Andererseits überrascht das deutsche Kinopublikum immer wieder: Der berühmt-berüchtigte Musicalstreifen Xanadu brachte es irgendwie auf mehr als 0,97 Millionen Interessenten, und der allmählich in Vergessenheit geratene Rockfilm Tommy, den ich hier mal als Musical zähle, brachte es damals auf 1,2 Millionen. Damit ist er auch extrem nah dran, zu den 20 erfolgreichsten Realfilmmusicals der deutschen Kinohistorie zu zählen.
Die Plätze 20 bis elf möchte ich euch nun an dieser Stelle präsentieren. Dabei gilt: Die Definition eines Musicals ist etwas schwammig, weshalb ich mich mit mir darauf geeinigt habe, dass die Gesangs- und Tanzsequenzen einen erheblichen Teil des Films ausmachen sowie die Story und/oder Figurenzeichnung vorantreiben müssen. Trotz mehrerer kleiner Gesangseinlagen sehe ich Mel Brooks Robin Hood - Helden in Strumpfhosen nicht als Musical, während euch auf Platz 19 ein Film begegnet, dessen Gesangseinlagen diegetisch sind, aber so aussagekräftig über die Figuren sind, dass der vermeintlich realistische Überbau des Films für mich wie ein narratives Gimmick daherkommt wie auch die Traumsequenzen im Musicalfilm Chicago. So oder so: Viel Spaß beim Entdecken und Erinnern!
Platz 20: Bibi & Tina: Voll verhext! (1,29 Millionen Ticketverkäufe)
Wow: Der zweite Teil von Detlev Bucks Bibi & Tina-Reihe kam nur neun Monate nach dem Erstling heraus. Was für ein Mordstempo. Und es lohnte sich: Die Fortsetzung erreichte an den Kinokassen über 127.000 Menschen mehr als der Beginn der musikalischen, kreativen Filmreihe voller Hexerei, Pferde, Teenie-Romanzen und verspielter Gags. Die mehrere Stimmungen und Stile durchlaufende Musik stammt, wie auch in den anderen Filmen der Reihe rund um die titelgebenden, von Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll verkörperten Freundinnen, von Peter Plate, Ulf Leo Sommer und Daniel Faust.
Platz 19: A Chorus Line (1,30 Millionen Ticketverkäufe)
Platz 18: Moulin Rouge! (1,35 Millionen Ticketverkäufe)
Noch ein Film mit einer Show-im-Film, nur dass hier keinerlei Zweifel bestehen, dass wir es mit einem Musical zu tun haben: Der Australier Baz Luhrmann hält mit Moulin Rouge! einen farbenfrohen, fieberhaften Wahngesang auf die Liebe ab und packt auch die Handlung rund um die Show-im-Film mit Gesang und Tanz voll. Zudem ist es eines der erfolgreichsten filmischen Jukebox-Musicals der Geschichte, denn der Sensationserfolg aus dem Jahr 2001, der die Musicalkunst wieder ins Augenmerk des breiten Publikums rückte, lässt Nicole Kidman, Ewan McGregor und Co. Rock- und Popkracher dahinschmettern, als gäbe es kein Morgen.
Platz 17: Evita (1,39 Millionen Ticketverkäufe)
"Don't Cry for Me, Argentina": Die Poplegende und vielfach als Schauspielerin verrissene Madonna schlüpft in diesem von Oliver Stone mitverfassten Musical-Biografiedrama in die Rolle der Politikerin Eva Perón - und wurde 1996 nach Kinostart ausnahmsweise mit positiven Kritiken bedacht. Von Alan Parker auf der Grundlage des Musicals von Tim Rice und Andrew Llyod Webber inszeniert, ist Evita das einzige Musical des vergessenen Disney-Tochterlabels Hollywood Pictures.
Platz 16: Yentl (1,39 Millionen Ticketverkäufe)
Während Evita in Deutschland aufgerundet auf 1,39 Millionen Kinobesucherinnen und Kinobesucher kam, bringt es mit Yentl ein anderes Musicaldrama abgerundet auf 1,39 Millionen Interessenten. Von Barbra Streisand als Regisseurin, Produzentin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin getragen, setzt Yentl auf Musik von Michel Legrand und Liedtexte von Alan & Marilyn Bergman. Die 1983 gestartete Adaption einer Kurzgeschichte dreht sich um das titelgebende jüdische Mädchen Yentl, das sich nach dem Tod ihres Vaters als Mann verkleidet, um an einer Religionsschule zu studieren.
