Sonntag, 12. Februar 2012

Clyde Geronimi

Another Nine widmet sich, in Anlehnung an Walt Disneys Nine Old Men, den über viele Jahrzehnte prägenden Trickfilmern des Studios, neun großartigen Künstlern, deren Einfluss bisher nur unzureichend erkannt und gewürdigt wurde. Vorgestellt werden Menschen, die ihre kreative Arbeit in völlig verschiedenen Bereichen verrichtet haben – Im Schatten der Maus


Der achte Teil dieser Serie erzählt von einem Mann, der alle gegen sich aufbrachte, große Erfolge feierte und am Ende alles verlor: Clyde Geronimi.


Clyde Geronimi, 1954 (Quelle: Walt Disney)

Clito Enrico Geronimi wurde am 12. Juni 1901 in Chiavenna, einer Kleinstadt in der Lombardei, nur einen Katzensprung von der italienisch-schweizerischen Grenze entfernt, geboren. Zu diesem Zeitpunkt lag ein Schatten tiefer Armut über Italien, so dass bis etwa 1920 im Verlauf von weniger als vier Jahrzehnten über fünf Millionen Italiener in die USA auswanderten. 1908, zur Hochzeit der Auswandererwelle, entschied sich auf Geronimis Familie, ihr Glück auf der anderen Seite des Atlantiks zu suchen. Aus Clito wurde Clyde, der später aber von allen nur Gerry genannt wurde.

Clyde Geronimis Anfänge im Zeichentrickfilm finden sich etwa im Jahr 1920, als er begann, für William Randolph Hearts IFS zu arbeiten. Dort traf er auf George Stallings und Walter Lantz. Lantz hatte sich einen Namen gemacht und war dort vom cel washer zum Regisseur aufgestiegen. Um 1922 wechselten sie mit einigen anderen zum Bray Studio und wurden dort Stallings unterstellt. Sie arbeiteten an Kurzfilmen über Colonel Heeza Liar, die in der damals beliebten Kombination aus Trick- und Realfilm produziert wurden. Stallins hatte die „Angewohnheit, zu spät zu kommen“, so Geronimi, weswegen er einige Zeit darauf entlassen und Lantz befördert wurde, mit Geronimi als seinem Assistenten. Im Jahr 1924 begannen beide, an der neuen Serie Dinky Doodle zu arbeiten.

Nachdem Bray 1927 pleite gegangen war, folgte er Walter Lantz, auch als dieser sein eigenes Studio eröffnete. Jedoch folgte er bereits 1931 dem Ruf Disneys und wechselte dorthin, wie viele seiner ehemaligen Kollegen es auch taten. Der erste Film, für den seine Arbeit nachgewiesen ist, war Die Entenjagd (The Duck Hunt) aus dem Jahr 1932. Obgleich das farbige Remake von Das hässliche Entlein im Jahr 1939 offiziell unter der Regie von Jack Cutting entstand, war auch Clyde Geronimi wesentlich am Entstehen des Films beteiligt. Der große Erfolg des Films, der mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, verhalf Geronimi zu einem Karrieresprung und damit den Status eines Regisseurs.

Zuvor hatte er sich bereits einen Namen als Trickfilmzeichner gemacht, war aber bei der Produktion von Schneewittchen und die sieben Zwerge weitestgehend übergangen worden. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist Ollie Johnston, dessen Arbeit als Assistent von Fred Moore sicher zu den bedeutendsten Lehrer-Schüler-Beziehungen im klassischen Zeichentrickfilm gehört, der jedoch zunächst garnicht Moores Assistent war. Er wurde Clyde Geronimi zugewiesen, arbeitete aber nur an seinem allerersten Kurzfilm mit ihm zusammen, dann nutzte er die Chance, sich mit Moore zusammenzutun. Geronimi war sichtlich gekränkt und meinte zu Ollie, dass er wohl nicht gut genug für ihn gewesen sei. Damit war die Sympathie zwischen beiden auf alle Zeiten auf Eis gelegt.


