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Samstag, 23. Juni 2012

4 Artists Paint 1 Tree: Eyvind Earle

4 Artists Paint 1 Tree widmet sich dem titelgebenden Kurzfilm „4 Artists Paint 1 Tree“ und seinen vier Protagonisten Eyvind Earle, Joshua Meador, Marc Davis und Walt Peregoy. Von Walt Disney ausgewählt, ihren individuellen Stil auf der großen Leinwand darzustellen, geben der Film und seine Hauptdarsteller Einblicke in das künstlerische Leben hinter den faszinierenden, doch minutiös dirigierten Zeichentrickfilmen im Schatten der Maus.

Der dritte Artikel dieser Reihe handelt von einem Maler, dem es gelang, einen abendfüllenden Zeichentrickfilm zu seinem abendfüllenden Zeichentrickfilm zu machen: Eyvind Earle


(© Disney)

Eyvind Earle wurde 26. April 1916 in New York City geboren. Der Name Eyvind stammt aus dem Norwegischen. Seine Mutter, eine Pianistin, war die Tochter eines Deutschen und einer Norwegerin, die in die Vereinigten Staaten eingewandert waren. Sein Vater war Dichter, Schriftsteller, Filmproduzent, Regisseur und Art Director. Die wahre Leidenschaft des Schülers von James McNeill Whistler und William Adolphe Bouguereau galt jedoch der Malerei. Er war etwa zehn Jahre älter als seine Frau, die Ehe, aus der neben Eyvind auch ein älterer Bruder hervorging, war bereits seine vierte. Die Earles waren überaus wohlhabend. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Eyvinds Vater in Morris-Jumel Mansion, das seinem Vater, einem General, gehörte, während des Unabhängigkeitskrieges zeitweise als Hauptquartier George Washingtons diente und heute als ältestes Haus in Manhattan gilt. Die Familie seiner Mutter hingegen war nicht vermögend, was dazu führte, dass er und seine Mutter nach Jahren in Wohlstand nach der Scheidung seiner Eltern in Armut leben mussten.

Sein Bruder Ferdinand war zwei Jahre älter als er. Im Jahr 1918 zog die Familie von New York nach Hollywood, wohin sich zu dieser Zeit die gesamte US-Filmbranche verlagerte. Die Familie kaufte ein Anwesen in ruhiger Lage. Diese Lage änderte sich, als 1922 an der gegenüberliegenden Straßenseite das Amphitheater Hollywood Bowle erbaut wurde. Nur zwei Jahre später starb Ferdinand an Kinderlähmung. Einen Tag nach seiner Beerdigung zeigte auch Eyvind Symptome der Krankheit zu zeigen. Er überlebte, die Krankheit verursachte jedoch irreperable Schäden im Nervensystem, weshalb seine rechte Gesichtshälfte dauerhaft gelähmt wurde. Zwar war sein Sprechen kaum beeinträchtigt und die Behinderung für Außenstehende fast nicht zu erkennen, sie wurde jedoch offensichtlich, wenn er versuchte, zu lächeln – was er für den Rest seines Lebens zwanghaft vermied.

Im Jahr 1926 ließ sich die Mutter von seinem Vater scheiden, Eyvind blieb bei ihr, der Vater unternahm jedoch regelmäßig Ausflüge mit seinem Sohn. An einem Wochenende im Jahr 1927 bekam der Vater erneut die Genehmigung, Zeit mit ihm zu verbringen und erklärte, eine Reise nach Palm Springs machen zu wollen. Stattdessen entführte er den Zehnjährigen nach Mexiko-Stadt.


Eyvind Earle (rechts) und sein zwei Jahre älterer Bruder (© Eyvind Earle)

Die unerlaubte Tat seines Vaters hatte nicht Eifersucht gegenüber seiner Ex-Frau zur Ursache. Vielmehr war er gewillt, sein künstlerisches Erbe mit aller Gewalt an seinen Sohn weiterzugeben. Er befahl ihm, in Zukunft jeden Tag fünfzig Seiten anspruchsvoller Literatur zu lesen oder ein Gemälde zu malen. Freizeit blieb Eyvind nicht, außerhalb der Schule war es ihm verboten, mit anderen Kindern zu spielen. Es handelte sich um eine Situation, die in heutigen Zeiten höchstwahrscheinlich einen internationalen Haftbefehl zur Folge gehabt hätte – Eyvind Earle aber fand Gefallen. Er las nicht nur jeden Tag fünfzig Seiten oder malte ein Gemälde – er tat sogar beides. Aufgrund der regiden Art des Vaters, musste er nicht mehr Zeit mit anderen Menschen verbringen, als unbedingt nötig. Das ermöglichte ihm, wenn auch zu einem hohen Preis, eine Jugend, die ohne den ständigen Gedanken an das Verstecken seiner Behinderung auskam.

