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Dienstag, 28. Februar 2023

Gastbeitrag: Von blutigen Bären und dampfenden Mäusen

EdiGrieg ist ein Disney-Experte, wie er im Buche steht und ein Meister im Fachbereich Synchronisation. Daher solltet ihr alle seine Seite Trickfilmstimmen kennen, das beste Disney-Synchron-Archiv des World Wide Webs! Aber auch in anderen Themengebieten kennt er sich bestens aus, wie ihr nun feststellen werdet...


2022 erlebte die nicht aufzuhaltende Welle von Realfilm-Umsetzungen klassischer Disneyfilme durch "Pinocchio" einen neuen Tiefpunkt, während Guillermo del Toros Umsetzung des hölzernen Bengels im selben Jahr von Lob geradezu überschüttet wurde. 2023 wird nun der Film "Winnie-the-Pooh: Blood and Honey" Streamingnutzern eine blutige Version von A. A. Milnes berühmten Kinderbuch präsentieren, welches 1926 veröffentlicht wurde und 2021, 95 Jahre später nach US-Recht den Status "Public Domain" (Gemeinfreiheit) erlangte. Nach Christopher Robin Milnes Tod am 20. April 1996 verkaufte seine Witwe die Rechte an Puuh dem Bären an die Walt Disney Company. Solange Regisseur Rhys Frake-Waterfield im oben genannten Horrorfilm nichts verwendet, was wiederum Disney seinerzeit kreativ hinzu fügte, hat der Maus-Konzern aufgrund des PD-Status jedoch nun keine rechtliche Handhabe mehr.
 
Die Rechtsgrundlage vom Schutz geistigen Eigentums ist ein Thema, das Bücher füllen könnte und hat nirgendwo eine derartige Komplexität erlangt wie in den USA. Da nun in den kommenden Jahren viele bekannte und berühmte Werke der 20er Jahre aus Literatur, Musik und Film in die erwähnte 95'er Frist kommen, könnte die Medienlandschaft von Hollywood und Co., die sich unlängst in eine kreative Sackgasse aus Reboots, Remakes und Spin-Offs verrannt hat, noch um einige bekannte Franchises "bereichert" werden. Dieser Umstand entfachte unlängst Diskussionen in entsprechenden Fachkreisen. Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Obersten Gerichtshof, gab zu Protokoll, dass (Zitat:)
"Wir an der Schwelle zu einer Zeit stehen, in der Urheberrechte für eine Reihe visueller Werke auslaufen." und auf einen eventuell kaum überschaubaren Ansturm an Rechtsverletzungsverfahren hinweist.
 
So haben diverse Nachrichtendienste reißerisch Artikel mit dem Thema veröffentlicht, dass Walt Disneys Micky Maus 2024 PD-Status erlangen wird und fröhlich darüber spekuliert, was dies wohl alles nach sich ziehen könnte. Nach Persönlichkeitsrecht hätte Micky sogar eine 70-Jahres-Frist nach dem Ableben Disneys bekommen, die erst 2036 ausläuft ... Nur ist Micky, Fans wissen das, nicht Walts persönliche Erfindung, sondern die von Ub Iwerks, der 1971 verstarb und die Frist damit sogar bis 2041 verlängern würde. Das Alles zählt aber nicht, weil Disney schon lange vorher festgelegt hatte, seine Kreationen ins Firmenrecht zu integrieren. Natürlich hatte er damals von der heutigen Rechtslage noch keinen Schimmer.
 
Und somit werden Figuren wie King Kong, Popeye, Flash Gordon, Superman und auch Micky & Donald im Laufe der nächsten Jahre gemeinfrei werden. Aber was bedeutet das im Detail? Vereinfacht gesagt geht es darum, dass Micky im Laufe der Jahrzehnte optisch immer wieder verändert wurde, wobei jeder Stil wiederum seinen eigenen Urheberrechtsanspruch einfordern kann.

Anders herum gesagt: Jeder darf eine Micky Maus öffentlich ausstellen, solange sie nicht wie eine von Disney gezeichnete Micky aussieht. Dieser "optische Schutz" verwirkt jedoch nach 95 Jahren. Aktuell geht es um die Verwendung Disneys erster Micky-Cartoons von 1929, allen voran der Klassiker "Steamboat Willie". Kann und darf ein Drittunternehmen ab 2024 die berühmte Dampferszene auf ein T-Shirt drucken und verkaufen, ohne von Disney belangt werden zu können? Nach US-Recht grundsätzlich ja!

Natürlich ist die kleine Maus nicht nur Copyright- sondern auch Marken-geschützt, und dieses Trademark läuft grundsätzlich NICHT ab, solange Disney existiert. Gerade hier wird es mit der Rechtsgrundlage aber etwas schwammig. Ein Trademark beinhaltet, dass die "Ideale" eines Unternehmens nicht gefährdet werden dürfen, und DAS treibt Rechtsexperten Schweißperlen auf die Stirn angesichts eines Unternehmens, dem zur Zeit angedichtet wird, sich auch noch Sony oder/und Netflix unter den Nagel zu reißen, um seinem Medien-Monster weitere Tentakel hinzufügen zu können.
 
Selbstredend beschäftigt der Konzern nicht nur einige der besten Künstler der Welt sondern wohl auch einige der besten Rechtsanwälte; und dass Disney mit Rechtsverletzungen nicht zimperlich umgeht, hat er schon des Öfteren unter Beweis gestellt. So wurde eine Kindertagesstätte in Florida gezwungen, ein nicht autorisiertes Minnie-Maus-Wandbild zu entfernen. Im Jahr 2006 sagte Disney einem Steinmetz, dass das Schnitzen von Winnie Puuh in den Grabstein eines Kindes das Urheberrecht verletzen würde, und 2020 berechnete eine Disney-Tochtergesellschaft einer Grundschule 250 US-Dollar, weil sie "Der König der Löwen" ohne Erlaubnis bei einer PTA-Spendenaktion gezeigt hatte.

Der darauf folgende Mediensturm war so heftig, dass sich Robert A. Iger entschuldigte und sagte, er würde eine persönliche Spende leisten. "Wenn es etwas gibt, das Disney ernster nimmt als geistiges Eigentum, dann ist es das Image in der Öffentlichkeit.", frotzelte Rechtsanwalt Aaron J. Moss, der explizit auf die ständig anwachsende "Creator Culture" der sozialen Medien von YouTube bis TikTok aufmerksam macht. Diese Landschaft könnte für Disney eine Herausforderung darstellen, wenn "Steamboat Willie" PD-Status erhält. "Sie werden nicht in der Lage sein, alle zu verfolgen", sagt Moss, "Kampflinien müssen gezogen werden." Frau Ginsburg gibt an, sie beobachte genau, ob Disney und andere Medien-Unternehmen versuchen, das Markenrecht als Ersatz oder Erweiterung des Urheberrechts anzuwenden, um, wie sie es ausdrückt, "einen separaten Schutz anzuwenden, der letztendlich greifen kann".
 
Im Falle von "Steamboat Willie" hat Disney dies unlängst getan. 2007 wurde das Firmenlogo neu gestaltet, der pfeifende Steamboat-Micky darin integriert und damit markengeschützt. Vielleicht - ich spekuliere hier - ist sogar Mickys optische wie charakterliche (freche) Rückkehr in alte Zeiten, welche 2013 begann (aktuelles Franchise: "The Wonderful World of Mickey Mouse"), nicht nur eine künstlerische Frischzellenkur, sondern schlägt auch rechtlich einen Bogen in die Vergangenheit, um später eventuelle Ansprüche des Konzerns unterfüttern zu können.
 
