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Samstag, 16. März 2024

Mediatheken-Tipps (16. März 2024)

Dickhäuter (Dramatischer Animationskurzfilm, 2022) Für alle, die noch etwas Oscar-Nachbereitung betreiben wollen - oder einfach ein Faible für Animation haben: Die französische Illustratorin Stéphanie Clément berichtet in ihrem subtil-beklemmenden Kurzfilm Dickhäuter von einer jungen Frau, die auf ihre Kindheit zurückblickt - konkret auf ihre ungeliebten Besuche bei ihren Großeltern. Was im trocken-bedrückten Tonfall wie eine anti-nostalgische "Es war einfach nicht schön da"-Erinnerung beginnt, wird durch eine Vielzahl an impliziten, im Zusammenspiel aber ein erschütterndes Gesamtbild ergebenden Hinweisen zum schmerzhaften, an die Nieren gehenden Bericht einer Erzählerin, die aufgrund ihrer Kindheit psychische Bewältigungsstrategien wie Dissoziation und Repression verfolgt. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 31. März 2024

Brief an ein Schwein (Dramatischer Animationskurzfilm, 2022) Für alle, die noch etwas Oscar-Nachbereitung betreiben wollen - oder einfach ein Faible für Animation haben: In ihrem Kurzfilm Brief an ein Schwein erzählt Tal Kantor von einer Schulstunde, wie es sie wohl häufiger gibt - ein Holocaust-Überlebender erzählt einer Klasse vom Grauen, das er miterlebt hat, stößt aber auf verschlossene Ohren und pubertierende Unruhestifter, die sich über seine Geschichte lustig machen. Eine Schülerin trifft er aber - und die verliert sich in eine bittere Fantasie. Emotional verzahnt, visuell eine Mischung aus (mich nicht durchweg überzeugender) Rotoskopie und eindringlicher Animation im krakeligen Malkreide-Look. Das Ergebnis ist eine nachdenklich stimmende, keine einfachen Antworten bietende Auseinandersetzung mit (generationellem) Trauma. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 31. März 2024

Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution (Dramödie, 2020) Unscheinbare, aber starke Dramödie nach wahren Begebenheiten anno 1969/1970: Keira Knightley spielt eine junge Mutter, die nach langem, harten Kampf endlich an einen Studienplatz gelangt. Trotz ihrer ruhigen, analytischen Art freundet sie sich mit jungen, aktivistischen Frauen an, die planen, gegen den Miss-World-Wettbewerb zu protestieren. Parallel dazu gewinnen wir Einblicke in die Hoffnungen der Miss-World-Kandidatinnen: Während manche mitmachen, um vom Durchschnittsheteromann für ihr Aussehen gefeiert zu werden, sehen andere den Wettbewerb als ihre beste oder gar einzige Chance, um ihre Lebenssituation zu verbessern. Mit einem locker-flockigen Dialogbuch, aber einer ausdifferenzierten Narrative formt Regisseurin Philippa Lowthorpe (Call the Midwife) nach einem Skript von Gaby Chiappe & Rebecca Frayn einen zugänglichen, anspornenden Film, der trotzdem was auf dem Kasten hat: Ebenso beiläufig wie treffend werden verschiedene Gründe für und Formen des Protests beleuchtet - und überzeugend dafür eingestanden, dass zum selben Ziel sehr wohl unterschiedliche Wege führen, und sie sich nicht ausschließen. Für ein Miteinander der Ansätze, wider dem Zerfleischen untereinander! ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 3. April 2024

Passagiere der Nacht (Drama, 2022) Einer der schönsten Filme des Jahres 2023 (nach deutschem Kinostart gehend): Mikhaël Hers blickt in einer elliptischen Erzählung vom Schicksal einer Familie - angeführt von Elisabeth (Charlotte Gainsbourg). Die frisch geschiedene Mutter zweier Kinder hat erst kürzlich ihren Brustkrebs besiegt und wird im Paris des Jahres 1981 Telefonistin bei einer Radiosendung. In der atmosphärisch plätschernden, von Nachteulen-Energie und zarten zwischenmenschlichen Beziehungen geprägten Geschichte geht es daraufhin um kleine und größere Lebensveränderungen, Melancholie, bittersüße Hoffnungen und unerwartete Bekanntschaften. Wirkt glatt wie der wiederentdeckte Auftakt einer Rohmer-Trilogie über Tageszeiten. Einfach hübsch! arte-Mediathek, abrufbar bis zum 11. April 2024

