Aufgrund des Erfolgs der kurzen Einspieler mit ihm, Hein Blöd und Blaubärs drei Enkeln, die (zumindest zu meiner Zeit) immer am Ende von der Sendung mit der Maus liefen, produzierte der WDR später den Käpt'n Blaubär Club.
In Tradition vom Disney Club war dies eine Show, in der fremdes, eingekauftes Material mit kurzen Zwischenmoderationen eingebettet wurde.
Zu Beginn der Serie (von 1993 bis 1995) spielte sich dies komplett auf dem Deck von Blaubärs Kutter ab. Seine Enkel waren nicht anwesend, dafür aber die Piratin Bille und die "Klamottenkiste" mit alten Stummfilmklassikern. Außerdem gab es Folgen von "Ernest, der Vampir", "Der kleine Vampir", den DuckTales und/oder Die Dinos zu sehen.
Ab 1995 ging Bille, dafür kamen die drei Enkel zurück und brachten die vegetarische, fleischfressende Pflanze Karin und das Flöt mit. Es gab neue Reihen, die als Einspieler gezeigt wurden, und die Handlung der Zwischensegmente wurde unter Deck verlegt. Außerdem wurden neben bloßen Anmoderationen auch vermehrt Sketche gedreht, wie eine Kochshow mit Hein Blöd und ein an Domian erinnerndes Sorgentelefon mit der Blume Karin.
Diese Ära der Sendung gefiel mir am besten, vorher war es was schleppend und später wuchs ich wohl aus dem Alter heraus (der TV-Blaubär ist nunmal anders als der Roman-Blaubär). Zudem waren die Stargastauftritte ab 1998 in meinen Augen zu aufgesetzt.
Ebenfalls stark aufgesetzt war der radikale Versuch ab 1996 (also zu meiner Blütezeit mit der Sendung) unbedingt auf der Technowelle mitschwimmen zu wollen. Das fast ritusartige am Schluss jeder Sendung gesungene Lied "Alles im Lot" wurde mit deftigen Beats unterlegt, visuell bot man einen Farbenrausch wie ihn sonst wohl nur Raver unter Ecstasy zu sehen kriegen. Das alles um eine neue CD zu promoten:
Käpt'n Blaubärs Alles im Lot Party

Bei wem nun grausame Erinnerungen an Techno-Schlümpfe und Bugs Bunnys Technofreunde wach werden, weiß wo der Ponguin langläuft.
Denn nicht nur Warner Bros. wollte mit einem "Looney Tunes"-Techno-Remix-Album unbedingt haufenweise Kohle scheffeln, auch der WDR konnte der Versuchung scheinbar nicht widerstehen. Ein Blick ins Impressum zeigt sogar, dass die CD von der Warner Music Group vertrieben wurde.
Scheinbar wollte da jemand mittels Technobeats die Herrschaft über Deutschlands Kinderstuben erlangen... und daraufhin über die gesamte Welt.
Wie wir wissen ist es nicht so weit gekommen. Allerdings ist es immerhin so weit gekommen, dass sich die CD mittels des Geldbeutels meiner Eltern 1996 in meinen Besitz überging.
Langsam glaube ich an Sabotage...
Das Album landete letzten Endes im selben Schrank wie die Bugs Bunny-Techno-CD. Zwar durchaus zu Recht, aber eine gleiche Behandlung haben die zwei CDs nicht wirklich verdient.
Anders als bei der Looney Tunes-CD werden hier nämlich nicht einfach wahllos Ton-Schnipsel aus den Kurzfilmen verballert. Viel mehr wurden die Sprecher extra für die CD aufgenommen (sprechend, singend und irgendwas dazwischen) und auch die kreative Kontrolle wurde nicht in völlig geisteskranke Hände gelegt.
Für die Songs wurden auch extra Texte geschrieben. Und, große Überraschung, musikalische Produzenten des Albums waren... Dolls United. Nicht etwa die Produzenten von Dolls United, sondern Dolls United selbst, die kurz zuvor mit "Eine Insel auf zwei Bergen" einen Top-Ten-Hit hatten.
Somit hebt sich die CD schon Mal von einer dahin geschluderten Abzocknummer ohne Respekt zur Vorlage auf das Niveau einer im Geiste des Originals gehaltene, sorgfältig produzierten... Abzocknummer.