Die Themen Micky Maus und Urheberrecht sind seit Ende der 1990er Jahre im öffentlichen Bewusstsein, als sich Disney und andere Medienunternehmen erfolgreich für eine Ausweitung des Urheberrechtsschutzes im Kongress einsetzten. In vielerlei Hinsicht ist Micky dabei zum ultimativen Symbol für geistiges Eigentum geworden. Die Verlängerung des Urheberrechts von 1998 löste einen hässlichen Rechtsstreit aus, wobei Kritiker argumentierten, der Kongress habe die Verfassung missachtet, die klar vorsieht, dass Urheberrechtsschutz nur für eine begrenzte Zeit gewährt werde.

Laut Paul Goldstein, Professor an der Stanford Law School und Autor einer fünfbändigen Abhandlung über das US-Urheberrecht, tauchten damals erstmals "Free the Mouse"-Autoaufkleber auf. "Disney hat nicht aktiver auf die Verlängerung gedrängt als alle anderen, aber der Konzern habe einen bequemen Bösewicht abgegeben.", sagte er. Ginsburg und ihre Richter-Kollegen segneten zwar damals die Kongress-Entscheidung ab, warnten aber vor einer erneuten Verlängerungs-Forderung, die wohl nur in einer unsäglichen Schlammschlacht enden würde. Auch Rechtsanwalt und Medienexperte Daniel Mayeda erklärt: "Sie haben ihre Amtszeit für Micky & Co. erfolgreich verlängert, aber ich denke, dies wird das Ende der Fahnenstange sein."
 
EdiGrieg
unter Zuhilfenahme eines Artikels von Brooks Barnes
(New York Times, 27.Dezember 2022)

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Gastkritik zu "Sleeping Beauty"

Seit nunmehr drei Jahren betreibt meine werte Kollegin Antje Wessels ihren Filmblog, der mittlerweile unter dem Namen Wessels-Filmkritik.com ein stolzes Dasein führt. Zur Feier dessen tauschen sie und ich Kritiken aus. Jeder von uns suchte dem jeweils anderen einen Streifen aus, den er zu besprechen hat. Sie wünschte sich von mir eine Kritik zu Free Birds, ich bat Antje um ihre Kritik über Sleeping Beauty. Hier könnt ihr die Meinung meiner geschätzten Kollegin zu Julia Leighs Erotik-Charakterdrama lesen. Viel Vergnügen!


Mit Dornröschen, unter welchem Namen das Märchen Sleeping Beauty hierzulande bekannt ist, hat die erste und bislang einzige Regiearbeit der Filmemacherin und Autorin Julia Leigh nichts gemein und doch steht im Mittelpunkt der lose neuinterpretierten Vorlage Das Haus der schlafenden Schönen eine krude Form der Prinzessin, die am Ende jedoch nicht etwa auf den lang ersehnten Traumprinzen trifft, sondern der einzig und allein ein böses Erwachen bleibt. Aurora heißt hier Lucy, gespielt von einer uneitlen Emily Browning, die durch das Fantasy-Actionspektakel Sucker Punch auch einem breiten Publikum bekannt wurde und zuvor vornehmlich in Genrefilmen der Marke Ghost Ship zu sehen war. Ähnlich ihrer vielen Kolleginnen, die sich nach dem schnellen Geld in wenig kritikerfreundlichen Durchschnittsstreifen mit dem Engagement in Kunstfilmprojekten endlich das notwendige Ansehen erhoffen, um ab sofort auch in namhafteren Filmen besetzt zu werden, erweist sich die Castingentscheidung von Emily Browning für beide Seiten als lohnenswert, wenngleich aus der Sicht der Darstellerin als umso berechnender. Doch sei es drum: Als ebenso schwer zugängliche wie wunderschöne Protagonistin funktioniert die bei den Dreharbeiten 21-jährige Blondine ganz hervorragend. Auch deshalb, weil ihr Gesicht dato noch nicht allzu oft auf der großen Leinwand zu sehen war. Browning gibt sich sichtlich Mühe, der Mischung aus voyeuristischer Softerotik und hartem Psychogramm das notwendige Leben einzuhauchen, um das Publikum an dieser ganz persönlichen Lebens- und Leidensgeschichte teilhaben zu lassen. Doch mehr als ein oberflächlicher Einblick in das Leben einer fehlgeleiteten, jungen Frau vermag Julia Leigh vor allem deshalb nicht zu gelingen, weil Sleeping Beauty weder dramaturgisch ausgereift, noch mit interessanten Figuren bestückt ist.

Aufgrund der bewusst karg-minimalistischen Inszenierung von Sleeping Beauty mag Leighs Regiearbeit vielleicht immer noch Kunst sein; trotzdem erzählt ihr Film weder eine Geschichte, noch gibt sie preis, was in den oberflächlichen Charakteren überhaupt vorgeht. Der Plot über eine nicht näher charakterisierte Frau, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel hat, sodass sie dazu übergeht, die absurdesten Nebenjobs anzunehmen, hat per se genug Substanz, um den anstehenden eineinhalb Stunden genug Unterbau zu bieten, um anhand diesem den psychischen Verfall, respektive vielleicht sogar ein Überdenken der Lebensumstände zu erzählen. Was der Zuschauer jedoch erfährt, ist nicht genug, um ein Interesse an den durchgehend blass bleibenden Figur aufzubauen. Schon in der ersten Szene sehen wir Lucy in einem Labor, wo sie sich eine medizinische Sonde zu Testzwecken einführen lässt. In den nächsten Szenen werden wir Zeuge ihres tristen Alltags, der aus allerhand Arbeit besteht und sie immer wieder in die Arme eines merkwürdigen Herren namens "Birdman" führt. Auch dessen Identität bleibt unklar und beschränkt sich auf zusammenhanglose Dialogfetzen, die dieser mehrmals mit seiner (platonischen oder festen) Freundin Lucy austauscht. Licht bringen diese in das Dunkel dieser merkwürdigen Beziehung jedoch nicht – und selbst für eigene Interpretationen benötigt der Zuschauer mehr Anhaltspunkte, als die Informationen, dass Birdman und Lucy sich hin und wieder zum gemeinsamen Fernsehschauen treffen. Die Tatsache, dass Lucy bei mehreren Treffen unvermittelt in Tränen ausbricht, verleiht dieser Szenerie zusätzlich etwas Lächerliches, da aufgrund seiner schier nicht vorhandenen Sinnigkeit so etwas wie eine spürbare Pseudointellektualität spürbar wird.

Julia Leigh versucht merklich, ihrem Werk ein ambitioniertes Erscheinungsbild einzuverleiben. Stellenweise lässt das Spiel mit der Versuchung des unwissenden Zusehers auch Anleihen an Stanley Kubricks Meisterwerk Eyes Wide Shut erkennen. Doch während sich Kubrick in seinem erotischen Ehepsychogramm auch genug Zeit dafür nimmt, die Gesinnung seiner Hauptfiguren zu erläutern, um anhand dieser die notwendige Spannung aus der Unsicherheit des Publikums zu ziehen, weicht das Unwissen über die Einordnung des Plots bei Sleeping Beauty alsbald der Gleichgültigkeit. Gewiss: Leighs Werk verschließt sich ganz bewusst einer klassisch narrativen Form und versteht sich als Lebensabschnittsstudie ohne Prolog, erzählerischem Höhepunkt und Happy oder Sad End. Doch die Regisseurin traut ihrer Vorlage zu viel Substanz zu; die Zugkraft der Prämisse wird es schon richten. Allein dieser Gedanke genügt aber nicht. Was es braucht, sind fesselnde Charaktere und so etwas wie ein Ziel. Doch nicht nur an ersterem mangelt es. Allen voran das unkonzentrierte Dahinplätschern lässt den Zuschauer alsbald kalt. Auf spannende Szenerien, etwa dann, wenn Lucy erstmals auf die geheimnisvolle Leiterin eines exklusiven Clubs trifft, die ihr ein lukratives Angebot für erotische Dienste verspricht, folgen dröge Minuten, die einmal mehr die Tristesse in Lucys Alltag hervorheben sollen. Das bremst aus und verhindert immer wieder, dass das aufkeimende Interesse des Publikums mit einer Highlightszene belohnt wird.