Die Mitarbeiter des Walt Disney Studios, nachdem Micky Maus einen Ehrenoscar erhalten hat, 1932.
Geronimi ist mit einem Pfeil markiert. (Quelle: Walt Disney)

Nach dem großen Studioerfolg von Schneewittchen und die sieben Zwerge konzentrierten sich viele der führenden Künstler auf die in Produktion befindlichen Langfilme. So wurde Clyde Geronimi die Verantwortung für die größte Abteilung der Kurzfilmproduktion übertragen, die insgesamt Harry Tytle unterstand. Die Abteilungen waren nicht nach Produktionsschritten unterteilt, sondern nach Hauptfiguren und unter Geronimis Obhut entstanden mehrere Dutzend Cartoons, in erster Linie mit Micky oder Pluto in der Hauptrolle. Normalerweise wurden dort acht Kurzfilme gleichzeitig produziert, entsprechend groß war die benötigte Fläche, weshalb Geronimis Mannschaft den ganzen Flügel 1B im neuen Animation Building besetzte. Alle sechs Wochen wurde ein Cartoon fertiggestellt und parallel die Ausarbeitung einer neuen Geschichte begonnen. Geronimi durfte sein eigenes System entwickeln, ihm oblag also die volle Kontrolle der Produktion, weshalb er sich entschloss, Charles Nichols als leitenden Trickfilmer einzusetzen. Nichols überwachte die Produktion der einzelnen Sequenzen der Filme und arbeitete sie, vor der Endfertigung, mit Geronimi und dem verantwortlichen Trickfilmer der jeweiligen Szene, durch. Walt Disney sah nur vorbei, wenn nach ihm gefragt wurde, weshalb der Einfluss von Geronimi ab etwa 1939 zwar nur schwer definierbar ist, aber groß gewesen sein muss. Nach einiger entschloss sich Geronimi, Nichols Don Duckwall zur Seite zu stellen, damit die Arbeit besser bewerkstelligt werden konnte. Beide wuchsen zu einem gleichberechtigten Team zusammen. Geronimi war in der Regel der offizielle Regisseur der Filme und blieb bis etwa 1943 Leiter der Abteilung, bevor er sie an Charles Nichols abtrat. Immerhin einem seiner Filme, Der herzlose Ritter (Lend a Paw), veröffentlicht 1941, gelang es, den Oscar für den besten animierten Kurzfilm zu erhalten. Clyde Geronimi hatte die Kurzfilmabteilung verlassen, um zukünftig an den abendfüllenden Trickfilmen zu arbeiten. Tatsächlich saß Geronimi oft zusammen mit den Nine Old Men in der ersten Reihe, wenn es um Entscheidungsfindung für den neusten abendfüllenden Zeichentrickfilm ging. So bestimmte er auch mit, welche Synchronsprecher eingesetzt wurden oder welche Schauspieler für einzelne Figuren Modell standen.

Den Beginn des großen Streiks, der die gesamtheitliche Harmonie der Traumfabrik Disney für immer zerstörte und der auf den 29. Mai 1941 datiert wird, bekam Geronimi nicht mit – obwohl er zu diesem Zeitpunkt im Studio verweilte. Zusammen mit seiner Sekretärin, Ester Newell Bochet und Don Duckwall arbeitete er im studioeigenen Theater bis in den Abend hinein an einem neuen Kurzfilm. Als sie gegen 17 Uhr das Theater verließen und über das Gelände zum Hauptgebäude gingen, lag über den Gebäuden die Aura eines Geisterschiffs, wie Duckwall es später beschrieb. Keine Menschenseele war zu sehen und alles war stehen und liegen gelassen worden. Als sie aus dem Fahrstuhl stiegen und den Gebäudeflügel betreten wollten, in denen sich ihre Abteilung befand, waren die Türen verschlossen und mit einer Notiz versehen, die die Gebrüder Disney dort hatten anbringen lassen. Zu lesen war, dass ihnen die Regierung befehlen konnte, wie sie ihr Studio, aber nicht, ob sie es zu führen hatten und der Betrieb bis auf weiteres geschlossen sei.