Im Jahr 1931 durfte er, gerade 14 Jahre alt, seine erste Einzelausstellung in Frankreich gestalten. Dies war auch das Jahr, in dem er entschied, von seinem Vater fortzugehen – wobei er diese Entscheidung im Geheimen und ohne das Wissen seines Vaters vollzog. Hilfe erhielt der Minderjährige von seinem Halbbruder Harold, Kind aus einer früheren Ehe seines Vaters, der in Paris lebte. Er kehrte zurück zu seiner Mutter, die noch immer in Kalifornien lebte. Mitten in der Weltwirtschaftskrise lebten sie viele Jahre in Armut, was dazu führte, das Eyvind seine Schule nicht beenden konnte und die Gelegenheit wahr nahm, 1934 bei United Artists als Zwischenphasenzeichner anzufangen. Wenige Monate später wurde sein Ausnahmetalent von Opernsänger Lawrence Tibbett und seiner Frau entdeckt, die sich entschieden, ihn und seine Mutter finanziell zu fördern und ihm damit zu ermöglichen, sich in Mexiko intensiv der Malerei widmen zu können.

Um möglichst interessante Motive einfangen zu können, fuhr er häufig mit dem Fahrrad in die Natur, mitunter hundert Meilen an einem Tag. Dadurch kam ihm der Gedanke, dass es ein interessantes Projekt sein könnte, einmal nicht mit dem Fahrrad am Abend zurückzukehren, sondern eine längere Reise zu unternehmen. So entschied er sich, von Mexiko nach New York zu fahren und legte mit über fünfzig Kilogramm Gepäck mehr als dreitausend Meilen zurück. An jedem Tag schuf er ein Ölgemälde, insgesamt waren es 42, als er bei seiner Großmutter eintraf, die ein Anwesen besaß. Auch sie hatte nach dem Tod ihres Mannes, der bei einem Jagdunfall gestorben war, durch betrügerische Investoren ihr gesamtes Vermögen verloren. Eyvind blieb einige Wochen bei ihr, um bei der täglich anfallenden Arbeit zu helfen. Das wenige Geld, das er für die Reise eingesteckt hatte, war längst aufgebraucht.


Eyvind Earle in den 1930er Jahren (© Eyvind Earle)

Seine Rettung war erneut die Familie Tibbett, die ihm ermöglichte, in New York City zu wohnen und dort als Maler zu arbeiten. Binnen kurzer Zeit fand er einen Galeristen und wurde in den lokalen Zeitungen lobend als junges Talent erwähnt. Er verliebte sich in eine junge Frau und gab alles ihm zur Verfügung stehende Geld aus, um sie regelmäßig auszuführen. Als er nach einigen Monaten seine Mutter, die noch immer in Kalifornien lebte, zu sich holte, holten Eyvind die Geldsorgen wieder ein und er war gezwungen, die Beziehung aufzugeben. Nach seiner eigenen Aussage waren diese Monate um das Jahr 1938 die bis dahin schlimmsten seines Lebens. Da er mit dem Verkauf seiner Gemälde keine Erfolge mehr erzielen konnte, begann er aus der Not heraus, Grußkarten zu entwickeln. Gemeinsam mit seiner Mutter stellte er die Karten auf einer alten Presse selbst her, die Druckplatten fertigte er aus Linoleumresten, die er auf dem Müll fand. Beide arbeiteten sieben Tage die Woche, oft bis nach Mitternacht.

Die Idee glückte. Im Jahr 1940 eröffnete er zusammen mit einem alten Schulfreund einen eigenen, kleinen Verlag für Grußkarten. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg kehrte auch der künstlerische zurück – im Jahr 1941 entschied das Metropolitan Museum of Art, eines seiner Werke in die Dauerausstellung zu übernehmen. Er betrieb, ab 1941 mit einem anderen Freund, bis 1943 einen Verlag. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in die Marine einberufen und arbeitete als Sanitäter. Neben seiner eigentlichen Tätigkeit ergab es sich, dass er die meiste Zeit nichts zu tun hatte. Er nahm diese Gelegenheit wahr, um Portraits seiner Kameraden zu malen und an den Werken für eine Ausstellung in Los Angeles zu arbeiten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg heiratete er, bekam eine Tochter und überwand die finanziellen Probleme der Vergangenheit dauerhaft. Den entscheidendsten Anruf seines Lebens erhielt er 1951.


