Samstag, 14. April 2012

Die Schöne und das Biest in 3D - eine Kurzkritik

Mit der 3D-Konvertierung erfolgreicher Filmklassiker der letzten Jahrzehnte sind die Filmstudios in den letzten Monaten offenbar auf eine goldene Eier legende Gans gestoßen. Und warum nicht; solange man bereit ist, genug Zeit und Geld in die Überarbeitung zu stecken, ist dies für den Zuschauer ein wunderbarer Anlass, die alten Filme wieder auf der ganz großen Leinwand zu sehen. Natürlich gibt es Stimmen, die sich über die „sinnlose“ Konvertierung ärgern und die Filme lieber in ihrer originalen Version sehen würden, doch seien wir ehrlich: Im Zeitalter von Bluray und Heimkino wäre eine derart „klassische“ Wiederaufführung für die Studios zumindest ein Risikogeschäft, während an der 3D-Version jeder gewinnt. Und für die ganz Harten gibt es im Internet Anti-Polarisationsbrillen zu finden, mit denen man sich 3D-Filme auch in 2D ansehen kann ...

Ich lasse mich heute zu einem dieser Filme aus, den vielleicht noch nicht jeder hier in seiner neuen Form gesehen hat. Ihr wisst schon, dieser große Liebesfilm der 90er, der Oscar-Geschichte geschrieben hat und mit seiner von Céline Dion interpretierten Liebesballade die Herzen einer Generation Kinogänger im Sturm eroberte:


Die 3D-Konvertierung von Die Schöne und das Biest wurde schon vor Jahren in Angriff genommen, kurz nach dem Erfolg von Nightmare before Christmas. Doch abgesehen von einigen abgelegenen Aufführungen musste der Film erst den großen Neuerfolg von Der König der Löwen abwarten, ehe er Anfang dieses Jahres wieder ins Kino durfte - und auch dann wurden einige Länder wie Deutschland aus unerfindlichen Gründen von der Kinoausstrahlung ausgenommen.
Zum Glück erschien die 3D-Bluray des Filmes schon im Herbst letzten Jahres gleichzeitig mit den entsprechenden Scheiben vom Löwenkönig und dem Weihnachtsalbtraum, und dieses Dreiergespann war für die Verfasserin dieser Zeilen der endgültige Grund, sich eine 3D-Anlage fürs Zuhause anzuschaffen.

Da ich es letztes Jahr natürlich nicht verpasst habe, den König der Löwen im Kino zu sehen, hatte ich eine einigermaßen genaue Vorstellung, was mich bei einem dreidimensionalen Zeichentrickfilm erwartet. Umso erstaunter war ich, festzustellen, dass sich der Konvertierungsstil der Filme ebenso sehr unterscheidet, wie der Stil der Werke selbst.
Im König der Löwen sind die Effekte (wie von Sir Donnerbold hier beschrieben) hauptsächlich auf einige Glanzmomente beschränkt, während die Dreidimensionalität im Rest des Films eher untergeht. Dagegen ist die Konvertierung in Die Schöne und das Biest omnipräsent und in keiner Szene wird man den 3D-Effekt übersehen. Stellt man sich die Frage, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die Qualität des Filmes ist, so lautet die Antwort: Das ist eindeutig Geschmacksfrage.
Während Der König der Löwen abgesehen von einigen prägnanten Szenen in weiter Steppe spielt, hat Die Schöne und das Biest ein sehr genau definiertes Setting, das zudem größtenteils eher eng begrenzt ist. Alle Szenen spielen sich in dem dicht bevölkerten Dorf, dem engen Wald oder dem großen, aber doch in jede Richtung düster begrenzten Schloss ab, was wohl von Natur aus dazu führt, dass die zusätzliche Tiefe der Bilder deutlich mehr auffällt.
Doch die Wirkung zeigt sich auch umgekehrt. Durch die Betonung der Tiefe kommt automatisch den Hintergründen ein höherer Fokus zu und das Augenmerk wird intensiver auf jede vorspringende Statue gelenkt. Das heißt aber nicht, dass die Figuren selbst in der Szenerie verloren gehen; im Gegenteil ist es beeindruckend zu sehen, wie sie sich in eine dreidimensionale Umgebung einpassen - auch wenn in manchen Szenen, wie Maurices Flucht durch den Wald, die sowieso schon beinahe lebensechten Hintergründe nun so real wirken, dass es richtiggehend auffällt, wenn sich eine Zeichentrickfigur darin bewegt.
Kleinere Makel der Konvertierung findet man dagegen eher in ruhigeren Nahaufnahmen: Etwa wenn mehrere Figuren eng nebeneinanderstehen, oder in SFX-Shots wie Tassilos Bad in den Seifenblasen sind hin und wieder Perspektivfehler zu entdecken. Gerade Letzteres erinnert daran, dass halbdurchsichtige Effekte wie Nebel oder Schaum naturgemäß die größten Herausforderungen an eine 3D-Überarbeitung darstellen, und im Allgemeinen meistert der Film diese Probleme doch zufriedenstellend.

