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Sonntag, 13. Oktober 2024

Mediathenken-Tipps (12. Oktober 2024)

Border (Magischer-Realismus-Drama, 2018) Ali Abbasis Film über eine schwedische Zollbeamtin, die einen sechsten Sinn zu haben scheint, Sehnsucht nach Liebe und Kindesentführung. Einfühlsam, schräg, dramatisch. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 28. Oktober 2024

Dick & Doof (Filmsammlung, verschiedene Jahrgänge) Hach, da werde ich ganz nostalgisch: Durch Das Erste habe ich als Knirps diverse Schwarz-Weiß-Slapstickgrößen überhaupt erst kennen- und liebengelernt, jetzt gibt es in der ARD-Mediathek eine ganze Sammlung an Filmen mit Stan Laurel & Oliver Hardy. Viel Spaß! ARD-Mediathek, Abruf-Verfallsdatum variiert von Film zu Film - die ersten laufen am 31. Oktober 2024 aus

Anna und die Apokalypse (Weihnachtliche Zombie-Musicalkomödie, 2017) John McPhail hervorragender Musicalspaß über Jugendliche, die zur angeblich wundervollsten Zeit des Jahres erkennen müssen, dass die Zukunft überaus ungewiss und für viele von ihnen das Ende nah ist. Und Zombies sind auch unterwegs! Ella Hunt, Marli Silu und Sarah Swire sind klasse, die Songs super - es ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme der letzten zehn Jahre. ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 3. November 2024

David Copperfield - Einmal Reichtum und zurück (Drama, 2019) Armando Iannuccis farbenfroh ausgestattete und locker-leicht-zügig erzählte Variation des Romans von Charles Dickens, mit einem losgelösten Dev Patel in der Titelrolle. Nicht der große Wurf, den dieser Ansatz verdient hätte, aber hübsch anzuschauen und eine originelle Annäherung an die Vorlage. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 6. November 2024

Love & Friendship (Kostüm-Dramödie, 2016) Jane Austens Briefroman Lady Susan, schön schnippisch umgesetzt und mit einer Kate Beckinsale, die mal daran erinnern darf, was sie mimisch drauf hat. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 7. November 2024

Marc-Antoine Charpentier: Médée (Opern-Aufzeichnung, 2024) Der Schotte David McVicar verlegt Marc-Antoine Charpentiers tragische Oper über eine von ihrem Gatten betrogene Zauberin, die sich auf einen blutigen Rachezug begibt, in ein britisches Armeequartier während des Zweiten Weltkriegs. Eindringlich! arte-Mediathek, abrufbar bis zum 30. Mai 2025

Samstag, 8. Juni 2024

Mediatheken-Tipps Spezial (8. Juni 2024)

 Kein Mucks! in Concert (Krimimusikkonzert, 2024)

Hörspielliebhaber Bastian Pastewka führt nun schon seit Jahren durch den Podcast Kein Mucks! in dem er durch die Archive der ARD-Radiowellen stöbert und Krimi-Hörspiele vorstellt. Was läge da näher, als ihn in einen Frack zu stecken, neben das WDR-Funkhausorchester zu stellen und ein Konzert voller Krimimelodien moderieren zu lassen? Mit seinem typischen Humor begleitet Pastewka einen Abend, der neben Evergreens wie der Miss Marple-Titelmelodie auch kriminalmusikalische Geheimtipps aus weitestgehend vergessenen Hörspielen umfasst. Zudem arrangierte Max Knoth beeindruckende Medleys aus Parodie und Vorlage, sowie schöne Suiten aus verschiedenen Musik-Interpretationen bekannter Krimi-Ermittler. Starkes Konzert.

Heldenreise: Broadway- und Film-Hits (Musical- und Filmkonzert, 2021)
Viel Disney, ein wenig Shrek und Wicked sowie ein feierlicher Konzertabschluss mit La La Land: die Musical-Stars Bettina Mönch und Dominik Hees singen, vom WDR-Funkhausorchester begleitet, Lieder, die ins Ohr und die Tanzbeine gehen. Gute Laune ist da sicher.

Wilder Westen (Filmmusikkonzert, 2019)
Natürlich erklingen Bernstein und Morricone, doch der Wilde Westen, interpretiert vom WDR-Funkhausorchester, ist noch facettenreicher. Haut die Bohnen in die Pfanne und nippt was Moonshine, es wird rau-romantisch.

So schön wie heut' (Konzert-Zeitreise in die Radiomusik der 1950er, 2023)
Gastgeber/Sänger Götz Alsmann, Sängerin Caroline Kiesewetter und Dirigent Jochen Neuffer bringen das WDR-Funkhausorchester und die WDR Big Band zusammen, um uns in die Klangwelt Deutschlands in den 1950er-Jahren zurückzuführen: Durch gewitzt-informative Einführungen kommentiert, ertönen die Radiohits der Wiederaufbaujahre, in denen eine Nation beschlossen hat, ihr Gedächtnis stummzuschalten, ein Wirtschaftswunder herbeizuschuften und sich mobil wie nie zuvor im Süden Europas zu erholen. 

Big Band Beethoven (Big-Band-Klassikkonzert, 2024)
Mit pandemiebedingter Verspätung zelebriert die WDR Big Band den 250. Geburtstag Beethovens, indem sie einige seiner bekanntesten Stücke auseinanderpflückt und im Big-Band-Sound rekonstruiert. Eine smarte, schöne und schmissige Verschmelzung der Klangwelten!

Das Konzert mit der Maus: Komponistinnen (Kinderfreundliche Konzertvermittlung, 2023)
Die Maus, Dirigentin Katharina Winco, das WDR-Sinfonieorchester, Moderatorin Jana Forkel und Moderator Johannes Büchs präsentieren einen faszinierenden Querschnitt an Werken einflussreicher Komponistinnen - wie Keiko Abe, Louise Farrenc und Ethel Smyth. 

Warum diese speziellen "Mediatheken"-Tipps? Die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Sender ist ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie oder halt im realen Leben: Die Rundfunkorchester spielen in Deutschland einen großen Beitrag zur Kulturvermittlung und genießen internationales Ansehen.

Daher überrascht es mich, dass ich in der ARD-Mediathek keine vollständigen Konzerte der ARD-Orchester gefunden habe (möglich, dass es sie in der Mediathek gibt - sie ist zwar sehr, sehr gut, ihre Suchfunktion aber nicht). Dafür gibt es allerdings eine Fülle an Konzerten auf YouTube. Und da ich seit der Veröffentlichung des Spielplans 24/25 der WDR-Ensembles recht viel über sie nachdenke, hatte ich Lust, euch so an meiner Freude teilhaben zu lassen. Einzelne Stücke dieser Ensembles kann man in der ARD-Mediathek finden und die Konzerte sind auch bei YouTube frei von nervigen Werbepausen!

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Samstag, 7. März 2020

Musikalisches Immergrün – Die besten Disney-Songs der Dekade (Teil VI)

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Platz 50: Ich werd niemals schweigen ("Speechless") aus Aladdin
Musik: Alan Menken, Text: Benj Pasek & Justin Paul (dt. Text von Nina Schneider)

Ich bin wahrlich nicht der größte Fan des Aladdin-Realfilmremakes, doch im Falle des neu für die Guy-Ritchie-Regiearbeit geschriebenen Songs Speechless stelle ich mich dann doch auf die Seite jener, die den Film verteidigen. Ja, ich finde die dazugehörige Szene etwas ungelenk inszeniert, aber das Lied selber sagt mir zu. Nicht nur, dass Alan Menken sich die Mühe gemacht hat, die Melodie zu Speechless als neues Leitmotiv durch den Score zu ziehen und so dagegen zu arbeiten, dass es sich wie ein Fremdkörper anfühlt. Es ist auch hübsch konstruiert: Es beginnt mit einer sanften Piano-Melodie, ehe nach und nach zusätzliche Instrumente einsteigen, zu voller Alan-Menken-Power kulminieren und letztlich wieder zum simplen Arrangement zurückkehren. Naomi Scott singt das Stück im Original zudem mit packender Power.


Platz 49: Like Me aus Teen Beach Movie
Musik und Text: Antonina Armato, Tim James, Thomas Sturges, Jon Vella und IN-Q

Eine frohe, muntere, kleine und simple Nummer, die den Retro-Teen-Musical-Stil gekonnt mit der modernen Disney-Channel-Musical-Klangästhetik kollidieren lässt: "Die Jungs" und "die Mädels" aus Teen Beach Movie treffen sich, um sich rauszuputzen - und die Figuren aus dem Strandfilmklassiker, in dem unsere Realwelt-Hauptfiguren gelandet sind, singen mit altmodischen Rollen- und Schönheitsbildern auf die Protagonisten ein. Die reagieren verdattert. So entsteht ein Gute-Laune-Lied, das seine gewollte Altbackenheit immer wieder ein klein wenig aufbricht.


Platz 48: Determinate aus Lemonade Mouth
Musik und Text: Niclas Molinder, Joacim Persson, Johan Alkenäs, Charlie Mason, Ebony Burks und Hicks

Lemonade Mouth hält in der Riege der Disney Channel Original Movies eine eigenartige Position inne. Es ist ein musikzentrischer Film in der Post-High School Musical-Ära, gleichwohl hat er kaum etwas vom Camp-Element zu bieten, das die Disney-Channel-Filme seit 2006 so sehr ausmacht. Stattdessen ist es eine dramatische, leicht komödiantische Coming-of-Age-Geschichte über eine Band voller (gewollter und versehentlicher) Schulrebellen. Determinate bringt einen wuchtigen Elektro-Sound mit sich und eine jugendlich-ungestüme Attitüde, die dennoch auch nach (gut gemachter) Chart-Mucke klingt. Eine spannende Mischung!


Platz 47: At Last it's Me aus Freaky Friday
Musik: Tom Kitt, Text: Brian Yorkey

Welch verworrene Wege Disney-Projekte gehen können, lässt sich wunderbar an Freaky Friday von 2018 vorführen: Die Idee einer Körpertausch-Komödie, in der eine Jugendliche und ihre Mutter einen Freitag im Körper der jeweils anderen verbringen, nahm 1972 in einem Buch ihren Anfang, das Disney 1976 mit Jodie Foster und Barbara Harris fürs Kino verfilmt wurde. Dieser Kinoerfolg wurde 1995 fürs Fernsehen neu adaptiert (mit Shelley Long und Gaby Hoffmann) und 2003 noch einmal fürs Kino - dann mit Jamie Lee Curtis und Lindsay Lohan. 2016 feierte dann ein Bühnen-Musical seine Premiere, das von der Buchvorlage und den beiden Disney-Kinoadaptionen inspiriert war. Und 2018 wurde aus diesem Musical ein Disney Channel Original Movie, der zwar so seine dramaturgischen Schwächen hat, aber mit Cozi Zuehlsdorff eine regelrechte Entdeckung von einer Jung-Hauptdarstellerin mitbringt. Sie ist einfach brillant und hat so eine zugleich moderne, frische, junge Ausstrahlung wie eine zeitlos-galante, leicht bossige Qualität, wenn sie die Mutter im Körper ihrer Tochter spielt. Ich hoffe sehr, dass wir noch mehr von ihr sehen werden! Was die Songs im Bühnenstück und TV-Film angeht, so finde ich die meisten recht austauschbar - doch der Schlusssong ist so lebhaft und losgelöst, und hat dabei dennoch eine besonnene-gesittete Art an sich, die der Figur gut zu Gesicht steht.


Platz 46: Oh Biology aus Freaky Friday
Musik: Tom Kitt, Text: Brian Yorkey

Noch lieber als At Last It's Me finde ich aber Oh Biology, eine Nummer aus der Mitte des Films, wenn die Körper schon getauscht sind und die Mutter im Körper ihrer Teenie-Tochter pubertäres Hormonflattern erlebt, als sie sich einem Mitschüler nähert. Diese Prämisse der Szene sorgte für ein Mini-Skandälchen, da manche Leute dieses Schwärmen zwischen erwachsener Frau im Teenie-Körper und Teenager ... nun ja ... wagemutig fanden. Ich finde es eine gut geschriebene Nummer mit pfiffigen Lyrics und eingängiger Melodie. Mein Highlight des Freaky Friday-Musicalfilms!

Mittwoch, 15. Juli 2015

Waldbühne Berlin: Disney in Concert



Es gibt kein Filmstudio, das so magische Produktionen erschafft wie Disney. Und es gibt kein Studio, dessen Werke der Welt so unvergessliche Melodien bescheren, wie die aus der in Burbank beheimateten Traumfabrik. Ergo: Es gibt keine magischeren Klänge als Disney-Musik. Insofern ist es verwunderlich, dass Disney jahrzehntelang zwar Eiskunstlaufshows um den Globus touren ließ, während sich der 1923 gegründete Traditionskonzern in Sachen Konzertveranstaltungen eher zurückhielt. Mittlerweile werden aber verstärkt Disney-Konzertreihen angeboten, wobei diese im deutschsprachigen Raum bislang primär dem Schema einer Event-Kinovorführung folgten: Ein Film aus dem Disney-Archiv wird in einer Philharmonie auf einer Riesenlandwand gezeigt, während ein Orchester live die Musikspur rekreiert. Mit der Fluch der Karibik-Reihe und Fantasia ging dies bereits auf Tournee, in München wurde zudem Tim Burtons Alice im Wunderland auf diese Weise zelebriert.

