Posts mit dem Label Walt Disney Pictures werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Walt Disney Pictures werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 20. März 2025

Schneewittchen

Disneys neuster Realfilm Schneewittchen hat weniger mit Jon Favreaus abscheulichem, künstlerisch vollkommen wertlosem Der König der Löwen gemeinsam als mit Kenneth Branaghs Cinderella: Statt den Zeichentrickklassiker der Walt Disney Animation Studios noch einmal aufzuziehen, nur langsamer und hässlicher, sollte Marc Webbs Fantasymusical als weitere Interpretation des Märchens aufgefasst werden. Als weitere Interpretation des Märchens, die halt ebenfalls unter dem Disney-Banner erscheint und sich daher ein paar Rückgriffe auf den animierten Meilenstein nicht verkneifen kann, selbst wenn die zentrale Geschichte einen eigenen, dramatischeren Dreh bekommt.

Wie Branaghs Cinderella imitiert Webbs Schneewittchen diverse denkwürdige Einstellungen aus dem (nahezu) gleichnamigen Zeichentrickfilm, überträgt einzelne gezeichnete Kleidungsstücke in die Realität und greift ausgewählte Musikeinlagen auf. Abseits dessen lösen sich beide Filme vom engen Fokus der Disney-Zeichentrickfilme und erzählen zusätzlich vom Königreich rund um die titelgebende Prinzessin sowie davon, welche Auswirkungen ihre Familienvorgeschichte auf ihr emotionales Befinden hat.

An Branaghs ziemlich rundem Cinderella reicht Webbs Schneewittchen jedoch nicht gänzlich heran. Beispielsweise ist beim Lily-James-Vehikel der Wechsel in eine dramatischere Tonalität konsequent, während Schneewittchen zwar die Familienproblematik der Protagonistin ausbaut und zudem die Geschichte eines in Empathielosigkeit gefallenen Königreichs erzählt. Allerdings wird dieses Mehr an Dramatik nicht konsequent zum erwachseneren Ansatz. Beispielsweise sind die Gruselpassagen des Zeichentrickfilms gestutzt, und anders als der intuitiv verständliche Zeichentrickfilm übererklärt sich der Spielfilm.

Das größte Problem des neuen Schneewittchen-Films ist allerdings Wonder Woman-Star Gal Gadot, die als böse Königin eine hölzerne, verkrampfte Vollkatastrophe darstellt und nicht einmal böse gucken kann, ohne dass es unfreiwillig komisch wird. Ironischerweise ist der neue Schurkensong der bösen Königin rein melodisch und textlich einer der besseren neuen Songs, die das Greatest Showman-Duo Benj Pasek und Justin Paul für dieses Projekt verfasst hat. Wer allein auf Englisch schwört, wartet also auf eine Coverversion, um zu erkennen, welches Potential in ihm steckt. Synchronfans können sich indes freuen, dass Dakota Johnsons deutsche Stimme Rubina Nath deutlich, deutlich besser singen kann als Gadot, und im Falle von Schneewittchen auch mal diese Mimin vertonen darf.

West Side Story-Star Rachel Zegler ist wiederum ein hervorragendes Schneewittchen: Sie fängt eingangs die scheu-gutherzige, mitunter in Passivität gleitende Art des Zeichentrickvorbilds toll ein, was angesichts der vertieften Vorgeschichte zudem kein reines Trickfilm-Imitat ist, sondern eine nachvollziehbare, emotionale Grundhaltung. Aus dieser wächst das Realfilm-Schneewittchen sukzessive heraus (wenn der Film schon länger ist, soll auf Charakterebene auch bitte mehr passieren), sodass aus passiver Gütigkeit nach und nach eine inspirierende Widerstandsfähigkeit entsteht.

Es wäre interessant, zu wissen, was Secretary-Drehbuchautorin Erin Cressida Wilson und eine an früheren Fassungen beteiligte, nun nicht mehr als Autorin genannte Greta Gerwig ursprünglich geplant hatten. Denn der Eindruck lässt sich nicht abschütteln, dass Schneewittchens Charakterzeichnung komplexer und bewegender angedacht war. Im fertigen Film stottert der Erzählfluss gelegentlich durch eingeschobene, kurze Imitationen des Zeichentrickklassikers. Doch Zeglers Fähigkeit, innerhalb eines Wimpernschlags von großäugig-schüchtern zu freundlich-unbeirrbar zu wechseln, und ihr Gesangstalent glätten diese Skriptpolterei recht gut aus.

Inszenatorisch ist Schneewittchen zwar wahrlich kein großer Wurf, aber im Kanon der Disney-Realverfilmungen einer der beständigeren Titel: Waldkulissen mit kontrastreichem DEFA-Charme, ausstaffierte Dorfsets und kalt-prunkvolle Schloss-Innenarchitektur ergeben ein stimmiges Ganzes, inklusive einer den emotionalen Faden der Handlung stützenden Farbdramaturgie. Und selbst wenn sich wieder einmal einzelne, halbgare Chromakey-Augenblicke in den Film geschlichen haben, sind sie viel, viel rarer gesät als in den meisten Big-Budget-Franchise-Projekten der letzten Zeit. 

Da kommt dem Film das stringente Design zugute: Alles, was nicht menschlich ist, hat in diesem Film eine schimmernde Kindchenschema-Ästhetik. Waldtiere sind fast schon im parodistischen Maße knuffig, die Zwerge wirken etwas aufgedunsen, aber fügen sich wesentlich besser in die Gesamtästhetik des Films, als die Trailer befürchten ließen. Und das Effektteam lässt die Zwerge sogar recht solide "schauspielen": Ihre Pointen funktionieren, Momente, in denen sie über sich hinauswachsen, fallen in die Sparte "glaubwürdig genug". Hier gilt: Für sich völlig fein, die Existenz der meisterhaften Zeichentrickanimation ist der größte "Feind" des Remakes. 

Schneewittchens Schwarm, dieses Mal ein mit "Flynn Rider light"-Persönlichkeit ausgestatteter Dieb namens Jonathan anstelle eines namen- und persönlichkeitslosen Prinzen, überflügelt derweil mühelos die Trickfilmkonkurrenz. Schließlich hat dieser Gauner wenigstens etwas Profil und ist zudem mit seinen Überzeugungen, und der Art, wie sie Schneewittchen beeinflussen, handlungsrelevanter als im Klassiker von 1937, wo es keinen echten Unterschied gemacht hätte, ob der Prinz herbeigeritten kommt oder eine gute Fee die Prinzessin aus ihrer Lage befreit.

Der mit Jonathan und Schneewittchens "Wie lange will ich einfach aushalten, ab wann will ich dafür sorgen, dass ich nichts mehr aushalten muss, sondern mich entfalten kann?"-Zauderei verbandelte Handlungsfaden darüber, wie die böse Königin ihr Königreich und dessen Solidaritätsgefühl ruiniert, fügt sich organisch mit den altbekannten Story-Versatzstücken. Und auch wenn diese Widerstandserzählung angesichts der Tagespolitik zahm wirken mag, und nicht einmal unter der Disney-Flagge zu den aufrüttelndsten Geschichten dieser Art gehört: Sie gibt dem Realfilm schon im Alleingang eine Daseinsberechtigung (wer nochmal dasselbe sehen will, kann ja nochmal den Zeichentrickklassiker gucken) und schiebt ihn beispielsweise an Guy Ritchies fahrigem Aladdin vorbei. Geschweige denn an den völlig konfusen Maleficent-Filmen.

Fazit: Schneewittchen hätte im Schnitt noch etwas gestrafft werden sollen und leidet unter einer fehlbesetzten Schurkin. Und die neuen Gesangseinlagen sind mal so, mal so. Aber eine ebenso fähige wie sich freudig in die Rolle stürzende Rachel Zegler sowie eine, ja, eigenwillige, aber farbenfrohe und konsistente Ästhetik helfen Schneewittchen, zum soliden Fantasymusical heranzuwachsen. Im Kanon der Disney-Realfilmremakes einer der annehmbareren Einträge. Gewiss: Wer selbst Kenneth Branaghs Cinderella ablehnte, dürfte es auch hier schwer haben. Als moderne Zusatzoption zum Zeichentrickklassiker ist der Film aber tausendmal willkommener als der Susi und Strolch-Realfilm oder Robert Zemeckis' Pinocchio und mir auch lieber als Guy Richties seeeeeeltsamerweise weniger digitalen Hass abkriegender Aladdin.

Samstag, 1. März 2025

Oscars 2025: Meine Prognose für die 97. Academy Awards


Ich will die Oscar-Saison nicht vor dem Ende der Verleihung loben. Aber bisher fand ich es einen guten Academy-Award-Jahrgang. Ich finde acht der zehn "Bester Film"-Anwärter mindestens gut, die online unter Filmfans heiß diskutierten Kontroversen sind bloß das (zu heiß gekochtes, teils nerviges Online-Blabla, das bald vergessen sein wird), und mit den Nominierungen bin ich auch größtenteils zufrieden.

Und: Es scheint mir eine schwer vorherzusagende Saison zu sein, was die Spannung während der Verleihung in die Höhe treiben könnte. Aber es wird auch sicherlich meine Prognosen-Trefferquote nach dem 22/23 aus dem vergangenen Jahr sicher enorm vermiesen. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Das hier sind sie, meine Vorhersagen für die große Nacht der Hollywood-Nächte.

Bester Kurzfilm
Anuja
Ich bin kein Roboter
The Last Ranger 
A Lien 
Der Mann, der nicht schweigen wollte 

A Lien hat englischsprachigen Dialog und ist ein stressiger Kurzfilm über drohende Abschiebungen und stressige Green-Card-Beschaffungsbürokratie. Das dürfte den US-Anteil der Academy magnetisch anziehen.

Bester Animationskurzfilm
Beautiful Men
In the Shadow of the Cypress 
Magic Candies 
Wander to Wonder 
Beurk! 

Seit vielen Jahren dominieren in dieser Sparte englischsprachige Filme, noch dazu handelt Wander to Wonder oberflächlich von Medien, unter der Oberfläche von Einsamkeit und Sinnsuche. Das halte ich für eine gewinnende Kombi (zumal der zugänglichste Film, der knuffige Beurk! recht simpel animiert ist und in französischer Sprache gehalten).