Eine der wichtigsten Arbeiten von Clyde Geronimi ist mit Sicherheit das Segment Peter und der Wolf aus Make Mine Music. Die erfolgreiche Produktion des Films bedeutete für Geronimi sowohl einen Karriereschritt als auch den Beginn einer langjährigen Auseinandersetzung mit Art Stevens. Geronimi sah sich als Regisseur in einer autoritären Position und zeigte sich in vielen Dingen unbelehrbar – ob er nun richtig oder falsch lag. So versuchte Art Stevens ihn mit Nachdruck davon zu überzeugen, auf einen Erzähler zu verzichten, da die Geschichte sonst zweimal erzählt werde – einmal durch die Musik und einmal durch Sterling Holloways Worte. Clyde Geronimi erwiderte nur: „Nah, I like it that way!“. In der Folge kam es wieder zu Konfrontation zwischen beiden. Beinahe handgreiflich wurde Stevens, als er in der Studiobibliothek aus der dortigen Trinkwasserfontäne trank und Geronimi ihm einen kleinen Stoß gab, der hin hochfahren ließ. Art Stevens war außer sich vor Wut und als Geronimi erklärte, er habe nur Spaß gemacht, antwortete er: „Nein, du hast keinen Spaß gemacht. Dir gefällt es, den Leuten weh zu tun.“

Victor Haboush (1924–2009) gehörte unter den vielen, die Geronimi nicht leiden konnten, sicher zu denen, die ihn wirklich hassten. In den 1950er Jahren geriet er mit Walt Peregoy in einen handfesten Streit, worüber ein anderer Künstler des Studios die Führungsebene informierte. Der hatte Haboush jedoch mit dem unbeteiligten Ray Aragon verwechselt, der wiederum sofort in Ken Andersons Büro zitiert wurde. Dort wurde ihm offenbart, dass Geronimi ihn als Anruhestifter rausschmeißen wolle. Aragon war entsetzt und stellte die Sache klar, woraufhin Vic Haboush bei Anderson antreten musste. Dieser flehte seinen Vorgesetzten an, die Sache auf sich beruhen zu lassen, mit der Begründung, dass Anderson doch wisse, dass Geronimi ihn hasse und er Geronimi hasse und es keinesfalls bei einer Kündigungsdrohung bliebe, wäre Gerry sich des wahren Übeltäters bewusst. Anderson schwieg wie ein Grab und die Sache war aus der Welt. Die Beziehung zwischen Haboush und Geronimi besserte sich in den Folgejahren nicht mehr: davon ist zumindest auszugehen, wenn man bedenkt, dass Haboush ihn in einem Interview, dass er einige Zeit vor seinem Tod gab, als „kleinen Scheißer“ und „Arschloch“ bezeichnete (Zitat: „The other guy is Gerry Geronimi. That little shit. You know him?“ – „Yes, nobody has good things to say about Gerry Geronimi.“ – „He was an asshole.“).

Es scheint so, dass Geronimi mit steigendem Alter immer mehr Sympathien verspielte. Der in diesem Winter verstorbene Trickfilmzeichner Dorse Lanpher, der Mitte der 1950er Jahre begann, für Disney zu arbeiten, bezeichnete ihn als „loud, rude, cursing, cigar smoking“. Er war von seinem Lehrmeister Jack Buckley bereits vorgewarnt worden, der ihm sagte, Geronimi nehme „reichlich Gebrauch von Schimpfwörtern, die er mit einem Tonfall hervorbringt, der die Tapete von der Wand schält.“ Ein weiterer Hinweis, dass diese These zutreffend sein könnte, findet sich in seinem Verhältnis zu Milt Kahl. Mitte der 1930er Jahre heckten sie zusammen Streiche aus, um junge Assistenzzeichner in den Wahnsinn zu treiben. So erging es auch Eddie Strickland, der mit beiden um 1935 ein Büro teilte. Geronimi erzählte Strickland im Vertrauen, dass er aufpassen müsse, was Milt Kahl angehe, der neige nämlich zu Anfällen, weil er von imaginären Tauben belästigt werde. Kahl ließ natürlich keinen Zweifel daran, dass dem wirklich so war. Ob Strickland das alles tatsächlich glaubte, ist nicht überliefert, wohl aber, dass seine Karriere bei Disney nur von kurzer Dauer war – viellecht hat es ihn ja doch beeindruckt. In einem Interview nach Ende seiner Arbeit für Disney nannte Milt Kahl Geronimi dann „talentlos“ und „ignorrant“. Auch äußerte er, Geronimi sei ein mieser Regisseur gewesen, habe aber das Talent besessen, Leute um sich zu versammeln, die die Arbeit für ihn erledigten. Auf der anderen Seite habe er sich bei Walt Disney eingeschleimt. Wieviel Objektivität in dieser Aussage liegt, lässt sich schlecht beurteilen, ihr blind zu folgen, wäre aber falsch. Milt Kahl schlug im Studio zahlreiche Schlachten – und im Krieg und in der Liebe ist bekanntlich alles erlaubt. Es wird einen Grund haben, dass Walt Disney fast dreißig Jahre an einem Mann festhielt, den offensichtlich kaum keiner ausstehen konnte.