Das visuelle Erscheinungsbild tut sein Übriges, um Sleeping Beauty unrühmlich zu unterstreichen. Kameramann Geoffrey Simpson (Sessions – Wenn Worte berühren) kleidet das Erotikdrama in ein unauffälliges, allenfalls fernsehtaugliches Grau-in-Grau und möchte damit offenkundig unterstreichen, wie nah Lucys vermeintlich eleganter Sexjob an der Perspektivlosigkeit ihres Alltags befindlich ist. Ausgerechnet dieser Ansatz gelingt dem Bilderkünstler auch ganz vortrefflich. Leider ergibt sich dem Zuschauer dadurch gleichsam ein wenig ästhetisches Bild. Ohne automatisch den Anspruch eines geleckten Lack-und-Leder-Looks zu erheben, untermauert Sleeping Beauty mit einem solchen Auftritt seinen Anspruch, weg von einem geschichtenliebenden Zuschauer, hin zum Genießer abgehobener Kunstprojekte. Julia Leigh hat sich hier ganz eigen dafür entschlossen, einen Film zu kreieren, der vermutlich nur einem Bruchteil seiner Zuschauer zusagt. Denn vermutlich braucht es eine gewisse Aufgeschlossenheit derartigem Stoff gegenüber, um die Faszination einer Figur zu begreifen, die dem Zuseher keinerlei Gründe an die Hand gibt, ihr Leben interessant zu finden. Wenn das Finale darüber hinaus mehr Fragen aufwirft, als sämtliche aufgekommene vorab zu beantworten, erweist sich Sleeping Beauty als kurioses Sammelsurium vieler Ideen, aus dem sich vermutlich jeder das herausziehen muss, was für ihn selbst interessant ist. Ob etwas Kunst ist, oder weg kann, liegt ohnehin zumeist im Auge des Betrachters. 

Mehr von Antje Wessels findet ihr auf Wessels-Filmkritik.com!

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Gastkritik zu "Die Eiskönigin - Völlig unverfroren"

Seit nunmehr zwei Jahren betreibt meine werte Kollegin Antje Wessels ihren Blog Buy a Movie.de, und anlässlich dieses Jubiläums sind wir einen kleinen Deal eingegangen: Ich veröffentliche eine Kritik zu einem Film ihrer Wahl bei Buy a Movie.de, dafür bereichert sie meinen Blog um eine Kritik, die ich mir wünschen durfte. Während man daher meine Meinung zu Trance an anderer Stelle lesen kann, gibt es nun hier Antjes Versuch einer Erklärung der Faszination hinter Die Eiskönigin. Viel Spaß beim Lesen!