Beste Kurzdokumentation
Death by Numbers 
Die einzige Frau im Orchester
I Am Ready, Warden
Incident 
Instruments of a Beating Heart

Abseits von Die einzige Frau im Orchester wahrlich keine Wohlfühlkategorie. Ich ahne, dass die Amoklauf-Doku Death by Numbers durch die Kombination aus für die USA brennend-relevantem Thema und zugänglich-emotionalisierender Herangehensweise die Nase vorne hat. Die durch Überwachungskamera-Material zusammen geklöpelte BLM-Doku Incident hat aber auch gute Chancen.

Bester internationaler Film
Emilia Pérez, Frankreich
Flow, Lettland
Für immer hier, Brasilien
Das Mädchen mit der Nadel, Dänemark
Die Saat des heiligen Feigenbaums, Deutschland

Wenn ein Film in dieser Sparte auch in der Hauptkategorie mitmischt, gewinnt er diesen Oscar. Das ist bislang ungeschriebenes Gesetz, trifft dieses Mal aber auf zwei Filme zu. Emilia Pérez hat 13 Nominierungen auf der Haben-Seite, Für immer hier das Momentum: In den vergangenen Wochen hat das Team hinter dem Film ordentlich die Trommel gerührt - und so immer mehr Interessenten für den dramatischen, eindringlichen Film gefunden. Ich tippe auf Für immer hier und bin jetzt schon genervt, weil Film-YouTube das als Beweis werten wird, dass die Kontroversen Emilia Pérez geschadet hätten. Ich sehe es eher als Beweis, dass "In vielen Kategorien geachtet" bei der Academy nun einmal nicht die halbe Miete ist. Wenn das Thema und seine Umsetzung hängen bleiben: Das ist die halbe Miete. Und die hat hier der Militärdiktatur-Film in der Hand...

Bester Dokumentarfilm
Black Box Diaries
No Other Land
Porcelain War
Soundtrack to a Coup d’Etat
Sugarcane

No Other Land gewann zahlreiche Preise, hat aber keinen US-Verleih und daher einen Nachteil im Oscar-Rennen: Es ist einfach, auf einem Festival für ihn zu stimmen, wenn man Teil der Jury ist und ihn auf dem Silbertablett serviert bekommt. Wenn man aber Teil der Academy ist und sich zu einem der sporadischen Sonderscreenings aufraffen muss, sieht das schon anders aus. Porcelain War gewann wiederum den U.S. Documentary Grand Jury Prize beim Sundance Film Festival sowie den Doku-Preis der Regiegilde, zudem war er (im Gegensatz zu allen anderen nominierten Filmen) im Rennen um den Doku-Preis der Produzent:innen-Gewerkschaft. Ich tippe auf's Porzellan!

Bester Animationsfilm
Flow
Alles steht Kopf 2
Memoir of a Snail
Wallace & Gromit – Vergeltung mit Flügeln
Der wilde Roboter

Wenn ein Animationsfilm in weiteren technischen Kategorien nominiert wird, ist das eigentlich ein nahezu sicheres Zeichen, dass er diesen Preis gewinnt. Es müsste also Der wilde Roboter werden. Aber da Flow den Globe gewann, es einen (Shrek ausgenommen) Anti-DreamWorks-Computeranimation-Bias in der Academy zu geben scheint und angesichts der immer internationaler werdenden Academy bin ich mir nicht soooo sicher. Ich wage einen riskanten Flow-Tipp, vernünftige Tippspielsüchtige wählen den Roboter.

Beste Effekte
Alien: Romulus
Better Man – Die Robbie Williams Story
Dune: Part Two
Planet der Affen: New Kingdom
Wicked

Bei den Visual Effects Society Awards gewann die Wüstensaga vier Preise, nicht aber den Preis für die besten Effekte eines fotorealistischen Films. Diese Trophäe ging an die Affen. Ich sage mal vorsichtshalber Dune: Part Two vorher, weil ja die ganze Academy abstimmt. Aber sollte Planet der Affen: New Kingdom gewinnen, ihr wisst jetzt, weshalb!

Bestes Make-Up und Hairstyling
Emilia Pérez
A Different Man
Nosferatu – Der Untote
The Substance
Wicked

Die Academy hat jahrzehntelang Horror in dieser Kategorie unter Gebühr verkauft. Aber es ist halt nicht mehr dieselbe Academy wie früher, und ich sage in einer größeren Kategorie ebenfalls The Substance vorher. Heißt: Ich glaube an Zuspruch für diesen Film. Da muss er doch auch in dieser Kategorie mühelos mit dem Sieg davonziehen?

Bestes Szenenbild
Der Brutalist
Konklave
Dune: Part Two
Nosferatu – Der Untote
Wicked

Das Team hinter Wicked (Nathan Crowley & Lee Sandales) hat in dieser Auflistung die meisten früheren Oscar-Nominierungen auf dem Kerbholz, und manchmal heißt es bei den Oscars ja: Viel hilft viel. Aber ich wäre sehr glücklich, wenn es Der Brutalist wird. Und mit Konklave wäre ich angesichts des hervorragend herbeigemogelten Vatikan-Settings ebenfalls ohne zu murren einverstanden.

Bestes Kostümdesign
Like A Complete Unknown
Konklave
Gladiator II
Nosferatu – Der Untote
Wicked

Paul Tazewell dominierte die vergangenen paar Wochen und sicherte somit Wicked einige Preise. Da wird sich gewiss nun noch ein Oscar dazugesellen.

Beste Kamera
Lol Crawley für Der Brutalist
Greig Fraser für Dune: Part Two
Paul Guilhaume für Emilia Pérez
Ed Lachman für Maria
Jarin Blaschke für Nosferatu – Der Untote

Der Brutalist ist ungeheuerlich bildgewaltig, ein monumentales Kunstwerk - und gewann auch schon ein paar Kamera-Preise, darunter den BAFTA. Ich bin mir dank dieser Sparte recht siegesbewusst, mir wenigstens einen Prognosenpunkt sichern zu können.

Bester Ton
Like A Complete Unknown
Dune: Part Two
Emilia Pérez
Wicked
Der wilde Roboter

Die Dune-Fans dürfen aufatmen: Der wuchtige Sound wird sich wie bei den BAFTAS gegen den Rest durchsetzen. 

Bester Song
The Journey aus The Six Triple Eight
Like a Bird aus Sing Sing
El Mal aus Emilia Pérez
Mi Camino aus Emilia Pérez
Never Too Late aus Elton John: Never Too Late

Saldañas beste Szene in Emilia Pérez und die beste Original-Musicaleinlage des Kinojahres 2024.

Beste Musik
Daniel Blumberg für Der Brutalist
Volker Bertelmann für Konklave
Clément Ducol und Camille für Emilia Pérez
Kris Bowers für Der wilde Roboter
John Powell und Stephen Schwartz für Wicked

Das wiederkehrende Thema aus Der Brutalist wird in die Filmgeschichte eingehen, und dürfte allen im Ohr festsitzen, die den Film gesehen haben. Das muss doch eine einfache Sache werden?

Bester Schnitt
Anora
Der Brutalist
Konklave
Emilia Pérez
Wicked

Der kompakte, mitreißende kleine Thriller oder die rasante Komödie? Ich tippe auf Konklave, wenn es Anora wird, wäre ich aber kein Stück überrascht.

Bestes adaptiertes Drehbuch
James Mangold und Jay Cocks für Like A Complete Unknown
Peter Straughan für Konklave
Jacques Audiard, Thomas Bidegain, Léa Mysius und Nicolas Livecchi für Emilia Pérez
RaMell Ross und Joslyn Barnes für Nickel Boys
Clint Bentley und Greg Kwedar für Sing Sing

Mit dem BAFTA und dem Globe im Rücken dürfte dies an Konklave gehen, zumal sich (denke ich) die Stimmen derjenigen, die in dieser Sparte anspruchsvoll abstimmen wollen, über Nickel Boys und Sing Sing verteilen dürften.

Bestes Original-Drehbuch
Sean Baker für Anora 
Brady Corbet und Mona Fastvold für Der Brutalist
Jesse Eisenberg für A Real Pain 
Moritz Binder, Tim Fehlbaum und Alex David für September 5
Coralie Fargeat für The Substance

Baker gewann den Preis der Autor:innen-Gilde, A Real Pain hatte bei den BAFTAs die Nase vorne und Der Brutalist ist ein Gesamtkunstwerk (das aber bisher nicht DEN alles entscheidenden Drehbuch-Sieg verbuchen konnte). Ich tippe auf Anora, würde mich aber für alles außer A Real Pain freuen. 

Beste Nebendarstellerin
Monica Barbaro für Like A Complete Unknown
Ariana Grande für Wicked
Felicity Jones für Der Brutalist
Isabella Rossellini für Konklave
Zoë Saldaña für Emilia Pérez

Saldaña gewann praktisch alle nennenswerten Indikatorpreise. Sie hat das in der Tasche.

Bester Nebendarsteller
Juri Borissow für Anora
Kieran Culkin für A Real Pain
Edward Norton für Like A Complete Unknown
Guy Pearce für Der Brutalist
Jeremy Strong für The Apprentice: The Trump Story

Ich finde A Real Pain brutal überbewertet und habe auch den Eindruck, dass sich Culkin bloß halbherzig durch den Film schnoddert, nachdem Emma Stone ihn davon abgehalten hat, das Projekt zu verlassen. Aber fast alle anderen finden ihn super in dem Film, zudem gewann er praktisch alle wichtigen Indikatorpreise. Er wird es, und ich werde mit den Augen rollen. (Borissow und Pearce wären deutlich verdientere Gewinner.)

Beste Hauptdarstellerin
Cynthia Erivo für Wicked
Karla Sofía Gascón für Emilia Pérez
Mikey Madison für Anora
Demi Moore für The Substance
Fernanda Torres für Für immer hier

Ein Drei-Personen-Rennen: Demi Moore hat die Comeback-Narrative, den Globe und den SAG Award. Mikey Madison den BAFTA und den Oscar-tauglicheren Film. Fernanda Torres hat ebenfalls einen Globe, zudem gewaltiges Momentum, zumal Für immer hier es auf den Schultern ihrer Darbietung in die Hauptkategorie geschafft hat. 