Songs of Gastarbeiter: Liebe, D-Mark und Tod (Sozial- und Kultur-Dokumentation, 2023) Frisch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet und nach kurzer Zeit offline wieder zurück in der Mediathek! In seiner hervorragenden Dokumentation widmet sich Cem Kaya der in den Nachkriegsjahren begonnenen Welle an Migration aus der Türkei nach Deutschland und ihren Folgen - primär gefiltert durch das Thema der Musik: Welche Songs nahmen die "Gastarbeiter" mit, welche wurden daraufhin gezielt für sie produziert, und wie hängt dies mit heutigem Rap zusammen? Die Antworten, und wie sie präsentiert werden, ist menschlich, passioniert, schürt Wut über Dekaden an herzloser Politik, und sind trotzdem dank einer Vielzahl an Charakterköpfen oft auch erstaunlich witzig. Und so blicken wir mit Staunen auf eine im deutschen Mainstream geflissentlich übersehene Subkultur voller Facetten. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 14. April 2024

In den Gängen (Sozialdrama, 2018) Thomas Stubers In den Gängen versammelt mit Sandra Hüller und Franz Rogowski sogleich zwei deutsche Schauspielgrößen, die Beweise dafür sind, dass der internationale Filmdiskurs leichter gewillt ist, unsere Talente gebührend zu feiern, als große Teile des hiesigen. Der trist-kummervolle Film  zeigt stellvertretend die lähmende Banalität des Berufsalltags in Großmärkten, legt den Finger in die Wunde namens Einkommensschere, zeigt Wendeverlierer und erschafft mit naturalistisch-wortkargen Performances (neben Hüller und Rogowski stark: Peter Kurth) komplexe Figuren. Und er macht aus einem spendierten Automatenkakao eine unvergesslich-gütige Geste. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 2. September 2024

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Mittwoch, 6. März 2024

Meine Prognose der 96. Academy Awards: Wer gewinnt bei den Oscars 2024?


Schaut man auf die Indikatorpreise, und lauscht, welche Filme immer noch euphorischer Teil des Diskurses sind, sieht es nach einem Oscar-Rennen aus, das dem aus dem Vorjahr ähnelt: Damals galt Everything Everywhere All At Once als großer Favorit und ging letztlich mit sieben Siegen nach Hause. Dieses Jahr hat Oppenheimer diese Position, bloß, dass er außerdem "Oscar-tauglicher" anmutet, was es leichter macht, über den Schatten zu springen und ihn auch in vielen Kategorien vorherzusagen.

Doch darin liegt auch die große Prognosengefahr: Bloß nicht hinreißen lassen und Oppenheimer zu oft vorhersagen. Oder sich zu sehr ins Bockshorn jagen lassen und ihn daher zu selten vorhersagen...

Beste Regie
Justine Triet, Anatomie eine Falls 
Jonathan Glazer, The Zone Of Interest 
Yórgos Lánthimos, Poor Things
Christopher Nolan, Oppenheimer
Martin Scorsese, Killers Of The Flower Moon

Hat Nolan nach dem BAFTA, dem Critics Choice Award und dem DGA Award wohl sicher im Sack.

Beste Hauptdarstellerin
Annette Bening, Nyad
Lily Gladstone, Killers Of The Flower Moon
Sandra Hüller, Anatomie eines Falls
Carey Mulligan, Maestro
Emma Stone, Poor Things

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Stone und Gladstone. Gladstone hat den SAG Award, aber Stone den BAFTA und zudem den Film, der diese Oscar-Saison mehr Momentum hat. Ich habe so ein "Killers Of The Flower Moon wird Scorseses nächster Gangs Of New York"-Gefühl, dass der Film völlig leer ausgeht. Andererseits ist eine der großen Weisheiten der vergangenen Oscar-Jahre, dass man bei den großen Kategorien stets auf die Person tippen will, die die Branche auf der Bühne sehen möchte. Und Gladstone als erste Native-American-Gewinnerin ist da die naheliegendere Wahl: Die Branche kann sich auf die Schulter klopfen, zudem ist das ihre große Chance auf eine Oscar-Dankesrede. Stone war dort ja schon... 

Ich wäre mit beiden als Gewinnerin fein, da ich aber keinen Split vorhersagen will: Ich vertrau meinem "Zu finster für die Oscars"-Gefühl und dem Poor Things-Momentum. Und dann mal schauen.

Bester Hauptdarsteller
Bradley Cooper, Maestro
Colman Domingo, Rustin
Paul Giamatti, The Holdovers
Cillian Murphy, Oppenheimer
Jeffrey Wright, American Fiction

Beste Nebendarstellerin
Emily Blunt, Oppenheimer
Danielle Brooks, Die Farbe Lila
America Ferrera, Barbie
Jodie Foster, Nyad
Da'Vine Joy Randolph, The Holdovers

Bester Nebendarsteller
Sterling K. Brown, American Fiction
Robert De Niro, Killers Of The Flower Moon
Robert Downey Jr., Oppenheimer
Ryan Gosling, Barbie
Mark Ruffalo, Poor Things

Murphy, Downey und Randolph halte ich für nahezu (Murphy, könnte vielleicht Giamatti werden) und absolut (Randolph, Downey) gesetzt.