Selten bekam ein Disneyfilm der letzten Dekaden ein derart positives Feedback wie es dieser Tage „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ ereilt. Das auf einer Geschichte von Hans Christian Andersen basierende Musicalmärchen, das zu adaptieren sich der Disneykonzern bereits über Jahrzehnte immer wieder vornahm, wird mit Klassikern des Disneykanons wie „Der König der Löwen“ verglichen – und braucht sich dabei keine Sorgen zu machen, dass derartige Entsprechungen einzig und allein einer ausgeklügelten Marketingmasche entstammen. Von Seiten des Storyaufbaus, der Animationsqualität und sämtlicher Figurenzeichnungen kann sich „Frozen“ – so der schlichte Originaltitel – ohne Zweifel an der zeitlosen Geschichte des Löwenkönigs messen. Mehr noch: Gehört der für den Disneykonzern verhältnismäßig komplexe Stoff des „Lion King“ hauptsächlich zu den gefühlvollsten seiner Art, kann „Die Eiskönigin“ gleichsam auf Seiten tiefgehender Emotionen als auch im Humorbereich auftrumpfen. Kurzum: Disneys „Hamlet“-Variation „Der König der Löwen“ bleibt auch weiterhin der zeitlose Klassiker, der er vor Disneys 53. Meisterwerk war. Gleichwohl schafft es mit „Die Eiskönigin“ zum ersten Mal ein Disneybeitrag, am perfekten Image des Films zu kratzen. „Frozen“ bietet optisch heute das, was „Der König der Löwen“ zu Beginn der Neunziger tat. Mit seiner ausgeklügelten, zwischen melancholischer Emotionalität und spritzigem Optimismus balancierenden Geschichte liefert die Story (tief)sinnige Unterhaltung mit Köpfchen, die viele oberflächliche Disneyfilme der letzten Jahre meilenweit in den Schatten stellt. Gleichzeitig bewiesen die Macher eine gehörige Portion Mut – nahmen sich praktisch das Leitmotto ihres eigenen Films zu Herzen und vertrauen darauf, dass das Publikum positiv auf ihre vielschichtig und irgendwie „anders“ gezeichneten Charaktere reagieren wird.
Für das für den (Publikums-)Erfolg so wichtige Konstrukt aus Handlung, Inszenierung, Figurenzeichnung und, im Falle eines Musicals, Musik zeichneten hauptsächlich Chris Buck und Jennifer Lee in Position der Regisseure verantwortlich. Chris Buck schuf bereits 1999 das Disney-Meisterwerk „Tarzan“ und war für den Mäusekonzern bis 2013 nur noch einmal tätig, als er 2004 den Charakter Maggie aus „Die Kühe sind los“ animierte. Auch Jennifer Lee ist in Disney-Kreisen noch kein allzu beschriebenes Blatt, kann mit „Ralph reicht‘s“, für den sie 2012 das Drehbuch schrieb, jedoch bereits einen Oscar-nominierten Animationsfilm vorweisen. In „Die Eiskönigin“ sind nun also beide Herr über ihr eigenes Meisterwerk, für das sie auch das Skript schrieben. Ihnen zur Seite steht mit Christophe Beck kein typischer Disney-Komponist. Einzig für den 2011 erschienenen „Muppets“-Film sowie das Shortmovie "Im Flug erobert" - den Vorfilm zu "Ralph reicht's" - lieferte er den dazugehörigen Soundtrack. Seine letzten Arbeiten für Filme wie „Hangover 1-3“ oder „Pitch Perfect“ stammen dagegen nicht aus dem Familienfilm- oder Animationssegment.
Mit der Einführung in die Szenerie kosten die Verantwortlichen hinter den Kulissen sogleich sämtliche Stärken ihres Werkes aus. Die Eingangssequenz der „Eiskönigin“ erinnert in ihrem raubeinigen Auftreten an den nahezu epischen Musical-Prolog aus Tom Hoopers „Les Misérables“. Eine einige Dutzend Mann starke Truppe aus Arbeitern, die in klirrender Kälte Eisblöcke zurechtschneidet, singt in epochalem Einklang den Eröffnungssong „Kaltes Herz“. Schon in den ersten Minuten erschließt sich dem Zuschauer hierdurch nicht nur die musikalische Qualität des Films, sondern gleichzeitig auch die Bildgewalt, mit welcher „Die Eiskönigin“ in den kommenden eineinhalb Stunden daherkommen wird. Was für „Rapunzel“ vor einigen Jahren die revolutionäre Realitätsnähe in Sachen Haaranimation war, ist für „Frozen“ die Darstellung von Schnee und Eis. Wenn sich in den kristallklaren Eisblöcken das Licht bricht oder der Pulverschnee die Animation jeder einzelnen Schneeflocke erahnen lässt, setzen die Animatoren neue Maßstäbe auf Seiten der Winteranimation. Filme wie die Blue-Sky-Studios-Reihe „Ice Age“ oder der letztes Jahr in den internationalen Kinos gelaufene „Die Hüter des Lichts“ wirken dagegen fast schon antiquiert.
Nachdem in der Eingangsszene auch noch einer der, den Film noch um Einiges bereichernden Sidekicks Kristoff sowie sein Rentier Sven vorgestellt werden (dessen Aussehen zugegebenermaßen anfangs arg an „Nico das Rentier“ erinnert), geben uns die folgenden, in Form von Bildmontagen arrangierten Szenen einen Einblick in die Herkunft unserer beiden Hauptfiguren. Entgegen dem üblichen Disneyklischee sind dies in diesem Fall keine potentielle Liebenden. Vielmehr entschieden sich Chris Buck und Jennifer Lee für zwei Protagonistinnen und konzipierten mit dem Schwesternpaar Anna und Elsa zwei optisch reife, jedoch nicht übermäßig in menschlichen Details ertrinkende Frauenfiguren. Bis es soweit kommt, dass der Zuschauer in den optischen Genuss dieser beiden Grazien kommt, erzählt „Die Eiskönigin“ jedoch zunächst von dem schicksalhaften Unfall, als sich Elsas magische Kräfte im Kindesalter zum ersten Mal als Gefahr für ihre Umwelt entpuppen und sie ihre Schwester in unbedarfter Spielfreude schwer verletzt. Die Szenerie, ein gemeinsames Herumtollen in der gefrorenen Eingangshalle des elterlichen Schlosses, ist dabei von einer im Disneykanon nie dagewesenen Eleganz. Eisskulpturen und fluffige Schneemassen bestimmen das Bild, verschiedene Blautöne und Weiß in allen erdenklichen Nuancen verleihen den Bildern einen kühlen, aber nie unterkühlten Charme.
Während man bei der Darstellung der kleinen Mädchen zu Beginn noch auf das Kindchenschema vertraut, wachsen Anna und Elsa - wunderschön arrangiert in einer Bildmontage zum berührenden Song „Willst Du einen Schneeman bauen?“ – von Kindern zu Teenagern und schließlich zu jungen Frauen heran. Um ihre Schwester zu schützen, verschließt sich Elsa seit jeher vor Anna, was diese nicht versteht und in den Lyriczeilen des Songs zum Ausdruck bringt. Dies geht zugegebenermaßen alles ziemlich zügig vonstatten und erweckt bisweilen den Eindruck, die Macher hätten sich hier ein wenig mehr Zeit  lassen können, um dem Ganzen noch mehr Tiefgang zu verleihen. Der Inhalt des Textes und die stimmigen Übergänge innerhalb der Montage, machen diesen kleinen Minuspunkt jedoch insofern wieder wett, als dass man schnell erahnt, dass sich Buck und Lee schlicht nicht länger als nötig mit etwas aufhalten wollten, was sich nicht auch stimmig in einem Zeitraffer einfangen lässt. Detailliert erkennt man vor allem die innerliche Reifung beider Foguren auch in dem anfangs ziemlich schief dargebotenen „Willst Du einen Schneemann bauen?“-Strophen, wenn Anna im Laufe der Jahre immer besser die Töne trifft und das Lied der Situation entsprechend variiert.
Mit dem Tag der Krönung, ab welchem der Zeitraffer endet und die „richtige“ da für den Film aktuelle Handlung beginnt, hat Anna bereits ihr nötiges Profil gefunden. Sie ist klar erkennbar der unbedarft-naive, aber auch bestimmte Part. Sie liebt ihre Schwester, ist von deren Verschlossenheit ihr gegenüber jedoch verwundert. In „Zum ersten Mal“, einem Song in der Tradition großer Disneylieder wie „Einmal“ aus „Der Glöckner von Notre Dame“ oder der „Aladdin“-Powerballade „In meiner Welt“, bringt sie ihre Freude über diesen ganz besonderen Tag zum Ausdruck. Das leichtfüßige Arrangement dieser Szene und der beschwingte Tonfall des Lieds kündigen hier zum ersten Mal an, mit welchem Stilmittel die Macher „Die Eiskönigin“ offensichtlich ausstatteten: Viele Szenen finden aus der Sicht Annas statt. Wirken dadurch ab und an gehetzt, jedoch nicht unübersichtlich sondern vielmehr verspielt und manchmal unüberlegt. Dass sich „Die Eiskönigin“ dadurch nie hundertprozentig auf einen Tonfall festlegen kann (und will) sowie dramatische Szenen mehr als einmal von einem (scheinbar) überstürzten Gag beendet werden, ist hier nur konsequent. Derartige Dramaturgiewechsel zeugen dabei nicht etwa von einer Unausgegorenheit des Drehbuchs, sondern sind vielmehr Ausdruck davon, dass neben sämtlichen Figuren innerhalb des Films auch der Film selbst eine eigene Persönlichkeit besitzt. Auf das zufällige Kennenlernen von Anna und Prinz Hans, die sich beide auf dem ersten Blick ineinander verlieben, folgt das kindlich-naive „Liebe öffnet Türen“, welches zunächst den Anschein erweckt, die raschen Liebesentwicklungen anderer Disneyfilme persiflieren zu wollen. Stattdessen ist jedoch auch dieser Song eine aus den Augen von Anna wiedergegebene Situationsbeschreibung: Sie trifft auf ihre erste große Liebe und ist überwältigt von diesem Gefühl der Zuneigung und Vertrautheit, was schließlich in einem beidseitig gegebenen Heiratsversprechen mündet. Eine Parodie hierauf hätte lediglich in Form einer sich viel zu ernst nehmenden Powerballade, nicht aber in einem schmissigen Liedchen funktioniert. Somit bildet „Liebe öffnet Türen“ mit seinem tonal wenig eingängigen Refrain zwar den musikalischen Tiefpunkt des Films, in die Handlung fügt es sich jedoch perfekt.
Im Kontrast zu der überglücklichen Anna steht Elsa, die mit ihrer Unsicherheit und der Angst vor ihren nicht einschätzbaren Kräften zu kämpfen hat. In einem Streit, in welchem Elsa ihre jüngere Schwester davor warnt, einen Mann zu heiraten, den sie kaum kennt, hat sie schließlich ihre eigenen Mächte nicht mehr unter Kontrolle und wird von den Umstehenden als Hexe beschimpft. Ab sofort kommt Elsa eine höchst ambivalent gezeichnete Figur zu. Obwohl der von Dina Kürten hervorragend gesprochenen, von Willemijn Verkaik genauso gut gesungenen, Titelgeberin von Beginn an eine Protagonistenrolle zufällt, ist sie von nun an ein Wesen, vor dem es sich zu fürchten gilt. Anders als das Biest aus „Die Schöne und das Biest“ nimmt Elsa ihr Schicksal an, ohne sich dabei bewusst zu verstecken. Stattdessen lässt sie sich auf den Gedanken ein, von nun an ein Leben mit dieser Gabe zu führen. Sie lässt das sich zur Eiswüste verwandelte Königreich Arendelle hinter sich zurück und schmettert sich in einem der besten Disneysongs aller Zeiten – „Lass jetzt los“ – den Schmerz von der Seele. Dabei ist nicht nur das Lied selbst von einer herausragenden Qualität. Auch die Songdarbietung, in welcher Elsa einen funkelnden Eispalast kreiert, ist von geschliffener Perfektion, immenser Ausdrucksstärke und nicht zuletzt von atemberaubender Schönheit, welche alles bisher Gesehene noch einmal übertrifft.

