürdigem Anti-Disney. Wenige Monate zuvor preschte DreamWorks, der frische Konkurrent auf dem Trickfilmmarkt, mit seiner eigenen Komödien vor einem Azteken/Inka/Maya-Kuddelmuddelsetting in die Kinos. Zufall?

Nun, über Disneys und DreamWorks Kabbelleien, gerade in den frühen Jahren von DreamWorks Animation, lassen sich gewiss ganze Bücher schreiben. Klaubte Katzenberg alle Erinnerungen an mögliche Disney-Projekte zusammen, und brachte eigene Antworten zu diesen Filmen ins Rollen? Oder sind Filme wie Antz wirklich reiner Zufall? Naja, lassen wir diese Verschwörungstheorien einfach bei Seite, und konzentrieren uns auf die Fakten. Die sind nämlich schon spannend genug.

DreamWorks bot Ted Elliott und Terry Rossio, die sich zuvor mit Aladdin einen Namen für abenteuerliche Komödien machten, einen festen Vertrag mit Bindung an DreamWorks und eigenen Büros auf dem studioeigenen Gelände an. Die erste Frucht dieser Partnerschaft war Small Soldiers, eine schwarze Komödie von Joe Dante, die zwischen ein Kinder- und Jugendpublikum fiel. Ähnlich wie Gremlins, nur ohne anschließenden Kult.

Daraufhin nahmen sie sich der Formel der Der Weg nach...-Filme mit Bing Crosby und Bob Hope an. Aus heutiger Sicht lässt sich der Film so erklären: Der Regisseur von Thor (oder "Dieser ständig dick auftragende Shakespeare-Darsteller und -Regisseur) und Otto aus Ein Fisch namens Wanda brechen mit dem Cousin vom Pferd aus Rapunzel nach El Dorado auf und werden dort für Götter gehalten. Und all das nach einem Buch der Jungs, die Fluch der Karibik 1 bis 4 schrieben.

Nun, eigentlich ist das auch die Kern-Geschichte. Die tricksenden besten Freunde Miguel und Tulio wollen Gold, werden unerwarteterweise vergöttert, einer verguckt sich in die Eingeborene Chel und so ganz nebenher wetteifern der durchtriebene Hohepriester und der gemütliche Häuptling El Dorados darum, wessen Auslegung der Heiligen Schrift die "Götter" denn nun bevorzugen. Oh, und Cortez kommt auch kurz vor.

Der Weg nach El Dorado erhebt eigentlich nur den Anspruch, ein spaßiges, kleines Abenteuer zu sein. Katzenbergs Ambitionen, größer, dramatischer, weiter als sein ehemaliger Arbeitsplatz Disney zu sein, sind nunmehr völlig vergessen. Stattdessen begann der Trend, in Sachen Humor eine Prise riskanter zu sein, als es beim Mäusekonzern der Fall ist. Offensichtlichere Sex-Anspielungen als hier wären ohne eine höhere Jugendfreigabe wohl kaum drin gewesen.

Der Film wird eigentlich nahezu allein von seinen Hauptfiguren, und somit ihren Sprechern, getragen. Miguel und Tuljo bringen dem Portfolio der frechen Abenteurer nichts neues, sind aber dank Kevin Kline und Kenneth Branagh (beziehungsweise Arne Elsholtz und Stefan Gossler) sehr spritzig. Ihre Neckereien und Blödeleien sind wirklich vergnüglich anzuschauen. Und, nun, wenigstens im Bereich der abendfüllenden Zeichentrickfilme waren solche Tunichtgute halbwegs etwas neues. Dann kam aber schon Disneys Ein Königreich für ein Lama und zeigte, wie man das Schema des spröden Disney-Trickhelden richtig durchbricht ...

Der Look von Der Weg nach El Dorado ist glatt poliert und ansehnlich, aber zumindest was die Figuren anbelangt auch völlig beliebig. Beachtlicher sind da schon die satten, detailreichen Landschaften, in die wohl auch ein Großteil des Budgets von 95 Millionen Dollar floss. Wenn nun die CGI-Elemente noch integriert worden wären, statt direkt isn Auge zu stechen, wäre diesbezüglich nichts zu meckern.