Das Album eröffnet mit einem kurzen Intro, in dem auch kurz der Anfang des Jim-Knopf-Liedes vorkommt. Auf den Insidergag folgen 14 Tracks, die allesamt dem Kindertechno und dem Eurodance zuzuordnen sind.
Daran lässt sich leider nichts ändern.
Im Gegensatz zu Bugs Bunny verzichtet Käpt'n Blaubär jedoch auf ununterbrochene Technobeats ohne erkennbare Zuordnung. Stattdessen reiht sich die CD auf musikalischem Niveau bei den besseren Vertretern des Eurodance ein: Es gibt eine Pop-Melodie, die mit ein paar Technosound-Spielereien "modernisiert" (ja, damals war Techno modern) wurden.
Im Klartext bedeutet dies, dass wir hier nicht mit reiner Folter zu tun haben, sondern mit durchaus fast akzeptabler Musik als Grundlage, die allerdings durch den Technowahn verschlimmbessert wurde.
Es sind durchgehend Melodien erkennbar, viele sind sogar altbekannt (z.B Guantanamera und My Bonnie is over the Ocean, aber auch Macarena). Es funkt halt bloß andauernd ein PC-Sound dazwischen. Und noch einer. Und nochmal der selbe, und noch einer, und dann dieser völlig crazy-mäßige eine Sound da noch...
Dies zieht die CD unnötigerweise in den Schmutz. Wenn man sich nämlich anstrengt und mental die ganzen 90er-Jahre-Über-mega-hyper-coolen-Technogeräusche ausblendet und nur auf Melodie und Text achtet, entdeckt man ein eigentlich ganz nett gemachtes Musikalbum für Kinder (und jung gebliebene Blaubär-Freunde). Die Texte sind im schlimmsten Fall dumm und im besten Falle stehen sie in bester Tradition der Blaubär-Filmchen aus der Sendung mit der Maus. Blaubär lügt charmant und überzogen, ab und zu gibt es eine Prise Ironie und ansonsten ist es reine Blödelei.
Einen Persilschein kann ich der CD so jedoch nicht ausstellen.
Auch wenn man mental sämtlichen Technokram ausblendet und sich ggf. auf die Vorlage zur Musik konzentriert oder aber in den restlichen Fällen die übertriebensten Technodödelidingereien ignoriert und im Kopf die Lieder auf harmloseres Eurodance-Niveau "runterrechnet" (und sich ganz dolle daran erinnert, wie okay ein paar Eurodance-Songs sind, wenn man sie mit den richtigen Leuten und viel, viel 90er-Nostalgie und Ironie hört), bleiben einige der Lieder einfach viel zu lang. Und auch komplett ohne Techno, Eurodance oder sonstigen Kram... Guantanamera ist und bleibt ein nerviges Lied. Ein paar weniger nervige Vorlagen wären eine Wohltat.
So aber bleibt das beste an der CD im Grunde genommen das Textbuch. Denn völlig ohne die Musik zeigt sich, wieviel Potential hier drin steckte. tatsächlich hätte es eine ganz gute Merchandising-CD werden können.
So gibt es ein Lied von Hein Blöd, das keinen Sinn macht und dies auch mehrfach adressiert. Ein weiterer Song ist ein musikalisches Selbstporträt von Fischstäbchen (!!!) und ein ander Mal dürfen Sirenen mit Abitur Käpt'n Blaubär (der zu Beginn des Albums noch in 80 Lügen um die Welt reiste - von Kadmandu bis Bielefeld) dazu überreden, sie mal an ihn ran zu lassen.
Mit der Musik aber... manche Lieder wie Ugatschaka sind im Grunde auf völlig "normalem" Früh-90er-Niveau und verlieren bloß durch die für den heutigen Zuhörer nicht mehr wirklich genießbaren Melodien an Qualität. Macarena kann ich mir heutzutage halt nur noch während einer heißen Sommernacht auf einer Feier mit vielen Freunden und kühlenden Cocktails geben, und das auch nur aufgrund der Selbstironie, die man sich beim hemmungslos absichtlich übertriebenen Macarena-Tanzens gönnen kann.