Die Meinungen über Geronimis Zeichentrickkunst und Arbeiten als Regisseur gehen weit auseinander. Es ist schwer, eine objektive Sicht auf die Dinge zu wahren, muss man doch bei vielen Berichten über seine Arbeit einen unterschiedlich ausgeprägten Aspekt an Abneigung gegen seine Person von der Beurteilung „abziehen“. Viele der Sequenzen, an denen er als Regisseur wirkte, sind zweifelsohne genial und Lance Nolley nennt ihn in einen „guten Regisseur, einen verdammt guten Regisseur“ und bescheinigt ihm ein Gefühl für Timing und große Geradlinigkeit in der Umsetzung seiner Vorstellungen. Allerdings lässt auch Nolley keinen Zweifel daran, dass Geronimi ein Typ Mensch war, mit dem man sich schwer tun konnte. Sehr ähnlich äußerte sich Floyd Norman, der in den 1950er Jahren begann, für Disney zu arbeiten. Auch er nennt Geronimi einen der besten Regisseure des Studios über Jahre hinweg, der jedoch zahlreiche menschliche Schwächen aufgewiesen habe.

Eine etwas differenziertere Meinung äußerte Eric Larson. Auf die Frage, wer, neben Larsons Lieblingsregisseur Wilfred Jackson, der ein ganz unumstrittenes Ausnahmetalent war und oft zu den sympathischsten Mitarbeitern des Studios gezählt wird (in gewisser Hinsicht also ein Pendant zu Geronimi), zu den besten Männern auf dem Regiestuhl gehöre, nennt er den heute fast vergessenen Individualisten Bill Roberts, Norm Ferguson und vor allem Hamilton Luske. Auch Clyde Geronimi bescheinigt er, „really good“ gewesen zu sein, sieht ihn jedoch in einer Position, die man als die des „ewigen Zweiten“ zusammenfassen könnte. Hier muss beachtet werden, dass es Larson war, dem von Walt Disney die Verantwortung für Dornröschen entzogen worden war, weil er ihn für einen ungenügend talentierten Regisseur hielt und durch Geronimi ersetzte. Das gibt Larson auch zu und sagt, seine Einordnung Geronimis könne womöglich davon beeinflusst sein, dass er Probleme mit dessen Persönlichkeit gehabt habe.

Ein konkretes Beispiel für Clyde Geronimis zweifelhafte Arbeit nennt Ed Love, der als Trickfilmer ihn dessen Kurzfilmabteilung arbeitete. Er war verantwortlich für eine Szene in Die Plakatankleber (Billposters, 1941). Geronimi lehnte wesentliche Teile des Films, zu diesem Zeitpunkt in weiten Teilen im Endstadium der Produktion, ab schickte die Männer zurück an den Zeichentisch. Ihm gefielen weder die dargestellten Bewegungen, noch der Handlungsablauf. Love bewahrte eine spezielle Sequenz auf, die Geronimi abgelehnt hatte. Ausgerechnet diese fiel auch bei der zweiten Durchsicht Geronimis durch, bei der er einen Großteil des restlichen Materials abnickte. Tatsächlich musste die besagte Sequenz ein drittes und ein viertes Mal neu erstellt werden, jeweils mit dem Ergebnis, dass Geronimi sie ablehnte. Schließlich holte Love die Cels des ersten Versuchs wieder hervor, nahm sie neu auf und legte sie Geronimi vor: er war einverstanden. Ed Love bescheinigte ihm in einem späten Interview Ahnungslosigkeit, da er scheinbar willkürlich entschied, was ihm gefiel und was nicht.


