Freitag, 28. Dezember 2018

Meine Gedanken zum Kinojahr 2018


2018 war an den deutschen Kinokassen ein armseliges Schauspiel: Die deutsche Kinobranche kämpfte darum, die Anzahl der verkauften Eintrittskarten im Bereich der dreistelligen Millionensumme zu halten. Was für ein peinliches Ergebnis - und da braucht niemand Netflix, Amazon Prime und Konsorten sowie der Fußball-WM die Schuld in die Schuhe zu schieben. In anderen Ländern wie Polen oder Großbritannien schrieb das Kino Rekordzahlen, auch in Frankreich ging es dem Kinobetrieb hervorragend. Und auch dort gab es im Sommer Sport-Großereignisse in der Glotze zu sehen, und Streamingdienste existieren dort ebenfalls. Irgendwas läuft also gewaltig schief in der Film-Bundesrepublik, und da muss sich dringend was tun.

Nicht, dass sich diese besorgniserregenden Entwicklungen auf die Kinozahlen beschränken würden. Tumbe, engstirnige Menschen, die einfache "Die da sind schuld!"-Antworten auf komplexe Fragen suchen, werden lauter und apolitische sowie uninformierte Personen lassen sich zunehmend von ihnen mitreißen und überzeugen. Fortschritt und Aufklärung reiben sich mit steigender Intensität an Regression, Unverständnis und Vergangenheitsverklärung. "Alle werden verrückt, früher war alles so viel besser", heulen jene, denen einst einfach nur keine Probleme bewusst waren und sich nun darüber echauffieren, dass andere Gruppen ähnlich gute Erfahrungen in ihrem Leben machen wollen wie jene, deren einziges Problem es ist, zu behaupten, die Klagenden hätten doch gar kein Problem. Sterben Empathie und das intellektuelle Vermögen, sich in die Situation Anderer zu versetzen, wirklich aus - oder haben die Tumben schlicht mehr Ausdauer, ihre Begriffsstutzigkeit und Aggression zu verbreiten?

Optimisten sagen, die Gesellschaft habe gerade nur Wachstumsschmerzen und der Ruck des "Ich denke nur an mich, denn ein Stein allein ist stabiler als ein ganzes Haus, da bin ich mir sicher, das hat mir ein Architekt auf Facebook gesteckt"-Denkens wird wieder zurückgehen. Pessimisten machen sich derweil für eine Neuauflage des 20. Jahrhunderts bereit, und auch wenn das bedeutet, dass 2034 die neue beste Figur der Popkulturgeschichte kreiert wird, habe ich ja mal sowas von gar keine Lust darauf. Nur wie will man in Zeiten, in denen die Diskussionskultur der durch Filterblasen mit einer Unwucht versehenen "Ich habe recht, mir stimmen in genau diesem Moment nämlich mehr Menschen zu"-Logik gewichen ist, noch Überzeugungsarbeit leisten?

Es ist eine seit Jahren um sich greifende Entwicklung, an der man leicht verzweifelt, und daher wundert es wohl kaum, dass 2018 die Schlagzahl der Filme enorm gewachsen ist, die entweder von Zorn durchzogen sind oder mit einem glücklosen Ende aufwarten. Meine Jahresbestenliste ist ein Ball der wütenden, traurigen und freudlos endenden Filme, nur partiell aufgelockert durch die letzten wackeren Vertreter des naiv-frohen Eskapismus. Und wer das Kino heutzutage für "zu politisch" hält, hat früher beim Filmkonsum schlicht zu wenig nachgedacht und sollte froh sein, dass Filmschaffende Stellung beziehen, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir hätten keinen Film, keine Kunst und keine Kultur, würden wir uns beständig dem Stillstand und der Regressivität verschreiben. Denn alles, was für unsereins vielleicht Tradition und Komfort darstellt, war einst eine neue Idee, die von zornigen Menschen als Frevel, Verrat am Bestehenden oder Zerstörung des Gewohnten angesehen wurde.

Also, Leute: Hasst und pöbelt 2019 weniger und geht stattdessen mehr ins Kino. Danke.

3 Kommentare:

Thinkerbelle hat gesagt…

Vielen Dank für diesen Artikel! Ich stimme 100% zu!
Vor allem freut es mich, dass noch jemand anders als ich diesen Zeitgeist spürt, den du mit "Filme, ... die entweder von Zorn durchzogen sind oder mit einem glücklosen Ende aufwarten" beschreibst. Ich möchte noch die Humorlosigeit anführen. Star Wars VIII wurde kritisiert, weil es den Frevel beging, das zumindest ein bisschen auflockern zu wollen. Nein, heutzutage soll es nur Action sein, bei dem möglichst viel kaputt geht, möglichst viele Menschen sterben und wehe, da ist eine Zeile, die das nicht ernst nimmt und nicht voller Wut und Aggression ist!
Da du auch Disney Fan bist kennst du es sicher, wie alles was von Disney kommt von einigen pauschal nieder gemacht wird, weil es wohl zu fröhlich ist, zu viel Musik enthält oder zu realitätsfern sei. Unterhaltung, die nicht brutal ist wird nicht mehr ernst genommen. Und wehe, da will jemand mit guter Laune aus dem Kino kommen und nicht mit noch mehr Wut im Bauch!
Und diese ganzen Pöbler, von denen du sprichst sind auch ein Teil dieses Zeitgeistes, der negativ, zynisch und wütend daher kommt.
Daher sind Artikel wie diesr so wertvoll. Sie kämpfen gegen diesen negativen Zeitgeist an. Danke dafür!

InvaderPhantom hat gesagt…

""Alle werden verrückt, früher war alles so viel besser", heulen jene, denen einst einfach nur keine Probleme bewusst waren und sich nun darüber echauffieren, dass andere Gruppen ähnlich gute Erfahrungen in ihrem Leben machen wollen wie jene, deren einziges Problem es ist, zu behaupten, die Klagenden hätten doch gar kein Problem."

Du sprichst mir aus dem Herzen. Toller Post.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Danke. Brannte mir einfach unter den Nägeln und es spiegelt zudem sowohl das Filmaufgebot 2018 wider als auch (teils) meine kommende Bestenliste, also war ich so frech, den Filmblog mal damit zu belasten.

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