Wenn nun das Abenteuer um Annas Reise zu besagtem Eispalast beginnt und sie unterwegs sowohl auf Kristoff als auch auf einen der wohl besten Disney-Sidekicks aller Zeiten – den Schneemann Olaf – trifft, wird aus dem hochdramatischen, von amüsanten Einwürfen geprägten Schwestern-Drama ein flotter Road-Trip mit einigen passenden, den Rhythmus nie störenden Action-Einlagen (Stichwort Wölfe). Dabei gelingt Jennifer Lee und Chris Buck der Spagat zwischen den vielen unterschiedlichen Tonfällen mühelos. Ihre Figuren sind durchdacht und jede ihrer Handlungen für den Zuschauer nachvollziehbar. So ist Olaf nicht etwa ausschließlich Stichwortgeber oder Pointenlieferant. Vielmehr ist er die schneemanngewordene Ausgeburt von Elsas Innerstem. Um es mit den Worten von Hape Kerkeling zu sagen, der dem tollpatschigen Schneemann in der deutschen Fassung seine Stimme leiht: Olaf hat ein reines Herz und besitzt in all seiner Naivität dennoch eine liebliche Form von Lebensweisheit sowie einen unermüdlichen Glauben an das Gute im Menschen („Hallo! Ich bin Olaf! Und ich liebe Umarmungen!“). So entpuppt sich Olaf nicht nur der Bespaßung wegen als perfekte Ergänzung des Trios aus Anna, Kristoff und Rentier Sven, sondern ist unbemerkt einer der wenigen Helden in „Die Eiskönigin“. Sein Satz „Manche Menschen sind es wert, dass man für sie schmilzt!“ steht dabei stellvertretend für das – Wortspiel! – Verschmelzen seiner Attribute unbedarft und aufopfernd-ehrlich. Einzig Olafs Solo „Im Sommer“ darf sich voll und ganz den Schwarzen Peter als Tiefpunkt des Films zuschieben lassen. Die äußerst cartoonesque gezeichnete Songeinlage passt vom Tonfall nicht einmal ansatzweise in den durch und durch realistisch gehaltenen Film und wirkt somit wie ein Fremdkörper – auch wenn die Botschaft des Lieds äußerst niedlich ist. Wann hört man schon mal einen Schneemann davon singen, wie er sich den Sommer herbeisehnt?
Kristoff und Sven bleiben gegen so viel Charisma fast blass, sind jedoch nicht weniger liebenswert als ihr karottennäsiger Kumpel. Neben der offenen Anna bildet Sven den zurückhaltenden, fast schüchternen Part. Zu ihm wiederum bildet schließlich auch Sven einen großen Kontrast, der ähnlich dem Pferd Maximus aus „Rapunzel – Neu verföhnt“ mehr Hund denn Rentier ist, dies jedoch nicht in solch einer aufdringlichen Weise zur Schau stellt, wie es sein Huftierkollege tat. Vielmehr ist Svens Art Ausdruck all der Eigenschaften, die sein Herrchen Kristoff nicht auszuleben vermag: Als Eislieferant lässt es sich eben schlecht verspielt und verschmust sein. Gleichzeitig ist Kristoff auch das krasse Gegenteil zu Hans, der großen Liebe von Anna.
Um Gegenteile und Gemeinsamkeiten geht es vor allem bei der Inszenierung der temporeicheren Szenen, allen voran einem Kampf zwischen Elsa und der sie als Hexe ansehenden Königsgarde. Warf man Disney in der Vergangenheit schon öfter vor, zu Gunsten einer FSK-0-Freigabe inszenatorisch einen solch großen Bogen um Gewalt zu machen, dass Kämpfe und körperliche Auseinandersetzungen schnell steril wirken, ist die Ausrichtung hier eine völlig gerechtfertigte. Die unsichere Elsa, die nach wie vor nicht weiß, wozu sie mit ihrer Magie fähig ist, steht gestandenen Männern gegenüber, die ebenfalls nicht in der Lage sind, die vermeintliche Gefahr einzuschätzen. Aus Angst vor der jeweils anderen Seite kann ein konsequenter, gar blutiger Fight nie so zustande kommen, wie man ihn aus Klassikern wie „Der König der Löwen“ kennt, in welchem Simba und Scar sich bis aufs Blut bekämpften. Zaghaft, nahezu übervorsichtig tasten sich Elsa und ihre Gegner einen Schritt vor, nur um anschließend wieder einen zurückzutreten. Vor der Kulisse der kristallblauen Eisburg wirken derartige „Spielchen“ schnell unentschlossen – das sterile Weiß des Eises tut sein Übriges. Mangelnde Konsequenz kann man den Machern hier jedoch nicht ansatzweise vorwerfen. Schließlich nehmen die immer wieder die Ansicht ihrer Protagonisten ein. Quirlige Einstellungen aus der Sicht von Anna, zurückhaltende Bilder, wenn Elsa im Mittelpunkt steht. Erneut sei festzuhalten: Nicht nur die Figuren selbst besitzen an Tiefe – auch „Die Eiskönigin“ selbst ist sein ganz eigener Charakter.
Der Hype um „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ ist in allen Belangen gerechtfertigt. Das Regie-Duo aus Jennifer Lee und Chris Buck orientierte sich mit seinem Meisterwerk nicht etwa an üblichen Disney-Erfolgsmechanismen, sondern traut sich, auf für die Animationsfilmsparte neuen Pfaden zu wandeln. Ohne das klassische Gut-gegen-Böse-Schema zu verfolgen, erzählt die Geschichte von einer unzerstörbaren Liebe zwischen zwei Schwestern, die ummantelt wird von einer Inszenierung, die nicht nur optisch (vor allem in 3D) neue Maßstäbe im Animationsbereich setzt. Die detailverliebte Auseinandersetzung mit altbekannten Themen wie Liebe, Zuneigung und Vertrauen erhält mit der hier dargebrachten Aufbereitung und allerhand liebenswerten, vor allem aber multidimensionalen Figuren einen neuen Anstrich. Vor der verschneiten Kulisse einer skandinavischen Stadt und mit einem zauberhaft-unverkitschtem Ende ausgestattet, bringt „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ somit so ziemlich jedes Herz zum Schmelzen.


Mehr von Antje Wessels findet ihr bei Buy a Movie.de!

Montag, 21. Januar 2013

Disneyland°2 - World of Color & Disney Dreams!


Welcome, foolish mortals!

Disneyland Paris feiert sein 20-jähriges Jubiläum, und für mich ist dies die ideale Gelegenheit, den hiesigen Park mit dem Anaheimer Original zu vergleichen.




So, hiermit bin ich beim Finale meiner Vergleichsreihe angekommen - die beiden Shows, die in Anaheim und in Paris nun täglich den Abendhimmel erleuchten.
Dabei kommt beiden Präsentationen eine enorme Bedeutung in ihren jeweiligen Parks zu. Als World of Color im Sommer 2010 eröffnet wurde, gelang es der Show praktisch im Alleingang, California Adventures zu neuem Ruhm zu verhelfen und den schlechten Ruf des Parks zu heben. Die Show ist so erfolgreich, dass man sich als Zuschauer für die (enorm große) Tribünenfläche Tickets besorgen muss, die täglich bis zum Mittag vergriffen sind. Disney Dreams! stellte für 2012 dagegen die große Neuerung in Paris dar, die den 20. Geburtstag von Disneyland attraktionsmäßig erfolgreich alleine bestreiten konnte.

Anaheim

Natürlich ist mir bewusst, dass mein Gastgeber sich schon längst um einen Vergleich der beiden Shows gekümmert hat, doch es gibt genug Gründe, warum ich nun trotzdem nicht zurückstecken will - zum einen wäre es eine Schande, dieses Glanzstück meines Park-Vergleiches auslassen zu müssen, außerdem kann es zu diesen zwei großartigen Präsentationen kaum je zu viele Begutachtungen geben, und schließlich habe ich das Glück gehabt, beide Shows live erleben zu können. Dazu kommt, dass ich zu der eher objektiv-rationalen Sichtweise von Sir Donnerbold nur zu gerne mein persönliches, subjektives Empfinden hinzufügen möchte.

Paris

Gerade weil es sich in beiden Fällen um Vorführungen handelt, die ihre Zuschauer auf möglichst vielen Ebenen bewegen, aber auch beeindrucken wollen - anders gesagt, es geht nicht zuletzt um den „Wow-Effekt“ - macht es, denke ich, einen großen Unterschied, ob man die Show wirklich direkt erleben konnte. Und das fängt schon bei der jeweiligen Umgebung an. Anders als bei einer Videopräsentation stehen die Shows in Wirklichkeit ja nicht im luftleeren Raum; sie beide sind von Stimmung und Thematik her fest in ihr Umfeld eingegliedert.