Clyde Geronimi und Woolie Reitherman, 1954 (v. l., Quelle: Walt Disney)

Im Vorfeld der Produktion von Peter Pan (1953) sorgte Clyde Geronimi, einer der Regisseure, für Verwirrung im Stab der Zeichner und Autoren, als es um die Frage ging, welche Charakterzüge Captain Hook auferlegt werden sollten. Ed Penner, einer der Autoren, hatte vorgesehen, ihm ein dandyhaftes, eitles Wesen aufzuschneidern, Clyde Geronimi fand das jedoch albern und wollte ihn ausnahmslos bedrohlich darstellen. Walt Disneys Meinung sollte die Entscheidung herbeiführen, als dieser jedoch meinte, er müsse von beidem etwas haben, war die Verwirrung wenig gemildert. Vor besondere Probleme stellte das Frank Thomas, der federführend für das Charakterdesign von Hook war. Als er vier Szenen bearbeitet hatte, gefiel Walt nur eine auch nur annähernd und er musste zurück an den Zeichentisch. Geronimi hatte somit nicht nur Ed Penner verärgert, sondern auch Frank Thomas und somit indirekt das halbe Studio, weil er darauf beharrte, Hook müsse sich an den Charaktereigenschaften anlehnen, die der Darsteller Ernest Torrence in der Stummfilmverfilmung von 1924 zur Schau getragen hatte – ein harter, unerbittlicher Kerl, der alle naselang seinen Haken einsetzt.

Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass niemand bei so vielen abendfüllenden Zeichentrickfilmen, die von Disney für das Kino erschaffen wurden, Regie geführt hat, wie Clyde Geronimi – insgesamt neun Mal zwischen 1944 un 1959. Allerdings, ausgenommen Dornröschen im Jahr 1959, immer mit anderen zusammen. Obgleich er aufgrund der damaligen Regelung der AMPAS den Oscar nicht erhielt, den sein Kurzfilm gewann (sondern Walt Disney als Produzent), kann auch Geronimi einige Auszeichnungen vorweisen. Im Jahr 1951 erhielten Wilfred Jackson, Hamilton Luske und er den Goldenen Bär der Internationalen Filmfestspiele von Berlin für Cinderella. Es war das erste Jahr, in dem der Preis vergeben wurde und zugleich das letzte, in denen der Goldene Bäre in fünf Kategorien vergeben wurde (Cinderella wurde als Bester Musikfilm ausgezeichnet – auch die Auszeichnung für die Beste Dokumentation ging mit The Beaver Valley an einen Disney-Film). In Venedig war er für den selben Film nominiert, auch für Peter Pan erhielt er eine Nominierung. Letzterer Film war 1953 auch in Cannes mit im Rennen, wiederum ohne zu gewinnen. Im Jahr 1979 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Winsor McCay Award der Annie Awards ausgezeichnet. Überreicht wurde ihm der Preis von seinem Freund Walter Lantz.