(© Disney)

Am anderen Ende der Leitung war ein Verantwortlicher der Walt Disney Studios. Zwar hatte Eyvind zuvor nur wenige Monate im Zeichentrickfilm gearbeitet, man traute dem großen Talent jedoch zu, wesentliche stilistische Innovationen vorantreiben zu können. Die zunehmende Konkurrenz des Fernsehens zwang das etablierte Studio, neue Wege zu gehen. Obgleich viele der alteingesessenen Künstler des Studios, wie Ward Kimball, Marc Davis oder Dick Huemer selbst bereit waren, Veränderungen voranzutreiben, versprach man sich von der Verpflichtung völlig neuer Kreativer zusätzliche Möglichkeiten.

Nicht beachtet wurden dabei die Probleme, die die Anstellung eines Exzentrikers wie Eyvind Earle fast automatisch mit sich brachte. Eyvind Earle war als erfahrener Künstler nur bedingt formbar und tat sich als Einzelkämpfer schwer, künstlerische Unterordnung zu akzeptieren. Dennoch überzeugte er mit seinen frühen umfangreicheren Arbeiten an Peter Pan und insbesondere dem Kurzfilm Die Musikstunde (Toot, Whistle, Plunk and Boom). Die Musikstunde war sowohl technisch als auch stilistisch eine kleine Revolution und erhielt völlig zu Recht den Oscar für den besten animierten Kurzfilm.

Im Jahr 1955 begann Eyvind Earle die Arbeit an Dornröschen und schaffte es, dem Film seinen Stempel aufzudrücken. Er transportierte die stilistischen Elemente seiner Bilder in den Film, für den er die Hintergründe schuf. Ebendiese führten in den Disney-Studios zu einem heftigen Streit zwischen Eyvind Earle und Walt Disney und den künstlerischen Größen des Studios. Um das Ausmaß der Abneigung nachvollziehbar zu machen, das die Chefzeichner, darunter auch Ollie Johnston und Frank Thomas, als geschlossene Front gegen Earle vereinte, bietet sich das Erzählen einer Anekdote an, die ebenso einzigartig war. Der Regisseur des Films, Clyde Geronimi, gehörte zu den Wenigen, die in der scheinbar heilen Welt des Zeichentrickfilms mehr Feinde als Freunde vorweuisen konnten. Er war grobschlächtig, ungerecht und galt als herzlos, einzig Walts Loyalität (die nach Dornröschen ein Ende fand) bewahrte ihn vor der Kündigung. Niemand im Studio wollte viel mit ihm zu tun haben, da er den Ruf hatten, ständig zu kritisieren, ohne tatsächlich Ahnung zu haben. Doch Clyde Geronimi konnte Eyvinds Zeichnungen nicht ausstehen und er war einer der wenigen, der es sich herausnehmen konnte, tatsächlich in sein Handeln eingreifen zu können. So versammelte er die Sympathien seiner Kollegen hinter sich und wurde dafür gefeiert, dass er die Hintergründe Eyvinds Earles im Nachhinein teilweise übermalen ließ.

Eyvind Earle selbst strich noch vor dem Ende der Produktion die Segel und verließ die Disney-Studios. Doch auch wenn Geronimi einige seiner Hintergründe veränderte, konnte er nicht verhindern, dass Eyvinds Stil das Bild des Films bestimmt. 50 Jahre nach seinem Entstehen wird Dornröschen als Meisterwerk gefeiert, es gibt aber auch kritische Stimmen, die Bemängeln, dass das Character Design der Figuren, die Handlung und Stimmung des Films und die Hintergründe nur unzureichend harmonieren. Der augenscheinlichste Grund hierfür ist die Zerstrittenheit zwischen den Hauptakteuren der Produktion.

Ende der 1950er gründete Eyvind Earle sein eigenes Trickfilmstudio, das vor allem Werbefilme produzierte, aber auch einige Fernsehspecials. Zu Earles Werbefilmen, deren Herkunft durch den unverwechselbaren Stil überdeutlich ist, gehören Arbeiten für Chevrolet Motors, Chrysler, Marlboro, Motorola und Kellogg's.