Es ist die Kategorie, die mich dieses Jahr am meisten stresst, zumal Comeback-Rollen zwar die Presse packen, aber wie Mickey Rourke einst erlebte: Sie führen nicht immer zu Brendan-Fraser-Siegen. Andererseits bewies Everything Everywhere All At Once, dass die verjüngte Academy an wilden Filmen interessiert ist (und Meta-Narrativen)... Ich tippe auf Moore, halte aber Madison und Torres ebenfalls für möglich. Gascón und Erivo wären für mich große Überraschungen!

Bester Hauptdarsteller
Adrien Brody für Der Brutalist
Timothée Chalamet für Like A Complete Unknown
Colman Domingo für Sing Sing
Ralph Fiennes für Konklave
Sebastian Stan für The Apprentice: The Trump Story

Wichtig wäre mir, dass in dieser Kategorie Chalamet für sein eindimensionales Gewimmer in Like A Complete Unknown leer ausgeht. Jubeln würde ich für Fiennes (eher seichter Stoff im Vergleich zu meinen anderen beiden Favoriten, aber er rockt es einfach), Domingo (berührend) und Brody (eine sensationelle, zehrende Leistung... und meine Prognose).

Beste Regie
Jacques Audiard für Emilia Pérez
Sean Baker für Anora
Brady Corbet für Der Brutalist
Coralie Fargeat für The Substance
James Mangold für Like A Complete Unknown

Baker gewann den Preis der Regie-Gewerkschaft, weshalb er die klügere Wahl wäre. Aber wenn bei den Oscars in jüngerer Vergangenheit Regie und Film gesplittet wurden, gewann der technisch eindrucksvollere Film den Regie-Preis. Siehe: Alfonso Cuarón für Gravity versus 12 Years a Slave, Alejandro G. Iñárritu für The Revenant vs. Spotlight, Damien Chazelle für La La Land vs. Moonlight, Alfonso Cuarón für Roma vs. Green Book und Jane Campion für Power of the Dog vs. CODA.

Es ist fast so, als würden unentschlossene Academy-Mitglieder ihren Kopf in dieser und ihr Herz in der anderen Sparte sprechen lassen (hinzu kommen die unterschiedlichen Auswertungsmechanismen). Möglich natürlich, dass Baker sich hier einfach durchsetzt, und all meine Überlegungen vergebens waren. Aber ich glaube, dass sich die Fans von Der Brutalist öfter durchsetzen als bisher in meiner Prognose vorhergesagt. Also tippe ich auch noch auf diesen Preis. Immerhin gewann Corbet den Globe, den BAFTA und diverse regionale Kritikenpreise. Das sollte gereicht haben, um ihn neben Baker bei den Academy-Mitglieder im Hinterkopf fest zu zementieren.

Bester Film
Anora
Der Brutalist
Like A Complete Unknown
Konklave
Dune: Part Two
Emilia Pérez
Für immer hier
Nickel Boys
The Substance
Wicked

Konklave hat den BAFTA und den Ensemblepreis bei den SAG Awards, aber Anora gewann bei den Producers Guild Awards, die Goldene Palme, das Wohlfühl-Momentum und die "Endlich bist du voll im Club angekommen"-Narrative für Sean Baker. Der Brutalist stand dank mehrerer Kritiker-Preise und dem Globe-Drama-Sieg im Rampenlicht und wird sicher noch in kommenden Jahrzehnten sehr, sehr oft thematisiert. Aber wird das die Academy jetzt schon jucken?

Ich tippe auf Anora dank des Momentums und der Mischung aus Humor und Anspruch-Nachglühen vergangener Baker-Filme, womit sich mehrere Winkel der Academy abgeholt fühlen dürften. Und ich bin sehr gespannt, wie das alles am Ende ausgeht...

Donnerstag, 16. Januar 2025

Oscars 2025: Meine Prognose für die Nominierungen zur 97. Verleihung der Academy Awards


Bester Kurzfilm
Anuja
An Orange from Jaffa
Dovecote
The Man Who Could Not Remain Silent
The Masterpiece

Bester animierter Kurzfilm
A Bear Named Wojtek
Beautiful Men
Maybe Elephants
Wander to Wonder
Yuck!

Bester internationaler Film
Brasilien, I'm Still Here
Dänemark, Das Mädchen mit der Nadel
Frankreich, Emilia Pérez
Deutschland, Die Saat des heiligen Feigenbaums
Lettland, Flow

Bester Kurz-Dokumentarfilm
Chasing Roo
Death by Numbers
I Am Ready, Warden
Makayla's Voice: A Letter to the World
Once Upon a Time in Ukraine

Bester Dokumentarfilm
Dahomey
No Other Land
Soundtrack to a Coup d'Etat
Sugarcane
Will and Harper

Bester Animationsfilm
Flow
Alles steht Kopf 2
Memoir of a Snail
Wallace and Gromit: Vergeltung mit Flügeln
Der wilde Roboter

Beste Effekte
Better Man
Civil War
Dune: Part Two
Planet der Affen: New Kingdom
Wicked

Bester Ton
Alien: Romulus
Dune: Part Two
Emilia Pérez
Wicked
Der wilde Roboter

Bester Originalsong
El Mal aus Emilia Pérez
Piece By Piece aus Piece By Piece
Like A Bird aus Sing Sing
Kiss The Sky aus Der wilde Roboter
Harper and Will go West aus Will & Harper

Beste Originalmusik
Daniel Blumberg, Der Brutalist
Trent Reznor und Atticus Ross, Challengers
Volker Bertelmann, Konklave
Alberto Iglesias, The Room Next Door
Kris Bowers, Der wilde Roboter

Bestes Produktionsdesign
Der Brutalist
Konklave
Dune: Part Two
Nosferatu
Wicked

Bestes Makeup und Hairstyling
Beetlejuice Beetlejuice
Dune: Part Two
Nosferatu
The Substance
Wicked

Bester Schnitt
Sean Baker, Anora
David Jansco, Der Brutalist
Nick Emerson, Konklave
Joe Walker, Dune: Part Two
Hansjörg Weibrich, September 5

Beste Kostüme
Colleen Atwood, Beetlejuice Beetlejuice
Jacqueline West, Dune: Part Two
Lisy Christl, Konklave
Massimo Cantini Parrini, Maria
Paul Tazewell, Wicked

Beste Kamera
Lol Crawley, Der Brutalist
Greg Fraiser, Dune: Part Two
Stéphane Fontaine, Konklave
Jomo Fray, Nickel Boys
Jarin Blaschke, Nosferatu

Bestes Original-Drehbuch
Jesse Eisenberg, A Real Pain
Sean Baker, Anora
Brady Corbet und Mona Fastvold, Der Brutalist
Megan Park, My Old Ass
Coralie Fargeat, The Substance

Bestes adaptiertes Drehbuch
Peter Straughan, Konklave
Jacques Audiard, Emilia Pérez
Joslyn Barnes und RaMell Ross, Nickel Boys
Clint Bentley, Greg Kwedar, John "Divine G" Whitfield, Clarence Maclin, Sing Sing
Winnie Holzman und Dana Fox, Wicked

Bester Nebendarsteller
Yura Borisov, Anora
Kieran Culkin, A Real Pain
Edward Norton, Like A Complete Unknown
Guy Pearce, Der Brutalist
Denzel Washington, Gladiator II

Von allen vier Schauspielkategorien lässt mich diese hier am ratlosesten zurück. Halte nur Culkin für gesetzt, alle anderen könnten auch durch sonst wen ersetzt werden. Diese Award-Saison hat sonderbar wenig Nebendarsteller-Debatte, die es gestattet, ein Gespür für die Präferenzen der Academy zu entwickeln...

Beste Nebendarstellerin
Danielle Deadwyler, The Piano Lesson
Ariana Grande, Wicked
Felicity Jones, Der Brutalist
Isabella Rossellini, Konklave
Zoe Saldaña, Emilia Pérez

Bester Hauptdarsteller
Adrien Brody, Der Brutalist
Timothée Chalamet, Like A Complete Unknown
Daniel Craig, Queer
Colman Domingo, Sing Sing
Ralph Fiennes, Konklave

Ich "fühle" nicht wirklich genug Buzz für Craig, aber ich wüsste auch nicht, wer ihn überholen könnte. Sebastian Stan für The Apprentice wäre angesichts seiner BAFTA-Nominierung denkbar, aber ich glaube, da steht ihm die Berührungsangst der US-Academy-Mitglieder mit dem Stoff im Weg. Vielleicht Hugh Grant für Heretic (siehe Globes) oder als völlige "Wer hätte das gedacht?!"-Überraschung Glen Powell für A Killer Romance?

Beste Hauptdarstellerin
Cynthia Erivo, Wicked
Karla Sofía Gascón, Emilia Pérez
Mikey Madison, Anora
Demi Moore, The Substance
Saoirse Ronan, The Outrun

Ronan ist absolute Wackelkandidatin: Pamela Anderson für The Last Showgirl, Nicole Kidman für Babygirl, Fernanda Torres für I'm Still Here und Marianne Jean-Baptiste für Hard Truths könnten es ebenfalls werden. Hier setze ich einfach auf die geballte Stimmgewalt der britischen Academy-Mitglieder. (Und was, wenn die jüngeren Academy-Mitglieder sich an Filme erinnern, die fast ein Jahr zurückliegen? Dann könnte Zendaya endlich mitmischen!)