Nur ein einziges Mal stand die gesamte Belegschaft hinter Geronimi und war ihm überaus dankbar. Das geschah spät, aber es geschah, als Walt Disney Ende der 1950er Jahre entschied, Eric Larson als hauptverantwortlichen Regisseur von Dornröschen abzuziehen und ihn durch Geronimi zu ersetzen. Die künstlerische Gestaltung lag weitestgehend in den Händen von Eyvind Earle, einem Maler und Illustrator, der erst kurz zuvor beim Studio angefangen hatte und in der Gunst Walt Disneys stand. Wie alle „Studioexternen“, die sich ihre Anerkennung nicht im Studio erkämpften, sondern sich ins gemachte Nest setzten, schlug ihm eine Welle der Abneigung entgegen. Hinzu kam, dass sein Stil ein Bruch mit der Tradition war und sich die alte Künstlergarde nicht den Rang ablaufen oder gar zwingen lassen wollte, einen Stil umzusetzen, der ihnen nicht gefiel. Zu Earls größten Kritikern gehörten Ollie Johnston und Frank Thomas, die auch im hohen Alter nicht an Einsicht gewannen. Dass selbst diese beiden, die, im Gegensatz zu Persönlichkeiten wie Milt Kahl oder Woolie Reihterman, in der Regel eher zu den stillen Wassern gehörten, gehörige Einwände gegen Earle hatten, zeigt die Breite der Missgunst, die ihm entgegenschlug. So war natürlich auch Geronimi alles andere als einverstanden mit dem, was Earle, der sich vor allem an den Hintergründen austobte, schuf. Er brachte auf den Punkt, was ihm nicht gefiel: „Das ist ja alles schön und gut, aber wer zum Teufel wird sich das ansehen?!“ Entnervt von Geronimis und der Kritik der anderen Künstler verließ Earle im März 1958, vor der Fertigstellung des Films, das Studio. Clyde Geronimi entschied, die Hintergrundbilder überarbeiten zu lassen und soll sogar Airbrush verwendet haben, um Details zu entfernen, die seiner Ansicht nach nur störten.


Mitarbeiter des Walt Disney Studios, 1956. Clyde Geronimi sitzt links unten.
(Quelle: TAG Blog)

Wie es bald darauf zur Entlassung von Geronimi kam, ist nicht sicher überliefert. Ward Kimball sagte, John Lounsbery sei eines Tages wutentbrannt in Walt Disneys Büro geschritten, ihm einige Arbeiten von Geronimi vorgelegt und gesagt, dass er mit diesem Mann nicht mehr arbeiten wolle. Walt Disney sei nichts anderes übrig geblieben, als Geronimi zu entlassen.

Die geläufigere Version seiner Entlassung geht davon aus, dass Clyde Geronimi bei einem Dreh in Europa (wohl im Jahr 1959 oder 1960) gefeuert wurde, bei dem er Walt begleitete. Walt war nicht einverstanden, mit der Art und Weise, wie Geronimi vorging und sagte ihm das auch. Der antwortete, wenn Walt nicht gefalle, was er hier mache, werde er es lassen und einfach zurück ins Studio nach Burbank fahren. Walt antwortete, dass er das nicht tun würde: vielleicht werde er nach Burbank zurückkehren, aber sicher nicht ins Studio. Damit war er entlassen. Diese Geschichte scheint kein Mythos zu sein – sie findet sich in vielen Versionen, meistens mit unterschiedlicher Formulierung der genauen Unterhaltung. Ray Aragon überlieferte folgende Sätze:


„If you don't like this Walt, why don't you fire me?“

„OK. You're fired.“

Aragon nennt auch den Anlass, weshalb Walt und einige Mitarbeiter in Europa waren. In Wien wurde The Magnificent Rebel gedreht, ein zweiteiliger Fernsehfilm über das Leben und Wirken von Ludwig van Beethoven – sehr frei umgesetzt, was für den Spiegel im Juli 1960 ein Anlass war, schon während der Dreharbeiten über Disneys Werk zu spötteln.

Nach seiner Entlassung bei Walt Disney profitierte Clyde Geronimi von den Turbulenzen, in denen sich UPA befand. Neben vielen ehemaligen Disney-Künstlern arbeitete dort auch Walter Lantz. Im Juli 1959 war Columbia als Vertrieb des Studios ausgetreten, nun mussten die Mr.-Magoo-Kurzfilme vom Studio selbst in den Kinos untergebracht werden. Dutzende Mitarbeiter mussten entlassen werden und die Seele des Studios, Herbert Klynn, verließ UPA freiwillig, um das neue Format Studio zu gründen. So beschloss Studiochef Stephen Bosustow im Frühjahr 1960 einen Neuanfang zu starten und Geronimi als leitenden Regisseur einzustellen. Walter Lantz empfing ihn mit offenen Armen. Zusammen entwickelten sie viele der umgesetzten Geschichten, übernahmen das Charakterdesign und setzten die Schlüsselakzente in der künstlerischen Umsetzung der einzelnen Werke.