Paris
Disney Dreams! kann in Paris mit der Kulisse des Dornröschenschlosses nicht nur den geographischen Mittelpunkt des Parks für sich verbuchen, sondern vor allem den thematischen - ein phantastischeres Umfeld als dieses ist kaum vorstellbar. Damit erhebt die Show schon von vornherein den klaren Anspruch, der zauberhafte Mittelpunkt des Abends zu sein, und dazu ein würdiger Ersatz für das frühere Feuerwerk. In Anaheim hat Disneyland dagegen ein eigenes Schloss-Feuerwerk; hier geht es bei World of Color wirklich um eine Alternative zu der um das Dornröschenschloss flatternden Tinker Bell. Damit muss und will die Show nicht wie in Paris alle erwünschten Aspekte vereinen.
Anaheim
Nicht umsonst befindet sich World of Color nicht in Disneyland, sondern in California Adventure. Natürlich handelt es sich dabei auch um einen Disneypark, aber der Fokus ist unübersehbar anders gesetzt - es geht bei dem Park weit weniger um Zauber und Disneymagie, sondern um Abenteuer und grandiose Erlebnisse. In diesem Sinne ist auch die gesamte Umgebung gestaltet; die Zuschauer betrachten die Show vor der Kulisse des Paradise Pier, der nicht etwa von einem Schloss, sondern von Mickeys Riesenrad dominiert wird. Damit herrschen von Anfang an völlig andere Erwartung an die Show, und auch wenn die glamouröse Cony-Island-Stimmung Paris‘ traumartige Schlosskulisse kaum übertreffen kann, so macht sie ihr durch ein völlig anderes Feeling doch gewaltige Konkurrenz.
Aber es gibt von der Umgebung her noch einen anderen, nicht unerheblichen Unterschied: Statt der kleinen Schlossfläche steht hier ein riesiges Becken zur Verfügung, das Platz für eine wahre Unmenge an Wassergeräten gibt. Alleine technisch hat World of Color dadurch einen Riesenvorsprung.


Anaheim
Eigentlich sagen diese Vorbedingungen schon alles über das Wesen der beiden Shows aus: Disney Dreams! bietet eine magische Präsentation, während World of Color zuallererst spektakulär sein will. In diesem Sinne bemüht man sich in Anaheim gar nicht erst darum, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen; es geht um das Erlebnis, um die grandiosen Effekte, auf die sich die Show denn auch voll und ganz konzentriert. Das Ergebnis ist schier überwältigend; riesige Wasserfontänen und gewaltige Feuereffekte erfüllen immer wieder die gesamte Sichtweite der Zuschauer. Hier ist definitiv das Wasser selbst die Hauptsache, auf die jede Einzelheit der Show voll und ganz ausgerichtet ist.
Paris
Disney Dreams! ist alleine von seinen Ausmaßen sehr viel kleiner gestaltet, doch dafür ist es den Künstlern gelungen, den vorhandenen Platz auf völlig andere Weise zu nutzen. Hier bekommt der Zuschauer eine eigene Geschichte um Peter Pan und seinen widerspenstigen Schatten erzählt, und die Effekte sind hauptsächlich dafür da, diese Handlung zu unterstreichen, statt die eigene Hauptattraktion zu sein. Außerdem kann die Show zusätzlich auf die Macht von Feuerwerk, Schlosskulisse und vor allem den grandiosen Projektionen zählen - und sie nutzt diese Mittel mit beeindruckender Effizienz. Das Wasser ist schließlich kaum mehr als ein schönes Beiwerk, während das Schloss selbst sicher den ersten Rang einnimmt, weshalb ich das Ganze auch eher als Projektions-, denn als Wassershow bezeichnen würde.
Die Show will berühren und auf künstlerischer Ebene beeindrucken, wie wenn das Schloss kurzfristig zu Notre-Dame wird, oder auch zu einer Steampunkversion seiner selbst, die, begleitet von düsterster Musik, wirklich beeindruckend wirkt. World of Color beruft sich dagegen ganz auf die überwältigende Wirkung, die schon alleine aus der genutzten Größe entsteht. So hat das Bösewicht-Segment in Anaheim eine vollkommen andere Wucht; die Musik aus Fluch der Karibik geht über in den Feuervogel und die Nacht auf dem kahlen Berg, ehe schließlich während Das Feuer der Hölle der gesamte Horizont buchstäblich in Flammen steht. Es handelt sich für den Zuschauer um ein wahres Erlebnis, wohingegen Disney Dreams! eher eine theaterartige Präsentation sein will.

Anaheim
Wie schon zu Beginn festgestellt, muss meine eigene Beurteilung gerade in diesem Falle höchst subjektiv ausfallen. Auch wenn zugeben muss, dass Disney Dreams! wohl realistisch betrachtet die durchdachtere, „bessere“ Show sein mag, so war das Liveerlebnis von World of Color doch eine einmalige Erfahrung, die in seiner überwältigenden Wirkung von nichts zu übertreffen ist.

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Montag, 7. Januar 2013

Elisabeth - die Demystifizierung einer Legende




Man hört nur was man hören will, drum bleibt nach etwas Zeit
Von Schönheit und von Scheiße, von Traum und Wirklichkeit
Nur Kitsch!




 

Als Michael Kunze und Sylvester Levay 1992 das Musical Elisabeth nach Wien brachten, löste die unerwartete Darstellung unter Kritikern wie Zuschauern einen kleinen Sturm aus. Das Stück zeigt das Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth fern von Kitsch und idyllischer Sissi-Mentalität; Elisabeth wird als starke, aber auch depressive Frau dargestellt, deren Leben aus einem ständigen Kampf gegen die Welt besteht.
Dabei liegt das Hauptaugenmerk nicht etwa auf der Beziehung zwischen Elisabeth und Franz Joseph, sondern im Vordergrund steht eine ganz andere Liebesgeschichte: Elisabeths ewige Anziehung zum Tod, der hier in personifizierter Form als ihr junger Geliebter dargestellt wird. Der Tod steht ihr gesamtes Leben lang an Elisabeths Seite und verführt sie in einer ständigen Hass-Liebe, die sie fortdauernd am Rand ihrer selbst balancieren lässt.
In dieser halb mystischen, halb psychologischen Darstellung wird schnell klar, dass Elisabeth für den Tod selbst eine besondere Rolle einnimmt - wie es der Geisterchor sagt, „Alle tanzten mit dem Tod, doch niemand wie Elisabeth“ - und das wegen ihrer eigenen Einstellung zum Leben und zu den Menschen. Der Tod bleibt eine unwirkliche Gestalt, auf den Elisabeths Mischung aus Lebenswillen und Todessehnsucht eine besondere Faszination ausübt, doch er verliert nie seinen Status als unaufhaltsame Naturgewalt.