Diesen Sommer ging Disney in Concert endlich den nächsten Schritt: Erst in Leipzig, am 11. Juli dann auch vor der traumhaften Kulisse der Waldbühne Berlin, gab es ein waschechtes Disney-Konzert zu bestaunen. Ein bunter, vielseitiger Mix aus beliebten Disney-Instrumentalstücken und -Songs, live dargeboten von einem Symphonieorchester und talentierten Sangeskünstlern. Die obligatorische Bewegtbildbegleitung auf einer Leinwand blieb auch diesem Event erhalten, von zwei Fantasia-Ausschnitten abgesehen waren diese aber nicht sklavisch an die Livemusik gebunden, sondern sollten nur zur visuellen Bereicherung und zur Verstärkung der Atmosphäre gedacht.

Und was soll ich sagen ..? Disney in Concert auf der Waldbühne Berlin stellte nicht nur vom Grundkonzept her den nächsten Schritt in Disneys hiesiger Konzerthistorie dar: Es war auch qualitativ ein gewaltiger Sprung nach vorne. Dabei bin ich ja schon inniger Fan der bisherigen Disney-Konzerte. Aber so wundervoll wie dieses Konzert war bislang keine Disney-Veranstaltung, die ich auf deutschem Boden erleben durfte!

Dies ist unter anderem dem Moderator zu verdanken: Steven Gätjen, der 2014 schon The Sound of Hollywood moderierte, führte mit einer idealen Balance aus seriöser Eleganz und verspielter Albernheit durch das Programm. Er streute genügend Informationen ein, um die Zuschauer, die keinen Abschluss in Disneyologie haben, kurzweilig weiterzubilden, und verzichtete zugleich auf Banalitäten, die mich als Disney-Narren gelangweilt hätten. Und so lustig seine Anekdoten von Disney Filmparade-Drehs oder kuriosen Hintergrundfakten über diverse Disney-Filme waren, raubte der Schlag den Raab-Moderator der Veranstaltung nie ihre märchenhaft-umwerfende Ausstrahlung. Im Gegenteil: Mit einer ehrfürchtigen Verneigung vor Walt Disney und authentischen Schwärmereien für seine Lieblingsstücke des Abends gab Gätjen mit seinen Moderationen dem Abend den letzten Schliff.


Aber ein Konzert ist nur dann ein gelungenes Konzert, wenn die musikalischen Aspekte stimmen. Also die Auswahl der dargebotenen Stücke und deren Umsetzung. Und auch in dieser Hinsicht bin ich voll des Lobes! So gelang den Verantwortlichen mit der Setlist das diffizile Kunststück, einerseits dem nach Hits hungernden Publikum einige der wichtigsten, größten Disney-Nummern zu kredenzen. Und andererseits die nicht ihr ganzes Leben nach Disney ausrichtenden Besucher auch mit unbekannten Melodien zu überraschen und so Unerwartetes, Neues zu bieten. Für mich als Disney-Freak derweil war es eine tolle Mixtur aus den obligatorischen Klassikern und immer wieder gern gehörten Stücken aus weniger offensichtlichen Kompositionen, bei denen ich mich stets freue, wenn sie Aufmerksamkeit erlangen. So mischten sich in die instrumentale Ouvertüre, die einige der größten Mary Poppins-Hits und auch Melodien aus Peter Pan und Cinderella umfasste, hierzulande kaum bekannte Stücke wie Zip-A-Dee-Doo-Dah und der Mickey Mouse March. Während die Disney-Renaissance mit einem Arielle-Medley, Das Farbenspiel des Winds aus Pocahontas, einer Suite zu Die Schöne und das Biest sowie einem Gänsehaut erzeugenden Der König der Löwen-Querschnitt auf ihre Kosten kam, sowie mit einem Mini-Aladdin-Medley plus einem Auftritt der Hauptdarsteller des kommenden Aladdin-Musicals in Hamburg, wurden auch Erfolge der jüngeren Jahre geehrt, Es gab einen fetzigen Durchmarsch durch die wichtigsten Stücke des ersten Fluch der Karibik-Teils, aus Rapunzel gab es Endlich sehe ich das Licht zu hören und zum krönenden Abschluss fegte Lass jetzt los aus der Eiskönigin alle davon. Außerdem gab es aus Fantasia 2000 die Karneval der Tiere-Sequenz zu sehen und zu hören. Die Walt-Disney-Ära bediente man mit dem Zauberlehrling, I Wanna Be Like You aus Das Dschungelbuch, einem gesungenen Mary Poppins-Medley und mit dem ultraspaßigen Ohrwurm aus der Hölle Diese Welt ist klein, so klein.

Wer nun denkt "also doch nur große Hits" ist erstens disneyaffiner als mancher Konzertbesucher und muss zweitens bedenken, dass die Medleys eben nicht nur die auffälligeren Lieder der jeweiligen Filme absteckten. Sondern auch kleinere Instrumentalstücke oder originell arrangierte Abwandlungen von Songs. Überhaupt war das Arrangement top: Mal ganz nah am Film, mal lehnte man sich leicht aus dem Fenster, ohne solche Katastrophen wie auf dem Tribute-Album I Love Disney zu verursachen. I Wanna Be Like You (gesungen von einem toll aufgelegten Michael Patrick Kelly) oder eine deutschsprachige, orchestrale, hochromantische Spielvariante der Radiopop-Singleauskopplung von Die Schöne und das Biest bleiben da besonders wohlig in Erinnerung. Dass Popsänger Chima die neue Textversion von Unten im Meer gesungen hat, mag ich derweil nicht als seine Schuld sehen (da hat sicher irgendwer von Disney seine Finger im Spiel gehabt), aber Text hin oder her, seine Interpretation konnte sich leider nicht ganz zwischen Charts, Reggae und Filmtreue entscheiden. Noch immer gut, aber an einem Abend voller Brillanz leider die klare Schwachstelle.

Die wahren Stars des Konzerts waren aber eh nicht die größeren Namen. Ja, Annett Louisan säuselte eine süße Variante der Rapunzel-Ballade (und das sage ich als jemand, der mit ihren Chartnummern sehr selten was anfangen kann), jedoch haben sich die Veranstalter einen Orden für die vier "Hauptinterpreten" verdient! Musicalstar Lars Redlich, Musical- und TV-Darstellerin Lucy Scherer vom Berliner Stadttheater, die belgische Disney-Synchronstimme Deborah de Ridder und Theater-Multitalent Veit Schäfermeier sorgten zwar nicht mit ihren Namen für Begeisterungsstürme, aber dafür umso mehr mit ihren Auftritten. Fantastische, wandlungsfähige Stimmen und beschwingte, aber nie aufgesetzte Performances, deren Energie bis in die hinteren Ränge zu spüren war. Einfach großartig! Stellenweise fühlte ich mich wieder direkt in die begnadeten deutschen Synchronfassungen der Disney-Klassiker versetzt  - und wenn jemand wie Lucy Scherer (die Redselige des Quartetts) überzeugend sowohl Pocahontas als auch eine deutsche Celine Dion sowie Elsa zum Besten geben kann, dann muss ich mir einfach erst einmal einen Hut kaufen, damit ich ihn dann voller Staunen ziehen kann! Doch Scherers Kollegen zeigten ebenfalls eine formidable Bandbreite, verschmolzen einerseits mit der Vorlage, gaben ihr aber zugleich eine eigene, neue, persönliche Note mit.

Kurzum: Es gibt für mich nur einen ernstzunehmenden Kritikpunkt am Berliner Disney in Concert. Ausnahmsweise dachte Disney nicht geldgierig genug! Das muss man sich erst einmal vorstellen! Wieso kann man sich keine Live-CD von diesem Event kaufen, weshalb wurde es nicht im Disney Channel übertragen und wen muss ich erpressen, damit es eine mit Bonusmaterial vollgestopfte Konzert-Mitschnitt-Blu-ray zu kaufen gibt? Ich will mir diese Darbietungen immer und immer wieder anhören! Disney, du greifst doch immer nach meinem Geld, wieso nicht auch jetzt?!

Und auf die Gefahr hin, dass ich mich darüber im nächsten Jahr wieder ärgern werde, sollte es denn wieder eine solche Veranstaltung geben: Ich gehe nochmal hin. Denn abseits der Disney-Parks ist es unmöglich, so gebündelte Disney-Magie zu tanken. Und selbst auf Disneys Grund und Boden ist es nicht durchgehend so supercalifragilisticexpialigetisch!

Montag, 7. Januar 2013

Elisabeth - die Demystifizierung einer Legende




Man hört nur was man hören will, drum bleibt nach etwas Zeit
Von Schönheit und von Scheiße, von Traum und Wirklichkeit
Nur Kitsch!




 

Als Michael Kunze und Sylvester Levay 1992 das Musical Elisabeth nach Wien brachten, löste die unerwartete Darstellung unter Kritikern wie Zuschauern einen kleinen Sturm aus. Das Stück zeigt das Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth fern von Kitsch und idyllischer Sissi-Mentalität; Elisabeth wird als starke, aber auch depressive Frau dargestellt, deren Leben aus einem ständigen Kampf gegen die Welt besteht.
Dabei liegt das Hauptaugenmerk nicht etwa auf der Beziehung zwischen Elisabeth und Franz Joseph, sondern im Vordergrund steht eine ganz andere Liebesgeschichte: Elisabeths ewige Anziehung zum Tod, der hier in personifizierter Form als ihr junger Geliebter dargestellt wird. Der Tod steht ihr gesamtes Leben lang an Elisabeths Seite und verführt sie in einer ständigen Hass-Liebe, die sie fortdauernd am Rand ihrer selbst balancieren lässt.
In dieser halb mystischen, halb psychologischen Darstellung wird schnell klar, dass Elisabeth für den Tod selbst eine besondere Rolle einnimmt - wie es der Geisterchor sagt, „Alle tanzten mit dem Tod, doch niemand wie Elisabeth“ - und das wegen ihrer eigenen Einstellung zum Leben und zu den Menschen. Der Tod bleibt eine unwirkliche Gestalt, auf den Elisabeths Mischung aus Lebenswillen und Todessehnsucht eine besondere Faszination ausübt, doch er verliert nie seinen Status als unaufhaltsame Naturgewalt.


Wien, 1992

Auch wenn das Gelingen einer derart morbiden Ausgangsidee, verbunden mit teilweise recht direkten Angriffen auf die Wiener selbst, am Anfang weithin bezweifelt wurde, stellte sich Elisabeth schnell als ein außergewöhnlicher Erfolg heraus, der bald in die verschiedensten Länder exportiert wurde. So ist es eigentlich seltsam, dass fast zehn Jahre vergingen, bis das Musical 2001 den Grenzsprung nach Deutschland schaffte. Bis dahin hatte sich einiges getan; das Stück hatte die unterschiedlichsten Inszenierungen erlebt und mehrere neue Lieder hinzugefügt bekommen.
Als Elisabeth nach Essen kam, nahm es einiges der Version aus dem niederländischen Scheveningen mit, insbesondere die Inszenierung und eine Handvoll von neuen oder erweiterten Liedern. Die meisten der Änderungen sind bewusst eingefügt, um die politischen Rahmenbedingungen der Geschichte für Nicht-Österreicher klarer zu machen und einigen Nebenfiguren noch etwas Charakterentwicklung zukommen zu lassen. Aber der auffälligste Zusatz ist mit Sicherheit „Wenn ich tanzen will“, ein neues Duett zwischen Elisabeth und dem Tod, in dem sie ihm auf der Höhe ihres Erfolges siegesgewiss die Meinung sagt. Von Text und Musik fügt sich das Lied wunderbar in das Musical hinein; es ist düster, feurig und interessant und lässt gerade von Elisabeth einige neue Facetten erkennen. Denn „Wenn ich tanzen will“ geht inhaltlich stark auf Elisabeths Charakter ein, es beleuchtet ihre Einstellung zur Welt und zum Tod und klingt wie ein Machtkampf mit ihren eigenen, inneren Dämonen.