Gegen Ende seines Lebens und nach seinem Eintritt in den Ruhestand stand der gebürtige Italiener im Abseits – scheinbar merkte er erst hier, dass ihn seine regide Art von den anderen Künstlern des Studios abgespaltet hatte. Er setzte unter anderem an Ward Kimball, der in Geronimi immer einen in Kalifornien gestrandeten New Yorker Taxifahrer sah, einen Brief auf, in dem er um Verzeihung und darum bat, das Kriegsbeil zu begraben. Kimball reagierte auf die sicher schmerzhafteste Weise, die Geronimi widerfahren hätte können – er ignorierte ihn einfach. Auch Floyd Norman berichtet, dass er Geronimi, als dieser im Ruhestand war, noch einmal traf und einem Mann gegenüberstand, der sehr betrübt darüber war, welchen Eindruck er hinterlassen hatte.


„[Walt] wusste, dass Gerry die Trickfilmzeichner nicht mochte und die Trickfilmzeichner Gerry nicht mochten.“
Ward Kimball

Clyde Geronimi war verheiratet, das Paar hatte zwei Söhne. Während des Streiks bei Disney unterstützten sie einige junge Künstler, darunter Don Duckwall, finanziell, um ihnen zu helfen, die Wochen ohne Arbeit zu überbrücken. Die Trickfilmer hatten bei Disney zwar nicht schlecht verdient, neigten aber dazu, ihr Gehalt mit beiden Händen zum Fenster hinauszuwerfen. Geronimis Frau starb vor ihrem Mann, ihm selbst blieben, neben seinen Kindern, drei Enkel und ebensoviele Urenkel. Er selbst starb, fast 88 Jahre alt, im April 1989 in Newport Beach, Kalifornien.

Wie fällt das Resümee über Clyde Geronimi aus? Er gab sich nach außen hin hart und unerbittlich, setzte nicht viel in die Meinung anderer – und doch versuchte er im Alter zurückzurudern und sich zu entschuldigen. Es scheint ganz so, dass Geronimi sich die eigene Bedrohlichkeit in selbem Maße aufdichtete, wie er das mit der Figur des Captain Hook getan hatte. Er setzte auf zur Schau gestellte Autorität und ging wohl nicht selten einen Schritt zu weit. Walt Disney selbst war provokant und oft heißt es, er habe (künstlerische) Auseinandersetzungen unter seinen Mitarbeitern sogar noch forciert, um aus ihnen die beste Leistung herauszukitzeln – auch unter der Gefahr, dass dabei der ein oder andere auf der Strecke blieb. Möglicherweise hatte Geronimi diese Arbeitsweise zu sehr verinnerlicht und sah sich in einem ständigen Kampf mit ähnlich gestellten Mitarbeitern des Studios. Sein Ruf wird sich in Zukunft wohl ebensowenig bessern, wie die Freundschaft zu Ward Kimball, eine differenzierte Betrachtungsweise seiner Person sei jedoch jedem nahegelegt. Die Abneigung vieler Schlüsselpersonen der Studiogeschichte, allen voran Ward Kimball, übertönt sicherlich die positiven Erinnerungen derer, die eine kleinere Rolle in der Trickfilmgeschichte spielen und generell wenig zu Wort kommen und kamen.

Es gibt ein kleines Fenster in die Studiowelt der damligen Zeit, das uns geblieben ist. Es stammt aus dem Jahr 1954 und wurde für die Disneyland-Fernsehserie entworfen. Es wurde produziert, um den kommenden Film Susi und Strolch (1955) zu bewerben und zeigt den Regisseur Clyde Geronimi, den verantwortlichen Zeichner Woolie Reitherman und den Layoutkünstler Tom Codrick. Ab Minute 4:45 sind alle drei zu sehen:


1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

@Jay * I used to be looking to send some text even so can’t believe that it is on your own website.
Could you remember to contact me?
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