(© Eyvind Earle)

Im Jahr 1945, kurz nachdem er aus dem Krieg heimgekehrt war, heiratete er seine Verlobte Alice. Im August 1946 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Zusammen mit seiner Mutter lebten sie viele Jahre in Hollywood. Im Jahr 1970 starb seine Frau an Lungenkrebs, was er auf sein eigenes Kettenrauchen zurückführte. Zwei Jahre später vermählte er sich erneut und zog mit seiner Frau nach Carmel-by-the-Sea, einer Kleinstadt an der Pazifikküste, die in den 1980er Jahren zeitweise von Clint Eastwood als Bürgermeister regiert wurde und die Heimat vieler Künstler war und ist, darunter Ernest Hemingway, Jack London und Doris Day. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass Eyvind Earle ausgerechnet in eine Gegend zog, die für ihre vielfältigen Natur- und Landschaftseindrücke bekannt ist.

Eyvind Earle arbeitete nach seiner Abkehr vom Film fast nur noch als Maler. Obgleich ihm der große Durchbruch immer verwehrt blieb, war er auch in den letzten Jahrzehnten seines Lebens Mittelpunkt so vieler Einzelausstellungen, dass er, nach eigenen Angaben, irgendwann aufhörte, deren steigende Anzahl im Kopf zu behalten. Aufgrund der Tatsache, dass er sehr schnell malte und sich seine Werke gut verkauften, ereilten ihn nie mehr finanzielle Sorgen. Auch begann er, sich intensiv mit Lyrik zu beschäftigen und veröffentlichte zahlreiche Gedichte, Bildbände und eine Autobiographie – die Bandbreite seines Wirkens umfasste schlussendlich all das, was sein Vater von ihm erwartet hatte.


Alice Earle, die gemeinsame Tochter und Eyvind Earle (v. l. n. r., © Eyvind Earle)

Eyvind Earle starb am 20. Juli 2000 im Alter von 84 Jahren, fast siebzig Jahre nach seiner ersten Einzelausstellung. In Deutschland waren seine Werke bisher nur als Teil größerer Ausstellungen zum Thema Walt Disney zu sehen. Das Münchener Stadtmuseum hat einige seiner auf Glas gemalten Hintergründe für Dornröschen im festen Besitz. Die Werke wurden allerdings nicht angekauft, sondern landeten durch einen glücklichen Zufall in den Händen der Einrichtung: nach einer Wanderausstellung in ganz Europa, die von den Walt Disney Studios initiiert worden war, zeigte das Unternehmen bei vielen Ausstellungsstücken kein Interesse, den teuren Rücktransport in die Vereinigten Staaten zu übernehmen und bot der „letzten Station“, also dem Münchener Stadtmuseum, an, die Werke einfach als Geschenk zu behalten. Bedauerlicherweise sind in den letzten Jahren aufgrund der teilweise unsachgemäßen Lagerungen mehrere Glasplatten beschädigt worden.

Gemälde von Eyvind Earle sind sowohl als qualitativ hochwertige Drucke als auch teilweise für „niedrige“ vierstellige Summen im Original zu erhalten. Letzterer Umstand ist auch auf die hohe Produktivität des Künstlers zurückzuführen.

Sonntag, 3. Juni 2012

4 Artists Paint 1 Tree: Joshua Meador

4 Artists Paint 1 Tree widmet sich dem titelgebenden Kurzfilm „4 Artists Paint 1 Tree“ und seinen vier Protagonisten Eyvind Earle, Joshua Meador, Marc Davis und Walt Peregoy. Von Walt Disney ausgewählt, ihren individuellen Stil auf der großen Leinwand darzustellen, geben der Film und seine Hauptdarsteller Einblicke in das künstlerische Leben hinter den faszinierenden, doch minutiös dirigierten Zeichentrickfilmen im Schatten der Maus.

Diese Episode der Reihe widmet sich einem Mann, dessen Werke von Walt Disney selbst mit Leidenschaft gesammelt wurden: Joshua Meador


Josh Meador in den Disney-Studios (© Disney)


Josh Meador wurde am 12. März 1911 in Greenwood, Mississippi, geboren. Sein Vater arbeitete bei der Eisenbahn. Als Meador sieben Jahre alt war, zog seine Familie nach Columbus, da der Vater dorthin ins Eisenbahnhauptquartier versetzt wurde. Schon früh entdeckte er seine Liebe zum Zeichnen, wie viele Jungen seines Alters war er auch bei den Pfadfindern aktiv und verdiente sich etwas Taschengeld hinzu, indem er Zeitungen austrug.

Nachdem er 1930 die örtliche High School abschloss, erhielt er die Möglichkeit, die Marineakademie zu besuchen. Mittlerweile war er sich aber sicher, dass seine Zukunft einzig in der Kunst liegen könnte. Er besuchte daraufhin verschiedene Kunstschulen, bevor er sich langfristig dem Unterricht am Chicago Art Institute widmete und dort im Jahr 1935, mit Auszeichnung, seine Ausbildung beendete.