Beste Regie
Jacques Audiard, Emilia Pérez
Sean Baker, Anora
Edward Berger, Konklave
Brady Corbet, Der Brutalist
Coralie Fargeat, The Substance

Bester Film
Anora
Der Brutalist
Like A Complete Unknown
Dune: Part Two
Konklave
Emilia Pérez
September 5
Sing Sing
The Substance
Wicked

Sonntag, 12. Januar 2025

Mediatheken-Tipps (12. Januar 2025)

The Straight Story (Drama, 1999) Aus der Kategorie "Dinge, die aktuell nicht passieren würde": Ende des 20. Jahrhunderts beschloss die Walt-Disney-Pictures-Führungsriege, das Portfolio des ikonischen Studios zu diversifizieren. Deshalb erwarb man die US-Rechte an David Lynchs geradlinigstem Film: Die berührende, wahre Geschichte eines Mannes, der auf einem Aufsitzrasenmäher durch die USA fährt, um noch einmal seinen Bruder zu sehen, mit dem er sich zerstritten hat. Lynch erzählt den Stoff sensibel, nachdenklich und metaphorisch überhöht, ohne den "Eine Kuriosität, aus dem Leben gegriffen"-Aspekt dieses Dramas zu zerstören. Ich will, dass wieder mehr solcher Filme auch unter dem Disney-Namen erscheinen. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 14. Januar 2025 um 20.14 Uhr

À la Carte! – Freiheit geht durch den Magen (Historische Romantikdramödie, 2021) In seinem bislang besten Film blickt Ca$h-Regisseur Éric Besnard (mit etwas künstlerischer Freiheit, aber auch einem genauen Blick auf historische Genauigkeit bezüglich der Speisen und Requisiten) auf die Entstehungsgeschichte des Restaurant-Konzepts. Sinnlich, amüsant und mit französischer Freude an Aufmüpfigkeit, aber auch voller kleiner zwischenmenschlicher Dramen. Eine kleine Köstlichkeit. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 26. Januar 2025

Quiz (Drama-Miniserie, 2020) Basierend auf dem wahren TV-Skandal, der Großbritannien auf Trab hielt: Der frühere Major Charles Ingram nimmt am Quotenphänomen Who Wants to Be a Millionaire? (dem Original-Wer wird Millionär?) teil, jedoch glaubt das Produktionsteam, während seines Auftritts irreguläre Vorkommnisse bemerkt zu haben... Kurzweilig-informativer, mit Sinn für Showmanship, aber auch nuancierter Blick hinter die Kulissen der Ur-Erfolgsshow und ihrem berühmtesten Streitfall. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 9. Februar 2025

Shahid (Semi-dokumentarisches Meta-Musicaldrama, 2024) In diesem autobiografisch angehauchten Film der Regisseurin und Autorin Narges Kalhor versucht die Titelheldin (Baharak Abdolifard), ihren mittleren Namen "Shahid" zu streichen, der "Märtyrer" bedeutet und sie unwohl an ihren Urgroßvater erinnert, der 1907 im Zuge der Revolution im Iran umgebracht wurde. Doch sie stößt bei diesem Versuch bloß auf immer neue bürokratische Hürden. Ein selbstreflexiver Film über Migration, Feminismus, den Wert der Kunst und iranische Kulturgeschichte. Ungewöhnlich, klug, lustig, eindringlich. Höchst empfehlenswert! ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 20. März 2025

Die Ausstattung der Welt (Dokufiktion, 2023) In Die Ausstattung der Welt blickt das Regie-Duo Susanne Weirich & Robert Bramkamp auf den Requisitenfundus Studio Babelsberg, den Hamburger Fundus Props und den delikatessen Requisitenfundus Berlin: Wie sind sie organisiert, wie geht die Belegschaft an ihre Aufgabe heran, wie vielseitig können Requisiten sein? In einer das Gezeigte thematisch vertiefenden und daher aussagekräftigen, aber zwischendurch ungelenk eingebauten, fiktionalen Ebene beschäftigt sich zudem eine von Thelma Buabeng gespielte Doktorandin für Postcolonial Studies mit rassistischen Tendenzen im deutschen Film im Speziellen und der Kunstgeschichte im Allgemeinen. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 11. April 2024

Welke & Pastewka - Wiedersehen macht Freude (TV-Nostalgieshow, 2024) Ende 2024 sind zwei neue Folgen der unaufgeregten, nerdig-lustigen TV-Nostalgieshow Welke & Pastewka erschienen, in der die titelgebenden Gastgeber auf Skurrilitäten vergangener TV-Tage zurückblicken. Zu Gast waren Anke Engelke und Klaas Heufer-Umlauf, die wahren Stars sind aber die TV-Kleinode und beschämenden Archivfundstücke. Ich hoffe, dass die Show endlich mal mehr Laufzeit und mehr Folgen pro Jahr bekommt. ZDF-Mediathek, die neuen Folgen sind bis zum 25. respektive 31. Dezember 2025 abrufbar

Dienstag, 18. Juni 2024

Mediatheken-Tipps (18. Juni 2024)

Das schwarze Quadrat (Trockene Kriminalkomödie, 2021) Sandra Hüller, Pheline Roggan, Bernhard Schütz und Jacob Matschenz in einer knochentrocken erzählten Ansammlung spritziger Skurrilitäten: Zwei Kunstdiebe sitzen auf einem Kreuzfahrtschiff fest und müssen sich durch Lug und Trug bis zur Ankunft im sicheren Hafen als Elvis- und David-Bowie-Imitatoren durchschlagen. Schön absurd und toll unterkühlt. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 9. Juli 2024

M - Eine Stadt sucht einen Mörder (Thriller-Meisterwerk, 1931) Fritz Langs Tonfilm-Meilenstein ist zeitlos fesselnde, stilsichere Filmkunst - und eine leider weiterhin aktuelle Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Famos inszeniert, packend von Peter Lorre gespielt, brillant erzählt. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 10. Juli 2024

Daniel Hope: Dance! (Klassikkonzert, 2024) Starviolinist Daniel Hope lädt ein zu einer Welt- und Zeitreise durch berühmte Werke, bei denen die Füße einfach nicht stillstehen können. Das erstreckt sich vom Tango Escualo von Astor Piazzolla über Offenbachs Can-Can bis zum Danse macabre von Camille Saint-Saëns. ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 16. August 2024

Rechtsextremer Geheimplan gegen Deutschland (Szenische Lesung, 2024) Diese Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Ensemble und der investigativen Redaktion von CORRECTIV schrieb Anfang des Jahres bereits Schlagzeilen, aber es kann ja ganz offensichtlich nie schaden, Leute auf sie hinzuweisen. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 18. Januar 2025

Billie Eilish: Happier Than Ever at the O2 (Konzertfilm, 2022) Falls ihr neben dem von Robert Rodriguez inszenierten Disney+-Konzertfilm zu Happier Than Ever einen konventionelleren Nachschlag benötigt! ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 31. Juli 2025

Stadt, Land, Kultur - Paris: Die Aristocats bringen die Stadt zum Tanzen (Kulturmagazin-Beitrag, 2024) arte schafft, was Disney+ nicht macht: In diesem informativen, dennoch lockeren Kulturbeitrag wird Aristocats in Relation zu dem Paris gesetzt, das der Film schildert. Welche kulturellen Anspielungen enthält der Film, wie erging es der Bevölkerung in der von Disney gezeichneten Epoche der Weltstadt Paris und wieso spielt der Film genau dort zu genau dieser Zeit? Man stelle sich vor, Disney+ würde allen Disney-Klassikern selbst solch eine Mini-Doku widmen... arte-Mediathek, abrufbar bis zum 24. April 2026

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Sonntag, 9. Juni 2024

Mediatheken-Tipps Spezial (9. Juni 2024)

Ich habe Donald Duck zwar schon bei FILMSTARTS zu seinem "90. Geburtstag" gratuliert, aber er verdient selbstredend noch mehr Liebe. Zum Glück lassen sich die deutschen Medien nicht lumpen:

Happy Birthday, Donald Duck! (Brisant-Beitrag, 2024) Ich will ehrlich sein: Ich habe eigentlich wenig für das Boulevardmagazin Brisant übrig, aber dieser mit Comicliebe und vielen schön zusammengestellten Schnittbildern voller Donald-Memorabilien und -Zeichnungen ist richtig hübsch gemacht. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 9. Juli 2024

Zeitreise: 90 Jahre Donald Duck (Morgenmagazin-Beitrag, 2024): Das ARD-Morgenmagazin quetscht 90 Jahre Donald in einen gewitzten Beitrag, inklusive "Exklusivinterview" mit dem Jubiläum feiernden Schnatterich. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 5. Juni 2026

Volle Kanne vom 7. Juni 2024 (Frühstücksmagazin, 2024) Ab Minute 34 geht es in dem ZDF-Frühstücksmagazin, das nach dem Morgenmagazin läuft, um Donald Duck. Im Beitrag gibt es unter anderem ein kurzes Archiv-Statement von Dr. Erika Fuchs, Ulrich Schröder lobt die Universalität Donalds und es gibt die riesige Merch-Kollektion zu Donalds 90. zu sehen... DIE NOCH IMMER NICHT ÜBER DEN DEUTSCHEN DISNEYSTORE ZU BEZIEHEN IST. WOLLT IHR MEIN GELD ETWA NICHT, DISNEY?! ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 7. Juni 2026

Der ewige Aktivist: Donald Duck wird 90 (Radio-Reportage, 2024) Donald-Zeichner Jan Gulbransson spricht mit SWR-Kultur darüber, wie sich die Donald-Comics in der jungen Bundesrepublik durchsetzen mussten, seine Liebe zum Erpel und den nicht immer offensichtlichen, aber keinesfalls zu vernachlässigen kulturellpolitischen Wert Donalds. ARD-Audiothek, mir unbekanntes Ablaufdatum

Das Wort zum Dienstag: Donald Duck (Radio-Satire, 2024) Jana Fischer räumt mit den ständigen Vergleichen zwischen dem besten und dem orangegetöntesten Donald auf und kommt zu einem klaren, ententarken Fazit. ARD-Audiothek, mir unbekanntes Ablaufdatum

Happy Birthday Donald Duck: Ein Antiheld für alle (Radio-Interview, 2024) SWR-Aktuell spricht mit dem Donaldisten Karsten Bracker (seines Zeichens Präsident/Präsiderpel) über die Krönung der Fiktion und ganz besonders über seine Qualitäten als Aufstehmännchen. ARD-Audiothek, mir unbekanntes Ablaufdatum

1934: Erster Auftritt von Donald Duck (Radio-Beitrag, 2024) Kurz und knapp: 90 Jahre Donald in zwei Minuten. Werden Fans darin was lernen? Nein. Aber ich beneide auch keine Seele, die so viel Popkultur in so wenig Zeit quetschen muss. Da ist das hier schon ein fein gemachter Abriss. ARD-Audiothek, mir unbekanntes Ablaufdatum

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Samstag, 8. Juni 2024

Mediatheken-Tipps Spezial (8. Juni 2024)

 Kein Mucks! in Concert (Krimimusikkonzert, 2024)

Hörspielliebhaber Bastian Pastewka führt nun schon seit Jahren durch den Podcast Kein Mucks! in dem er durch die Archive der ARD-Radiowellen stöbert und Krimi-Hörspiele vorstellt. Was läge da näher, als ihn in einen Frack zu stecken, neben das WDR-Funkhausorchester zu stellen und ein Konzert voller Krimimelodien moderieren zu lassen? Mit seinem typischen Humor begleitet Pastewka einen Abend, der neben Evergreens wie der Miss Marple-Titelmelodie auch kriminalmusikalische Geheimtipps aus weitestgehend vergessenen Hörspielen umfasst. Zudem arrangierte Max Knoth beeindruckende Medleys aus Parodie und Vorlage, sowie schöne Suiten aus verschiedenen Musik-Interpretationen bekannter Krimi-Ermittler. Starkes Konzert.