Wien, 1992

Auch wenn das Gelingen einer derart morbiden Ausgangsidee, verbunden mit teilweise recht direkten Angriffen auf die Wiener selbst, am Anfang weithin bezweifelt wurde, stellte sich Elisabeth schnell als ein außergewöhnlicher Erfolg heraus, der bald in die verschiedensten Länder exportiert wurde. So ist es eigentlich seltsam, dass fast zehn Jahre vergingen, bis das Musical 2001 den Grenzsprung nach Deutschland schaffte. Bis dahin hatte sich einiges getan; das Stück hatte die unterschiedlichsten Inszenierungen erlebt und mehrere neue Lieder hinzugefügt bekommen.
Als Elisabeth nach Essen kam, nahm es einiges der Version aus dem niederländischen Scheveningen mit, insbesondere die Inszenierung und eine Handvoll von neuen oder erweiterten Liedern. Die meisten der Änderungen sind bewusst eingefügt, um die politischen Rahmenbedingungen der Geschichte für Nicht-Österreicher klarer zu machen und einigen Nebenfiguren noch etwas Charakterentwicklung zukommen zu lassen. Aber der auffälligste Zusatz ist mit Sicherheit „Wenn ich tanzen will“, ein neues Duett zwischen Elisabeth und dem Tod, in dem sie ihm auf der Höhe ihres Erfolges siegesgewiss die Meinung sagt. Von Text und Musik fügt sich das Lied wunderbar in das Musical hinein; es ist düster, feurig und interessant und lässt gerade von Elisabeth einige neue Facetten erkennen. Denn „Wenn ich tanzen will“ geht inhaltlich stark auf Elisabeths Charakter ein, es beleuchtet ihre Einstellung zur Welt und zum Tod und klingt wie ein Machtkampf mit ihren eigenen, inneren Dämonen.

Essen, 2001
Aber wie auch in den anderen Zusätzen der Essener Version gegenüber dem Wiener Original wie den Liedern „Schwarzer Prinz“ und „Verschwörung“ fällt auf, dass sich die Rolle des Todes langsam aber sicher in eine neue Richtung bewegt. Er ist immer noch eine düstere, unfassbare Gestalt, mysteriös und elementar, aber nun hat er eindeutig eine eigene politische Agenda. Was in der Urversion nur angedeutet wurde, liegt in der Essener Version offen: Der Tod will das Kaiserreich stürzen, und dieses destruktive Ziel vermischt sich ständig mit seinem Sehnen nach Elisabeth. Gerade die Nebenhandlung um ihren Sohn Rudolf und seinen Selbstmord scheint nun hauptsächlich noch ein Mittel zum Zweck zu sein.
Generell kann man sagen, dass diese erste deutsche Inszenierung um einiges gefühlvoller und romantischer gehalten war und damit einen interessanten Kontrapunkt zu der anderweltlichen Wiener Fassung darstellte.



Wien, 2005
Dann feierte Elisabeth 2004 seine Rückkehr nach Wien und stand hauptsächlich wieder in der alten Fassung auf der Bühne, wenn man auch offensichtlich versucht hat, die besten Neuerungen aus Deutschland mitzunehmen - insbesondere „Wenn ich tanzen will“ und „Schwarzer Prinz“. Damit stellt diese Version, die 2005 auf DVD verewigt wurde, eine Art Best Of des Musicals dar; es ist nicht unbedingt die künstlerisch integerste Version, aber dafür hat man sich gerade in der Liedauswahl wirklich die Rosinen herausgepickt.
Es folgten einige andere leichte Veränderungen für Berlin und die deutsche Tourversion, die hauptsächlich Kleinigkeiten wie das Kostüm des Todes betrafen, aber eindeutig darauf angelegt waren, die Rolle männlicher, realer und moderner zu gestalten. Von der „Androgynität“, die im Text der Urfassung speziell betont wird, ist heute keine Spur mehr.



Wien, 2012
Jetzt zum 20. Jubiläum ist das Musical wieder in Wien zu sehen, und wieder hat man sich grob an die Wiener Urinszenierung gehalten, teilweise wie im Prolog sogar näher als noch 2004. Der große Hauptunterschied besteht in der Aufmachung des Todes, der sich nun mit Lederjacke und gegelten Haaren eindeutig von jeder bisherigen Interpretation abheben will.
Man kann natürlich generell sagen, dass diese Weiterentwicklung Sinn macht. Die Figur stellt seit jeher einen Fremdkörper in dem klassischen Setting dar und wird eher modern interpretiert - und was vor zwanzig Jahren modern war, ist eben nicht dasselbe wie heutzutage. Dennoch stellte sich der 80er Jahre Stil des Originals (oder auch die etwas herberen Versionen aus Essen und der Wiener Version von 2004) sehr viel überweltlicher und mystischer dar, als der eher einfache moderne Look der aktuellen Inszenierung.

Aber der wichtigste Unterschied besteht in etwas ganz anderem: Um dem Wiener Publikum, das die Geschichte wohl langsam zu genüge kennt, einen neuen Anreiz zu geben, wurde dem Stück wieder ein neues Lied hinzugefügt. Es handelt sich um ein Duett zwischen Elisabeth und dem Tod bei ihrem erstem Treffen: „Kein Kommen ohne Gehn“.
Die Bezeichnung neu ist vielleicht übertrieben, schließlich ist das Lied schon lange Teil der ungarischen Version und als „Rondo von Liebe und Tod“ auch der japanischen. Dazu muss man allerdings sagen, dass Elisabeth in Japan sowieso eine eher spezielle Angelegenheit ist. Es handelt sich um eine vollkommen andere Kultur und künstlerische Auffassung, und das schlägt sich nur allzu sehr in dem Musical nieder. Man kann wohl eindeutig sagen, dass der japanische Text des Liedes mit Zeilen wie „Du hast mein vereistes Herz geschmolzen“ wahren Kitsch in Reinformat darstellt. Aber dabei handelte es sich bislang eben um ein Exotikum, dass man (wie die ganze japanische Interpretation und Inszenierung) aus unserer Sicht wohlwollend belächeln kann.

Doch jetzt hat dieses Zwischenlied auch in der deutschsprachigen Version des Musicals einen offiziellen Platz gefunden - und ich denke, aus künstlerischer Sicht lässt sich sagen, dass diese Erweiterung für das Stück ein Desaster darstellt. Der Text des Liedes ist meiner Meinung nach banal und die Musik stilistisch nicht sehr passend, doch solche Fragen sind zweifellos Geschmacksfrage. Was bei weitem wichtiger ist, ist der Inhalt des Liedes: Die Richtung des Todes, die in Essen vorsichtig eingeschlagen wurde, wird jetzt über jede Grenze hinaus fortgetragen und pervertiert.

Wien, 2005
Das Lied, das der Tod nach einem gefährlichen Unfall der jungen Elisabeth anstimmt, ersetzt „Schwarzer Prinz“ - eines der Lieder, die selbst schon einen Ersatz darstellten. Während in der Urversion Elisabeth nach ihrem Sturz und der ersten „Nahtoderfahrung“ nur einen umso größeren Freiheitsdrang ausdrückt, erklang in „Schwarzer Prinz“ schon ihr eindeutiges Todessehnen - „und ich spürte eine Sehnsucht, mich von allem zu befrein“ - wie passend dies an dieser Stelle ist, kann jeder Zuschauer selbst entscheiden. Aber auf jeden Fall waren beide Stücke von ihr gesungen und drücken ihre persönliche Einstellung aus. Der Tod nimmt diese Zeilen stumm zur Kenntnis, und es hängt an dem Talent des Darstellers, inwieweit er auf Elisabeths unerwartete Annäherung reagiert.
Das ist nun durch das neue Liebeslied des Todes definitiv anders. Als ich mir den Text zum ersten Mal angehört habe, war meine unwillkürliche Assoziation die mit der allzu flachen Twilight-Liebesgeschichte. Und die Konstellation scheint nun wirklich zu ähnlich; eine fremde, dunkle Macht in männlicher Gestalt, die sich auf unerwartet menschliche Weise in ein junges Mädchen verliebt. „Statt dich zu führen und dich zu überwinden, will ich geliebt sein und deine Hoffnung an mich binden“ ...
Jetzt handelt es sich nicht mehr um einen Sturz, der Elisabeth nur an den Rand des Todes bringt; ihr Unfall ist nun potentiell fatal und es ist die „Gnade“ des Todes, die sie rettet - um sie dann später zu holen?! Da Elisabeth weiterhin selbst von ihrer Faszination für den Tod singt, scheint dieses menschliche Erbarmen seinerseits aus keiner Sichtweise Sinn zu machen.