Das Haus, in dem er weite Teile seiner Kindheit und seine Jugend verbrachte, steht noch heute in Columbus. Dort wohnte seine Mutter bis sie 1985, hochbetagt, verstarb. Auch nachdem er fortgegangen war, um sich seiner künstlerischen Karriere zu widmen, blieb er seiner Heimat verbunden und kehrte regelmäßig für Besuche zurück. Seiner High School schenkte er ein wunderbares Gemälde, das eine spanische Galeone zeigte. Als das Schulgebäude im Jahr 1962 in Flammen aufging, wurde es zerstört.


Josh Meador (mittig) stellt zusammen mit Jack Boyd (links)
vor den Augen Walt Disneys (rechts) die Entwicklung
von Effekten für Fantasia nach (© Disney)


Im Jahr 1936, kurze Zeit nach seinem Abschluss, begann er für Walt Disney zu arbeiten. Schnell machte sein außergewöhnliches Talent, kombiniert mit seiner außergewöhnlichen Ausbildung, die Runde im Disney-Studio. Nicht nur Walt selbst war von diesem Mann begeistert, auch seine besten Zeichner waren von den Fähigkeiten Josh Meadors verzaubert. Es gab im Studio Künstler, die Zeichnen und Malen konnten, dass ihre Bilder von Photographien nicht mehr zu unterscheiden waren. Josh Meador ging einen Schritt weiter. Seine Cels, in der korrekten Reihenfolge auf der Leinwand wiedergegeben, schienen in der Lage zu sein, die Grenze zwischen Trick- und Realfilm zu verwischen. Dort, wo der Zeichentrickfilm seine größte Hürde zu überwinden hatte, in der Darstellung von Naturgewalt, von Schwerkraft, im Orkan, im Sturm, im Schneefall und dann, wenn Magie im Spiel sein sollte, schuf Meador eine kleine Revolution. Unter der Leitung von Cy Young war Mitte der 1930er Jahre ein Effects Department gegründet worden, das sich um genau um diese Darstellungen kümmern sollte. Die Akzeptanz dieser Drei-Mann-Abteilung war gering, die Zeichner sahen nicht ein, weshalb sie nicht selbst Regentropfen und Schneeflocken auf ihre Cels tupfen sollten. Dann kam Josh Meador und wurde zum neuen Verantwortlichen dieses Bereichs.

Ein Tropfen, der in ein Glas mit Milch fällt oder der aufbrausende Ozean in Pinocchio – kein Werk war für Josh Meador zu klein, keines zu groß (wenngleich das Spiel des Wassers in Pinocchio faszinierender sein und länger im Gedächtnis verhaften mag). Dank Josh Meador wuchs das Effetcs Department bis 1940 innerhalb weniger Jahre von drei auf 64 Mitarbeiter bei der Produktion von Fantasia. Zuvor hatte er in Schneewittchen die Szene animiert, in der die böse Hexe im Sturm den Berg erklimmt. Für seine Arbeit an Make Mine Music, er war einer der Regisseure des Films, wurde er 1946 in Cannes ausgezeichnet.


Bleistiftzeichnung und Aussehen auf der Leinwand des Monsters, das Joshua Meador
für Alarm im Weltraum kreierte (klicken für größere Darstellung; © MGM, Quelle: michaelspornanimation.com)


Nach dem 2. Weltkrieg begann Disney, in größerem Stil Realfilme zu produzieren. Auch hier waren Joshua Meadors Fähigkeiten gefragt. Für 20.000 Meilen unter dem Meer erarbeiteten er und sein Team die Spezialeffekte, die mit dem Oscar prämiert wurden.

Josh Meadors Talent war nun weit über die Tore der Disney-Studios hinaus bekannt. Die Disney-Studios verliehen ihn an MGM, die einen Science-Fiction-Film der nächsten Generation drehen wollten und der Erfahrung eines Mannes bedurften, der sowohl als Trickfilmzeichner als auch als Spezialeffektkünstler gearbeitet hatte. Für den 1956 vollendeten Streifen Alarm im Weltraum (Forbidden Planet) entwickelte er ein Monster, das zumindest in seiner Gestaltung auch heute noch zu schockieren weiß. Bei den ersten Ausstrahlungen im Fernsehen, fürchtete man gar, die Kreatur könnte Kinder zu sehr erschrecken und übte sich in Selbstzensur. Nicht nur die Spezialeffekte setzten neue Maßstäbe, sondern auch die elektronische Musikgestaltung. Mittlerweile besitzt der Film Kultstatus.

