Mittwoch, 28. Februar 2018

Love & Friendship


Hauptsächlich ist Kate Beckinsale als in engen Lack-und-Leder-Kostümen gekleidete Hauptdarstellerin von Actionfilmen bekannt. Die britische Schauspielerin auf Performances wie ihren Underworld: Blood Wars-Auftritt zu reduzieren, wäre jedoch eine schreiende Ungerechtigkeit. Beckinsales Karriere nahm ihren Anfang mit einer Shakespeare-Adaption, es folgten einige Kritikerlieblinge wie Last Days of Disco – Nachts wird Geschichte gemacht. Zudem darf ihre akzentuierte Nebenrolle in Martin Scorseses Aviator nicht vergessen werden.

Insofern dürfte Love & Friendship als Befreiungsschlag oder zumindest als Rückkehr zu alter Form aufgefasst werden. Denn unter der Regie von Whit Stillman (Metropolitan) mimt Beckinsale in dieser 93-minütigen Kostüm-Dramödie eine gerissene, eloquente Dame, die zwar einen gewissen Ruf weg hat, jedoch dank ihres gut situierten Verhaltens gesellschaftliches Ansehen genießt. Mit dem ihr zukommenden Respekt und ihrem messerscharfen Verstand bewaffnet, manipuliert sie ihr Umfeld auf gewitzte Weise und sorgt so dafür, ihrer Tochter einen angemessenen Ehemann zu beschaffen.

Die Geschichte der verwitweten, hellwachen Manipulatorin namens Lady Susan Vernon basiert auf einem posthum veröffentlichten Briefroman der einflussreichen Schriftstellerin Jane Austen. Als Austen-Verehrer machte es sich Stillman zur Aufgabe, dieses aufgegebene, die spätere Brillanz der britischen Autorin in Ansätzen zeigende Frühwerk umzudichten: Es sollte in Prosa umgetextet, leinwandtauglich verformt und dabei um die für Austen typischen, geschliffenen Dialoge und Situationen bereichert werden.

Diese an sich selbst gestellte Aufgabe vollbringt der ehemalige Harvard-Student weitestgehend: Zwischendurch sprühen in diesem Ende des 18. Jahrhunderts spielenden romantisch-komödiantischen Intrigenspiel geradezu die Funken vor zeitgemäßen, aber süffisanten Dialogen. Vor allem, wenn Beckinsale als Lady Susan Vernon gemeinsam mit ihrer Eingeweihten Alicia Johnson (augenzwinkernd-staubtrocken: Chloë Sevigny) das Verhalten Anderer analysiert oder sie mit elegant-verschmitztem Lächeln gegenüber Alicia einfach nur prahlt. Ebenso sind sämtliche Szenen mit Tom Bennett (Mascots) eine wahre Wonne – mit markant-britischer Noblesse gibt er einen einfältigen, ungebildeten Gentleman, dem bei seinen strunzdämlichen Nachfragen und unsinnigen Erklärungen stets ein seliges Grinsen ins Gesicht geschrieben steht.

Auch, wenn Stillman die steife Inszenierung aufbricht, etwa indem er Brieftexte visualisiert oder pointierte Zwischenschnitte setzt, wächst Love & Friendship weit über den Status „Und noch eine Austen-Verfilmung von der Stange“ hinaus. Wenn Lady Susan aber mal die Zügel etwas lockerer lässt oder gar für etwas längere Zeit von der Bildfläche verschwindet, und Stillman sich inszenatorisch darauf verlässt, in weiten Bildern die prächtigen Kostüme sowie prunkvollen Gemächer seiner handelnden Figuren abzufilmen, dann stumpft diese freie Literaturadaption zügig ab. Der Musik aus der Gregorianischen Ära referenzierende, abwandelnde und abspielende Soundtrack (Komponist: Mark Suozzo) bietet Kennern klassischer Musik zwar auch in diesen Durststrecken einen Mehrwert, trotzdem bleibt Love & Friendship ein zwischen Wortgewandtheit und Stillstand changierender Kostümfilm, der sich primär für Austen-Liebhaber und Beckinsale-Fans empfiehlt.

Donnerstag, 22. Februar 2018

Treppenspoiler: La La Land


Unter "Treppenwitz" versteht man es, zu spät auf einen geistreichen Gedanken zu kommen. Unter "Treppenspoiler" möchte ich Vorausdeutungen in Filmen sammeln, die sich erst mit treppenwitzartiger Verzögerung als solche zu erkennen geben. Dieses Mal geht es darum, dass La La Land sehr früh sein Ende spoilert. Was mir erst nach mehreren Sichtungen dieses traumhaften Musicals bewusst wurde.

An dieser Stelle sei also allen, die La La Land noch immer nicht gesehen haben, erklärt: Holt ihn nach, statt weiterzulesen!

Noch da? Wieder da? Wunderbar, dann lasst uns kurz mit bittersüßer Stimmung das Ende von Damien Chazelles Musical vor Augen führen.


La La Land endet damit, dass es das liebenswerte Paar, mit dem wir den ganzen Film über mitgefiebert haben, nicht zu einem gemeinsamen Happy End schafft. Die aufstrebende Schauspielerin Mia und der Jazzliebhaber Sebastian geraten aneinander, als seine beruflichen Pflichten ihn zu sehr vereinnahmen - und dann auch noch Pflichten, die ihn von seiner eigentlichen Passion wegführen. Als Sebastian seine Ex zu einem vielversprechenden Casting abholt, könnte dies einen Neuanfang für die Beiden bedeuten. Doch weit gefehlt: Mia entscheidet sich für die Karriere und lässt Sebastian zurück. Als sie sich einige Zeit wiedersehen, kommt es zu einem Gefühlsschwall, doch nicht zu einem weiteren Beziehungsversuch. Sie lächeln sich freundlich, vielleicht sogar dankbar zu. Ende.

Dass La La Land damit endet, dass sich unsere zwei sympathischen Liebenden trennen, hätte jedoch niemanden überraschen müssen. Denn Damien Chazelle spielt in seinem nostalgischen Musical von Anfang an mit offenen Karten. Es drängt sich einem nur nicht so sehr auf. Trotzdem verrät schon die erste Liedzeilen des Films, wo die Prioritäten aufstrebender Schauspieler in Los Angeles liegen:

I think about that day / I left him at a Greyhound Station / West of Santa Fé / We were seventeen, but he was sweet and it was true / Still I did what I had to do / 'Cause I just knew

In einem Musical über die Träume in der La La Land genannten Stadt der Traumfabrik ist das erste, was wir in Gesangsform hören, dass eine Schauspielerin ihren Freund verlassen hat, um ihren Karriereträumen nachzugehen. Und am Ende des Films passiert genau das. Konsequent. Und mit solch einer Vorwarnung müsste man sich ja emotional vorbereiten können ... Und dennoch rührt das Ende jedes Mal aufs Neue, nicht wahr?