Bestes Original-Drehbuch
Anatomie eines Falls
The Holdovers
Maestro
May December
Past Lives - In einem anderen Leben

Glaube, das machen Anatomie eines Falls und The Holdovers unter sich aus. The Holdovers hat den "Academy stimmt mit dem Herzen ab"-Punkt, Anatomie eines Falls beweist mit dem BAFTA, dass der Film beim englischsprachigen Teil der Branche stark ankommt. Tendiere zu Anatomie eines Falls

Bestes adaptiertes Drehbuch
American Fiction
Barbie
Oppenheimer
Poor Things
The Zone Of Interest

Es fühlt sich seltsam an, einen Beinahe-Durchmarsch von Oppenheimer vorherzusagen, und dann das minutiös strukturierte Drehbuch zu übergehen. Aber American Fiction baute zuletzt Momentum ab, und das hier ist die Kategorie, wo er sich durchquetschen könnte.

Bester Animationsfilm
Elemental
Der Junge und der Reiher
Nimona 
Robot Dreams
Spider-Man: Across The Spider-Verse

Bester Dokumentarfilm
Bobi Wine: The People's President
Die unendliche Erinnerung
Olfas Töchter
To Kill A Tiger
20 Days In Mariupol

Bester internationaler Film 
Das Lehrerzimmer (Deutschland)
Die Schneegesellschaft (Spanien) 
The Zone Of Interest (Großbritannien)
Io Capitano (Italien)
Perfect Days (Japan)

Beste Kamera
El Conde
Killers Of The Flower Moon
Maestro
Oppenheimer
Poor Things

Bester Schnitt
Anatomie eines Falls
The Holdovers
Killers Of The Flower Moon
Oppenheimer
Poor Things

Beste Musik
American Fiction
Indiana Jones und das Rad des Schicksals
Killers Of The Flower Moon
Oppenheimer
Poor Things

Bester Original-Song
It Never Went Away aus American Symphony
I'm Just Ken aus Barbie
What Was I Made For? aus Barbie
The Fire Inside aus Flamin' Hot
Wahzhazhe (A Song For My People) aus Killers Of The Flower Moon

Bester Sound
The Creator
Maestro
Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil 1
Oppenheimer
The Zone Of Interest

Alternativ setzt sich Oppenheimer durch, aber bei The Zone Of Interest ist der Sound bei fast allen, die über ihn sprechen/schreiben eines der ersten, größten Argumente für den Film.

Beste visuelle Effekte
The Creator
Godzilla: Minus One
Guardians Of The Galaxy Vol. 3
Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil 1
Napoleon

Beste Kostüme
Barbie
Killers Of The Flower Moon
Napoleon
Oppenheimer
Poor Things

Bestes Make-Up und Haarstyling
Golda
Maestro
Oppenheimer
Poor Things
Die Schneegesellschaft

Die Academy liebt überzeugendes Alters-Make-up noch mehr als die Entstellungen, die Dafoe in Poor Things durchleidet.

Bestes Produktionsdesign
Barbie
Killers Of The Flower Moon
Napoleon
Oppenheimer
Poor Things

Wie bei den Kostümen sehe ich hier Barbie als größte Konkurrenz für Poor Things, aber ich bilde mir ein, dass der (noch) schrägere Film das Rennen macht.

Bester Kurzfilm
The After
Ich sehe was, was du nicht siehst
Invincible
Knight Of Fortune
Red, White And Blue

Bester animierter Kurzfilm
Ninety-Five Senses
Our Uniform
Pachyderme
Letter To A Pig
War Is Over! Inspired By The Music Of John & Yoko

Wäre in meinen Augen der schwächste der fünf Filme, aber ich fürchte, dass die Kombi aus "Platt-direkter Antikriegsaussage", "gefällig-massentauglichem Look" und "John Lennon" den Film nach vorne peitscht.

Bester Dokumentar-Kurzfilm
The ABCs Of Book Banning
The Barber Of Little Rock Island
In Between
The Last Repair Shop
Nǎi Nai & Wài Pó

Bester Film
American Fiction 
Anatomie eines Falls 
Barbie 
The Holdovers 
Killers Of The Flower Moon
Maestro
Oppenheimer
Past Lives - In einem anderen Leben
Poor Things
The Zone Of Interest

Dürfte ein klares Rennen sein. Aber ich bin dennoch gespannt. Auf eine schöne Oscar-Nacht!