Essen, 2001
Aber wie auch in den anderen Zusätzen der Essener Version gegenüber dem Wiener Original wie den Liedern „Schwarzer Prinz“ und „Verschwörung“ fällt auf, dass sich die Rolle des Todes langsam aber sicher in eine neue Richtung bewegt. Er ist immer noch eine düstere, unfassbare Gestalt, mysteriös und elementar, aber nun hat er eindeutig eine eigene politische Agenda. Was in der Urversion nur angedeutet wurde, liegt in der Essener Version offen: Der Tod will das Kaiserreich stürzen, und dieses destruktive Ziel vermischt sich ständig mit seinem Sehnen nach Elisabeth. Gerade die Nebenhandlung um ihren Sohn Rudolf und seinen Selbstmord scheint nun hauptsächlich noch ein Mittel zum Zweck zu sein.
Generell kann man sagen, dass diese erste deutsche Inszenierung um einiges gefühlvoller und romantischer gehalten war und damit einen interessanten Kontrapunkt zu der anderweltlichen Wiener Fassung darstellte.



Wien, 2005
Dann feierte Elisabeth 2004 seine Rückkehr nach Wien und stand hauptsächlich wieder in der alten Fassung auf der Bühne, wenn man auch offensichtlich versucht hat, die besten Neuerungen aus Deutschland mitzunehmen - insbesondere „Wenn ich tanzen will“ und „Schwarzer Prinz“. Damit stellt diese Version, die 2005 auf DVD verewigt wurde, eine Art Best Of des Musicals dar; es ist nicht unbedingt die künstlerisch integerste Version, aber dafür hat man sich gerade in der Liedauswahl wirklich die Rosinen herausgepickt.
Es folgten einige andere leichte Veränderungen für Berlin und die deutsche Tourversion, die hauptsächlich Kleinigkeiten wie das Kostüm des Todes betrafen, aber eindeutig darauf angelegt waren, die Rolle männlicher, realer und moderner zu gestalten. Von der „Androgynität“, die im Text der Urfassung speziell betont wird, ist heute keine Spur mehr.



Wien, 2012
Jetzt zum 20. Jubiläum ist das Musical wieder in Wien zu sehen, und wieder hat man sich grob an die Wiener Urinszenierung gehalten, teilweise wie im Prolog sogar näher als noch 2004. Der große Hauptunterschied besteht in der Aufmachung des Todes, der sich nun mit Lederjacke und gegelten Haaren eindeutig von jeder bisherigen Interpretation abheben will.
Man kann natürlich generell sagen, dass diese Weiterentwicklung Sinn macht. Die Figur stellt seit jeher einen Fremdkörper in dem klassischen Setting dar und wird eher modern interpretiert - und was vor zwanzig Jahren modern war, ist eben nicht dasselbe wie heutzutage. Dennoch stellte sich der 80er Jahre Stil des Originals (oder auch die etwas herberen Versionen aus Essen und der Wiener Version von 2004) sehr viel überweltlicher und mystischer dar, als der eher einfache moderne Look der aktuellen Inszenierung.

Aber der wichtigste Unterschied besteht in etwas ganz anderem: Um dem Wiener Publikum, das die Geschichte wohl langsam zu genüge kennt, einen neuen Anreiz zu geben, wurde dem Stück wieder ein neues Lied hinzugefügt. Es handelt sich um ein Duett zwischen Elisabeth und dem Tod bei ihrem erstem Treffen: „Kein Kommen ohne Gehn“.
Die Bezeichnung neu ist vielleicht übertrieben, schließlich ist das Lied schon lange Teil der ungarischen Version und als „Rondo von Liebe und Tod“ auch der japanischen. Dazu muss man allerdings sagen, dass Elisabeth in Japan sowieso eine eher spezielle Angelegenheit ist. Es handelt sich um eine vollkommen andere Kultur und künstlerische Auffassung, und das schlägt sich nur allzu sehr in dem Musical nieder. Man kann wohl eindeutig sagen, dass der japanische Text des Liedes mit Zeilen wie „Du hast mein vereistes Herz geschmolzen“ wahren Kitsch in Reinformat darstellt. Aber dabei handelte es sich bislang eben um ein Exotikum, dass man (wie die ganze japanische Interpretation und Inszenierung) aus unserer Sicht wohlwollend belächeln kann.

Doch jetzt hat dieses Zwischenlied auch in der deutschsprachigen Version des Musicals einen offiziellen Platz gefunden - und ich denke, aus künstlerischer Sicht lässt sich sagen, dass diese Erweiterung für das Stück ein Desaster darstellt. Der Text des Liedes ist meiner Meinung nach banal und die Musik stilistisch nicht sehr passend, doch solche Fragen sind zweifellos Geschmacksfrage. Was bei weitem wichtiger ist, ist der Inhalt des Liedes: Die Richtung des Todes, die in Essen vorsichtig eingeschlagen wurde, wird jetzt über jede Grenze hinaus fortgetragen und pervertiert.

Wien, 2005
Das Lied, das der Tod nach einem gefährlichen Unfall der jungen Elisabeth anstimmt, ersetzt „Schwarzer Prinz“ - eines der Lieder, die selbst schon einen Ersatz darstellten. Während in der Urversion Elisabeth nach ihrem Sturz und der ersten „Nahtoderfahrung“ nur einen umso größeren Freiheitsdrang ausdrückt, erklang in „Schwarzer Prinz“ schon ihr eindeutiges Todessehnen - „und ich spürte eine Sehnsucht, mich von allem zu befrein“ - wie passend dies an dieser Stelle ist, kann jeder Zuschauer selbst entscheiden. Aber auf jeden Fall waren beide Stücke von ihr gesungen und drücken ihre persönliche Einstellung aus. Der Tod nimmt diese Zeilen stumm zur Kenntnis, und es hängt an dem Talent des Darstellers, inwieweit er auf Elisabeths unerwartete Annäherung reagiert.
Das ist nun durch das neue Liebeslied des Todes definitiv anders. Als ich mir den Text zum ersten Mal angehört habe, war meine unwillkürliche Assoziation die mit der allzu flachen Twilight-Liebesgeschichte. Und die Konstellation scheint nun wirklich zu ähnlich; eine fremde, dunkle Macht in männlicher Gestalt, die sich auf unerwartet menschliche Weise in ein junges Mädchen verliebt. „Statt dich zu führen und dich zu überwinden, will ich geliebt sein und deine Hoffnung an mich binden“ ...
Jetzt handelt es sich nicht mehr um einen Sturz, der Elisabeth nur an den Rand des Todes bringt; ihr Unfall ist nun potentiell fatal und es ist die „Gnade“ des Todes, die sie rettet - um sie dann später zu holen?! Da Elisabeth weiterhin selbst von ihrer Faszination für den Tod singt, scheint dieses menschliche Erbarmen seinerseits aus keiner Sichtweise Sinn zu machen.



Wien, 2012
Diese Hinzufügung wirkt vielleicht wie eine Kleinigkeit, aber ihre Auswirkung auf das gesamte Stück ist gewaltig. Aus dem Drama um eine große Frau und ihren lebenslangen Kampf mit dem Tod wird nun ein simples, übernatürliches Liebesdreieck. Alle anderen „Taten“ des Todes laufen jetzt auf das Handeln einer Fantasy-Spukgestalt hinaus, der dem armen Kaiser die Frau ausspannen will. Wenn der Tod bei Elisabeths Hochzeit lacht, ist er nun nicht mehr das Schicksal, das sie verhöhnt, sondern einfach ein allzu menschlicher Nebenbuhler - und diese Banalisierung zieht sich durch das gesamte Stück hindurch. Daran ändert insbesondere Mark Seiberts Interpretation nichts, wenn er in „Der letzte Tanz“ wie ein Schuljunge vor Wut mit der Faust gegen die Wand schlägt.
Essen, 2001
Der Kontrast zu dem anderen neueingefügten Duett „Wenn ich tanzen will“ ist eindeutig: Dort ging es um Elisabeth selbst und den Kampf um ihr eigenes Ich; psychologisch interpretiert könnte „Wenn ich tanzen will“ genauso gut ein reines Selbstgespräch sein. Auf jeden Fall ist es eines nicht, nämlich ein Liebeslied zwischen ihr und dem Tod - denn das kann es nach der Logik des Stückes ja erst ganz am Ende geben. „Kein Kommen ohne Gehn“ dagegen stellt eine allzu bewusste Vermenschlichung einer einstmals so unmenschlichen Figur dar.

Vielleicht scheint diese Verwässerung heute nötig, vielleicht gefällt den Zuschauern ein reines Fantasy-Melodram wirklich mehr als ein wahres Drama. Doch andererseits sollte man meinen, dass das erfolgreichste deutschsprachige Musical aller Zeiten es sich leisten könnte, seiner eigentlichen Natur treu zu bleiben.

Was bleibt ist die Hoffnung, dass es sich bei dieser Hinzufügung um einen kurzzeitigen Ausrutscher handelt, der bei der nächsten Inszenierung vergessen ist, und nicht um einen zukünftigen Dauerbestandteil des Musicals. Es wäre zu schade, wenn die Wiener DVD nun die einzige Möglichkeit darstellen sollte, Elisabeth auch in Zukunft in seiner wahren Form zu erleben.

Wien, 2005


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Freitag, 21. Dezember 2012

11 Songs für den Weltuntergang


In Maya-Town nähern wir uns der zwölften Stunde Ortszeit am 21. Dezember 2012. Danach haben wir entweder ein neues Zeitalter oder wir sind dann alle tot oder alle unter uns, die einen Maya-Kalender in der Küche hängen haben, müssen sich dringend einen neuen Kalender kaufen.

Sollte der mittlere Fall eintreffen, so wird es Zeit, sich akustisch auf das Ende unserer Welt vorzubereiten. Denn mit Musik stirbt es sich gleich viel schöner. Hier sind 11 Lieder zum Armageddon. Auf dass wir danach noch immer andere Listen durchhören können ...

Europe: The Final Countdown


Ach, Leute! Schaut nicht so erbost drein! Diese Nummer gehört einfach dazu! Wenn das Universum ins Gras beißt, dann ist das hier der letzte Countdown!

Aerosmith: I Don't Wanna Miss a Thing


Weltuntergangsfilme sind derzeit en vogue, aber jeder, der keine hochtödliche Blockbusterallergie hat und in den 90ern aufgewachsen ist, kann sich völlig von Jerry Bruckheimers und Michael Bays wundervoll pathetischem Riesenerfolg Armageddon lösen. Große Kamerafahrten für große Gefühle, die keine Subtilität erlauben. Aber das hat schon seine Berechtigung. Wäre ich Teil eines Himmelfahrtskommandos, würde meine Gefühlswelt garantiert auch nicht leise Töne anstimmen. Die Criterion Collection gibt Bay recht und nahm Armageddon in ihre erlesenen Kreise auf. Und Aerosmith wimmert rockend das Ende herbei.

Metallica: Four Horsemen


Wieso hat eigentlich noch nie jemand aus dem Weltuntergang ein immens teures Metal-Musical gesponnen?

Slayer: Raining Blood


Wild den Kopf nickend und Bier in die Kehle schüttend ins Ende aller Enden rocken. Und an die Lautstärke eines bombastischen Weltuntergangs kann man sich mit Slayer auch gewöhnen. Praktisch.

Tom Waits: Earth Died Screaming


Tom Waits gehört irgendwie zum Weltuntergang zu. Diese Stimme, diese unwohlige, verboten charismatische Ausstrahlung ... Außerdem ist er der Teufel, wie wir dank Terry Gilliam wissen!

Frou Frou: Let Go


Wenn die Welt definitiv untergeht, was soll man dann noch kämpfen? Letztlich muss man sie dann halt einfach gehen lassen. Resignation mit einem Hauch Melancholie wäre da wohl angebracht. Das ist zwar nicht die ultimative Aussage dieses Songs, den Zach Braff in seinem genialen Regiedebüt Garden State verwendete, doch man kann ihn dazu sehr gut zweckentfremden.

Michael Kunze / Sylvester Levay: Alle Fragen sind gestellt


Das, sagen wir mal, todesromantische Bühnenmusical bietet mit seiner sehnsüchtigen Schwermut gleich mehrere ideale Begleitstücke für den Weltuntergang. Ich habe mich schlussendlich für Alle Fragen sind gestellt entschieden, erstens, weil ich dem "Eheschließung und Todesnähe"-Konzept zur Apokalypse schlichtweg nicht widerstehen konnte, zweitens, weil auf diese Liste Orgelmusik gehört und drittens, weil der so eindringliche Chorus "Wir sind die letzten einer Welt, aus der es keinen Ausweg gibt" sowie "Wir sind die letzten einer Welt, die stets an ihren Selbstmord denkt" singt. (Würde eigentlich eine Tim-Burton-Adaption von Elisabeth funktionieren?)

Carl Orff: O Fortuna


Ein von Hollywood intensiv genutzter, aber noch immer effektiver Klassiker, der ebenso gut zur Feier von etwas, wie zur bedrohlichen Annäherung einer undurchschaubaren Sache funktioniert.