Im Jahr 1960 verließ er die Disney-Studios, um sich intensiver der Malerei widmen zu können. Walt Disney versuchte, ihn dazu zu bewegen, diese Entscheidung zurückzunehmen und erreichte, dass Meador zusagte, auch zukünftige Projekte von besonderer Priorität weiterhin zu begleiten. Zuvor hatte er sich bereits als wertvoller Mitwirkender an der Disneyland-Fernsehshow bewiesen.


Phil, Sohn von Josh Meador, und vier von dessen Nichten (Quelle: bodegabayheritagegallery.com)


Nach der Schule heiratete Joshua Meador seine Highschoolliebe Elizabeth, genannt Libby, die ebenfalls aus Columbus stammte und drei Jahre jünger als er selbst war. Im Jahr 1939 zogen sie nach La Crescenta, wo sie als Hausfrau arbeitete und den gemeinsamen Sohn Philip aufzog. Nachdem Meador Disney verlassen hatte, zogen sie um und fanden 1962 in der Küstenstadt Caspar an der Mendocino Coast eine neue Heimat. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie alleine und zog später zu ihrem Sohn nach Glendale. Das Lebensmotto von Libby Meador, so ein Nachruf, soll "Joy, Joy, Joy" gewesen sein. Sie starb im Jahr 2008, 94 Jahre alt, nachdem sie einige Wochen zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte.

Ihre Sohn Philip, genannt Phil, machte, wie sein Vater, eine Karriere im Effektbereich, der große Ruhm blieb ihm allerdings verwehrt. Umso mehr bemühte er sich, den seines Vaters zu vergrößern. So schenkte er der Bibliothek in Columbus Malereiutensilien, die sein Vater bei der Produktion von 4 Artists Paint 1 Tree genutzt hatte und viele hundert Werke. Phil Meador selbst folgte seinem Vater in das Effetcs Department von Disney und arbeitete unter anderem an Splash, Taran und der Zauberkessel und Das Schwarze Loch. Sein großes Wissen über die Disney-Studios und deren technischen Innovationen machte sich Disney auch zu Nutze, als man entschied, im 2009 eröffneten Walt Disney Family Museum in San Francisco eine alte Multiplane Camera aufbauen zu wollen. Er starb nach langer schwerer Krankheit im Frühjahr 2011.


© Joshua Meador

Joshua Meador starb im Sommer 1965. Auf der Vortreppe des Hauses sitzend, eine glimmende Zigarette in der Hand, den Blick auf den schimmernden Pazifik, fand ihn seine Frau. Er war, gerade 54 Jahre alt, einem Herzversagen erlegen. Zuvor war ihm die Ehre zuteil geworden, vom amtierenden Präsidenten Lyndon B. Johnson als offizieller Maler der NASA für die Apollo-Missionen ausgewählt zu werden, die die amerikanische Nation 1969 zum Mond und damit Sieg im Wettlauf der Nationen über die Vorherrschaft im Weltall führen sollte. Sein Tod verhinderte, dass er dem nachkommen konnte. Auch die ersten drei Astronauten, die er portraitieren sollte, starben, bevor sie von ihrer Mission, nach der sie Modell stehen sollten, aufbrechen und zurückkehren konnten. Für Johnson selbst malte er auf dessen persönlichen Wunsch ein Bild. Der Nachfolger John F. Kennedys hatte, wie auch dessen Vorgänger, Dwight D. Eisenhower, zahlreiche Werke Meadors in seiner persönlichen Kunstsammlung.

Zweifelsohne wäre Joshua Meador zu einem der führenden Portrait- und Landschaftsmaler der Vereinigten Staaten aufgestiegen. Die Würdigung seiner Person als Pionier im Bereich der Spezialeffekte und des hochrealistischen Zeichentrickfilms steht noch aus. Dank des Einsatzes für das Vermächtnis von Josh Meador seitens seiner Frau und seines Sohnes ist sein Name zumindest in seiner Heimatstadt Columbus, Mississippi, mittlerweile vielen ein Begriff. Im Jahr 2009 wurden in der Stadt große Feierlichkeiten zu Ehren Meadors ausgerichtet, in diesem Zusammenhang sprach Haley Barbour, zu dieser Zeit Gouverneur des Bundesstaats, vom 16. Oktober als „Joshua Meador Day“. Ob damit bereits genug getan ist, damit Name und Werk dieses Künstlers in der Welt seine Kreise ziehen oder sich das Engagement seines Umfelds nach dem Tod von Frau und Sohn fortsetzen wird, wird die Zukunft zeigen.