Heldenreise: Broadway- und Film-Hits (Musical- und Filmkonzert, 2021)
Viel Disney, ein wenig Shrek und Wicked sowie ein feierlicher Konzertabschluss mit La La Land: die Musical-Stars Bettina Mönch und Dominik Hees singen, vom WDR-Funkhausorchester begleitet, Lieder, die ins Ohr und die Tanzbeine gehen. Gute Laune ist da sicher.

Wilder Westen (Filmmusikkonzert, 2019)
Natürlich erklingen Bernstein und Morricone, doch der Wilde Westen, interpretiert vom WDR-Funkhausorchester, ist noch facettenreicher. Haut die Bohnen in die Pfanne und nippt was Moonshine, es wird rau-romantisch.

So schön wie heut' (Konzert-Zeitreise in die Radiomusik der 1950er, 2023)
Gastgeber/Sänger Götz Alsmann, Sängerin Caroline Kiesewetter und Dirigent Jochen Neuffer bringen das WDR-Funkhausorchester und die WDR Big Band zusammen, um uns in die Klangwelt Deutschlands in den 1950er-Jahren zurückzuführen: Durch gewitzt-informative Einführungen kommentiert, ertönen die Radiohits der Wiederaufbaujahre, in denen eine Nation beschlossen hat, ihr Gedächtnis stummzuschalten, ein Wirtschaftswunder herbeizuschuften und sich mobil wie nie zuvor im Süden Europas zu erholen. 

Big Band Beethoven (Big-Band-Klassikkonzert, 2024)
Mit pandemiebedingter Verspätung zelebriert die WDR Big Band den 250. Geburtstag Beethovens, indem sie einige seiner bekanntesten Stücke auseinanderpflückt und im Big-Band-Sound rekonstruiert. Eine smarte, schöne und schmissige Verschmelzung der Klangwelten!

Das Konzert mit der Maus: Komponistinnen (Kinderfreundliche Konzertvermittlung, 2023)
Die Maus, Dirigentin Katharina Winco, das WDR-Sinfonieorchester, Moderatorin Jana Forkel und Moderator Johannes Büchs präsentieren einen faszinierenden Querschnitt an Werken einflussreicher Komponistinnen - wie Keiko Abe, Louise Farrenc und Ethel Smyth. 

Warum diese speziellen "Mediatheken"-Tipps? Die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Sender ist ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie oder halt im realen Leben: Die Rundfunkorchester spielen in Deutschland einen großen Beitrag zur Kulturvermittlung und genießen internationales Ansehen.

Daher überrascht es mich, dass ich in der ARD-Mediathek keine vollständigen Konzerte der ARD-Orchester gefunden habe (möglich, dass es sie in der Mediathek gibt - sie ist zwar sehr, sehr gut, ihre Suchfunktion aber nicht). Dafür gibt es allerdings eine Fülle an Konzerten auf YouTube. Und da ich seit der Veröffentlichung des Spielplans 24/25 der WDR-Ensembles recht viel über sie nachdenke, hatte ich Lust, euch so an meiner Freude teilhaben zu lassen. Einzelne Stücke dieser Ensembles kann man in der ARD-Mediathek finden und die Konzerte sind auch bei YouTube frei von nervigen Werbepausen!

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Samstag, 9. März 2024

TV-Tipp: Hope & Friends in Hollywood

Ich habe einen glühenden TV-Tipp für euch. Einen, für den es sich lohnt, länger wachzubleiben. Oder früher aufzustehen. Und definitiv solltet ihr den Festplattenrekorder anschmeißen, denn es sieht nicht so aus, dass dieser TV-Tipp danach in voller Länge in die ARD-Mediathek zurückkehrt (wo ich ihn einst entdeckt habe, bevor er offline ging).

Denn der WDR zeigt in der Nacht vom 9. auf den 10. März ab 4 Uhr Hope & Friends in Hollywood, eine Aufzeichnung des Silvesterkonzerts, das Starviolinist Daniel Hope und das WDR-Funkhausorchester am 31. Dezember 2021 in der Philharmonie Essen gegeben haben. Das Konzert, mit Tom Gaebel und Pumeza Matshikiza als gastierende Gesangstalente, ist eine Zeitreise durch 100 Jahre Filmmusik. Und der zugleich als musikalischer Leiter und Moderator agierende Geiger hat eine facettenreiche Auswahl an Stücken zusammengestellt, um Hollywoods Musikgeschichte abzudecken.

Es reicht von einem Querschnitt durch das Schaffen der Exilkomponisten, die vor dem aufkommenden Faschismus aus Europa geflohen sind, über einen James Bond-Song bis hin zu Damien Chazelles La La Land. Als überraschendere Zwischenstationen interpretiert das WDR-Funkhausorchester aber auch Stücke aus Saludos Amigos und der mit Sidney Poitier verfilmten Oper Porgy & Bess!

Ich habe eh in den vergangenen Jahren eine Schwäche für die Arrangements des WDR-Funkhausorchesters entwickelt, ebenso fasziniert mich die Kanon, Außenseiter-Tipps und vermeintlich "zu simple" Stücke wertschätzende Schwerpunktsetzung in Hopes TV-Programmen. Bei Hope & Friends in Hollywood kamen für mich diese zwei starken Elemente in filmreifer Harmonie zusammen: Diese Filmmusikzeitreise ist überraschend, wird zugleich dem Anspruch gerecht, allseits beliebte Meilensteine aufleben zu lassen, und klingt hervorragend - alles mit kompetenter, sich trotzdem kurzfassender Einordnung Hopes.

Als diese Konzertaufzeichnung nach ihrer im Januar 2022 erfolgten Erstausstrahlung in der ARD-Mediathek landete, habe ich sie mir begeistert mehrfach angesehen. Umso größer war mein Bedauern, als sie nach jüngeren Wiederholungen nicht wieder in die Mediathek aufgenommen wurde - und die via YouTube veröffentlichten Ausschnitte decken auch nur einen Teil des von Frank Strobel dirigierten Abends ab.

Ein großer Jammer! Selbstredend kann ich nicht vollkommen ausschließen, dass ich aufgrund des meinen Geschmack treffenden Programms und der Veröffentlichungsumstände (wir erinnern uns: 2022 gab es die letzten Pandemie-Wellen, in deren Zuge zu Vorsicht beim Ausgehen und bei Treffen in den eigenen vier Wänden gemahnt wurde) eine überproportionale sentimentale Bindung zu dieser Filmkonzertaufzeichnung entwickelt habe. Schließlich habe ich viele Stunden damit verbracht, mittels Hope & Friends in Hollywod monotone Tage und Wochen zu revitalisieren.

Dennoch bin ich zuversichtlich darin, wenn ich nicht nur die Auswahl der Musikstücke und die orchestralen sowie gesanglichen Leistungen lobe, sondern auch die visuelle Präsentation: Da der WDR glücklicherweise einige seiner Rundfunkorchester-Konzerte mitfilmt respektive live streamt, kenne ich mehr als eine gute Handvoll an Vergleichsmaterial. Und die Lichtdramaturgie in der Essener Philharmonie sowie Thorsten Frickes TV-Regie verleihen diesem Mitschnitt durchaus eine visuelle Dynamik und Wertigkeit, die öffentlich-rechtliche, philharmonische Konzertübertragungen in dieser Form nur selten haben.

Selbstredend ist es kein Konzertfilm in der Tradition der großen Leinwand-Konzertfilmklassiker, trotzdem ist es eine ansprechende Präsentation eines tollen Konzerts. Und da sich nicht absehen lässt, wann ihr es nach dieser Ausstrahlung erneut sehen könnt, solltet ihr dringend von diesem TV-Termin Gebrauch machen, wenn ihr Filmmusik liebt!

Mittwoch, 6. März 2024

Meine Prognose der 96. Academy Awards: Wer gewinnt bei den Oscars 2024?


Schaut man auf die Indikatorpreise, und lauscht, welche Filme immer noch euphorischer Teil des Diskurses sind, sieht es nach einem Oscar-Rennen aus, das dem aus dem Vorjahr ähnelt: Damals galt Everything Everywhere All At Once als großer Favorit und ging letztlich mit sieben Siegen nach Hause. Dieses Jahr hat Oppenheimer diese Position, bloß, dass er außerdem "Oscar-tauglicher" anmutet, was es leichter macht, über den Schatten zu springen und ihn auch in vielen Kategorien vorherzusagen.

Doch darin liegt auch die große Prognosengefahr: Bloß nicht hinreißen lassen und Oppenheimer zu oft vorhersagen. Oder sich zu sehr ins Bockshorn jagen lassen und ihn daher zu selten vorhersagen...

Beste Regie
Justine Triet, Anatomie eine Falls 
Jonathan Glazer, The Zone Of Interest 
Yórgos Lánthimos, Poor Things
Christopher Nolan, Oppenheimer
Martin Scorsese, Killers Of The Flower Moon

Hat Nolan nach dem BAFTA, dem Critics Choice Award und dem DGA Award wohl sicher im Sack.

Beste Hauptdarstellerin
Annette Bening, Nyad
Lily Gladstone, Killers Of The Flower Moon
Sandra Hüller, Anatomie eines Falls
Carey Mulligan, Maestro
Emma Stone, Poor Things

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Stone und Gladstone. Gladstone hat den SAG Award, aber Stone den BAFTA und zudem den Film, der diese Oscar-Saison mehr Momentum hat. Ich habe so ein "Killers Of The Flower Moon wird Scorseses nächster Gangs Of New York"-Gefühl, dass der Film völlig leer ausgeht. Andererseits ist eine der großen Weisheiten der vergangenen Oscar-Jahre, dass man bei den großen Kategorien stets auf die Person tippen will, die die Branche auf der Bühne sehen möchte. Und Gladstone als erste Native-American-Gewinnerin ist da die naheliegendere Wahl: Die Branche kann sich auf die Schulter klopfen, zudem ist das ihre große Chance auf eine Oscar-Dankesrede. Stone war dort ja schon... 