Soviel zu den Schwachstellen, doch was ist mit den „Glanzstücken“ des Filmes, die den Vergleich mit „Seid bereit“ aushalten müssen? Zwei der Szenen, auf die ich in dieser Version am gespanntesten war, sind die großen Musiknummern: „Sei hier Gast“ und die Ballsaal-Szene. Diese Lieder, die so voller optischer Möglichkeiten stecken, sollten doch genug Potenzial für einen dreidimensionalen Augenschmaus bieten.
Die (nur im ersten Moment erstaunliche) Realität lautet, dem ist nicht so. Natürlich sehen die Sequenzen nach wie vor großartig aus, aber gerade bei zwei Szenen, die schon an sich nur so vor Bildgewalt strotzen, ist einfach nicht mehr herauszuholen. Auch in gewöhnlichem 2D ist die Ballsaal-Szene dreidimensional genug, und gerade hier wäre eine Konvertierung wohl am wenigsten nötig gewesen.
Das heißt aber nicht, dass es keine neuen Wow-Effekte gibt. Ironischerweise ist die Szene, die mich am meisten beeindruckt hat, die einzige, von der ich mir gar nichts erwartet hatte, nämlich der Prolog. Wie kann die reine Darstellung zweidimensionaler Glasfenster schließlich durch eine dritte Dimension gewinnen? Aber von der ersten Sekunde an hielten mich die Bilder in ihrem Bann; eingeleitet von der atemberaubenden Sicht durch den verwunschenen Wald weisen die Fenster durch Herein- und Herauszoomen, Überlagerung und die Umrahmung der Steinbögen eine subtile Überarbeitung auf, die eine kaum zu glaubende Wirkung erzielt. So muss es aussehen, wenn man in ein Märchenbuch hineinschreitet. Und das ist nicht die einzige Szene, die die dritte Dimension atemberaubend zur Geltung bringt. Besonders im Gedächtnis bleiben Belles großer „Ich will“-Moment, der Kampf auf dem regengepeitschten Dach und besonders die anschließende Liebeserklärung und Verwandlung, buchstäblich umrahmt vom alles umgebenden Zauberlicht.

Die große Frage ist nun: Bedeutet die Konvertierung für den Film im Endeffekt wirklich mehr als nur einen zusätzlichen Gimmick, oder kann man sich diese Version als nicht-3D-Fan getrost schenken?
Ich denke, die Antwort liegt auf einer Linie mit der Beantwortung der Frage, warum man gerade einen relativ effektarmen Film wie Die Schöne und das Biest (und nicht z.B. Aladdin oder Der Glöckner von Notre-Dame) für die 3D-Konvertierung erkoren hat. Beim Einfügen der dritten Dimension ging es hier nicht darum, für spezielle Momente große Hingucker zu erstellen, sondern um eine umfassende Betonung der zugrundeliegenden Stimmung. So wird durch die verstärkte Enge und den Tumult, der während „Unsre Stadt“ und „Gaston“ herrscht, Belles Wunsch nach einem freieren Leben umso verständlicher, genauso wie der Kontrast der beiden Welten, dem engen Dorf und dem großen, aber unheimlichen Schloss, weiter verstärkt wird. Auch die Charakteränderung des Biestes und seine Wirkung auf Belle wird hier umso deutlicher: In den ersten Szenen kommt das Biest auch für den Zuschauer bedrohlich und unangenehm nahe, während er in den späteren Szenen eine sehr viel angenehmere Platzierung innehat.