Richard Wagner: Tristan und Isolde (Prelude)


Das Beste an Melancolia ist für mich zweifelsohne die die poetische Eröffnungssequenz, in der van Trier seinen ihn selbst eingrenzenden Kameraminimalismus aufgibt (kauf einer dem Mann doch mal ein Stativ, nicht alles, was auch in Hollywood genutzt wird, ist gleich Kommerz *jajaichignorierehierdensinnhinterderdogmabewegungabermalehrlichnichtjedeklugeideemussumihrerselbstwillenumgesetztwerden*) und makabere, ergreifende Bilder perfekt mit Wagner untermalt. Somit ist dieses Stück eine grausig naheliegende Wahl für den Weltuntergang, und weder der Kunstfilmer, noch seine Protagonistin würden sie somit gut heißen, aber pfeif auf diese depressiven Egomanen, ich will eine gut klingende Weltuntergangs-Songliste, basta! *genugderpolemikfürheute*


Hans Zimmer: At Wit's End


Was wäre eine meiner musikalischen Hitlisten ohne einen Beitrag aus dem akustischen Fundus der Pirates of the Caribbean-Reihe? Aber hinter dieser Wahl steckt mehr als bloßes Fandenken. Hans Zimmer steckte nicht nur viel Power in die Stücke zur wilden Piraten-Saga, insbesondere in die Musik zum dritten Film floss auch sehr viel Herzblut. At Wit's End wohnt eine Aura des Mysteriösen inne, die Komposition wird von Weltschmerz und Verlustängsten vorangetrieben, ihr Rückgrat bildet jedoch eine verletzlich-romantische Melodie, welche es nicht zulässt, dass die Hoffnung im Keim erstickt. Im eigentlichen Film begleitet dieses Stück den Großteil unserer zentralen Figuren bei ihrer verzweifelten Reise ins Nichts. Die Einsamkeit, die sie in ihrem Inneren verspüren, spiegelt sich in der eisigen, verlassenen Reiseroute wider, die sie ins garantierte, ja, nötige Verderben steuert. Ebenso perfekt würden diese acht Minuten und acht Sekunden aber auch zu einem nächtlichen Weltuntergang passen, während dem zwei Liebende eine Beziehungskrise durchleben. Ein todtrauriges Stück, das noch die Kraft hat, oben auf zu schwimmen, statt sich in die Tiefe zerren zu lassen. Damit kann die Welt eines Tages gerne ihr Ende untermalen.

Queen: The Show Must Go On


Diesen Queen-Klassiker spielt man wahlweise, sobald die ersten apokalyptischen Zeichen auftauchen oder wenn alles gelaufen ist und man wundersamerweise doch noch lebt. Das Schauspiel muss weitergehen, ganz gleich, was passiert. Eine zynische Aussage? Oder doch eine Wahrheit mit unendlichem Wert? Denn ohne Eskapismus würde die sich schon über Kleinigkeiten zerbrechende Menschheit so schnell in den Abgrund steuern, dass man vorher nicht einmal diese Songliste abarbeiten könnte.

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Der Gott des Gemetzels, Hans Zimmer und Theaterschluss

Ein Artikel, der nirgends hinführt
Enthält Spoiler zu Der Gott des Gemetzels und Sherlock Holmes 2: Spiel im Schatten
(sowie Einschätzungen der tonalen Natur der Schlussszenen von Fluch der Karibik 1 & 2, Inception und The Dark Knight, aber nichts von inhaltlicher Natur)

Ich habe letztens endlich Der Gott des Gemetzels sehen können, und ich sollte definitiv eine Filmkritik über Roman Polanskis herrlich irrwitziges Kammerstück verfassen. Da ich nun jedoch auch in den Genuss kam, Sherlock Holmes: Spiel im Schatten in einem sehr gut gefüllten Kinosaal zu genießen, brennt mir zunächst dieses Thema hier mehr auf den Nägeln ...

Die Theaterverfilmung Der Gott des Gemetzels, das möchte ich bereits meiner Kritik vorwegnehmen, hat mir sehr gut gefallen. Was mich jedoch ein wenig störte, oder besser gesagt meinem Genuss des Films einen holprigen Abbruch versetzte, war der Schluss. Nun, um jene einzuweihen, die Gott des Gemetzels nicht gesehen haben, und trotzdem meinen, diesen Artikel lesen zu müssen: Der Film handelt von zwei streitenden Ehepaaren. Anfangs kamen sie zusammen, um über eine Prügelei ihrer elfjährigen Söhne zu verhandeln, doch diese Diskussion ufert maßlos aus. Eine solche Geschichte, noch dazu wenn sie als Filmkomödie erzählt wird, bietet sich meiner Auffassung nach für folgende zwei Abschlüsse an: Entweder der Streit wird gelöst (was narrativ sicherlich schwer einzufädeln ist und vielleicht auch abgelutscht harmonisch sein könnte) oder als Autor/Regisseur endet man mit einem großen, knalligen Schlussgag. So kann man dem Kinopublikum Sand in die Augen streuen, es wohl unterhalten mit dem Abspann nach Hause schicken, bevor es merkt, dass der Konflikt noch immer nicht gelöst ist und es kein inhaltliches Ende erhalten hat.

Gott des Gemetzels macht keins von beidem, sondern wählt eine dritte Option: Mit einem sehr leisen Lacher plätschert er einfach in den Abspann hinein. Ein kleiner Gag (ein unerwartetes, verteufeltes Handyklingeln), Abblende, Schluss.
Vielleicht liegt es an mir, eventuell bin ich noch von meinem Germanistikstudium geschädigt, keine Ahnung. Jedenfalls war ich in der einen Sekunde noch voll im Film drin und grinste bis über beide Ohren, aber in der anderen Sekunde, in der das Bild zu Schwarz überging, sagte ich nur noch halblaut zu mir selbst: "Pfff ... Theaterende!"

Gut möglich, dass ich mir irgendetwas einbilde, oder einfach nur in die falschen Stücke ging. Aber ich finde durchaus, dass die Mehrheit moderner Theaterstücke (insbesondere moderner Komödien) exakt so enden. Das Stück ist mehr oder minder noch im vollen Gange, die Situation noch nicht vollends gelöst. Es folgt ein kleiner Gag und *wusch* der Vorhang fällt zu. Oder die Bühnenlichter gehen aus. Ende.

Ich kenne Gott des Gemetzels bisher nur als Kinofilm, und wenn ich mir jemals das Theaterstück ansehen sollte, kann ich meine These natürlich nicht überprüfen, da ich die Handlung ja bereits kenne. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass mich dieses Ausplätschern am Schluss im Theater überhaupt nicht gestört hätte, während es einer der raren Kritikpunkte ist, die ich an der Filmversion habe.

Nun, wieso das denn? Ich vermute recht stark, dass es eine medial bedingte Sache ist. Denn auch wenn ein Kinofilm und ein Theaterstück rein strukturell und narrativ einiges gemeinsam haben können, so sind es noch immer unterschiedliche, narrative Kunstformen. Mit ihren eigenen Gepflogenheiten und Ansprüchen.
Ein Theaterstück verlangt üblicherweise von seinem Publikum wesentlich stärkere Eigenleistungen hinsichtlich der Kreierung der Illusion. Die Kinofassung von Gott des Gemetzels spielt in einem Wohnzimmer, das, so wie die Kamera es uns zeigt, auch vollständig zu sein scheint. Im Theater existieren maximal drei von vier Wänden, und auch dann sind wir nicht "mittendrin", sondern sitzen als Zuschauer in einem Saal, wo wir auf die Bühne herabblicken. Nun lässt sich natürlich argumentieren, dass der Film mit seiner Schnittarbeit und wechselnden Kamerawinkeln ja viel irrealer ist, bloß empfindet das Publikum dem nicht so, und aus dieser Perspektive heraus arbeiten viele Filme auch (es sei denn sie arbeiten mit Illusionsbrechungen).

Bevor ich mich nun völlig in meinen Argumenten stranguliere: Theaterstücke sind eher mit der Grundvoraussetzung im Hinterkopf geschrieben, dass das Publikum immer wieder Mal für einen kurzen Moment innerlich einen Schritt zurückgeht, um das Geschehen zu reflektieren. Und/oder sich der Künstlichkeit des Aufgeführten bewusst zu werden. Und letzten Endes ist auch, so banal das nun auch klingen mag, die Rezeptionssituation eine andere, als im Kino. Das drumherum, das Kernpublikum, und so weiter.

Nun möchte ich keineswegs sagen, dass das Theater die anspruchsvollere Kunstform ist. Selbst wenn es üblicherweise so gehandhabt wird, insbesondere in politischen Diskussionen. Ich bleibe fest bei meiner Meinung, dass Literatur, Theater und Kino einander ebenbürtig sind. Keine Kunst ist per se besser als die andere, und welche dieser Künste jemand als die ihm am nähsten liegende auserwählt, ist nicht vom Intellekt sondern vom persönlichen Gusto abhängig. Dass sich der Film eher um eine den Betrachter gänzlich aufsaugende Wirkung bemüht und den Denkprozess stärker als das Theater auf einen späteren Zeitpunkt verlagert, ist nicht "weniger wert", sondern einfach nur "anders". (Und natürlich muss ich gerade generalisieren ...)

Um aber zum Ende von Gott des Gemetzels zurückzukommen: Ich breche die ganze Theaterkunst zwar gerade auf wenige Sekunden herunter, doch ich muss ja irgendwie meinen Gedanken vermitteln, und ich ahne aus folgenden Gründen, wieso ein ins Nichts plätscherndes Ende im Theater fünktioniert. Da haben wir unsere vier Protagonisten und eine ausweglose Situation. Ein kleiner Gag, wahrlich kein Brüller, sorgt für amüsiertes Grinsen und etwaiges Gekicher, als die Lichter ausgehen. Das Kichern geht nahtlos in den Schlussapplaus über. Unser exemplarischer Theatergänger lehnt sich zu seiner Begleitung rüber: "Darsteller X war richtig toll, oder?", grübelt ein wenig über die Schlussaussage nach, applaudiert weiter, das Licht geht wieder an, das Ensemble verneigt sich, weiteres Getuschel mit der Begleitung, langsames Hinausschreiten gen Lobby. Gute Laune, man hat direkt ein Gesprächsthema, schlufft zur Garderobe ...

Ja, das ist eine generalisierte, vielleicht sogar romantisierte Darstellung des Theaterbesuchs. Aber ihr solltet meinen Gedanken fassen können. Hoffe ich zumindest. Ein echter Kracher zum Schluss, ein Mordsbrüller, würde hier stören. Wir befinden uns ja jetzt nicht in einem Musical wie Der König der Löwen, wo alles mit dem Crescendo von Der ewige Kreis in Gänsehaut und Emotionsüberschuss endet, sondern in einer modernen, satirischen Theaterkomödie. Ein richtig knalliger Schlussgag und dann plötzlich finito, das kann, wenn man es falsch schreibt oder nicht mit dem perfekten Timing spielt, irgendwie irritierend wirken. Findet ihr das nicht auch?

So, nun übertragen wir das 1:1 ins Kino, und durch die leicht veränderte Publikumssituation geht uns die rundum gelungene Wirkung des kleinlauten Schluss-Witzleins irgendwie verloren. Die Handlung steckt ausweglos fest, man hätte den Film entweder schon vor fünf Minuten enden lassen können oder ihn noch ewig weiterspinnen. Eine winzige Pointe, die ein paar, kurze, kaum hörbare Schmunzler rauskitzeln. Schwarzblende, Abspann. Jacken-Gekrame hier, ratloses auf die das Bild entlanglaufenden Namen Gestarre dort, ein flüsterndes Gespräch über den Filminhalt da. Hm ...

(Übrigens: Nicht, dass ich blind dem Theaterstück nun den Vorzug geben will, Polanski hat das filmische Medium gut genutzt und ich bin mir sicher, bei einem Vergleich genügend Punkte zu finden, wo ich die Leinwandadaption wieder gelungener finde. Und wenn der metzelnde Gott den Weg in meine Nähe findet, werd ich's bei Gelegenheit sicher gerne rausfinden. Aber das Artikelthema hier drängt mich halt gerade dazu, mich an dieser winzigen Kleinigkeit von

Gott des Gemetzels ist eine sehr unterhaltsame Komödie, ich habe sie wirklich genossen. Der Film (beziehungsweise seine Vorlage) enthält auch gesellschaftskritische, dramatische Untertöne, nichtsdestoweniger will er sein Publikum aber auch bei Laune halten. Ich sehe mich mit diesem Ende unterhalten aus dem Theater schreiten. So gings mir jedenfalls bereits oft genug. Der Kinofilm hat mich natürlich auch grandios unterhalten, ich bereue nicht einen Cent, den ich in die Kinokarte investiert habe. Allerdings war ich für ein paar Sekunden lang eben nicht auf höchstemn Niveau amüsiert, sondern fiel in meine Kritiker- oder Literaturwissenschaftsrolle und dachte mir halt "Mrmblpf! Also, dieses Ende ... Naja .... Pfff, passt schon!" Womöglich hätte es schon gereicht, das finale Handyklingeln mehr zu "zelebrieren", es also stärker in Szene zu setzen. Oder ein "Smash Cut" statt einer Abblende, dazu vielleicht ein dieses Klingeln als Schlussgag unterstreichender Soundeffekt ... Wäre das schon eine Verbesserung gewesen?