Samstag, 12. Mai 2012

4 Artists Paint 1 Tree: An Adventure in Art

4 Artists Paint 1 Tree widmet sich dem titelgebenden Kurzfilm „4 Artists Paint 1 Tree“ und seinen vier Protagonisten Eyvind Earle, Joshua Meador, Marc Davis und Walt Peregoy. Von Walt Disney ausgewählt, ihren individuellen Stil auf der großen Leinwand darzustellen, geben der Film und seine Hauptdarsteller Einblicke in das künstlerische Leben hinter den faszinierenden, doch minutiös dirigierten Zeichentrickfilmen im Schatten der Maus.

Diese kurze Serie ist in fünf Artikel unterteilt. Heute soll ein Blick auf den Film selbst geworfen werden, die folgenden vier Beiträge werden sich den einzelnen Künstlern widmen. Da der Kurzfilm bisher nur als DVD-Extra veröffentlicht wurde, soll allen Lesern die Möglichkeit gegeben werden, das Werk selbst zu begutachten, was sich zumindest in der Hinsicht empfiehlt, als dass eine Inhaltsangabe dem Film kaum gerecht werden kann.



Der rund sechzehn Minuten lange Kurzfilm wurde erstmals am 30. April 1958 als Segment der Folge An Adventure in Art der Fernsehserie Disneyland ausgestrahlt. Veröffentlicht als 25. Episode der vierten Staffel wurde die Folge – und damit auch der Kurzfilm, dem dieser Artikel gewidmet ist – ursprünglich nur in Schwarz-weiß ausgestrahlt, vorsorglich aber in Farbe gedreht, was insbesondere 4 Artists Paint 1 Tree zu Gute kommt, der erst in Farbe seine ganze Wirkung entfaltet. Das Werk fristete jedoch nicht bis zu seiner Veröffentlichung als DVD-Extra zu Beginn des dritten Jahrtausends im Archiv, sondern wurde schon bald als Lehrfilm weiterverwendet und erlangte so eine gewisse Bekanntheit. Nach der Mitveröffentlichung auf der Dornröschen-DVD im Jahr 2003 setzte dennoch eine Art „Wiederentdeckung“ ein, besonders im Internet. Auch ein halbes Jahrhundert nach der Produktion gilt das Werk immer noch als große Inspiration und zeichnet sich durch seine unkomplizierte, direkte aber dennoch einzigartige Herangehensweise an das Thema aus.

Walt Disney in der Eröffnungssequenz (© Disney)

Dass dieser Ausschnitt der Disneyland-Serie seinen Weg auf einen modernen Datenträger gefunden hat, ist dem Umstand zu verdanken, dass er im Vorfeld der Veröffentlichung von Dornröschen 1959 die Werbetrommel für ebendieses Meisterwerk rühren sollte und auch Ausschnitte aus der Produktion zeigt. Nach Einblendung von Titel und Protagonisten wird Walt Disney gezeigt, der in seinem legendären Büro sitzt und eine Ausgabe von Robert Henris Buch The Art Spirit in Händen hält. Hinter ihm stappeln sich die Oscars schier bis zur Decke und wer nur diese Einführung betrachtet, dem wird schon deutlich gemacht, weshalb Walt Disney, hinter dem massiven Schreibtisch, im schweren Ledersessel, mit dieser Fernsehserie endgültig zum Märchenonkel der amerikanischen Nation aufstieg. Walt Disney erzählt von Briefen, die von Schülern an sein Studio geschrieben werden und häufig die Frage beinhalten, welchem stilistischen Vorbild man folgen solle und woran man sich orientieren könne. Er zitiert Henri, dessen Leitmotiv lautete: „Be yourself.“ Man solle seinen eigenen Gefühlen folgen und nicht versuchen, irgendjemanden zu imitieren.

Im folgenden fungiert Disney als Erzähler und erklärt die Rolle der vier Künstler des Films bei der Umsetzung von Dornröschen. Zunächst werden Marc Davis, seine Arbeit als Chefzeichner der Prinzessin und der Entwicklungsprozess ihrer Gestaltung gezeigt. Es folgt Joshua Meador, der für die Effekte und damit die Gestalung des glitzernden Feenstaubs verantwortlich ist. Hiernach wird Eyvind Earle in der Rolle des stilistisch hauptverantwortlichen Hintergrundmalers gezeigt. Abschließend wird Walt Peregoy gezeigt, der als Künstler mit einem sehr eigenen Stil vorgestellt wird, für diesen Film aber Eyvind Earle zuarbeitet und seine eigenen Gestaltungsideen zurückstellen muss.