Platz 15: Verwünscht (1,41 Millionen Ticketverkäufe)
Dieses Disney-Mischfilmmusical aus dem Jahr 2007 lässt Amy Adams als Zeichentrickfigur ihr märchenhaftes Reich verlassen, um im modernen New York City zu lernen, dass es mehr gibt als nur die flüchtig erfahrene, wahre Liebe auf den ersten Blick. Bestückt mit vergnügt-selbstironischen Liedern von Disneys Haus- und Hofkomponisten Alan Menken und Texter Stephen Schwartz verneigt sich Verwünscht augenzwinkernd vor dem Disney-Erbe und erarbeitete sich damit sogleich drei Oscar-Nominierungen für den besten Song. Wundersamerweise ging der Film jedoch leer aus.
Platz 14: Bibi & Tina: Tohuwabohu total! (1,65 Millionen Ticketverkäufe)
Eigentlich wollte Detlev Buck bloß eine Bibi & Tina-Trilogie drehen, doch dann ist die Welt durchgedreht, und so sah er sich gezwungen, dem jungen Publikum eine Antwort auf den entstandenen Tumult zu präsentieren: Bibi & Tina: Tohuwabohu total! handelt unter anderem von der vermeintlichen Krise, die durch Flüchtlinge entsteht, von der Angst jener, die ihr Heimatland verlassen, um woanders eine bessere Zukunft zu finden, von Irren, die Mauern aus Hass bauen und vielem mehr. Harter Tobak, verpackt in eingängigen Liedern und im Mary Poppins-Sinne mit einem Löffelchen voll Zucker verdaulich gemacht.
Platz 13: La La Land (1,81 Millionen Ticketverkäufe)
Damien Chazelles Kritikerliebling aus dem Jahr 2016 lief in Deutschland erst 2017 an - und tanzte sich unbesorgt zu überaus löblichen 1,81 Millionen losgeschlagenen Eintrittskarten. Versehen mit Texten des Greatest Showman-Duos Pasek & Paul und Melodien aus der Feder des Komponisten Justin Hurwitz, lässt La La Land Emma Stone und Ryan Gosling durch die Zwickmühle "Beruf, Berufung oder Liebe" schreiten und macht auf dem Weg zur emotional aufwühlenden, wunderschön inszenierten Lösung einen beeindruckenden Haufen an Filmreferenzen.
Platz 12: Pink Floyd - The Wall (1,83 Millionen Ticketverkäufe)
Alan Parker steuert das wohl seltsamste Musical in dieser Liste bei: Die Verfilmung des gleichnamigen Konzeptalbums der einflussreichen Band Pink Floyd ist ein surrealer (Alb-)Traum, der zwischen düsteren Alltagsbildern, unwirklichen Einbildungen und Zeichentrickelementen hin und her switcht. Grob geht es um einen Rockmusiker, der an seine Kindheit und Jugend zurückdenkt und wie im Delirium Rückschläge und Ängste vor seinen Augen aufflimmern sieht. Ein introspektives Musical aus einer filmisch und musikalisch experimentierfreudigen Zeit. 1982 konnte sowas das deutsche Publikum noch in großen Scharen ins Kino locken. Heute wäre das wohl undenkbar ...
Platz 11: Bibi & Tina: Jungs gegen Mädchen (2,00 Millionen Ticketverkäufe)
Der dritte und ursprünglichen Plänen Bucks zufolge finale Teil der Bibi & Tina-Reihe ist das High School Musical 3 dieser kunterbunten, deutschen Filmreihe: Überbordend, durchgeknallt, hoch selbstironisch und voller Film- und Musikreferenzen, die über die Köpfe des jungen Publikums gepfeffert hinwegsegeln sollten. Und ein YouTuber rappt frauenfeindliche Klischees daher. Was halt so alles passiert, im Sommercamp ...
Bei deinem Kommentar zu "A Chorus Line" (übrigens mein Lieblingsmusical aller Zeiten) hab ich die Befürchtung, dass Du den Film nie gesehen hast. Mitnichten singen und tanzen die Protagonisten zu dem Stück, das sie proben. Michael Douglas bohrt in den Ängsten und Wünschen der Bewerber herum, um deren "Hosen herunter zu lassen". Diese geben dann in Gesangseinlagen ihre Seelen preis.
AntwortenLöschenZu The Wall: Natürlich ist das ein 80er Film und dementsprechend ist dort der Zeitgeist verankert. Jedoch ist es eher die Gruppe Pink Floyd, die heute niemanden mehr ins Kino locken würde. Angenommen Linkin Park hätte sich an so ein Projekt gewagt, wäre das durchaus lukrativ ausgefallen ... man denke auch an 8 Mile von Eminem (kommt der Film noch in den Top 10?).
Dass in Bibi & Tina überhaupt rumgeträllert wird, hab ich gar nicht gewusst. Würde mir ja nie im Traum einfallen, mir so etwas
anzuschauen ;)
Dann habe ich meinen Eintrag zu "A Chorus Line" sehr schlecht formuliert, denn das, was du sagst, wollte ich auch ausdrücken. Mir geht es nur darum, dass man, wenn man sich bewusst querstellt, als "reale" Musiksituation deuten könnte - ich diese Deutung aber nicht vertrete.
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