Tja, was hat das alles ausgerechnet mit Sherlock Holmes 2 zu tun?
Dazu muss ich Sachen vergleichen, die es eigentlich nicht zu vergleichen gilt.

Was mich am ersten Sherlock Holmes am meisten störte, war das Ende. Fall geklärt, in aller Gelassenheit die letzten Fäden zusammenbringen, gewissermaßen "die Tage danach" zeigen. Holmes arbeitet gedanklich bereits an seinem nächsten Fall, findet Anlass, sein Vorhaben nach außen zu tragen. Wir stecken praktisch schon in den ersten Minuten einer möglichen Fortsetzung, und mit einem Mal transformiert sich die Szene in den Bleistiftskizzen nachahmenden Abspann. Hans Zimmers Musik dreht langsam hoch, und ich sitze als Zuschauer ein wenig verworren vor dem Film: "Äh, ja, wie, und damit hörst du nun auf? Dir war einer der Gags vor drei Minuten nicht gut genug, und du willst auch nicht lieber noch zwei Minuten weiter gehen, um uns mit einem Pseudo-Plottwist oder Cliffhanger gespannt zurückzulassen? Du ... hörst einfach so auf?"

Für einen so in sich stimmigen und energetischen Film wie Guy Ritchies Sherlock Holmes ist das meiner Meinung nach ein ziemlich lahmer Schluss. Die Fortsetzung dagegen findet ein deutlich besseres, cineastischeres Ende. Oder sollte ich besser sagen "popcornigeres Ende", weil "cineastisch" ausschließlich für's Arthouse reserviert ist? Nun gut, nennen wir es ein "filmischeres Ende"!

Ein dramatischer Abschluss von Sherlock Holmes größten Fall. Still sehen wir "die Wochen danach". Dr. Watson findet die perfekten, alles abrundenden, auch rührenden letzten Worte. Ein mysteriöses Päckchen lässt vage eine Wende vermuten, als der Film clever und lebendig zu seiner Quirligkeit zurückfindet. Und mit einem perfekten Timing hämmert uns ein Fragezeichen einen cleveren Schlussgag entgegen. Exakt in der Sekunde, in der Hans Zimmers wuchtiger, exzentrisch-spaßiger Score den Abspann einleitet. Ein saftiges Grinsen erfüllt das Kinopublikum und flotte, die Atmosphäre des Films einfangende, allerdings etwas besser gelaunte, tänzelnde Musik erklingt. Welch ein Ende für einen gelungenen Kinogang.

Das haben Hans Zimmer (und seine Komponistenzöglinge) sowieso hervorragend drauf. Das Ende von Fluch der Karibik etwa: Es verleiht dem Film nicht noch zusätzliche Substanz oder schenkte der Filmgeschichte mit irgendeiner künstlerisch wertvollen, ästhetischen Breitbildaufnahme ein lyrisches Bild. Und trotzdem halte ich es aufgrund der Darstellung, der Regie und der Musik für eine der besten Schlusssequenzen. Punkt. Ich könnte nun mit Einschränkungen ankommen, etwa "seit der Jahrtausendwende" oder so. Aber nö: Eine letzte, geniale gesprochene Zeile von Johnny Depp, ein wenig Abenteuerlust schürender Singsang und mit dem Zuklappen eines Kompass und zeitlich perfekt abgestimmten Musikeinsatz geht der Film mit einem Hochgefühl in den Abspann hinüber. Auch Teil 2 hätte es nicht besser machen können. Hier gehen die Macher der Pirates of the Caribbean-Reihe die bewährte Cliffhanger-Route. Nun, ein Cliffhanger ist auch immer gut, um die Zuschauer an den Rand ihres Kinosessels zu locken, aber sie können auch frustrierend sein. Ein "Och, Möööööönsch, ich will wissen wie's weitergeht!" hervorrufen.

Die Truhe des Todes (ja, ich bleibe nun penetrant dabei, Fluch der Karibik 2 so zu nennen) endet mit einem dicken Cliffhanger, auf Papier mit einem richtig fiesen noch dazu. Darstellung und Gore Verbinskis atmosphärisch so herrlich wandelbare Inszenierung präsentieren den Cliffhanger allerdings so, dass er die Fans mit einem hämischen Grinsen zurücklässt. Während all dem schwillt die Musik an und genau im richtigen Bruchteil eines Moments kickt das imposante Stück He's a Pirate in den höchsten Gang. Natürlich inklusive Umschnitt zum Abspann. Einen Hauch früher, und man hätte sein eigenes Schlussgrinsen nicht vollauf genießen können, etwas länger, und es würde wie ein urtypischer Cliffhanger aussehen, den man fälschlischerweise angelacht hat.

Oh, und selbstredend sind auch die Schlusssequenzen von Inception und The Dark Knight über nahezu jeden Zweifel erhaben. Ebenfalls nicht zuletzt aufgrund von Hans Zimmers Musik. Zimmer und Christopher Nolan haben es bei Inception geschafft, das Publikum über seine eigene Erwartungshaltung lachen zu lassen (was wieder einmal für das Kino und gegen Heimkino oder gar illegale Alternativen spricht, denn nur in einem gut gefüllten Saal hat man den perfekten Klang der kollektiven Emotion). The Dark Knight hingegen bauscht und bauscht und bauscht dieses ambivaltene, tendentiös triumphale, aber definitiv ehrfürchtige Gefühl auf, und dann rauscht der Abspann herbei. Meine Reaktion bei den ersten paar Sichtungen: Ein von Gänsehaut begleitetes "Wow!"

Jetzt will ich natürlich keinesfalls sagen, dass jeder Film mit einer bombastischen Hans-Zimmer-Abspannsuite enden sollte. Wobei es wirklich einige Filme gibt, die schon allein dadurch einiges an Pluspunkte sammeln würden (etwa Tim Burtons Alice im Wunderland, Prince of Persia - Der Sand der Zeit, Küss den Frosch, Rapunzel oder Titanic). Und selbstredend gibt es Filme, in denen ein unkaschiertes, offenes Ende besser funktioniert, als ein Ende mit einem Knall. Sei es nun Schlussgag, Schlusstusch oder ein emotionales Schlusszitat.

Trotzdem wollte das einfach diskutiert sein.

*WUMMS*
*Laute Musik von Hans Zimmer spielt*
Empfehlenswerte Artikel:

Sonntag, 9. Oktober 2011

Das Phantom der Oper - 25 Jahre Musicalgeschichte


Engel der Lieder, führ und leit mich!

Es ist heuer 100 Jahre her, das Gaston Leroux’s „Das Phantom der Oper“ erstmals in Buchform erschien, und heute vor 25 Jahren feierte Andrew Lloyd Webbers Bühnenshow ihren Premierenabend.



Als leidenschaftlicher Anhänger von beiden Werken möchte ich diesen historischen Doppelgeburtstag mit einem höchst subjektiven Überblick über die Geschichte des Musicals feiern – Vorhang auf für Das Phantom der Oper!


Nachdem „Le Fantôme de l’Opéra“ von Gaston Leroux seine Premiere als erfolgreicher Fortsetzungsroman in der Zeitung „Le Gaulois“ hatte, erschien das Buch 1911 erstmals in Romanform. Die tragische Liebesgeschichte von Erik, dem entstellten Meister des Pariser Opernhauses und seiner Faszination für die junge Sängerin Christine Daaé ist heute weltbekannt und die Tatsache, das Leroux im Buch immer wieder beschwört, dass die Geschichte auf Tatsachen beruhe, gibt dem Roman noch einen ganz besonderen Reiz.

Das Buch ist eine typische „gothic novel“ seiner Zeit. Leroux benutzt die bekannte Kulisse des glänzenden Pariser Opernhauses, die jedem Pariser (zumindest von außen) altvertraut ist, und erfüllt die unerforschten Winkel und Kellergewölbe mit versteckten Geheimnissen und Schrecken.
Ein Teil dieses unheimlichen Effektes ist (ähnlich wie bei „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“) an ein heutiges Publikum leider größtenteils verschwendet: An sich handelt es sich bei dem „Phantom der Oper“ um einen mystischen Kriminalroman, in dem der unbedarften Leser bis zuletzt nicht sicher sein kann, wie viel Übernatürliches nun wirklich in den sich häufenden „Unfällen“ und dem geheimnisvollen Phantom, das die Oper heimsucht, stecken mag.
Die große Bekanntheit des Werkes dürfte diese Spannung aber für den Großteil der Leser von vornherein abmildern.

Ich hatte das Glück, im zarten Alter von acht Jahren noch nicht allzu medienverspoilert zu sein und konnte so die Wirkung der Geschichte voll genießen. Seit diesem Tag stellt „Das Phantom der Oper“ - unterstützt von dem noch tiefer führenden Roman „Das Phantom“ von Susan Kay - unbestritten mein am meisten geliebtes Buch dar.

Übrigens: Ich habe geklopft, aber es war nichts zu erkennen - nicht, dass das nach über hundert Jahren und jeder Menge Renovierungsarbeiten etwas heißen will ...


Das Buch hat gerade in den letzten Jahrzehnten eine Unmenge an Filmen, Musicals, Theaterstücken, Büchern und sogar Balletten inspiriert; es sind so viele, dass es in der englischen Wikipedia einen eigenen Artikel allein für die Adaptionen des Buches gibt. Ich will nicht behaupten, dass ich auch nur einen signifikanten Teil davon gesehen habe (ich arbeite daran ;-), doch nach allem, was ich weiß ist die mit Abstand berühmteste Bearbeitung des Stoffes gleichzeitig die werkgetreueste und die meiner Meinung nach beste:



Das Musical von Andrew Lloyd Webber mit Texten von Charles Hart und Richard Stilgoe, das heute vor 25 Jahren, am 9.10.1986 in Her Majesty’s Theatre im Londoner West End seine Premiere feierte.
Die weibliche Hauptrolle des jungen „Singgenies“ schrieb Webber für seine damalige Frau Sarah Brightman, das Phantom wurde von Michael Crawford gewichtig in Szene gesetzt.

Ich muss zugeben, dass ich leicht schockiert war, als ich die „originale“ Londoner Aufnahme des Musicals zum ersten Mal hörte: Die Kombination von Crawfords Bemühungen und Steve Bartons unvergleichlichem Bariton haben doch wirklich dafür gesorgt, dass ich hier erstmals auf Raouls Seite war ...
Die (meiner unmaßgeblichen Meinung nach) mit Abstand genialste Aufnahme ist die Wiener CD mit Luzia Nistler und Alexander Goebel, der deutschen Stimme von Jack Skellington – eine auf makabere Weise sehr passende Assoziation.


In dem Musical wird die düstere Geschichte auf fantastische Weise neu erzählt und einem breiten Publikum präsentiert. Die Umsetzung für die Bühne bleibt dem Kern des Buches treu ohne sich sklavisch daran zu halten und meistert so diesen schwierigen Balanceakt mit Bravour. (Eine der größten Freiheiten besteht darin, dass die „große Auflösung“ über die Identität des Phantoms innerhalb der ersten halben Stunde erfolgt - eine kluge Entscheidung, bedenkt man die heutige ikonische Stellung des Werkes.) Als wichtigste Zutat kommt dazu natürlich die grandiose Musik, in der Webber gekonnt das Beste von Oper und Musical verknüpft - gerade für diese Musik kann man doppelt dankbar sein, bedenkt man, dass Webbers erste Konzepte darin bestanden, lediglich bestehende klassische Lieder und Arien für das Musical neu zusammenzufügen.
Es handelt sich um eine Show, die wirklich alles bietet: Tiefe Tragik, die sich mit leichten Comedy-Liedern abwechselt, mystische Momente und wuchtige Spezialeffekte, und nicht zuletzt großartige Lieder, die die pure Leidenschaft großer Gefühle verkörpern.

Man kann guten Gewissens sagen, dass “Das Phantom der Oper” einen Höhepunkt der Glanzzeit durchkomponierter dramatischer Musicals wie „Les Misérables“ und „Elisabeth“ darstellt – und das in jeder Hinsicht: Von Kritikern wie von Fans geliebt, ist „The Phantom of the Opera“ das erfolgreichste „Entertainment Event“ aller Zeiten, das am längsten laufende Broadway-Musical überhaupt und mit über 10.000 Vorstellungen das am zweitlängsten laufende West-End-Musical, knapp hinter „Les Misérables“.