Andere Lieder dagegen haben entweder genauso nervige Ohrwurm-Melodien oder völlig unspektakuläre, akzeptable Melodien zu bieten - doch dann hat wieder jemand gemeint unbedingt noch diesen und jenen Effekt und dieses und jenes Sound-Tool benutzen zu müssen. Ist ja ne Techno-CD. Und wir haben ja die 90er Jahre...
(Ein Lied, Käpt'n Blaubär, Ade schafft es aber auch ohne Techno und Eurodance sich isn Aus zu schießen, da zwar manche Pointen toll sind, das Lied selbst aber einfach nur langweilig ist.)
Rückblickend übersteigen also die Mängel die Qualitäten. Man darf aber nicht vergessen, an wen es sich richtet. Und Kinder haben ja erfahrungsgemäß keinerlei Probleme mit eintönigen, sich wiederholenden, stupid-nervigen Melodien. Wer schonmal im Zug saß und eine Grundschulklasse (die ausgerechnet jetzt ihren Ausflug machen muss!) hat singen hören, weiß was ich meine.... Wenn ich noch einmal den Burger Dance, Schnappi oder Knut, Knut, Knut, oh, dir geht's ja ach so gut höre, kann ich für nichts mehr garantieren...
Im Gegensatz zu den genannten Beispielen (und vielen, vielen, vielen weiteren) ist Käpt'n Blaubärs Alles im Lot Party sehr gnädig mit "alten" Ohren. Man hat es vermieden ganz, ganz schlimme Melodien rauszukramen (bis auf Guantanamera, natürlich), und die Texte reißen wieder vieles raus. Schließlich nervt Schnappi nicht nur wegen der dämlichen Melodie, sondern auch aufgrund des schlimmen Textes.
Sollte ein hibbeliges Kind irgendwann Mal Alles im Lot ununterbrochen rumlallen, wird mich nur nerven, dass das Kind nur eine Textzeile kann und keinen Ton trifft. Da ist dann aber der Interpret Schuld, und nicht das Lied.
Die Zielgruppe sollte sich also mit der CD anfreunden können und jedem im Alter darüber wird sie nicht weiter auf die Nerven fallen. Kopf schütteln? Ja. Sich fragen, wie man etwas unnötig vermasseln kann? Ebenfalls. Aber von der CD richtig genervt sein oder den Verantwortlichen richtig schlimmes an den Hals wünschen? Nein. Und die Vorlage wird nicht wie bei Bugs Bunny geschändet, sondern "nur" nicht würdig genug behandelt. Blaubär hat musikalisch besseres verdient. Und das sage ich nicht nur, weil ich mit der Musikrichtung selbst nicht sonderlich viel anfangen kann. Ein paar Tracks sind nämlich tatsächlich ganz gute Eurodance-Kompositionen... wem's also gefällt... Nur reißen die paar Ausnahmen nicht viel.
Das schlimmste an der CD ist eigentlich auch, dass sie in den 12 Jahren seit Veröffentlichung so unheimlich gealtert ist. Im Kontext der damaligen Popkultur gesehen hat die CD etwas Potential verschossen und die Zielgruppe unnötig verkleinert und so sich auch den Weg zum späteren Nostalgie-Kultklassiker verbaut. Von der heutigen Warte aus dagegen ist das Werk leider auch etwas peinlich - und manchmal schmerzt die Musik dann doch zu sehr, als dass man sie problemlos durchlaufen lassen könnte. Für diesen Blogeintrag musste ich mich zeitweise dann doch selber überreden weiter zu hören.
Im Vergleich zu anderen Verbrechen an Kinderserien ist dieses Album aber noch ein recht stolzer Vertreter.
Was nicht heißen soll, dass ich es in absehbarer Zeit nochmal hören muss!
Fazit: 23% auf der Schmerzskala
9% auf der Peinlichkeitsskala
Zusätzliche Sonderwertung:
- 71% auf der "Das-wäre-so-viel-besser-gegangen"-Skala
- 13 ½ imaginäre Gummipunkte für die Texte und Stimmen
P.S.: Die CD wurde übrigens 1999 als "Käpt'n Blaubär - Das Album" mit neuem Cover versehen und erneut veröffentlicht. Bereits damals sollte die Musik schon veraltet gewesen sein...
So, und jetzt wird mein Gerümpel-Schrank erstmal wieder geschlossen. Sonst dreh' ich noch durch.
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