Hieran anschließend wird gezeigt, wie die vier Künstler in die Natur fahren und ihre Staffeleien um eine alte Eiche herum aufbauen. Sie beginnen, mit den verschiedensten Werkzeugen und Techniken, ein Abbild des Baums zu malen. Sie erklären ihr Vorgehen und werden von der Kamera beobachtet. Zum Abschluss werden noch einmal alle Gemälde gezeigt und der Film kehrt zurück zum Ausgangspunkt, in Walt Disneys Büro. Der Film schließt, wenn Disney abermals Robert Henri zitiert: „The great painter has something to say. He does not paint men, landscapes or furniture, but an idea.“

Die Eiche, Objekt der Portraits (© Disney)

Erstaunlich ist das Maß an Individualität, das der Film vermittelt. Nicht nur wird die Eiche in Perspektive, Schattierung, Detailvielfalt und weiteren Aspekten unterschiedlich dargestellt, auch sind die Techniken äußerst verschieden und sogar das Maß der Leinwände. Den einzelnen Künstlern wird viel Raum gegeben. Vergleicht man den Pinselstrich der Gemälde des Films mit anderen Werken der Protagonisten, werden letzte Zweifel, es könne sich letztendlich doch um ein „Malen nach Disneys Wünschen“ handeln, bereinigt.

Eine wesentliche Frage, die sich stellt, ist, inwiefern Disneys Engagement für die Perspektive Robert Henris mit seinen eigenen Filmen zu vereinbaren ist. War es 25 Jahre zuvor nur durch einen Zufall dazu gekommen, dass die Beteiligten eines Films zukünftig genannt wurden und stand die Marke Walt Disney immer im Vordergrund, im gleichen Maße, wie das Streben nach der Produktion von Trickfilmen, deren perfekte technische Ausarbeitung einen wesentlichen Aspekt ihres großen Erfolgs ausmachte, trat Walt Disney nun als Förderer individualistischer Kunstvorstellungen hervor. Wo liegt die Vereinbarkeit zum Zeichentrickfilm, der sich durch die abgesprochene Arbeit eines Teams auszeichnet?

Die „Lösung des Rätsels“ ist simpel: beide Verhältnisse unreflektiert in Verbindung zu bringen entspräche dem oft zitierten Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. Walt Disneys vordergründige Leidenschaft war der Trickfilm, aber er pflegte eine große, private Kunstsammlung und suchte für seine Produktionen immer neue Inspirationsquellen. Es herrscht damit kein Widerspruch zwischen dem Wunsch, die Rolle des „taktgebenden Dirigenten“ bei der Produktion eines Zeichentrickfilms zu übernehmen, der die Arbeitskraft hunderter, auf ein Ziel ausgerichtete Künstler bedarf und dem Fördern individuellen künstlerischen Ausdrucks. Disneys Kunstinteresse war schlichtweg vielfältig. Auch stellte für ihn der Trickfilm nicht das Werk Vieler nach dem Stil eines Einzelnen dar, sondern die Bündelung der Fähigkeiten von Künstlern zum Bestmöglichen. Nicht umsonst wird beim seit Jahren ausgefochtenen Streit zwischen Gegnern und Befürwörtern von teilweise und vollständig computeranimierten und -gestützten Trickfilmproduktionen darauf hingewiesen, dass Walt Disney selbst wohl der erste gewesen wäre, der sich begeistert der neuen Technologie zugewandt hätte. Nur hätte auch das nicht bedeutet, dass sich Disney im Gegenzug vom klassischen Zeichentrickfilm abgewandt hätte. Gerade das breitgefächerte Feld der Kunst ist doch prädestiniert dafür, in vielen Erscheinungsformen Begeisterung wecken zu können.

Die Künstler mit ihren Bildern (© Disney, Quelle: bodegabayheritagegallery.com)

Übrigens ist die Behauptung, der Film zeige vier gemalte Eichen, wenn man es genau nehmen möchte, gar nicht korrekt, wird doch bei Einblendung von Titel und Protagonisten zu Beginn im Hintergrund ebenfalls ein Baum gezeigt, der sich stilistisch wiederum sehr von den anderen Werken unterscheidet. Wer einen ausführlicheren Blick auf Robert Henris Buch und seine Inspirationsgedanken werfen möchte, sei auf die vierzigseitige Vorschau bei Google Books verwiesen.