Und ich hoffe, dass die gerade angekündigte „Les Misérables“-Verfilmung mit Hugh Jackman in der Hauptrolle aus den Fehlern ihres „kleinen Bruders“ lernt und uns eine würdigere Kino-Adaption schenkt.
Da sich die Besetzungsgerüchte über Anne Hathaway als Fantine wohl bewahrheitet haben, können wir uns darauf freuen, dass die beiden uns Ende 2012 eine Duett-Version von Hathaways diesjährigen „Oscar-Ständchen“ präsentieren ...


Wenn man bösartig sein wollte – was mir natürlich nie in den Sinn käme – könnte man es als tragische Ironie bezeichnen, dass Webbers erfolgreichstes Musical auch das letzte wirklich gute Werk ist, das er abgeliefert hat (über „Sunset Boulevard“ lässt sich in der Hinsicht streiten). Daher ist es nicht verwunderlich, dass Sir Andrew seit einigen Jahren verzweifelt damit beschäftigt ist, seinen großen Wurf nach allen Regeln der Kunst auszuschlachten.

Nach langjährigen Planungen erschien „Das Phantom der Oper“ 2004 als großer Hollywood-Blockbuster mit Gerard Butler und Emmy Rossum, der trotz allem Hype nur ein mittelmäßiges Einspielergebnis und gemischte Kritiken erhielt.
Meiner Meinung nach war das Ergebnis abzusehen – wir wissen alle, was passiert, wenn Joel Schumacher ein Projekt übernimmt, das geeigneter für Tim Burton wäre. Der Film war oberes Mittelmaß, eine Glamour-Show, die ihr Potential nicht ausnützte und im Gegensatz zu der Bühnenshow eben nicht mehr auf Leroux’s Buch basierte. (Und nein, die Tatsache, dass ich viermal im Kino war, hat hierbei keinerlei Relevanz...)

Aus dem entstellten Genie, das außer bei einem Schönheitswettbewerb in praktisch jeder Hinsicht unschlagbar ist, wurde – das hier:













Als Trost für das verletzte Fanherz erschien ein Jahr später „Phantasia“, eine wundervolle Suite für Violine und Violoncello (gespielt von Sarah Chang und Julian Lloyd Webber), die die Dramatik des Musicals perfekt einfängt, und dementsprechend völlig unbekannt ist.

Webber ist bekannt dafür, dass auf Kritik gerade von Seiten seiner Fans schnell beleidigt reagiert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er nach den gemischten Reaktionen auf seinen Film nach einer passenden Strafe für die verärgerten Stimmen suchte – und er fand sie in Gestalt einer Musical-Fortsetzung: des 2010 erschienenen „Love never dies“.



Das Logo zeigt (warum auch immer) eine reanimierte, herausgeputzte Leiche – unkonventionell, aber immerhin ein interessanter Ansatz und eine sehr passende Zusammenfassung des Musicals.
Selbst Webbers Katze Otto sah nur eine mögliche Reaktion auf dieses Machwerk und schaffte es, einen Großteil der Komposition am Keyboard zu löschen, was den Fortschritt des Unheils allerdings nur für kurze Zeit aufhalten konnte.

Ich muss zugeben, dass ich die CD nicht nur sofort nach Erscheinen gehört, sondern anfänglich auch gemocht habe. Sicher, die Geschichte des zurückgekehrten Phantoms mit eigenem Vergnügungspark ist unterirdisch, aber ein paar der Lieder fand ich wirklich gut – gut genug für einen neugierigen Kurzausflug nach London.
Sagen wir einfach, ich habe es bereut.










Nur noch einmal zum Vergleich: von der mystischen Bootsfahrt im Kerzenlicht zu einem sechshändigen Skelett-Steampunk-Rokoko-Roboter – ganz zu schweigen von dem gestreiften Pullover.

Das Musical ist nach knapp anderthalb Jahren Spielzeit in London abgesetzt worden, die Broadway-Premiere wurde erst verschoben und schließlich aufgegeben.
Von der australischen Version wurde für Februar 2012 eine Aufnahme angekündigt – nun ja, bei manchen Musicals dauert das 25 Jahre, bei anderen etwas weniger. Theoretisch könnte man der anderen Inszenierung noch eine Chance geben, reell hoffe ich, dass sich jemand findet, der mich von einer derartigen Torheit abhält.

Dieses Jahr ist Webbers neues Musical „Der Zauberer von Oz“ in London gestartet, eine Produktion, in der der Meister die weltbekannten Melodien des Films von 1939 mit eigenen Liedern (zum Beispiel für den Zauberer und die Hexen) ergänzt hat – Kompliment, so schafft er es mit minimalem Aufwand, zwei ikonische Musicals gleichzeitig auszuschlachten.



Nach diesem traurigen Abwärtstrend der letzten Jahre bot sich für das Musical nun letzten Sonntag die Möglichkeit zur Ehrenrettung: Zum 25. Geburtstag fand in der Royal Albert Hall eine spektakuläre Jubiläums-Aufführung von „The Phantom of the Opera“ statt. Dieses Event wurde am Sonntagabend weltweit in die Kinosäle übertragen und ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, mir diese Aufnahme live anzuschauen.
Meine Meinung in einem Wort: wunderbar!

Das Musical wurde für die Bühne der Royal Albert Hall „neu“ inszeniert, aber natürlich ist diese Inszenierung stark an die bekannte Version angelehnt. Dank der größeren Bühne und des besonderen Anlasses sind die Szenen zum Großteil noch um einiges aufwändiger als sonst - zum Beispiel gab es beim Maskenball zwei Treppen statt nur einer - allerdings ist die Bühne eben nicht speziell auf das Musical ausgelegt, so dass an manchen Special Effects wie den emporsteigenden Kerzenständern leicht gespart wurde.
Im Großen und Ganzen fand ich die Veränderungen aber durchweg positiv - es wurde sogar auf die Christine-Puppe verzichtet, die mich während „Music of the Night“ seit jeher aufgeregt hat.
Der berüchtigte Lüster musste natürlich auch zu der Größe des Saales passen, und so wurde statt des üblichen Kronleuchters eine der Originalrequisiten aus dem Film genommen. So gut mir dieser gewaltige Lüster gefallen hat, so enttäuschend war doch die unangenehme Konsequenz: Es war offensichtlich unmöglich, das riesige Stück mit annehmbarem Aufwand auf der Bühne zerschellen zu lassen, und so musste der Lüstersturz - die vielleicht ikonischste Szene des Musicals - ausfallen. Der Lüster hat nur bedrohlich aufgeleuchtet und das Einzige, was niederfiel, war ein großer Funkenregen.

Trotzdem überwiegen für mich die positiven Aspekte der Inszenierung, und das absolute Highlight der Aufführung stellten die wunderbaren Darsteller dar; allen voran Ramin Karimloo und Sierra Boggess. Sie glänzten nicht nur durch perfekten Gesang, sondern überzeugten auch als Schauspieler auf ganzer Linie. Vor allem das oft unterschätzte „I remember - Stranger than you dreamt it“ mit der ersten Demaskierung hat mir noch nie solche Gänsehaut beschert.

(Quelle: glassprism)

Manche Musicals (wie „Evita“ oder das momentan in Angriff genommene „Les Misérables“) sind geradezu prädestiniert für eine überschwängliche Hollywood-Verfilmung, bei manchen (wie „Cats“ oder „Elisabeth“) scheint eine solche Verfilmung geradezu absurd, und eine professionelle Aufnahme der Aufführung ist alles, was das Fanherz begehrt.
Einige Musicals wie „Chicago“, „Sweeney Todd“ oder eben „Das Phantom der Oper“ scheinen mir eine Mischung aus beidem: Obwohl sie Seele der Stücke fest mit der Musical-Bühne verwachsen wirkt, ist eine Verfilmung nicht ausgeschlossen und ein Regisseur mit viel Fingerspitzengefühl kann mit Hilfe des Mediums „Film“ ganz neue Facetten aus dem Werk herausholen. Eine Verfilmung des Phantoms hätte wundervoll werden können, hätte man versucht, die Eigenheiten der Bühne zu bewahren und dem Stück seinen morbiden Charakter belassen, statt es zu einer reinen Effektorgie auszuschlachten.

Umso schöner ist es, das dem Musical nun quasi eine zweite Chance gegeben wurde und dieser Fauxpas somit ausgebügelt ist. Anfang November wird die grandiose Aufnahme aus der Royal Albert Hall auf DVD erscheinen, und dann gibt es auch für „Das Phantom der Oper“ endlich eine nahezu perfekte Heim-Edition, die für jeden Liebhaber dieses Werkes als Referenzaufnahme dienen kann.

Samstag, 25. September 2010

Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder (Teil LXIV)


Die letzten zwei Ränge der Hitliste meiner liebsten Disney-Lieder stehen noch an. Doch nicht nur die Frage, welche Songs dies seien könnten, steht an der Tagesordnung. Auch eine andere, berechtigte Frage drängt sich auf. Nachdem ich mich als großer Fan der Disney-Eröffnungslieder bekannt habe, bleibt nämlich die Frage offen, ob ich nicht vielleicht enttäuscht bin, dass so viele Disney-Filme mit ihrem besten Musikstück anfangen. Oder anders ausgedrückt: Denke ich, dass Disney häufig daran scheitert an das grandiose Intro eines Films anzuschließen? Fällt der restliche Film nach dem Opening nicht enorm ab?

Nun, dies zu behaupten wäre eine augenscheinlich logische Antwort. Aber ich habe es nicht so mit dieser Schnellschusslogik und muss tatsächlich antworten: Nein. Nein, bei einem guten Film ist es nicht so, dass der Rest nach dem fantastischen Intro abfällt.
Dinosaurier, um mit einem Gegenbeispiel anzufangen, ist ein ein durch und durch mäßiger und uninspirierter Film. Die mit Abstand beste Sequenz erfolgt direkt zu Beginn und diese erdrückt den restlichen, mittelmäßigen Stoff, der auf sie folgt. Aber dies ist eine negative Ausnahme von der Regel.

Betrachten wir stattdessen den Film zu meinem Platz 3. Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt eröffnet mit Hisst die Flagge, meinem drittliebsten Disney-Lied. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass das übrige Piratenabenteuer seinem Anfang nicht gerecht wird. Allein schon musikalisch. Zwar lässt der Film gesanglich nach (das einzige andere gesungene Lied ist ganz zum Schluss Yo-ho, Piraten haben's gut, Platz 27 meiner Hitliste), aber Hans Zimmers Instrumentalmusik vermag es Hisst die Flagge noch an zahlreichen Stellen zu schlagen, etwa mit dem komplex-verspielten Jig Up is Down.
Ein anderes Beispiel ist Disneys großartiges Meisterwerk Tarzan. Käme die eingangs genannte Logik bei mir zur Fruchtung, müsste der Film für mich nach Zwei Welten (Platz 10) gewaltig einbrechen, um sich während Fremde wie ich (Platz 5) selbst zu übertreffen, wieder gewaltig einzubrechen und dann mit Zwei Welten wieder auf einem Aufwärtstrend zu enden. Doch nur weil Zwei Welten die zweitstärkste Musikeinlage des Films ist, sehe ich das Intro nicht gleich als die zweitbeste Sequenz an. Dafür fehlen noch die Figuren, der Handlungskontext und so auch die emotionale Bindung - nach Zwei Welten gibt es einige Szenen, die zwar musikalisch weniger kraftvoll sind, aber dennoch dem Intro mindestens ebenbürtig sind.

Ich setze nicht für den gesamten Film die selben musikalischen Erwartungen an, wie für den Eröffnungssong, schlichtweg schon deshalb, weil es dramaturgisch unmöglich ist. Leinen los (Platz 39) aus Muppets - Die Schatzinsel etwa würde zu keinem anderen Zeitpunkt im Film funktionieren und nach diesem Lied kann es auch keine ähnlich gestaltete Musikeinlage geben. Dessen bin ich mir bewusst und deswegen jammere ich nicht herum, dass der Film keine fünf Lieder wie Leinen los bietet.

Vielleicht kann man meine Einstellung auch ein wenig an meiner Hitliste der Disney-Filme mit dem besten Lieder-Gesamtaufgebot ablesen. Einige davon haben ihren besten oder zweitbesten Moment direkt zu Beginn - und ich schätze diese Filme generell sehr hoch ein.

Es sei noch angemerkt, dass dies keine aus der Musikalisches Immergrün-Hitliste errechnete Rangfolge ist. Es geht nicht darum, welcher Film die meisten Punkte hat (unfair für Filme mit weniger Gesangseinlagen) oder welcher den höchsten Punktedurchschnitt hat (unfair für Filme mit einem Megastinker), sondern um meinen unabhängig von dieser Songhitliste gefällten Gesamteindruck. Dabei fließt auch mit ein, wie die einzelnen Lieder zusammenspielen und wie weit ich die gesanglich begleitete Filmmusik als Gesamtwerk schätze.