Die Dramaturgie ist ziemlich flach, was auch die Autoren Ted Elliott und Terry Rossio so sehen. Dem Film mangle es in der endgültigen Fassung an "Momentum", unter anderem, weil zu viel gezeigt und erklärt wird. Die Welt abseits des Filmgeschehens ist uninteressant, weil dort nichts mehr passiert. Diese Probleme sprechen sie unter anderem in dieser Kolumne an, in der erklärt wird, dass sie eigentlich eine größere Rettungsszene planten, in denen Miguel und Tulio die als Diebin zum Tode verurteilte Chel retten müssen. Es ist nur ein kleiner Spannungsmoment, der durch diese Drehbuchänderung verloren ging, und somit an und für sich noch nicht dramatisch. Allerdings trifft dies für den gesamten Film zu: Der Weg nach El Dorado ist ein entspannter, spaßiger Zeichentrick-Trip nach Südamerika, aber für eine Abenteuerkomödie letztlich viel zu unaufgeregt. Die Figuren scherzen und schlawinern sich durch die gesamte Laufzeit und nach einem anti-klimatischen Finale blickt man durchaus amüsiert auf den Film zurück, wundert sich aber auch: "Ist eigentlich irgendwas passiert?" Kein Wunder, dass Der Weg nach El Dorado daraufhin kaum im Gedächtnis hängen bleibt.

Der größte Fehltritt in dieser DreamWorks-Trickkomödie, von Terry Rossio selbst als "Hundert-Millionen-Dollar-Fehler" beschrieben, betrifft nicht etwa das schnell auftauchende und dann ohne jeglichen auf die Ausgangssituation zurückverweisenden Gedanken abgehandelte Finale, sondern die Mitte des Films. Laut Rossio sollten Miguel und Tulio ihre Maskerade als Gott länger aufrecht erhalten, und die Stadt heimlich nach Gold durchsuchen. Die Regisseure änderten diesen Handlungsfaden jedoch, so dass die Helden stattdessen mit dem Gold überhäuft werden und versprechen einander, nun bloß nicht auffällig zu handeln. Und so bleibt der Film still stehen und wartet sehnsüchtig auf den nächsten Konflikt. Nun, im Gegensatz zu Edi Grieg finde ich diese Warterei nicht vollkommen langweilig, da ich die Figuren trotz Klischeehaftigkeit recht sympatisch finde. Dennoch ist ab Paktschluss erstmal die Luft aus dem Film raus, bis sich Tulio und Miguel über die weitere Vorgehensweise in die Haare kriegen. Dieser Streit holt mich allerdings in den Film zurück, da mich die Sprecherleistungen tatsächlich an dieser zerbrechenden Freundschaft teilhaben lassen.

Oh ... Ach ja ... Da war noch was: Die Musik! In einem bewussten Sachzug engagierte man Tim Rice, Elton John und Hans Zimmer, die allesamt für Der König der Löwen mit Oscars ausgezeichnet wurden. Und dann, tja, dann ließ man sie wohl in einem Mexiko-Restaurant sitzen, fragte irgendwann nach einer Melodie und zwängte dann ein paar Gesangseinlagen in den Film. Die Melodien sind beliebig, haben kaum zum Setting passendes Flair (ganz im Gegensatz zum eben erwähnten Oscar-Gewinner) und passen zudem gar nicht in die Narrative. Wenigstens Hans Zimmer konnte zusammen mit seinem Schützling John Powell ein paar nette Klänge zusammenfriemeln, die in den wenigen, etwas spannenderen Szenen für zusätzliche Atmosphäre sorgen. Alles in allem ist Der Weg nach El Dorado aber einer dieser Filme, die man mittags im Fernsehen erwischt, eingeschaltet lässt und über die man nach passablem Entertainment sagt: "Joah ... nett. Pffff ... und was tu ich nun?!" Kein Vergleich zum Lama. BOOM, Baby!

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2 Kommentare:

Lutz hat gesagt…

Ähnlich wie du fand ich den Film nett anzusehen, länger im Hirn hielt er sich allerdings nicht. Ich weiß noch, dass ich einen Song ziemlich cool fand, aber selbst den Titel und die Szene in der er spielt, habe ich schon wieder vergessen.

EdiGrieg hat gesagt…

Ich weiß noch, dass El Dorado meine erste Negativ-Kritik für das ganz neue ANISTORY-Archiv gewesen ist und entsprechend habe ich damals übermütig mal so richtig draufgehauen ^^
Heute würde ich das etwas sachlicher handhaben. Wenn ich das Lama irgendwann bespreche, versuch ich das wieder gerade zu bügeln!!

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