  Von allen 3D-Filmen, die ich bisher gesehen habe, hat dieser wohl das meiste Potenzial, seine Zuschauer zu spalten. Diese Konvertierung wird mit Sicherheit keinen 3D-Hasser zu dem Medium bekehren, dafür ist die dritte Dimension zu omnipräsent und zu aufdringlich genutzt. Doch wer der Idee nicht abgeneigt ist, eine bekannte Welt auf diese Weise noch näher besuchen zu können, wird mit einem Film belohnt, der der seine Effekte ganz bewusst ausspielt, um seine Geschichte voranzubringen und zu unterstützen.
Natürlich ist es eine Schande, dass es dem deutschen Kinogänger nicht ermöglicht wurde, diese Fassung des Films auf der großen Leinwand zu genießen, doch wer die Möglichkeit hat, sich die 3D-Version (am besten mit Beamer) anzuschauen, der sollte sich auf jeden Fall eine eigene Meinung bilden.

Und den anderen großen Liebesfilm meiner Kindheit werde ich mir heute Abend in 3D ansehen.

7 Kommentare:

Anonymphe hat gesagt…

Zitat: "Und den anderen großen Liebesfilm meiner Kindheit werde ich mir heute Abend in 3D ansehen."

Hast du dir etwa Titanic angesehen? So schlecht ist der dann wohl doch nicht. Und Titanic ist ja eher ein Katastrophenfilm als ein Liebesfilm. Die Geschichte wird von Cameron clever als Rahmenhandlung benutzt, um den spektakulären Untergang zu zeigen.

Sir Donnerbold hat gesagt…

@Anonnymphe: Irgendwie glaube ich, dass die Frage daher rührt, dass du nicht bemerkt hast, dass es sich um einen Gastbeitrag handelt? Und wenn dem so ist ... wie hast du das geschafft?

Anonymphe hat gesagt…

Whoops, ich habe tatsächlich übersehen, das es sich um einen Gastbeitrag handelt. Daher Danke an Ananke Ro für den Beitrag.
Aber ich finde, dass es sehr leicht zu übersehen ist, dass es sich um einen Gastbeitrag handelt, da dies ja nur sehr kurz unten bei den Labels erwähnt wird, worauf ich nun wirklich nicht achte, daher bin ich einfach davon ausgegangen, dass der Beitrag von dir war, Donnerbold.
Im Nachhinein habe ich auch noch gemerkt, das oben das Logo zu Ananke Ro gehört, aber auch das ist leicht zu übersehen.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Ich finde das Logo eigentlich ziemlich groß - noch dazu spricht Ananke im Laufe des Artikels einmal von mir in dritter Person. Das mache ich eher selten. ;-)

Aber gut, nun bist du ja aufgeklärt.

Ananke hat gesagt…

Übrigens: Titanic war großartig ;-)

Anonym hat gesagt…

@Ananke Ro
Ohne Zweifel. Ist ja auch ein großartiger Film, beziehugnsweise der epochalste der in den letzten 20 Jahren hervorgebracht wurde.

Sir Donnerbold hat gesagt…

"Großartig" lass ich euch Titanic-Leutchen ausnahmsweise Mal. Ich kann das nicht im Ansatz nachvollziehen, ist aber Geschmackssache (anscheinend).

Aber "der epochalste [Film] der in den letzten 20 Jahren hervorgebracht wurde"? Ja, klar. "Der Herr der Ringe" ist ein waschechtes Kammerspiel gegen "Titanic" ...

Selbst "Avatar" ist eher "der epochalste Film der letzten 20 Jahre". Die Liebesgeschichte ist zwar genauso klischeeüberfrachtet, aber das drumherum ist größer und gewichtiger.

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