Platz 5: Mary Poppins und Bärenbrüder

In meiner Songhitliste habe ich mir ja ein Unentschieden verboten, aber in dieser weniger offiziellen und hochzelebrierten Auflistung erlaube ich es mir. Denn ich mag nicht zwischen Mary Poppins und Bärenbrüder entscheiden. Für Bärenbrüder sprechen einige sehr starke Songs von Phil Collins, manche zählen für mich zu seinen mit Abstand besten Werken, die zudem problemlos als eigenständige Stücke funktionieren. Dafür fehlt es mir bei Bärenbrüder an einem stilistischen roten Faden. Die Lieder aus Bärenbrüder klingen zwar nicht wie aus drei, vier der weltunterschiedlichsten Musicals entführt, wüsste ich aber nicht, dass sie aus dem selben Film stammen, so müsste ich diesen Fakt durchaus mit etwas Glück erraten. Mary Poppins dagegen ist musikalisch ein zusammenhängendes und einprägsames Meisterwerk, dessen Lieder im Zusammenspiel auch sogleich deutlich voneinander profitieren, unter anderem auch aufgrund der fantastischen Instrumentaladaptionen des Komponisten Irwin Kostal. Hätte ich der "auf eigenen Füßen stehen"-Komponente in meiner Songhitliste weniger Bedeutung beigemessen, so hätte dieser Meilenstein zweifelsohne noch besser abgeschnitten. Daraus resultiert aber auch, dass ich mit einigen der Liedern außerhalb des Films nicht ganz so warm werde, wie mit den Liedern aus anderen meiner ganz großen musikalischen Favoriten unter den Disney-Filmen.

Platz 4: Aladdin

Der Soundtrack zu Aladdin ist dem Dschinni sei Dank der witzigste und stürmischste im Meisterwerke-Kanon, was ihm bei mir sofort einige Sympathiepunkte einbringt. Nur ein kleiner Freundschaftsdienst (Platz 14) ist ein wahrlich berauschender Showtune und Prinz Ali (Platz 23) ist ein spaßiges, pompöses Paradenlied, dem Dschafar eine herrlich sarkastische Reprise gönnt. Außerdem hat Aladdin einen dezent humorigen, vor arabischer Atmosphäre berstenden Introsong (Platz 35). Die anderen Lieder des Films gefallen ebenfalls, und genau wie bei Mary Poppins sind sie im Film nochmal etwas stärker als einzeln. Trotz der unterschiedlichen Tempi und Klangfarben (und des durch tragischen Umständen an zwei Leute gehenden Part des Original-Liedtexters) wirkt der Aladdin-Soundtrack auf mich wie eine starke Einheit - und selten arbeitete Menken seine Lieder schöner in die Instrumentalmusik ein wie hier. Ich erinnere nur an Schnell weg (Platz 156) als trauriges Instrumentalstück...

Platz 3: Der Glöckner von Notre Dame

Vier Jahre nach Aladdin kam mit Der Glöckner von Notre Dame der absolute Gegensatz zum abenteuerlichen Märchen aus Tausendundeiner Nacht in die Kinos. Und auch dieser bekommt schon allein aufgrund seines musikalischen Grundtenors einen dicken Sympathiepunkt bei mir. An Stelle des spaßigsten Disney-Soundtracks tritt hier der dramatischste Soundtrack aus Menkens Schaffen, vielleicht sogar aus dem ganzen Disney-Pantheon. Dunkle Klangfarben, dramatische Chorgesänge und schwer wiegende Melodien dominieren Der Glöckner von Notre Dame, der obendrein noch mit Das Feuer der Hölle (Platz 4) den meinen liebsten Schurkensong auf seiner Seite hat. Mit Das Licht des Himmels (Platz 70), Einmal (Platz 73) und Gott, deine Kinder (Platz 33) zeigt der Film auch eine sehr starke emotionalere Seite, die Balladen aus Der Glöckner von Notre Dame schlagen für mich so einige Oscar-Kandidaten. Die humorigeren Songs sind dagegen ein klarer Stolperstein für Der Glöckner von Notre Dame. Sie sind nicht schlecht, aber bis auf Hof der Wunder (Platz 208) sind sie spürbare Ausreißer aus dem restlichen Klangbett dieses Films. Ein kunterbunter Tag (Platz 276) hat noch einen halben Fuß im dominanten Stil des Films, aber Ein Kerl wie du (Platz 282) mag gar nicht mehr in den Soundtrack hineinpassen.

Platz 2: Tarzan

Disneys Meisterwerk aus dem Jahre 1999 bleibt solchen stilistischen Ausrutschern fern. Tarzan hat einen Soundtrack, wie aus einem Guss. Meine Favoriten Fremde wie ich (Platz 5), Zwei Welten (Platz 10) und So ein Mann (Platz 40) könnten genauso gut jeweils ein eigenständiges Drittel eines zusammenhängenden, großen Musikstücks sein und auch Dir gehört mein Herz (Platz 168) und Krach im Lager (Platz 158) haben trotz ihrer Andersartigkeit viel vom distinktiven Tarzan-Sound. Ein schneller, rockiger Soundtrack, der dem rasanten Disney-Zeichentrickabenteuer nochmal den letzten Kick gibt. Disney darf meinetwegen ruhig öfter in diesen Gefilden wildern...

Platz 1: Der König der Löwen

... erst recht, wenn man bedenkt, dass auch mein musikalischer Lieblings-Disney von einem Rocker geprägt wurde. Und wenn man New Wave ebenfalls der riesigen Rockfamilie zuordnet, und ein Blick auf seine stilistischen Wurzeln lässt diesen Gedanken gar nicht mal so absurd erscheinen, dann haben wir mit The Buggles-Ex-Mitglied Hans Zimmer neben Elton John sogar einen zweiten im Verein. Aber es ist ja nicht einmal vornehmlich der Rockeinfluss, der Der König der Löwen zu Disneys musikalischer Krönung werden lässt, sondern die hervorragende Verquickung afrikanischer und westlicher Klänge. Außerdem ist in Der König der Löwen die Qualität der einprägsamen Melodien einfach durchgehend hoch. Es gibt keinen Song, der mich denken lässt "Och, neee, muss der jetzt kommen". Bei diesem Film waren die richtigen Leute mit den richtigen Ideen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und deshalb ist Der König der Löwen neben Tarzan auch der einzige Film mit zwei Liedern in meiner Top 10. Zum einen Scars herrlich-boshafter Schurkensong Seid bereit (Platz 6) und dann noch...

Platz 2: Der ewige Kreis ("Circle of Life") aus Der König der Löwen
Musik von Elton John, Text von Tim Rice (dt. Fassung von Frank Lenart)