Wien, 2012
Diese Hinzufügung wirkt vielleicht wie eine Kleinigkeit, aber ihre Auswirkung auf das gesamte Stück ist gewaltig. Aus dem Drama um eine große Frau und ihren lebenslangen Kampf mit dem Tod wird nun ein simples, übernatürliches Liebesdreieck. Alle anderen „Taten“ des Todes laufen jetzt auf das Handeln einer Fantasy-Spukgestalt hinaus, der dem armen Kaiser die Frau ausspannen will. Wenn der Tod bei Elisabeths Hochzeit lacht, ist er nun nicht mehr das Schicksal, das sie verhöhnt, sondern einfach ein allzu menschlicher Nebenbuhler - und diese Banalisierung zieht sich durch das gesamte Stück hindurch. Daran ändert insbesondere Mark Seiberts Interpretation nichts, wenn er in „Der letzte Tanz“ wie ein Schuljunge vor Wut mit der Faust gegen die Wand schlägt.
Essen, 2001
Der Kontrast zu dem anderen neueingefügten Duett „Wenn ich tanzen will“ ist eindeutig: Dort ging es um Elisabeth selbst und den Kampf um ihr eigenes Ich; psychologisch interpretiert könnte „Wenn ich tanzen will“ genauso gut ein reines Selbstgespräch sein. Auf jeden Fall ist es eines nicht, nämlich ein Liebeslied zwischen ihr und dem Tod - denn das kann es nach der Logik des Stückes ja erst ganz am Ende geben. „Kein Kommen ohne Gehn“ dagegen stellt eine allzu bewusste Vermenschlichung einer einstmals so unmenschlichen Figur dar.

Vielleicht scheint diese Verwässerung heute nötig, vielleicht gefällt den Zuschauern ein reines Fantasy-Melodram wirklich mehr als ein wahres Drama. Doch andererseits sollte man meinen, dass das erfolgreichste deutschsprachige Musical aller Zeiten es sich leisten könnte, seiner eigentlichen Natur treu zu bleiben.

Was bleibt ist die Hoffnung, dass es sich bei dieser Hinzufügung um einen kurzzeitigen Ausrutscher handelt, der bei der nächsten Inszenierung vergessen ist, und nicht um einen zukünftigen Dauerbestandteil des Musicals. Es wäre zu schade, wenn die Wiener DVD nun die einzige Möglichkeit darstellen sollte, Elisabeth auch in Zukunft in seiner wahren Form zu erleben.

Wien, 2005


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Donnerstag, 13. Dezember 2012

Disneyland°2 - Alice in Wonderland, Alice's Curious Labyrinth & The Mad Teaparty


Welcome, foolish mortals!

Disneyland Paris feiert sein 20-jähriges Jubiläum, und während ich es kaum erwarten kann, die großartig angekündigte neue Wassershow Disney Dreams! selbst zu sehen, ist dies für mich die ideale Gelegenheit, den hiesigen Park mit dem Anaheimer Original zu vergleichen.



Alice im Wunderland ist wohl selbst im nicht allzu gesetzten Disney-Kanon ein ungewöhnliches Meisterwerk - es ist so bunt wie verrückt und so kurzweilig und amüsant wie sinnlos. Man könnte sagen, der ganze Film ist selbst ein wenig wie ein erfolgreicher Disneylandbesuch, und so scheint es nur passend, dass ihm in jedem der Parks ein nicht unerhebliches Eckchen des Fantasylands gewidmet ist.

Anaheim

In Anaheim können die Besucher das Wunderland in einer aufwendigen Bahn erleben, die sie direkt durch das Kaninchenloch entführt, und dann auch mehreren Etagen, innen und außen auf der Spur von Alices Abenteuern durch die kunterbunte Welt trägt.
Anaheim
Dabei hat Alice selbst nur einen unbedeutend kurzen Auftritt, der eher irritiert, als zu dem Erlebnis beiträgt. Es wird schnell klar, dass die Hauptfigur des Films für die Bahn nicht wirklich nötig ist - als Zuschauer will man schließlich am liebsten auf eigene Faust das Wunderland erkunden. Wie im Film, so geht es auch hier nicht eigentlich um sie, sondern um ihre Abenteuer, und dafür ist die irreale Welt der Bahn einfach ideal. Das Wunderland wird auf fantastische Weise nachgestellt und mittels verschiedener Spiegel, optischer Größenverzerrung und einer psychedelischen Beleuchtung ist die Illusion geradezu perfekt.

Paris

In Paris ist man einen eigenen Weg gegangen, um Alices Erlebnisse aufleben zu lassen und hat damit ein Unikat geschaffen: Alice‘s Curious Labyrinth. In einem aus echten Büschen und Hecken bestehenden Labyrinth werden hier viele Stationen und Figuren des Films besucht, bis der Pfad schließlich vor dem Schloss der Herzkönigin selbst mündet. Und auch in dieser Nachstellung des Films hat die Hauptfigur selbst keine wirkliche Bedeutung; ganz ohne Alices Hilfe finden die Besucher selbst ihren Weg durch das Wunderland.
Paris
Man könnte sich nebenbei bemerkt darüber wundern, dass diese Gutwetter-Attraktion ausgerechnet dem klimatischen Sorgenkind unter den Disneyparks gegönnt wurde, doch bei Sonnenschein stellt die Reise durch diese herrlich verrückte Welt gerade deshalb ein ganz besonderes Erlebnis dar.
Auch die gesamte Außengestaltung der Attraktion ist schlichtweg genial; dadurch, dass das Labyrinth tiefer liegt als der Rest des Parks, kann man von außen hineinsehen und die liebevolle Aufmachung bewundern, und dennoch bietet das Labyrinth selbst wirklich Gelegenheit, für kurze Zeit die Orientierung zu verlieren. Das Schloss am Ende ist dank seiner eigenwilligen Architektur auch ein Schmuckstück und bietet einen guten Aussichtspunkt über das gesamte Fantasyland. Schade ist nur, dass die Rutsche, die im ersten Jahr noch vom Schlossturm zum Boden hinabführte, aus Sicherheitsgründen nun seit langem gesperrt ist.


Anaheim
Der andere Teil, der dem Film gewidmet ist, sind natürlich die sich drehenden Teetassen von Hutmacher und Märzhase in The Mad Teaparty - eine der ikonischsten und meist kopierten Attraktionen überhaupt!
In beiden Parks befinden sich diese übergroßen Film-Requisiten direkt vor der „eigentlichen“ Alice-Bahn und sorgen so für ein stimmiges Gesamtbild. In Anaheim bilden die Teetassen sogar eine natürliche Erweiterung der Bahn, eine direkte Fortsetzung der bunten Wunderland-Kulisse.


Paris
Dagegen stellen die Tassen in Paris einen eigenen Anlaufpunkt dar, vor allem weil die gesamte Attraktion wetterbedingt unter einen schützenden Pavillon verlegt wurde. Diese Aufmachung als traditioneller Teesalon ist zwar eine nette Idee, aber trotzdem verliert die verrückte Teegesellschaft in der konservativen Runde doch einiges von ihrem Charme.
Zu dem etwas gesetzteren Setting kommt der Umstand, dass das Fantasyland in Paris zumindest im Sommer nie im Dunkeln zu betreten ist und somit bleiben die Lampions reine Dekoration. In Anaheim wird dieser Teil des Parks bei Nacht dagegen zu einer wahrhaft verzauberten Umgebung: Über den Besuchern wölben sich riesige Blumenlampen und eine Unzahl von bunten Lampions lässt die Kulisse in traumhaft schönem Glanz erstrahlen.

Anaheim

Da die beiden anderen Alice-inspirierten Attraktionen - die Bahn und das Labyrinth - für mich gleichauf liegen, gewinnt Anaheim in diesem Fall durch seine fantastische Teetassen-Atmosphäre eindeutig den Vergleich.

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