Ich wäre mit beiden als Gewinnerin fein, da ich aber keinen Split vorhersagen will: Ich vertrau meinem "Zu finster für die Oscars"-Gefühl und dem Poor Things-Momentum. Und dann mal schauen.

Bester Hauptdarsteller
Bradley Cooper, Maestro
Colman Domingo, Rustin
Paul Giamatti, The Holdovers
Cillian Murphy, Oppenheimer
Jeffrey Wright, American Fiction

Beste Nebendarstellerin
Emily Blunt, Oppenheimer
Danielle Brooks, Die Farbe Lila
America Ferrera, Barbie
Jodie Foster, Nyad
Da'Vine Joy Randolph, The Holdovers

Bester Nebendarsteller
Sterling K. Brown, American Fiction
Robert De Niro, Killers Of The Flower Moon
Robert Downey Jr., Oppenheimer
Ryan Gosling, Barbie
Mark Ruffalo, Poor Things

Murphy, Downey und Randolph halte ich für nahezu (Murphy, könnte vielleicht Giamatti werden) und absolut (Randolph, Downey) gesetzt.

Bestes Original-Drehbuch
Anatomie eines Falls
The Holdovers
Maestro
May December
Past Lives - In einem anderen Leben

Glaube, das machen Anatomie eines Falls und The Holdovers unter sich aus. The Holdovers hat den "Academy stimmt mit dem Herzen ab"-Punkt, Anatomie eines Falls beweist mit dem BAFTA, dass der Film beim englischsprachigen Teil der Branche stark ankommt. Tendiere zu Anatomie eines Falls

Bestes adaptiertes Drehbuch
American Fiction
Barbie
Oppenheimer
Poor Things
The Zone Of Interest

Es fühlt sich seltsam an, einen Beinahe-Durchmarsch von Oppenheimer vorherzusagen, und dann das minutiös strukturierte Drehbuch zu übergehen. Aber American Fiction baute zuletzt Momentum ab, und das hier ist die Kategorie, wo er sich durchquetschen könnte.

Bester Animationsfilm
Elemental
Der Junge und der Reiher
Nimona 
Robot Dreams
Spider-Man: Across The Spider-Verse

Bester Dokumentarfilm
Bobi Wine: The People's President
Die unendliche Erinnerung
Olfas Töchter
To Kill A Tiger
20 Days In Mariupol

Bester internationaler Film 
Das Lehrerzimmer (Deutschland)
Die Schneegesellschaft (Spanien) 
The Zone Of Interest (Großbritannien)
Io Capitano (Italien)
Perfect Days (Japan)

Beste Kamera
El Conde
Killers Of The Flower Moon
Maestro
Oppenheimer
Poor Things

Bester Schnitt
Anatomie eines Falls
The Holdovers
Killers Of The Flower Moon
Oppenheimer
Poor Things

Beste Musik
American Fiction
Indiana Jones und das Rad des Schicksals
Killers Of The Flower Moon
Oppenheimer
Poor Things

Bester Original-Song
It Never Went Away aus American Symphony
I'm Just Ken aus Barbie
What Was I Made For? aus Barbie
The Fire Inside aus Flamin' Hot
Wahzhazhe (A Song For My People) aus Killers Of The Flower Moon

Bester Sound
The Creator
Maestro
Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil 1
Oppenheimer
The Zone Of Interest

Alternativ setzt sich Oppenheimer durch, aber bei The Zone Of Interest ist der Sound bei fast allen, die über ihn sprechen/schreiben eines der ersten, größten Argumente für den Film.

Beste visuelle Effekte
The Creator
Godzilla: Minus One
Guardians Of The Galaxy Vol. 3
Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil 1
Napoleon

Beste Kostüme
Barbie
Killers Of The Flower Moon
Napoleon
Oppenheimer
Poor Things

Bestes Make-Up und Haarstyling
Golda
Maestro
Oppenheimer
Poor Things
Die Schneegesellschaft

Die Academy liebt überzeugendes Alters-Make-up noch mehr als die Entstellungen, die Dafoe in Poor Things durchleidet.

Bestes Produktionsdesign
Barbie
Killers Of The Flower Moon
Napoleon
Oppenheimer
Poor Things

Wie bei den Kostümen sehe ich hier Barbie als größte Konkurrenz für Poor Things, aber ich bilde mir ein, dass der (noch) schrägere Film das Rennen macht.

Bester Kurzfilm
The After
Ich sehe was, was du nicht siehst
Invincible
Knight Of Fortune
Red, White And Blue

Bester animierter Kurzfilm
Ninety-Five Senses
Our Uniform
Pachyderme
Letter To A Pig
War Is Over! Inspired By The Music Of John & Yoko

Wäre in meinen Augen der schwächste der fünf Filme, aber ich fürchte, dass die Kombi aus "Platt-direkter Antikriegsaussage", "gefällig-massentauglichem Look" und "John Lennon" den Film nach vorne peitscht.

Bester Dokumentar-Kurzfilm
The ABCs Of Book Banning
The Barber Of Little Rock Island
In Between
The Last Repair Shop
Nǎi Nai & Wài Pó

Bester Film
American Fiction 
Anatomie eines Falls 
Barbie 
The Holdovers 
Killers Of The Flower Moon
Maestro
Oppenheimer
Past Lives - In einem anderen Leben
Poor Things
The Zone Of Interest

Dürfte ein klares Rennen sein. Aber ich bin dennoch gespannt. Auf eine schöne Oscar-Nacht!

Freitag, 8. September 2023

Freitag der Karibik #75

Das Warten auf Pirates of the Caribbean 6 nimmt und nimmt kein Ende. Margot Robbie umgarnt die Disney-Studios seit Jahren, ihre eigene kleine Insel im verfluchten Karibikuniversum besiedeln zu dürfen. Disney hat Robbies Begehren nicht in die Tonne gekloppt, vorangekommen ist man aber partout nicht. Weshalb selbst Robbie dachte, Disney sei einfach desinteressert, woraufhin Produzent Jerry Bruckheimer öffentlich deklarieren musste, dass die Margot-Karibik nicht aufgegeben wurde. Es benötige nur etwas Zeit, bis man sie bereist. Dumm von Disney, so lange zu warten. In einem alternativen Universum wäre der Film bereits im Kasten und wartet darauf, als erstes Margot-Robbie-Projekt nach dem globalen Kinophänomen Barbie auf der weltweiten Welle der Begeisterung für die talentierte Australierin zu reiten.

So ernüchtert Robbie zuletzt klang, als sie sich über Pirates of the Caribbean äußerte, so positiv überrascht meldete sich kürzlich Craig Mazin zu Wort: Der Hangover 2 & 3-Autor und Chernobyl-Serienschöpfer steht seit nunmehr vier Jahren (!) gemeinsam mit PotC-Veteran Ted Elliott hinter einem Pirates of the Caribbean-Projekt, das parallel (und angeblich nicht in Konkurrenz) zu Robbies Film entwickelt wird. Jetzt endlich wurde uns ein winziger Einblick gestattet, was uns mit Mazins und Elliotts Film erwarten könnte - und wie es um ihn bestellt ist.

Gegenüber Variety erklärte Mazin, dass er und Elliot eine im etablierten Kanon spielende Grundidee vorgeschlagen haben, und vollauf davon überzeugt waren, dass Disney sie ablehnen wird. "Zu seltsam", sei sie. Und dann... hat Disney zugeschlagen. Das Skript ist laut Mazin fertig und nun warte man das Ende der Streiks ab, die die US-amerikanischen Schauspiel- und Drehbuch-Gewerkschaften anberaumt haben, weil sich die Studios immer größere Teile des sprichwörtlichen Kuchens in die Tasche stecken und noch dazu Kunstschaffenden damit drohen, sie durch KI zu ersetzen. Hisst die Flaggen!

Mal ganz davon abgesehen, dass seit Salazars Rache mehrere Projekte semi-offiziell angekündigt und von der Gerüchteküche heraufbeschworen wurden, ohne dass irgendwas passiert ist, und ich daher nicht zu früh jubilierend in die Luft springen möchte: Mazins "zu seltsam"-Kommentar und die Behauptung, dass es direkt nach den Streiks losgehen könnte, sind für mich Anlass genug, zu fabulieren:

Welche Talente könnten Bruckheimer und Disney auf dem Regiestuhl platzieren, um meine Vorfreude in die Höhe schnellen zu lassen und mir Mut zu machen, dass sich "zu seltsam" nicht als leere Phrase herausstellen wird? (Stets vorausgesetzt, dass sie auch wirklich Lust haben. "Naja, irgendwie muss ich ja meine Hypothek abbezahlen"-Motivation für den Regiejob brauche ich nicht in meiner Lieblingsfilmreihe.)

David Prior

Womöglich mein heimlicher Lieblingskandidat für den Pirates of the Caribbean-Regieposten. Mit The Empty Man schuf er den goreverbinskihaftesten Film, den jemals eine Person gedreht hat, die nicht Gore Verbinski ist. Und was wäre angebrachter bei einem PotC-Teil als genau diese Energie, noch dazu bei einem Skript, das angeblich disney-untypisch seltsam sein soll?

David Fincher

Ja, eine absolut unrealistische Wahl. Fincher steckt die Alien 3-Erfahrung noch immer zu tief in den Knochen, als dass er bereitwillig in eine bestehende Filmreihe springen würde, und seine gescheiterten Anläufe, bei Disney eine 20.000 Meilen unter dem Meer-Neuinterpretation vom Stapel laufen zu lassen, dürften ihn auch nicht von der Idee schwärmen lassen, für's Maushaus nun die Segel gen Karibik zu setzen. Aber: Allein, dass in Fincher ein abenteuerversessener Knabe steckt, der für Disney einen Effektfilm drehen möchte (wäre das Studio halt was zuvorkommender), macht ihn zu einem guten PotC-Kandidaten. Zumal man disneyfilmhistorisch eine direkte Linie von Käpt'n Nemo zu den verfluchten Piraten ziehen kann.

Noch dazu ist David Fincher bekennender Gore-Verbinski-Fan. Nicht, dass der Regisseur hinter Sieben, Zodiac, Panic Room, Fight Club, Gone Girl und Mank es nötig hätte, noch weiter in meiner Sympathie zu steigen. Aber eine Wertschätzung für Verbinskis Schaffen ist zweifelsohne ein großer Bonus, will man in meiner Fantasie den Pirates of the Caribbean-Regieposten ergattern.

Julia Ducournau

"Zu seltsam", Herr Mazin? Hm? Dann lasst uns das Skript doch der Regisseurin von Raw und Titane überreichen, es ihrem Geschmack anpassen und sie dann mit einem großen Budget in die Karibik verschwinden, wo sie fernab der sich einmischenden Disney-Studiobosse ihr Piratending zuzieht. Das würde mich vorfreudig zappeln lassen. Pirates of the Caribbean war eh schon das hormonell aufgeladenste Franchise unter der Disney-Flagge, mal gucken, was die schräge Bodyhorror-Indie-Französin mit einem Hang für sexuelle Unter-, Zwischen- und Übertöne draus macht!

Und Filmtwitter wieder einmal brennen sehen, weil sich irgendwer an ein Franchise "verkauft" hat, ist auch ein Spaß. (Zumal in einer idealen Welt Hollywood durch Barbie nicht die Lektion lernt "mehr Mattel braucht das Kino", sondern "lasst kreative Frauen mal mit massig Geld haushalten, wird schon".) 

Guillermo del Toro

Komm schon, Disney. Lass den Mann wenigstens eine Bahn verfilmen!

Aritz Moreno

Schräger Humor, ein Sinn für große Bilder und das Jonglieren vieler Figuren, gepaart mit einem Auge für's Sonderbare: Von Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden hinein in Disneys Fluch-Karibik. Also, ich fänd's spannend.

Joseph Kosinski

Hat eine etablierte Arbeitsbeziehung mit Disney (Tron: Legacy) und Jerry Bruckheimer (Top Gun: Maverick), kann hervorragende Bilder und die Soundtracks seiner Filme sind im Normalfall absolut klasse. So gesehen trifft er einige der Grundvoraussetzungen für einen Pirates of the Caribbean-Film, auch wenn er aus dieser Liste der am wenigsten "sonderbare" Kandidat wäre. Aber selbst wenn ihm der "Was? Er?!"-Faktor fehlt: Er hat einst Tron: Legacy durchgerungen, was auch nicht gerade der archetypische Disney-Big-Budget-Film ist. Und da wir hier gerade eh träumen: Direkt nach PotC 6 kann er ja auch endlich Tron 3 drehen. (Sorry, Joachim Rønning. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem Tron-Film von dir und von Kosinski, dann nehme ich Kosinski.)

Alfonso Cuarón

Damit er auch mal in einem Franchise herumwerkelt, für das ich mich erwärmen kann. Und weil ich gespannt wäre, über wie viele Schiffsdecks er einen Longtake gehen lassen würde.

Coralie Fargeat

Die Revenge-Filmemacherin zählt David Cronenberg, David Lynch und Michael Haneke zu ihren Vorbildern, was nun nicht gerade nach einem Abstecher in Disneys Karibik klingt (auch wenn Cronenberg immerhin mit Keira Knightley zusammengearbeitet hat, will man hier Six Degrees of Disney Pirates spielen). Doch nicht nur, dass sie mit ihrer Regiearbeit an der Netflix-Serie The Sandman bewiesen hat, sich nicht vor etablierten Popkulturmarken zu scheuen:

Sie erklärte auch, sich zum absurd-opernhaften Kino zugezogen zu fühlen, und je nach Regisseur war die PotC-Saga auch durchaus eine sehr absurde Rockoper. Noch dazu nennt sie als weiteres Vorbild John Carpenter, und da Pirates of the Caribbean 6 laut Mazin "zu seltsam" wird, hätte Fargeat ja hiermit die Gelegenheit, ihrer Filmografie ein Projekt zuzufügen, das bei ihr ähnlich hervorsticht wie Big Trouble in Little China aus Carpenters.

Gina Prince-Bythewood

The Woman King vereint prunkvolle Action, Entertainment vor historischer Kulisse mit grandiosen Kostümen und nuancierte Charakterköpfe von Figuren, die locker von dramatisch zu schnippisch wechseln können. Der Film ist eigentlich ein starkes Bewerbungsvideo, von Hollywood eine Wagenladung voll Geld und den Auftrag "Hier, mach was Aufwändiges draus" zu erhalten, und mir kann niemand erzählen, dass Pirates of the Caribbean nach The Woman King ein Stilbruch für Prince-Bythewood wäre. Aber für Disney wäre sie eine interessantere Wahl als etwa einem Shawn Levy, Alan Taylor oder (sorry) Kenneth Branagh (der sich doch lieber seinen biografisch motivierten Passionsprojekten, Shakespeare und Agatha Christe widmen sollte, als dem Popcorn-Effektkino) die Zukunft der verfluchten Karibik zu überlassen.

Wen würdet ihr euch für Pirates of the Caribbean 6 wünschen? Und werden wir es jemals schaffen, wieder einen PotC-Film und einen neuen Gore-Verbinski-Film im selben Jahr spendiert zu bekommen? Beantwortet erste Frage gerne in den Kommentaren und drückt für ein "Ja" bezüglich der zweiten Frage die Daumen, me hearties, yo-ho!

Mittwoch, 26. Juli 2023

Geistervilla

Was wir hatten

Die Fangemeinde der Disney-Themenparks ist so bunt durcheinander gewürfelt, dass es wohl keine steile These ist, dass jede Disney-Attraktion für irgendwen die Lieblingsattraktion darstellt. Zugleich ist es ebenso risikofrei, zu behaupten, dass sich zwei Attraktionen einen besonderen Platz in den Herzen der Disney-Fans erkämpft haben: Pirates of the Caribbean und Haunted Mansion gelten ungebrochen als Paradebeispiele dafür, wie Themenparkfahrten ein immersives, atmosphärisches Erlebnis mit Witz, Persönlichkeit und fragmentiertem, in sich schlüssigem Storytelling bieten können. Und all das, ohne sich als Adaption bestehender Filme zu präsentieren.

Es war bloß eine Frage der Zeit, bis die Disney-Studios zu ihrem Themenpark-Geschwisterchen rüber blicken und an diesen ikonischen Attraktionen bedienen. 2003 erfolgte der Doppelschlag: Gore Verbinski brachte mittels Rückendeckung durch Produzent Jerry Bruckheimer die abenteuerlichen Piraten auf die große Leinwand und machte Fluch der Karibik zu einem Sensationserfolg, der ein eigenes Kino-Franchise begründete und den Disney-Konzern nachhaltig veränderte.

Der König der Löwen-Co-Regisseur Rob Minkoff unterdessen verwirklichte mit Disney-Trickfilm-Produzent Don Hahn sowie Freaky Friday-Produzent Andrew Gunn im Rücken die hierzulande Die Geistervilla betitelte Haunted Mansion-Adaption. Die hinterließ kaum Eindruck in der Popkultur, nicht einmal in der Disney-Fangemeinde. Und wenn sich wer an sie erinnert, so wird sie vornehmlich als verschenkte Chance geschunden, einer legendären Bahn gerecht zu werden.

Vor allem der piefige, überzogene Humor rund um Eddie Murphy und seine Film-Familie wird kritisiert, während das Produktionsdesign und die praktischen Effekte durchaus hier und da Lob erhalten. (Der Fairness halber: In den USA entwickelte sich der Film nicht zuletzt dank regelmäßiger TV-Wiederholung zu einem kleinen Nostalgie-Favoriten innerhalb der Jahrgänge, die 2003 noch zur jungen Kernzielgruppe gehörten. Dass er eines Tages zu einem Kult wie Hocus Pocus heranwächst, wage ich noch zu bezweifeln, und einen Meinungswandel innerhalb der Themenpark-Fangemeinde habe ich auch nicht beobachtet.)

Schon früh stand fest: Darauf kann man es nicht beruhen lassen. Die Geistervilla muss einen erneuten Anlauf erhalten!

Was uns verwehrt blieb

Der womöglich weltgrößte Haunted Mansion-Fan ist zufälligerweise auch einer der prestigeträchtigsten Regisseure unserer Zeit: Guillermo del Toro, seines Zeichens Disney-Fan und Liebhaber des Grotesken, hat ganze Räume seines Hauses seiner Haunted Mansion-Passion gewidmet. Kein Wunder, dass er sich ins Gespräch für eine erneute Adaption gebracht hat. Jahrelang trat das Projekt auf der Stelle, bis ein berühmter Schauspieler für die Hauptrolle anvisiert wurde. Noch dazu einer, der bekennender, glühender Disney-Park-Fan ist, seine Karriere im Mickey Mouse Club begann und die Haunted Mansion liebt (aber das Nightmare before Christmas-Overlay hasst): Ryan Gosling!

Dieser Film ist aus nicht genauer bekannten Gründen geplatzt. Setzt hier einfach "kreative Differenzen" ein, rollt die Augen, wie feige Disney wohl war, und seid euch gewiss, dass del Toro stattdessen Referenzen auf die Haunted Mansion in einigen seiner Filme versteckte. Insbesondere Crimson Peak ist ein einziger "Ich mache dann halt meine total disneyunkompatible Version"-Traum von der Haunted Mansion.

Was wir stattdessen bekommen haben

Die alleinerziehende Mutter Gabbie (Rosario Dawson) zieht mit ihrem Sohn Travis (Chase W. Dillon) in ein großes, staubiges Anwesen in New Orleans. Kaum haben sie das Haus betreten, erleben sie sonderbare Dinge und fliehen. Doch sie konnten das Unheil nicht abschütteln: Ein Geist hat sich ihnen angeschlossen und nervt sie, egal wo sie sind. Also kehren sie in die verfluchte Villa zurück und versuchen, den Ereignissen auf den Grund zu gehen. Dazu heuern sie den ehemaligen Physiker Ben (LaKeith Stanfield) an, der sich nun als Tourguide verdingt. Auch der exzentrische Priester Kent (Owen Wilson), das Medium Harriet (Tiffany Haddish) und der ans Übernatürliche glaubende Geschichtsprofessor Bruce (Danny DeVito) schließen sich der Truppe an...

Ob Regisseur Justin Simien genauso von der Haunted Mansion besessen ist wie del Toro, darf bezweifelt werden. Aber auch er hat eine Passion für die Attraktion und war vor seiner Karriere als Filmemacher sogar Cast Member im kalifornischen Disneyland sowie zeitweise Teil eines Walt-Disney-World-Chors. Seine Disney-Vergangenheit macht sich in Geistervilla (ja, Disney macht den umgekehrten DC-Move, wo auf Suicide Squad ja The Suicide Squad folgte) auch zweifelsohne bemerkbar:

Geistervilla ist rappelvoll mit narrativen, akustischen und visuellen Rückgriffen auf die legendäre Bahn. Von der einprägsamen Tapete über Kerzenhalter und kunstvoll verzierte Absperrungen bis hin zu Dreh- und Angelpunkten der Attraktion wie dem "Stretching Room" oder Madame Leota (hier gespielt von Jamie Lee Curtis): Wer die Vorlage zum Film kennt, wird immer wieder Dinge erkennen. Selbstredend adaptiert Komponist Kris Bowers (Bridgerton) den aus der Attraktion bekannten Ohrwurm Grim Grinning Ghosts und mit narrativen Elementen wie "Es befinden sich 999 Geister im Haus" oder dem "Dir folgt ein Geist nach Hause"-Aspekt wird die potentiell generische Geisterhaus-Geschichte an die Disney-Vorlage angepasst.

Auch beiläufige inhaltliche Referenzen, wie die Anmerkung, dass es viele sich widersprechende Hintergrundgeschichten gibt, runden den Fanservice-Charakter des Films ab. Dabei reißen diese Querverweise nicht per se aus der eigentlichen Geschichte heraus: Wenn etwas kurioses geschieht, inszeniert Simien es so, dass Disney-Fans sich im "Aha, das kenne ich doch!"-Genuss suhlen können, während für Ahnungslose halt einfach das titelgebende Geistergeschehen geliefert wird. Trotzdem scheitern die Verantwortlichen dabei, ein wirklich makelloses Gleichgewicht aus Fanservice und "Es darf nicht ablenken" zu erzielen:

Hier und da verweilt die Kamera dann doch zu lang auf einem Easter Egg oder lassen Simien und Filmeditor Phillip J. Bartell (Eating Out 2: Sloppy Seconds) nach einem verbalen Querverweis eine zu lange "Hier wird nun in Anaheim, Orlando oder Tokio sicher heftig applaudiert"-Dialogpause. Das stört den erzählerischen Fluss, könnte manchen Teilen des Publikums ein zu klares "Ich denke, ich habe da was nicht verstanden"-Gefühl geben und ist in einer 123 Minuten langen Familien-Geisterkomödie einfach nicht nötig.

Was mich derweil positiv überrascht hat: Simien, der zuvor auch Dear White People und Bad Hair gemacht hat, bekommt in Geistervilla den Raum, seine authentische Perspektive auf die Erfahrungen von BPoC zu präsentieren. Geistervilla ist zwar trotzdem mit Abstand sein am wenigsten über die Lebenswirklichkeit schwarzer Menschen in den USA erzählender Film. Aber während die Eddie-Murphy-Variante genauso von einer weißen Familie hätte handeln können, lebt und atmet dieser Film wenigstens eine Spur der Black Community in New Orleans. Und im Falle von Stanfields Figur unterstreicht tatsächlich das Hairstyling seiner Figur ein Stück weit die Charakterzeichnung.

Drehbuchautorin Katie Dippold derweil ließ mich schon bei Ghostbusters: Answer the Call mehrmals an Haunted Mansion denken, und ihr Gespür für familientaugliche Kalauer mit optionalem, makabrem Touch lebt sie auch dieses Mal aus. Vor allem Haddishs Harriet, die stets Fehlurteile darüber fällt, wie deutlich sie sich in Anwesenheit von Kindern über garstige Dinge äußern darf, liefert dahingehend ab. Wilson und DeVito wiederum agieren ungefähr genau so, wie man es in solch einem Film von ihnen erwarten würde - und das kommt in Dippolds erzählerischem Kontext und unter Simiens Inszenierung solide-kurzweilig rüber.

Als Einsteiger-Gruselkomödie, geschweige denn "normale" Gruselkomödie funktioniert Geistervilla derweil überhaupt nicht. Das ist, abhängig von der persönlichen Meinung diesbezüglich, wie gruselig denn die als Inspiration dienende Bahn denn nun ist, entweder vollkommen egal oder ein Problem. Ich zumindest sehe die Haunted Mansion als wundervoll-amüsante Annäherung ans Geisterthema an und nehme daher keinen Anstoß an einer Verfilmung ohne Gruselfaktor - was natürlich nicht heißt, dass ich del Toros schaurigere Variante abgelehnt hätte. (Und wenn jemals die Phantom Manor aus dem Disneyland Paris adaptiert wird, werde ich sowieso andere Maßstäbe ansetzen!)

Statt einen schaurigen Spaß zu kreieren, schufen Dippold und Simien daher einen rar gewordenen Rücksturz zu den Disney-Realfilmkomödien der 1950er bis 1970er: Wir sehen einer verschrobenen Figurengruppe dabei zu, wie sie durch eine Abfolge von kuriosen Ereignissen ihren Charakter formt - mit vielen Schmunzlern, etwas Slapstick und einem andersweltlichen Gimmick. Ich fühlte mich ganz konkret in Filme wie Der unheimliche Zotti, Charley und der Engel oder Käpt’n Blackbeards Spuk-Kaschemme versetzt, was ich charmant fand, euch allen da draußen aber auch klar mitteilen sollte, dass Geistervilla im Jahr 2023 eine extrem spitze Zielgruppe hat.

Zumal Simien das Geplänkel seiner Charakterköpfe immer wieder für Phasen pausiert, in denen Stanfields Ben an den frühen Tod seiner großen Liebe erinnert wird und ihn endlich zu verarbeiten versucht. Stanfield gelingt es hervorragend, diese Wechsel hin von Disney-Retrokomödie hin zu familientauglicher Trauerverarbeitungs-Dramödie darstellerisch zu tragen, und seine Figur durchweg stimmig zu halten, ganz gleich, wie zerrissen der Film ist.

Aber Simien und Dippold straucheln gelegentlich dabei, diese zwei Ansätze zu vereinen. Für jede beseelte Szene, in der etwa ein berührendes Gespräch zwischen Ben und Travis durch einen aus dem Leben gegriffenen "Kinder im Grundschulalter rennen mitten in einem profunden Gespräch davon und wollen jetzt einfach spielen"-Gag unterbrochen wird, woraufhin eine albern-herzliche Montage folgt, oder Ben seine verstorbene Partnerin liebevoll anhand von Dingen beschreibt, die ihn einst nervten, gibt es eine bemühte Passage, in denen man im Kinosaal förmlich spürt, wie Simien und Dippold gerade so die Nähte ihres Flickenteppichs zusammenhalten.

Wäre Geistervilla optisch etwas wertiger und zudem flüssiger erzählt, ließe sich das leichter verzeihen. Aber da der Film ein paar Längen hat, und das gute Produktionsdesign mit einem etwas matschigen Color Grading und einem Übermaß an unbeseelten Effekten konkurriert (insbesondere im Finale), fehlt einfach dieser gewisse Funken an kunsthandwerklicher Passion, der über so etwas hinwegtäuschen könnte.

Dafür ist es erstaunlich, wie sehr Geistervilla im Dialog-Duktus an Magic in the Moonlight erinnert. Da Simien den Regisseur hinter besagter Schmunzelattacken-Séancendramödie zu seinen künstlerischen Einflüssen zählt, lag es womöglich auf der Hand, dass Simien den Cast seiner geisterhaften Komödie in einem ähnlichen Takt und einer vergleichbaren Sprechfarbe agieren lässt. Nicht, dass er direkt bei dem Film abgeguckt hätte, aber es ist offensichtlich, dass er sich einem ähnlichen Thema auf vergleichbare Weise nähert...

Dessen ungeachtet, seid mal ehrlich: Wer hatte auf seiner 2023-Bingokarte "Ein und derselbe Film wird sich bei Woody Allen und Disney-Realfilmkomödien der 1950er bis 1970er bedienen, und zudem sein Storytelling non-verbal durch die authentische Darstellung von BPoC-Frisuren stützen"?

Ein Fazit, das den Stretching Room nimmt: Wenn ein Film, über den riesig groß "Disney hat sich nichts getraut und daher del Toro ein Projekt weggenommen, um es stattdessen einem deutlich kleineren Namen zu geben"-Signale schweben, es trotzdem vermeidet, wie ein von Studiokomitees am Reißbrett entwickelter Film zu wirken, ist das erst einmal begrüßenswert. Dass Simien und Dippold eine eklektische Ansammlung an Einsätzen und Einflüssen zusammengeworfen haben, sorgt für tonale Farbe in einer Disney-Realfilmära, in der so etwas selten geworden ist.

Aber der Verzicht auf große Lacher und packende Geister-Setpieces sorgt im Zusammenspiel mit der eher ernüchternden Bildsprache des Films und zu viel narrativem Leerlauf für leichte Ernüchterung: Geistervilla ist auf dem Weg dorthin, denkwürdig und markant zu sein. Doch dem Film geht die dafür nötige Puste aus. Stattdessen ist es ein Film geworden, der für eine sehr spitze Zielgruppe charmante Unterhaltung bietet. Es ist ein Film für Leute mit meinem verschrobenen Geschmack, die sich an dem einen oder anderen Sonntagnachmittag aufs Sofa legen, in eine Decke murmeln und von dezent modernisiertem Disney-Retroflair umarmt fühlen wollen.

Ich kann Geistervilla nicht voller Überzeugung verreißen, aber auch nur sehr, sehr wenigen Menschen guten Gewissens empfehlen. Für Normalos ist es ein "Egal"-Film mit einem gefälligen Cast, ein paar Durststrecken und einigen Momenten, wo Humor oder Gefühligkeit genau ins Ziel treffen. Für mich ist er ein "Ich mag ihn mehr, als ich ihn respektiere"-Titel. Ich vergebe hier im Blog eigentlich keine Sterne-Bewertungen, aber um dieser langen Rede endlich einen kurzen Sinn zu verleihen: Das hier wäre so ein "2,5 von 5 Sternen - mit einem Herz"-Ding. Hurry back! 

Geistervilla ist ab dem 27. Juli 2023 in einigen deutschen Kinos zu sehen.