Im Gegensatz zu Hisst die Flagge, dem dritten dritten Rang meiner Disney-Liederhitliste, entstand Der ewige Kreis offiziell, ohne dass sich Hans Zimmer an ihm als Komponist beteiligte. Die Academy of Motion Picture Arts & Sciences, die GEMA und der Filmabspann von Der König der Löwen listen allesamt ausschließlich Elton John als Komponisten und Tim Rice als Liedtexter dieses imposanten Eröffnungssongs des immens erfolgreichen Disney-Meisterwerks von 1994. Dabei ist es zwei weiteren Musikern zu verdanken, dass der Anfang von Der König der Löwen seine denkwürdige Form annahm, die wir alle kennen und lieben gelernt haben. Ursprünglich sahen die Regisseure Rob Minkoff und Roger Allers eine dialoglastige Introsequenz, in der unter anderem zu sehen ist, wie der Nashornvogel Zazu die zu Simbas Geburt am Königsfelsen eintreffenden Tiere an die richtigen Plätze dirigiert. Zazu, Rafiki, Mufasa und Simba sollten dem Zuschauer allesamt durch Dialoge vorgestellt werden, doch dann legte der Komponist Hans Zimmer den Filmemachern sein Arrangement von Elton Johns Komposition vor, das förmlich wie eine Bombe einschlug. Der ewige Kreis enthielt auch in Zimmers Arrangement Instrumentalparts, die als Untermalung für Dialogstellen geeignet wären, doch auch diese Momente wurden als so ausdrucksstark erachtet, dass es den Regisseuren unmöglich schien, guten Gewissens Dialoge drüberzulegen. Aber nicht nur Hans Zimmer gebührt unendlicher Respekt für die Prägung dieser packenden Introsequenz. Der durch Zimmer, mit dem er zuvor an Im Glanz der Sonne zusammenarbeitete, zu Der König der Löwen herangezogene südafrikanische Musiker Lebo M trug genauso sein Teil dazu bei, den Song Der ewige Kreis in seine endgültige Form zu bringen. Lebo M half Zimmer dabei, dem orchestralen Arrangement einen afrikanischen Charakter zu verleihen und verfasste die Hintergrundtexte für den afrikanischen Chor. Außerdem ist es Lebo M mit seinem mittlerweile ikonischen Schrei, der in sämtlichen der über 35 internationalen Sprachfassungen von Der König der Löwen als erstes zu hören ist und so sämtliche Zuschauer dieses Films innerhalb eines Wimpernschlags in eine andere Stimmung versetzt und nach Afrika entführt. Die unglaubliche atmosphärische Dichte, die majestätische Eigenständigkeit dieses musikalischen Filmintros wäre ohne Zimmer und Lebo M wohl nie zu Stande gekommen, wodurch Der König der Löwen gegenüber seiner tatsächlichen Form sehr viel an Wirkung hätte einbüßen müssen.
Das Intro zu Der König der Löwen ist Erhabenheit in filmischer Reinheit und es benötigt keinerlei Dialogstellen. Wenn die Sonne über den eindrucksvoll eingefangenen Kontinent Afrika erwacht, die Fauna Lebo Ms Aufruf vernimmt und die Wanderschaft zum prächtigen Königsfelsen aufnimmt, begreift das kindliche Publikum intuitv, worum es geht. Und als Erwachsener ist man von der Pracht dieses Moments einfach vollkommen verzaubert. Die Landschaftsbilder sind atemberaubend schön, sei es die in goldenem Licht getauchte Vogelperspektive auf einige kleine Seen, der impressionistische Blick auf den nebelverhangenen Kilimanjaro oder Zazus hoheitsvoller Flug über die versammelten Tiere hinweg zum im sanften Morgenwind wartenden und das Geschehen betrachtenden König Mufasa. Die Kameraeinstellungen sind für einen Zeichentrickfilm äußerst vital und vielfältig, mit der Schärfentiefe wird wie in einem Realfilm umgegangen, was die Sequenz so gleich noch ausgereifter wirken lässt. Die Sequenz dauert rund vier Minuten - eigentlich eine recht lange Zeit, aber sie vergeht dank des Songs und der perfekten Inszenierung wie im Fluge.
Die großartigen Liedtexte tragen selbstverständlich ebenfalls einen wertvollen Beitrag dazu bei, dass Der ewige Kreis zum königlichsten Moment der Disney-Musikgeschichte wird. Tim Rice, der als Ersatz für den verstorbenen Howard Ashman bei Aladdin mitwirkte und den Disney-Studios vorschlug, Elton John bezüglich Der König der Löwen anzufragen, schrieb einen einfühlsamen und weihevollen, spirituellen und dennoch ganz und gar unprätentiösen Liedtext über Leben und Tod, die unbezwinglichen Gesetze der Natur. Elton John, der zuerst die Texte verfasst haben wollte um zu diesen eine Melodie zu verfassen, vertonte die in diesem aufrichtigen Liedtext liegenden Gefühle mit einer hervorragenden, kraftvollen und stolzen Komposition. So griff ein Zahnrad ins andere und ein Meilenstein der Disney-Geschichte war fertiggestellt. Der ewige Kreis ist ein emotionales, intelligentes Lied, das einen gewaltigen Eindruck hinterlässt. Umso unverständlicher, dass die Academy of Motion Picture Arts & Sciences bei der Oscar-Verleihung allen ernstes Kann es wirklich Liebe sein? (Platz 126) diesem Song vorzog. Normalerweise finde ich mich ja einfach damit ab, dass die Mitglieder der Academy einfach einen anderen Musikgeschmack haben, und in einigen Fällen kann ich ihre von meiner Meinung abweichende Entscheidung verstehen. So habe ich Ein Mensch zu sein / Arielles Traum (Platz 32) aus Arielle, die Meerjungfrau in meiner persönlichen Hitliste zwar höher platziert als Unter dem Meer (Platz 37), allerdings könnte ich nicht beschwören, ob ich bei einem Countdown der besten Disney-Songs gleich entscheiden würde. Natürlich stellt sich in diesem Fall wieder einmal, was die "besten" Musikstücke von seinen "liebsten" unterscheidet, aber vor dem Hintergrund, dass Arielles Traum eine recht klassische "Ich will"-Broadwayballade ist, deren Ähnlichkeit zu früheren Liedern selbst von ihren Schöpfern kommentiert wurde und die allein durch die gesangliche Performance und einigen Textpassagen zum großen Fan-Favoriten wurde, während Unter dem Meer ein ganz und gar origineller Stilmix ist, der den gesamten Film und dessen Rezeptionsgeschichte prägte, ist Unter dem Meer wohl der verdientere Oscar-Gewinner.
Im Falle von Der König der Löwen dagegen ist mir die Entscheidung der Academy nicht bloß ein Rätsel, sondern ein regelrechtes Ärgernis. Bezüglich der Nominierungen lass ich ja noch mit mir reden, da Hakuna Matata (Platz 47) und Kann es wirklich Liebe sein? besser ins Oscar-Schema passen als Ich will jetzt gleich König sein (Platz 57) und Seid bereit, dass aber die in ihrer Popversion von Elton John wirklich rührende, aber dennoch konventionelle Liebesballade gewann ist mir einfach unerklärlich. Es ist sogar ein richtiger Frevel, wenigstens meiner Auffassung nach. Der ewige Kreis verrät als Introsong nicht zu viel über den an ihn anschließenden Film, Handlungsverläufe lässt er völlig im unklaren, zugleich führt er seinen Grundtenor ein, Der König der Löwen ist gelegentlichem Humor zum Trotz einer der "stolzesten" und bewegendsten Disney-Zeichentrickfilme, und behandelt bereits sein zentrales Thema, nämlich den ewigen Kreislauf des Lebens, mit dem sich jeder arrangieren muss, ganz gleich ob er willens ist oder nicht (Umso vortrefflicher auch der erste gesprochene Satz im Film: Der blasierte Schurke Scar beklagt sich darüber, wie ungerecht die Welt doch sei).
Deswegen entschied sich Disneys Marketingabteilung, zur Zeit von Der König der Löwen unbestritten die meisterlichste Marketingmaschinerie in ganz Hollywood, in einem überaus weisen Moment dazu, die Der ewige Kreis-Sequenz intakt als Trailer für Der König der Löwen in die Kinos zu entlassen, in der Hoffnung, dass das Publikum daraufhin danach brennt, sich den kompletten Film anzusehen um zu erfahren, was auf diese Anfangssequenz folgt. Ein genialer Schachzug, der von Erfolg gekrönt war: Der König der Löwen holte über 40 Millionen US-Dollar an seinem breiten US-Startwochenende und nahm weltweit insgesamt 783.841.776 $ ein, womit er zum erfolgreichsten Trickfilm aller Zeiten wurde. Mittlerweile überholten ihn Toy Story 3, Shrek 2 und Findet Nemo, im Zeichentrick-Medium bleibt er aber der unangefochtene König. Und auch ein anderer Rekord bleibt wohl für immer in Stein gemeißelt: Der König der Löwen ist der meistverkaufte Film auf Videokassette. Und nur so am Rande: Auch ein weiterer Rekord für dieses Medium liegt in den Händen des Disney-Konzerns. Die erfolgreichste Videokassette im Verleih ist Jerry Bruckheimers und Michael Bays The Rock.
Rund ein halbes Jahrzehnt später versuchte Disney diesen Erfolg zu wiederholen, als man das ambitionierte Projekt Dinosaurier mit seiner überaus beeindruckenden Introsequenz bewarb. Mit 38 Mio. Dollar war das Startwochenende ebenfalls beachtlich, unter'm Strich wurde der Abstand zu Der König der Löwen allerdings immer klaffender und so reichte es mit einem weltweiten Einspielergebnis von 349.822.765 Dollar nicht einmal für die Hälfte der Einnahmen von Der König der Löwen. Es besteht nunmal ein Unterschied, wenn der Trailer den besten Song enthält, oder die einzige überdurchschnittliche Szene des gesamten Streifens.
Der ewige Kreis ist in der Disney-Historie aber nicht bloß als Trailer (und Eröffnung) des erfolgreichsten Zeichentrickfilms von Bedeutung. Dass Julie Taymor bei der Gestaltung der Bühnenausstattung und Kostüme der Broadway-Fassung von Der König der Löwen besonderen Wert darauf legte, dass das Kreismotiv herausgestellt wird, hat seinen ursprung ja nicht irgendwoher. Außerdem machte das Lied, bei dem in der Produktion von Der König der Löwen große Diskussionen darüber herrschten, welche Figur den Song überhaupt singen sollte (bevor man sich schlicht auf "keine" einigte und die Wahl auf eine anonyme Off-Stimme fiel), den Off-Gesang (mal von etablierten Figuren, mal von anonymen Stimmen) im Meisterwerkekanon "en vogue". Vor allem jedoch wurde er zur Messlatte und zur stillschweigenden Inspiration für fast alle anderen Eröffnungssequenzen und -lieder der Walt Disney Animation Studios. Die Glocken Notre Dames (Platz 19), Jedes Wort ist wahr (Platz 119), Zwei Welten und Götter der Ewigkeit (Platz 31), sie alle wurden auf die eine oder andere Weise von Der ewige Kreis beeinflusst, sei es der Versuch genauso bedeutungsvoll zu sein, ebenso dramatisch (oder noch dramatischer) zu wirken oder auf ähnliche Art die zentralen Themen des dazugehörigen Films einzuführen. Die Märchenbuch-Einführung (oder die Verwendung eines Ersatzes in Form von Mosaikfenstern) schien ein für alle Mal tot. Sofern man nicht gerade einen auf Parodie macht, wie in Himmel und Huhn oder Verwünscht. Da Disney davon absah, ständig bei Der ewige Kreis zu klauen und den Anfang von Der König der Löwen lediglich als zu übertreffendes Ziel sah, besteht für mich auch kein Grund zur Klage über dieses Vorgehen. Schlecht bei sich selbst klauen ist peinlich, aber sich darum bemühen, eine frühere Bestleistung zu überbieten, und dabei eine weitere beachtliche Leistung zu vollbringen, ist vollkommen genehm.
Obwohl Der ewige Kreis ein Lied ist, welches sehr viel seiner eindringlichen Wirkung aus dem bewegenden Text zieht, ist es einer der Songs, bei denen ich die internationalen Übertragungen geschlossen gelungen finde. Eine wirklich schlechte Version ist mir nicht bekannt, es gibt lediglich Fassungen, die stärker sind als andere. Ganz vorne liegen für mich die deutsche und die englische Aufnahme, einerseits aus dem genannten Grund der Verständlichkeit, aber auch weil Carmen Twillie (in der englischen Fassung) und Jocelyn B. Smith (in der deutschen Fassung) unglaublich viel Seele in den Song legen, ohne ihn durch zu intensiven Gefühl zum umkippen zu bringen und seine majestätische Grazie zu verspielen. Deswegen finde ich auch die niederländische Synchronfassung ungewohnt schwach. Unsere westlichen Nachbarn schätze ich bei Disneyfilmen nämlich sonst als überraschend talentierte Synchronnation, obwohl es dort ja keinerlei Tradition hat. Aber die niederländische Fassung von Der ewige Kreis ist mit zu lustlos intoniert. Es ist zwar richtig, dass die Sängerin nicht warm singt, da im Original eine gewisse Kälte in der Gesangsstimme liegt, die das Lied davon abhält belehrend zu wirken und zudem die Bildgewalt unterstützt, da die Aufmerksamkeit auf diesem Weg nicht zu sehr auf den Gesang gelenkt wird. Gleichzeitig muss aber durch diese Kälte ein heimeliges, warmes Gefühl entstehen. Es ist eine paradoxe Sache, und dadurch ist Der ewige Kreis auch ein so anspruchsvolles Lied für den Interpreten, mehr als durch die Notenführung. Dass für das angetäuschte Finale vor der längeren Instrumentalphase und erst recht für endgültige Crescendo die einfach nur im Raum schwebende, mütterlich-göttliche Stimme plötzlich doch ins kraftvolle umschalten muss, macht die Emotionalität im Gesangspart des Songs noch komplexer.
Die französische Fassung, die ich mit meinem Schulfranzösisch noch großteils verstehen kann, meistert dies im Gegensatz zur niederländischen. Generell hat diese Version große Klasse, das phonetische ist sehr edel und gehoben, genauso wie die stilvolle griechische Fassung. Ähnliches gilt für die italienische, die sehr stilvoll klingt und einen geradezu butterweich fließenden Text aufzuweisen hat. Die tscheschiche und portugiesische Fassungen dagegen sind mir wieder zu kraftlos .In Ungarn dagegen hat man eine sehr mütterlich auftretende Gesangsstimme gewählt, ohne aber die Gesamtwirkung des Liedes zu verfälschen. Das Finale könnte auf Ungarisch allerdings mehr Kraft vertragen. Auf Zulu wiederum ist Der ewige Kreis super, aber längst nicht so eindrucksvoll wie Seid bereit. Die Araber dürfen sich hingegen mit einem hierzulande altbekannten Problem herumschlagen: Es existieren zwei Synchronfassungen. Die erste ist mir etwas zu laff, hat aber einen klanglich schönen Text, die zweite hat mehr "Soul" und mehr Biss, schießt manchmal jedoch für meinen Geschmack zu sehr über das Ziel hinaus. Die Zofferei, welche Fassung besser ist überlasse ich jenen, die es betrifft.
Ganz großes Klangkino haben sich aber die Spanier geleistet. Deren ausdrucksstarke Synchronfassung von Der ewige Kreis hat, wie ich finde, sehr viel Charakter und ist deswegen mit einem hübschen Abstand meine liebste Fassung von Der ewige Kreis in einer Sprache, die ich nicht spreche. Ist ja auch irgendwie eine beachtliche Leistung...
Elton Johns Popversion fällt gegen die Filmfassung spürbar ab. Es ist weiterhin ein sehr guter Song, Struktur und Melodie bleiben bestehen (letzteres zumindest ganz klar im Refrain) und Elton Johns Stimme passt zu Der ewige Kreis, daran liegt es also nicht. Es ist hauptsächlich das zu unaufregende Arrangement dieser Version, das sie in meiner Gunst nach unten zerrt. Ich fände es deswegen sehr interessant, Elton John mal die Filmversion singen zu hören. Aus diesem Grund kann ich auch mit sämtlichen auf Elton Johns Single-Auskopplung basierenden Coverversionen nur wenig anfangen, denn meistens legen diese Interpreten weniger Leidenschaft hinein, als der Songkomponist. Oder ihre Stimme mag mir zu diesem Song einfach nicht so sehr behagen wie die von Elton John. Eins von beidem ist es immer...
Besondere Erwähnung verdient aber Circle of Life (Christmas Edition) von Disney Channel Circle of Stars. Diese nimmt eine von vornherein grausige Missstaltung eines großartigen Songs und ersetzt die lieblos unter die Musik gesampleten Pop-R'n'B-Beats durch nerviges Elktro-Glöckchenläuten.
Die Musical-Version von Der ewige Kreis ist dagegen wieder richtig stark. Das Arrangement lehnt sich noch mehr ins afrikanisch-urbane über, auch der Chor wird etwas stärker ins Zentrum gerückt, was für den Film bereits zu übertrieben, für die Bühnenfassung hingegen perfekt ist. Aus ihrem jeweiligen Kontext losgelöst tut sich für mich zwischen der Film- und der Musicalfassung nicht viel, müsste ich mich aber entscheiden, so würde ich bei der kompletten Introversion das Arrangement für den Film bevorzugen, während bei der finalen Reprise das Musical knapp vorne liegt. Dort wirkt die Reprise aufgrund des stärker herausgestellten Chors und dessen rhythmischen Gesang noch überschwänglicher sowie eindringlicher, und die Feierlichkeit dieses Abschlusses wird noch nachhaltiger rübergebracht.

Langer Rede, kurzer Sinn: Der ewige Kreis ist ein ungeheuerlich wirkungsvoller Song, der mich um einiges mehr mitnimmt, als jede schmalzige oder schwermütige oder kraftvolle Liebesballade. Das Lied packt mich einfach immer wieder und löst (aller!)spätestens im Finale eine wohlige Gänsehaut bei mir aus. Jedes Mal. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich den Song allein während der Vorbereitung und Bearbeitung dieses Textes gehört habe, und dennoch hat es mich ein ums andere Mal erwischt, dieses behütete und erhabene Gefühl.
Die Melodie, das ergreifende Filmarrangement, das rhythmischere und kräftigere Musicalarrangement, der herausragende Text, der dramaturgische Aufbau dieses Liedes, Lebo Ms markanter Anfang, das imposante Finale... Ich würde an dieser Stelle so weit gehen und sagen, dass Der ewige Kreis möglicherweise das beste, zumindest aber das eindruckvollste, Disney-Lied überhaupt ist.

Und wenn Der ewige Kreis meiner Betrachtung nach die absolute Superlative der Disneymusik darstellt, wieso ist es dann bitteschön nicht auf Platz 1? Was soll dann noch großartig folgen? Nehm ich meine Leserinnen und Leser mit dieser Hitliste etwa einfach nur alle Hopps, oder habe ich noch etwas überzeugendes, oder wenigstens ansatzweise nachvollziehbares in petto?

Das klärt sich im abschließenden Artikel über Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder.