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Mittwoch, 26. Dezember 2018

Die schlechtesten Filme 2018 (Teil II)

Es tat weh, aber es wird noch mehr schmerzen: In diesem Ranking präsentiere ich euch die 15 Filme, die mich 2018 am meisten haben aufschnaufen lassen, bei denen ich mich am meisten angeödet im Kinosessel gewunden habe und bei denen ich mir besonders stark vor lauter Frust in Gedanken die Haare gerauft habe.

Aber zum Aufatmen gehen wir hier noch ganz rasch einige unehrenwerte Nennungen durch, Filme, bei denen ich zwar kopfschüttelnd dagesessen habe, mich jedoch nicht durchringen kann, sie in eine Flopliste zu packen. Da wäre der Netflix-Unsinnskitsch Prinzessinnentausch mit Vanessa Hudgens, eine steif gespielte und hölzern geschriebene Der Prinz und der Bettelknabe-Variante inklusive dreister Netflix-Eigenwerbung, die alles in allem jedoch recht harmlos daherkommt. Dann bin ich zwar völlig ratlos, wie der nach dem ersten Akt in seiner Dramaturgie, inneren Logik und der Verfolgung seines spannenden Konzepts auseinanderbröckelnde A Quiet Place so ein Kritiker- und Publikumsliebling werden konnte, allerdings halten der erste Akt und Emily Blunt dieses "Signs auf Steroiden" doch klar von den Flops fern. Ähnliches gilt für den mich fast schon aggressiv machenden Deadpool 2, bei dem ungefähr 80 Prozent der "Gags" aus wahllos daher gehäkelten Schimpfwörtern und stinkfaulen Versuchen der Selbstironie bestehen. Aber der Film haut so ein Dauerfeuer an Gags raus, dass ich selbst bei dieser niedrigen Trefferquote oft schmunzeln musste - und wie der Film Glückspilz Domino interpretiert oder mit der X-Force umgeht, macht schon Laune. Egal wie sehr mich diese Superheldenfarce in ihrer Stupidität oftmals zur Verzweiflung bringen mag.

Die Erscheinung derweil ist ein träges Glaubensdrama, das sich arg auf eine austauschbare Hauptfigur stützt und ein in meinen Augen dämliches Ende aufweist, aber zwischendurch ein paar gute Gedankenanstöße leistet und eine gute weibliche Hauptperformance umfasst. Die Netflix-Zeitreisekomödie The Day We Met hingegen hat, wenn man sie lang genug durchrüttelt, das Herz am rechten Fleck und ein paar nette Schmunzler, aber auch eine unausstehliche Hauptfigur und zudem enorme Probleme, ihre Moral in die richtigen Worte und Handlungsfäden zu bringen. Rampage auf der anderen Seite wechselt kopflos zwischen Schwachfug, der sich leider ernst nimmt, und gesund-hirnlosen Spaß - und leider, leider kommt diese zweite Seite des Films zu selten zum Zug. Seine Momente hat dieser Zerstörungsfilm dennoch.

Anders als die Netflix-Komödie Vater des Jahres mit David Spade, die lahm und unlustig, aber auch unnervig für sich hinplätschert. Die Tragikomödie Wunder unterdessen ist anbiedernd und schmierig, jedoch umschifft sie dann und wann sogar ein paar Klischees. Außerdem musste ich mehrmals schmunzeln und Owen Wilson sowie Julia Roberts bekommen ihre Szenen schon ganz süß hin. Die nachfolgenden Filme haben hingegen deutlich weniger Kriterien, die ihre schwachen Seite ausbügeln könnten ...

Platz 15: Feuer im Kopf (Regie: Gerard Barrett)

Ich halte Chloë Grace Moretz für eine sehr fähige Schauspielerin und auch in diesem auf wahren Begebenheiten beruhenden Drama gibt sie sich sichtbar Mühe. Aber Regisseur Gerard Barrett packt die Geschichte einer jungen Journalistin, die aufgrund einer nicht einzuordnenden Krankheit erst die Kontrolle über ihre Arbeitshaltung, dann über ihr ganzes Leben und letztlich über ihren Körper verliert, beschämend-grobschlächtig an. Da bekommt Moretz auch mal für ein paar Sekunden übergroße, am Computer animierte Augen verpasst, um zu verdeutlichen, dass sie gerade völlig neben der Spur ist. Was auf dem Papier die direkt vermittelte Beschreibung einer schweren Krankheit sein könnte, ist in dieser Umsetzung ein Grausen mit grobschlächtiger Narrative sowie melodramatischer Inszenierung.

Platz 14: Night School (Regie: Malcolm D. Lee)

In einer Hinsicht war ich von Night School positiv überrascht: 2017 landete Girls Trip unter anderem aufgrund der Performance von Tiffany Haddish auf einem der vorderen Ränge meiner Jahresflops. Und da ich Haddish Anfang 2018 auch bei der Verkündung der Oscar-Nominierungen anstrengend bis unausstehlich fand, war ich mir sicher, sie auch in Night School ätzend zu finden. Aber weit gefehlt: Sie ist sogar einer der wenigen Pluspunkte dieser mäandernden Komödie, in der ständig Gags plattgetreten werden und Dialoge ins Nichts laufen. Hölzern inszeniert und mit einem haarig zusammengeschusterten Skript versehen war Night Schol jedoch auch trotz dieser positiven Überraschung eher Geduldsprobe als Lachmuskeltraining.

Platz 13: Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot (Regie: Philip Gröning)

Aus der Kategorie "Feuilletonlieblinge, die sich mir nicht erschließen" präsentiere ich heute: Das fast dreistündige philosophische Jugenddrama Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot, in dem zweieiige Geschwister für eine Philosophieprüfung lernen wollen, letztlich aber nur Schabernack treiben, der immer weiter eskaliert, bis er erst ein, dann zwei, dann drei Tabugrenzen überschreitet. Die philosophischen Debatten in diesem grobkörnigen Streifen sind jedoch kopflos, die beiden Hauptfiguren sind (so weit es sich mir thematisch erschließt ,völlig grundlos) unausstehlich und die gezielten Provokationen, die einigen Kollegen die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben, haben sich mir klar angekündigt und entlockten mir nur ein: "Na, endlich tut sich was!" Daher ist der raue, grobe Exploitation-Schlussakt in meinen Augen auch ganz solide - selbst wenn die (potentielle) Schlusspointe dem Ganzen wieder den Biss raubt.

Platz 12: Die Pariserin - Auftrag Baskenland (Regie: Ludovic Bernard)

Eine Pariser Karrierefrau (durchaus charmant: Élodie Fontan) wird von einem Supermarkt-Großkonzern ins Baskenland geschickt, um in einem kleinen Dörfchen einen gut laufenden Eisenwarenladen aufzukaufen. Was folgt, ist eine Klischeeparade aus "Stadtmentalität gegen Dorfmentalität", die durch einen Subplot über eine Separatistenarmee ins Absurde überzogen wird. Was ein feucht-fröhlich-bescheuerter Spaß werden könnte, wird aufgrund eines ebenso hanebüchenen wie inkonsistenten Drehbuchs und greller Regieführung ziemlich anstrengend, selbst wenn manche frivolere Pointen durchaus zu landen wissen.

Platz 11: Alpha (Regie: Albert Hughes)

Lange in Arbeit, mehrfach verschoben und letztlich mit einer mittelgroßen Kontroverse in die Kinos entlassen, ist dieses prähistorische Abenteuerdrama der Versuch dessen, nachzuerzählen, wie die Freundschaft zwischen Mensch und Hund entstanden sein könnte. Während sich vor allem die US-Kollegen durchaus zu Lobeshymnen über die Ästhetik dieses Films haben hinreißen lassen, fand ich den matschig-gräulich-bräunlichen Film überaus hässlich und Hughes' Stilmittel, wiederholt das Geschehen im Seitenprofil einzufangen, zwar reizvoll, aber enttäuschend-inkonsequent umgesetzt. Hinzu kommt eine kitschig-klischeehafte Zähmungsgeschichte, die wie ein schlechtes Prequel strukturiert ist, frei nach der Marke: "Hey, erinnert ihr euch an diese Sache, die Hunde immer machen? So kamen die darauf!" Das ist sehr oft unfreiwillig komisch, und dass für diesen Film Bisons getötet wurden, um den Look authentischer zu gestalten, man davon aber überhaupt nichts zu spüren bekommt, ist nun auch nicht unbedingt ein Pluspunkt. Langweilig und albern zugleich: Nein, danke.

Platz 10: LOMO - The Language of Many Others (Regie: Julia Langhof)

Der deutsche Jugendthriller LOMO - The Language of Many Others argumentiert so, wie jene, die Black Mirror nicht gucken, es der dystopischen Anthologieserie basierend auf groben Plotangaben unterstellen: "Igitt, Technologie!" In diesem mahnenden Zeigefinger von einem Film ist das Internet die Wurzel sämtlicher Leiden unseres begriffsstutzigen Protagonisten, der mit seinem schäbigen Blog (der dennoch Menschen aus aller Welt erreicht, die eine Passion mit sich bringen, wie sie selbst YouTuber-Fanatiker selten an den Tag legen) das Wohl seiner Familie und diverser Bekannter ins Wanken bringt. Die Darstellung dessen, was im Web abgeht, ist zu gleichen Teilen inakkurat und veraltet, und die Didaktik dieses Films gleicht preußischer Abschreckungspädagogik. Yikes. Fetter Dislike.

Platz 9: Hot Dog (Regie: Torsten Künstler)

Eines muss ich diesem mit grobschlächtigen Produktplatzierungen vollgepackten Action-Komödienthriller lassen: Matthias Schweighöfer bemüht sich verzweifelt, dem Skript eine Prise Selbstironie zu entlocken, was ihm allerdings nur in sehr geringer Taktung gelingt. Und zwischen all den lärmenden, in die Länge gezogenen Gags über Jungfrauen, geile Stecher (Til Schweiger, wer sonst?) und notgeile Schlampen (alle Frauen, wer sonst?), sowie der behäbigen Actionpassagen ist das einfach viel, viel, viel zu wenig.

Platz 8: Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen (Regie: David Yates)

Wäre dies eine Liste der Kinobesuche, bei denen ich mich am meisten gelangweilt habe, so befände sich das zweite Harry Potter-Prequel sogar auf dem Silberrang. Ich habe mich noch mehr durch die mehr als 130 Minuten Laufzeit gegähnt als durch Alles Geld der Welt, und nur das, was in diesem Ranking auf Platz vier folgt, hat mich noch mehr mit meiner Aufmerksamkeit ringen lassen. Und, gewiss: Womöglich liegt die gähnende, stechende Ödnis, die ich während Grindelwalds Verbrechen empfunden habe, auch ein Stück weit an meinem generellen Desinteresse an J. K. Rowlings Zauberwelt. Andererseits ist der erste Phantastische Tierwesen-Teil noch meiner Flopliste entgangen. Denn der hatte keine derart zerfasernde Erzählstruktur, keine dermaßen orientierungslos durch den Plot stolpernde Figuren, keine elendig langen "Lasst uns kurz innehalten und alle von früher erzählen"-Expositionsberge und war außerdem besser inszeniert. In Grindelwalds Verbrechen gibt zumindest mir Yates nämlich wiederholt keinerlei Gefühl für die Geografie des Geschehens. Da eilt gerne mal eine Figur nach links, von rechts kommt eine Attacke, Gegenschuss, andere Figuren stehen da und wehren die Attacke ab, Schnitt, die Figur, die ich vor dem inneren Auge schon hab niedergehen sehen, steht ganz woanders und schaut amüsiert zu. Na, wenigstens die Leute im Film haben also Spaß ...

Platz 7: The Cloverfield Paradox (Regie: Julius Onah)

Was einst als der spektakuläre dritte Kino-Eintrag ins Cloverfield-Franchise geplant war, wurde von Paramount Pictures nach mehreren Verschiebungen an Netflix veräußert und dort kurzfristig, von einer kurzen, doch intensiven Werbeaktion begleitet, in der Nacht nach dem Superbowl veröffentlicht. Und das ist auch mit Abstand das spannendste und aufregendste an diesem sterbenslangweiligen, zerhackstückelt erzählten Film voller talentierter Schauspielerinnen und Schauspieler, die allesamt wie gehemmt oder gar auf Baldrian wirken. Allein Chris O'Dowd, der als einziger mit Selbstironie gegen den Rest dieses Sci-Fi-Thrillers anspielt, bleibt positiv in Erinnerung, was angesichts der haarsträubenden Dialoge und der spröden Inszenierung jedoch nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein ist.

Platz 6: Das Zeiträtsel (Regie: Ava DuVernay)

Der zum Himmel schreiende Tiefpunkt des Disney-Jahres: Die Romanadaption Das Zeiträtsel alias A Wrinkle in Time ist zugegebenermaßen ambitioniert und hat ein paar reizvolle, da kreativ-überbordende Kostüme sowie ein, zwei herrlich-surreale Szenen. Allerdings wird dies ertränkt in einer Flut an Kalendersprüchen, Glückskeks-Merksätzen und Horoskop-Weisheiten, wie es sie in diesem Dauerfeuer zuletzt in Verborgene Schönheit zu erdulden gab. Für einen Film, der vom potentiellen Untergang der Welt, wie wir sie kennen, handelt und der gelegentlich in albtraumhaft-surreale Bilder abtaucht, packt Das Zeiträtsel seine Protagonistin und sein Publikum lachhaft intensiv in Zuckerwatte und Bläschen-Polsterfolie. Und als fände ich die stetige Oprah-Winfrey-Vergötterung nicht schon beschämend genug, haben wir hier mit CHARLES WALLACE (immer laut, immer mit vollem Namen auszusprechen) noch eines der nervigsten Filmkinder dieses Kinojahrzehnts zu erdulden. Ein Nervensägewerk von einem Film. Und dennoch nur Platz sechs ...

Platz 5: Slender Man (Regie: Sylvain White)

Ich wollte diesen Film mögen. Wirklich. Als der erste Trailer online gemeinhin mit Gähnen und Schulterzucken begrüßt wurde, habe ich darüber noch mit dem Kopf geschüttelt und war voller Hoffnung, dass aus dem Stoff vielleicht ein dreckig-fieser, surreal-disassoziativer Höllentrip werden könnte. Nachdem die Meinungsverschiedenheiten hinter den Kulissen publik wurden, gab ich den Film noch immer nicht auf, und selbst nach den vernichtenden US-Kritiken hatte ich die Hoffnung: "Naja, vielleicht irren die Amis einfach alle." Aber, nein. Weit gefehlt. Slender Man ist ein träges, ödes Etwas von einem Film mit einer milchig-unfokussierten Kameraarbeit (war kein Geld für Licht da?!) und weitestgehend desinteressierten Performances. Vor allem aber ist das Storytelling fahrig: Zu zusammenhängend, um als Mindfuck zu packen, aber viel zu löchrig, als dass die Erzählung irgendwie noch zum Mitfiebern taugen würde. Zudem wurden aufgrund der Vorabkontroverse (dem Film wurde angelastet, eine reale Tragödie auszuschlachten) mehrere Schocks aus dem Film geschnitten, so dass eine blut- und spannungsleere Hülle übrig geblieben ist, der nur sehr, sehr spärlich anzumerken ist, was bei einer fähigeren Umsetzung aus ihr hätte werden können. So erfolgt die intensivste, trippigste Heimsuchung unserer von digitaler Kommunikation besessenen Figuren in einer Bibliothek - ob sich Elle-Autor David Birke da was gedacht hat?

Platz 4: Trouble (Regie: Theresa Rebeck)

Wer dringend in Morpheus Schoß fallen möchte, aber keine Schlaftabletten übrig hat, sollte es mit Trouble versuchen, einer sterbenslangweiligen, träge inszenierten "Komödie" über einen Geschwisterstreit in einem Provinzstädtchen voller flacher Figuren. Anjelica Houston und Bill Paxton necken sich mit steifer Miene und praktisch jeder Gag geht völlig schief. Wäre da nicht Julia Stiles, die mehr noch als Josefine Preuß in Verpiss dich, Schneewittchen mit vollem Einsatz die Monotonie durchbricht, ich wäre mir nicht sicher, ob dieser Film nicht klinisch tot ist.

Platz 3: Downsizing (Regie: Alexander Payne)

Der nach deutschem Veröffentlichungskalender erste Kinostart 2018, den ich gesehen habe (einer frühen Pressevorführung sei es gedankt), war auch das gesamte Jahr über einer der Maßstäbe dafür, wie sehr ein Film Aggressionen in mir wecken kann. Alexander Paynes einst von manchen Experten als potentieller Oscar-Anwärter gehandelter Film über eine Zukunft, in der sich manche Menschen zur Rettung der irdischen Ressourcen (oder aus reinem Hedonismus) schrumpfen lassen, ist nämlich ungeheuerlich anstrengend. Die Prämisse, die Doppelmoral und weitere gesellschaftliche Probleme satirisch aufbereiten könnte, gerät schnell in den Hintergrund dieses schlecht strukturierten Dramas (das mindestens drei Anfänge und zwei Enden hat). Matt Damon spielt mit enervierender Austauschbarkeit die langweiligste Figur in diesem Film, die Alexander Payne jedoch ohne doppelten Boden in den Fokus stellt, die Dialoge sind grobschlächtig, die Witze verpuffen aufgrund des schleppenden komödiantischen Timings und Hong Chaus Nebenrolle einer keifenden Putze mit Prothese ... Nun ja. Es wurde viel darüber debattiert, ob sie eine rassistische Karikatur ist oder nicht, und ich tendiere zu Ersterem: So, wie Payne die Figur einsetzt, sollen wir darüber lachen, wie seltsam und anders sie sei. Und das macht die Rolle nochmal deutlich anstrengender, als sie aufgrund Chaus ständigem Gekreische eh schon ist. Alles in allem ist Downsizing ein Film, der weniger an einzelnen Problemen krankt, sondern daran, wie sie im Zusammenspiel räsonieren: Denke ich an Downsizing zurück, schaudere ich nur. Das ist nicht der analytischste oder eloquenteste Weg, einen Film zu kritisieren, aber es ist ein sehr bildlicher - und das gestattet ihr mir in dieser Liste hoffentlich.


Was passiert, wenn man eine altbackene, in übermäßig kontrastreichen Bildern gehaltene Komödie in ein Schnittprogramm lädt, sich die Augen verbindet und wild auf die Tastatur hämmert? Ich weiß es nicht, allerdings kann das Ergebnis kaum schlimmer sein als Til Schweigers neuste deutschsprachige Regiearbeit. Ich könnte mich nicht entsinnen, wann ich zuletzt einen so mies geschnittenen, professionellen Film dieser Größe gesehen habe. Wahllos hackt sich Schweiger irgendwas zusammen, selbst in ruhigen Gesprächen wechseln die Einstellungen in Sekundenbruchteilen. So zerreißt der Schnitt die Schauspielleistungen des Casts aus Leuten, die alle schon richtig gutes abgeliefert haben, und dabei bräuchten diese jammernden (alle, außer Schweiger) und selbstverliebten (Schweiger) Silberrücken dringend jedes Bisschen an via Schauspiel vermitteltes Charisma, das sie haben können. Denn die Figuren sind unausstehlich und gallig geschrieben, was in ähnlich ätzende Gags mündet. Schweiger gröhlte unter anderem bei Facebook, Kritiker hätten ja nur mal wieder keine Ahnung und das Publikum würde ja auf diesen Film wieder einmal abfahren. Aber, mal nachgehakt: Wieso erreicht Klassentreffen 1.0 nur einen Bruchteil der Menschen, die der besser inszenierte und geschnittene (sowie viel herzlicher geschriebene) Keinohrhasen erreicht hat? Ist es vielleicht denkbar, dass das breite Publikum vielleicht nicht aktiv auf solche handwerklichen Sachen achtet, sie aber sehr wohl spürt?!


Eine Sache hat dieses deutsche Indiekomödien-Experiment Til Schweigers Klassentreffen 1.0 voraus: Lola Randls grelle, schrille, wirre Verwechslungskomödie hat Anspruch und Ambition, wo Schweiger auf Kalauer und Kalkül setzt. Und dennoch fand ich es noch anstrengender, noch nerviger, durch Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer? zu sitzen als durch das Schnittdesaster der Altherren: Irgendwo in dieser Ansammlung von atonalem Slapstick, stumpfer Farce und massigem Overacting vor grellen Kulissen steckt eine komödiantische Parabel darüber, wie wir in unserem (Liebes-)Leben stets nur Rollen spielen, statt uns selbst treu zu bleiben. Aus dieser Feststellung formt sich hier jedoch dank dünner, breit ausgewalzter Symbolik, stumpfsinniger Situationskomik und anstrengender Musik ein pures, aggressives Filmgrauen. Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer? ist die missratene Bizarro-Version des ebenfalls hochstilisierten, allerdings smarteren Einsamkeit und Sex und Mitleid oder von Zwei im falschen Film, es ist schrill, einfach nur um schrill zu sein, es ist in meinen Augen längst nicht so helle, wie es wohl glaubt, es ist nervenzerfetzend, es ist der für mich schlechteste Film des Jahres.

Aber, hey. Demnächst geht es hier positiver zur Sache.

Montag, 1. Januar 2018

Meine Gedanken zum Kinojahr 2017


2017 war die konsequente Fortsetzung des Jahres 2016. Die gesellschaftspolitischen Debatten des Vorjahres wurden explosiver weitergesponnen, die erschütternde Politlage wurde noch anstrengender und in der Welt des Films gab es ein weiteres Mal eine Riege an schwach aufgenommenen Blockbustern, die ganz allein in der öffentlichen Wahrnehmung den Blick aufs Kinojahr getrübt haben, obwohl es doch so viele filmische Perlen zu genießen gab.

Der gallige "Fans gegen Kritiker"-Diskurs 2016 hat sich 2017 zwar glücklicherweise nicht noch weiter potenziert, abgeebbt ist er allerdings leider auch nicht. Das für mich dominante Thema im Filmdiskurs 2017 war jedoch das Auseinanderdriften zwischen US-Konsens und der hiesigen Rezeption. Ob Pirates of the Caribbean: Salazars Rache, Thor - Tag der Entscheidung, Wonder Woman, Baywatch, Die Mumie, Aus dem Nichts, Star Wars - Die letzten Jedi oder, oder, oder: Viele Filme kamen auf der anderen Seite des Teichs bei der schreibenden Zunft ganz anders an als in der Bundesrepublik. Da wir aber keinen solchen Kritikerspiegel haben wie Rottentomatoes, verbreitet sich dieser deutsche Konsens in den sozialen Medien schleichender. Was viele Vorteile haben kann (die sklavische Hörigkeit auf den RT-Prozentwert ist lästig), aber auch viele Nachteile. Denn (wohl auch Trump-Wahnsinn sei Dank): Die Amerikaner sind in ihrer Popkulturrezeption 2017 ganz schön durchgeknallt.

Und ich fürchte, dass die kaputte Stimmung in dem Land, aus dem wir einen Großteil unseres Entertainments importieren, uns in den kommenden Jahren eine Fortsetzung meines ungeliebtesten Trends des Filmjahres bringen wird. Denn schon 2017 wurden viele Filme durch aufgesetzte, extrem kitschige, mit dem Brecheisen in den Erzählfluss gehobelte, idiotische Monologe über den Wert der Liebe hinuntergezogen. Das Ende von Wonder Woman zieht sich irgendwas über Liebe und Vertrauen aus der Nase, in Valerian sülzt Cara Delevigne eine weder zur Charakterzeichnung ihrer Figur noch in den Filmmoment passenden Rede über Liebeliebeliebeliebe hinunter, der eigentlich sehr schöne Guardians of the Galaxy Vol. 2 verwässert manche seiner emotionaleren Passagen, indem aus Subtext ganz brutal Text gemacht wird, und von Alien: Covenant fang ich jetzt besser gar nicht erst an. Und damit ist nur die Spitze des Eisberges abgedeckt. Wenn betont warmherzige Familienfilme wie Paddington 2 oder Bibi & Tina - Tohuwabohu total! ihre Botschaft wesentlich subtiler rüberbringen, sollte das den "erwachsenen" Unterhaltungsschaffenden eine große Warnung sein!

Wenigstens konnte ich mich auch 2017 in einige Sondervorführungen flüchten. Darunter befanden sich die im beschränkten Eventfenster ausgewerteten Filme Rammstein: Berlin, Hans Zimmer Live sowie Berlin Falling, darüber hinaus habe ich mir etwa eine Wiederaufführung von Ghostbusters - Answer the Call in 3D gegönnt, eine Q&A-Vorführung von Einsamkeit und Sex und Mitleid und Kino-Neusichtungen von Terminator 2 (in 3D), Die Reifeprüfung (in 4K-Neuabtastung), Das fünfte Element (ebenfalls in 4K), Dirty Harry (mit allem Bildrauschen und Knacksen, das dazugehört), Falsches Spiel mit Roger Rabbit (in 35mm) sowie  Fantasia (in HD). Außerdem habe ich Dunkirk in 70mm begutachtet, ein sehr emotionales Planet der Affen-Triple besucht und  dieStar Wars-Episoden VII sowie VIII im Double erlebt.

Was bleibt mir sonst zu sagen, außer: Auf ein schönes 2018!

Sonntag, 12. November 2017

KuLTBände: "Die Sieben Weltwunder"


Anlässlich des Doppeljubiläums "50 Jahre LTB" und "500 Bände LTB" rief F.I.E.S.E.L.S.C.H.W.E.I.F. Fans dazu auf, ihre "KuLTBände" des Lustigen Taschenbuchs zu wählen - Bände, die in der eigenen Comicfanhistorie eine Sonderstellung einnehmen.

Auf der Suche nach meinem KuLTBand musste ich erst einmal in mich gehen. Die legendäre Nummer 41 wäre als Geburtsstunde des unvergleichlichen Phantomias eine starke Wahl – sie wäre jedenfalls für mich der wohl wichtigste Band des Lustigen Taschenbuchs. Ohne Berücksichtigung der comichistorischen Relevanz muss ich die Nummer 41 aber womöglich ein wenig zurückstellen. Vielleicht werden mich manche nun in Gedanken steinigen. Aber in meinen Augen gibt es noch bessere Abenteuer mit dem maskierten Rächer der Enterbten als diese frühen Erzählungen.

Aufgrund des Hinweises, hier keine Rezension verfassen zu müssen, sondern auch frei das Fanherzen ausschütten zu dürfen, hätte ich auch LTB 196 wählen können. "60 Jahre Superstar", mein erstes LTB. Damals war ich sechs Jahre alt, bereits eingefleischter Donald-Fan ... Und aus irgendeinem Grund, den ich heutzutage nicht mehr rekonstruieren kann, war ich obendrein noch völlig unwissend, dass es neben dem "Micky Maus Magazin", dem "Die tollsten Geschichten von Donald Duck Sonderheft" (werden wir uns jemals einigen, ob es nun TGDD oder DDSH heißt?) etwaigen Fernsehauftritten meines Lieblingserpels und den klassischen Disney-Cartoons weitere Bezugsquellen für Donald-Abenteuer gibt. Als mir das blauglänzende LTB ins Auge stach, entdeckte ich eine neue Welt – die des italienischen Duck-Universums. Und ich war prompt gebannt – zumal ich bereits damals von Carl Barks wusste und die Story "Der Mann hinter den Ducks" kannte. Ja, ich entdeckte Sekundärliteratur vor dem LTB. Schräg, oder?

Doch mein KuLTBand ist allem zum Trotz LTB 167: "Die Sieben Weltwunder". Nachdem ich als frischer Grundschüler dank Nummer 196 Gefallen am italienischen Duck-Stil fand, mussten alsbald weitere Bände herangeschafft werden. Zunächst im gemächlichen Tempo. Dann wurde auf einem Flohmarkt Band 167 erworben. Ab dann gab es kein Zurück: Ich. Will. Sie. Alle.

LTB 167 war meine erste Berührung mit dem, was die ältere Disney-Comic-Fanriege, die sich nicht sklavisch am "Heftstil" klammert, so sehr an den Italienern liebt. Lange Geschichten, die ihr Publikum fesseln und auf eine originelle Reise mitnehmen. In diesem Fall: In sieben Kapiteln zu jeweils 27 bis 40 Seiten interpretieren die Ducks die Weltwunder der Antike neu. Donald, Dagobert, die Neffen und Co. in fremde Rollen schlüpfen zu sehen und zu schmunzeln, während ich sogar ein wenig Geschichte pauke? Eine für mich vorher ungeahnte Erfahrung.

Und selbst wenn das Gimmick, historische Persönlichkeiten als Ducks darzustellen, sehr häufig genutzt wird – für mich gelang es nie pointierter und erquicklicher als in dieser Mammutstory. Womöglich war auch deshalb dieser Band der Initialzünder, meine LTB-Sammlung rasch komplettieren und ab dann vollständig halten zu wollen, statt die Bände beiläufig zu konsumieren.

Freitag, 2. Juni 2017

Freitag der Karibik #45

Achtung, dieser Artikel enthält Spoiler zu Pirates of the Caribbean - Salazars Rache!


Die treuen Seelen unter euch wissen: Meine erste Sichtung von Pirates of the Caribbean - Salazars Rache war eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Und wie ich schon angedeutet habe, liegt dies zum Teil an meiner innigen Liebe für die Pirates of the Caribbean-Filmsaga, die sich beim ersten Gucken angesichts meines Unwissens über den weiteren Verlauf des neusten Teils mit einigen Entwicklungen gerieben hat. Nun, da der Film bereits seine erste Spielwoche hinter sich gebracht hat, möchte ich euch gern detaillierter erklären,K an welchen Stellen ich bei der ahnungslosen ersten Betrachtung der Disney/Bruckheimer-Produktion im Kinosaal enorme Höhen und Tiefen durchgemacht habe, weil ich nicht wusste, ob ich gerade Kanonbrüche und andere Gemeinheiten bezeuge, oder doch noch alles eine (für mich) gute Wende nimmt ...

Während ich die gesamte Eröffnung rund um Henry Turner mochte, beschlich mich erstmals das "Ohje, ich weiß nicht ..."-Gefühl mit Käpt'n Jack Sparrows Einführung. Ich wusste zwar schon vor dem Film durch ein Interview mit den Regisseuren Joachim Rønning und Espen Sandberg, dass sie den Film mit einem versackten, glücklosen, aus dem Gleichgewicht geratenen Jack beginnen. Dennoch hat sich nun, sechs Jahre nach Fremde Gezeiten und 14 Jahre nach dem ersten Teil bei mir Nervosität breit gemacht: Ich trage diese Filmreihe nun fast mein halbes Leben mit mir mit. Jetzt sind ist nicht nur der Originalregisseur weg, sondern auch die Originalautoren. Und jetzt wollen sie die ikonischste Figur der Reihe neu erarbeiten, nun, wo sich deren Darsteller unter dem medialen Brennglas befindet. "Bitte, bitte verzockt euch nicht", so mein Gedanke. Und zunächst ... läuft alles glatt. Jack, verwirrt, verschlafen, zugesoffen in einer Bank stehend und laut denkend kam so rüber, wie ich mir den legendären Käpt'n nach einer ellenlangen Pechsträhne vorgestellt hätte.

Dann aber kommt es zur Bankraub-/Fluchtszene, und ab dann wurde immer wieder meine nervöse "Bitte, bitte, lasst diesen Film gut sein!"-Seele aus dem Gleichgewicht gebracht. Jedoch nicht durch das Skript oder die Inszenierung, sondern ausgerechnet durch das Schauspiel: Bis zur als Langtrailer genutzten Hinrichtungssequenz kam es mehrfach zu kurzen Augenblicken, in denen mir Depps Performance eher vorkam wie eine Jack-Sparrow-Imitation, und nicht wie das Original. Es sind stets nur kurze "Blinzle zu lang, und du versäumst sie"-Momente, dennoch brachten sie mich aus dem Konzept - zumal auch Depps Tonlage in ihnen eher an den Verrückten Hutmacher erinnerte. Ich saß da, in meinem Sessel, und dachte mir: "Ich wäre gewillt, das als kleine Problemchen abzutun, statt als den Film erdrückende Last, wenn es bei diesen wenigen Momenten bleibt. Sollten sie sich aber mehren, dann ... Gute Nacht ..." Zum Glück blieb es aber bei diesen Schnitzerchen, sobald Jack wieder eine Crew hat und das Festland verlässt, spielt er konstant und bringt sogar die "Jack findet sich wieder"-Sache gut und mitreißend rüber.

Ein weiterer Punkt, der mich aus dem Konzept brachte: Die angedeutete Behauptung, Salazar würde aus dem Teufelsdreieck befreit, weil Jack seinen Kompass abgegeben hat. Da läuteten all meine Alarmglocken: Jack hat im Laufe der vorhergegangenen Filme mehrmals seinen Kompass abgegeben, als hätte Salazar schon längst sein Unwesen treiben müssen. Die Pirates of the Caribbean-Saga ist gerade einmal fünf Filme lang, da sollte man doch Überblick über die Story behalten können und solche Fehler vermeiden!

Ich war fuchsteufelswild wegen dieser Sache, bis im späteren Verlauf von Salazars Rache erklärt wird, dass Jack den Kompass nicht "betrügen" darf, um zu vermeiden, seinen größten Feind zu entlocken. Und das lässt sich mit den restlichen Filmen vereinbaren: Jack gab seinen Kompass bislang stets aufgrund eines größeren Plans ab. Hier hingegen nur für 'ne Buddel voll Rum, obwohl er auch einen Ring oder sonstwas hätte abgeben können.

Dass in der Rückblende gezeigt wird, wie Jack durch den Kapitän (oder Steuermann) der Wicked Wench erhalten hat, ist wiederum ein dezenter und somit bedauerlicher Widerspruch zu Die Truhe des Todes, wo gesagt wird, dass Jack den Kompass von Tia Dalma erhalten hat. Nun lässt sich das Problem dadurch erklären, dass Jack vielleicht den Kompass verloren und danach wieder bei Tia Dalma erworben hat - hätten wir PotC-Fans ein solches Riesenuniversum an erweitertem Material wie die Star Wars-Fans, könnte man den Kanon auch ganz offiziell wieder ins Lot bringen. So hinterlässt die Rückblende ein kleines Fragezeichen mit möglicher Lösung. Ganz ehrlich: Find ich nicht soooo schlimm, da schien mir das erste Kompass-Ärgernis größer, bis es geklärt wurde.

Dafür durfte ich mich bei der Erstsichtung gleich doppelt ärgern, als die Black Pearl aus ihrer Flasche befreit wurde. Zunächst sah es so aus, als würde sie allen Ernstes absaufen - und ich hätte es Autorenneuling Jeff Nathanson zugetraut, es dabei zu belassen und für mich wäre es eine riesige Beleidigung gewesen. Stattdessen taucht sie ja wieder auf - noch dazu von The Medaillon Calls begleitet. Ein echter Festmoment - der auch fast (aber nur fast) vergessen macht, dass Jack auf das mutmaßliche Ende der Pearl viel zu ruhig reagiert hat (man erinnere sich an seinen Wutausbruch in Fremde Gezeiten, als er erfährt, dass Barbossa sie verlor).

Und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was für ein emotionaler Kampf das Ende für mich war: Finde ich es nun gut, dass die Reihe scheinbar beendet ist oder regt es mich auf? Kaum habe ich während des Abspanns Frieden damit gefunden, folgt natürlich auch dieser Cliffhanger von einer Nachabspannszene! Tja, Disney genießt es wohl, mit meinem Seelenwohl zu spielen ...

Montag, 22. Mai 2017

"Pirates of the Caribbean – Salazars Rache": Ein Film, so viele Meinungen ...


Es ist endlich wieder so weit: Nach Jahren des Wartens öffnet sich das nächste Kapitel der Pirates of the Caribbean-Saga. Die Pressevorführung des fünften Teils dieser Disney/Bruckheimer-Reihe war für mich eine ziemlich aufreibende Angelegenheit, immerhin geht es mit meinem Lieblings-Filmfranchise weiter. Und vielleicht kennt ihr dieses Gefühl von euren jeweiligen Topfavoriten: Der neue Eintrag in die Reihe fühlt sich im ersten Moment immer etwas fremd an, ganz gleich, wie gut man ihn im ersten Moment einschätzt. Schließlich lebte man zuvor einige Zeit in einer Welt, in der die vorhergegangenen Filme eine in Zement gemeißelte Einheit bildeten. Und jetzt ist da plötzlich ein neuer Film mit dabei ... Und im Falle von Pirates of the Caribbean – Salazars Rache kommt noch hinzu: Ich habe den Film ja nicht einfach für mich allein geguckt, sondern im Auftrage meines Filmkritikerjobs. Ja, ja, ich kann wirklich nicht klagen, schließlich konnte ich die Produktion daher noch vor dem Kinostart sehen. Dennoch fügt dies eine weitere Dimension der Distanzierung zum Geschehen hinzu.

Und so kommt es, dass in meinem Kopf eine Vielzahl an Beobachtungen, Perspektiven und Meinungen herumschwirrt, die ich zu diesem Piratenabenteuer festhalten kann. Aber wozu hat man seine eigene Seite, wenn man sie nicht für solch eine unkonventionelle Rezension nutzt?

Die Feststellung, die ich an die Gegner der Reihe richten möchte: Zunächst einmal ... Leute, was stimmt mit euch nicht? Wie könnt ihr nur Pirates of the Caribbean nicht mögen? Aber, gut ... So sehr ich dem neuen Film ein stattliches Einspielergebnis gönne: Ihr wärt bei Salazars Rache im Kinosaal fehl am Platz. Man muss die anderen Filme nicht gesehen haben, um der Handlung zu folgen (es sei denn man ist von der Art "Ich weiß, dass es vorher Filme gab, also stelle ich bei jeder Kleinigkeit übergenaue Fragen, um zu erfahren, was ich vielleicht versäumt habe!"), allerdings stützt Drehbuchautor Jeff Nathanson, obwohl er neu zur Reihe hinzugestoßen ist, ein Gros des emotionalen Rückgrats darauf, dass wir die Figuren bereits kennen und lieben gelernt haben. Und obwohl Salazars Rache seine eigene Grundstimmung hat (so wie auch alle Teile zuvor), so setzt er sich ganz klar aus den typischen Pirates of the Caribbean-Zutaten zusammen (wie halt die anderen vier Filme). Wer also bislang nicht einen einzigen Film dieser Saga mochte, wird auch hier auf Elemente stoßen, die bisher für Abneigung sorgten. Ich mein, klar, es gibt immer Leute, die als lebende Ausnahme die Regel bestätigen, trotzdem würde ich dazu tendieren: Gebt lieber erstmal den bisherigen Teilen noch eine Chance, als vertrauensselig in den fünften zu gehen.

Die geerdete (Landgang-)Meinung: Visuell pompöses Piratenabenteuer mit einigen erstaunlichen Specialeffects und superaufwändigem Produktionsdesign sowie starken Kostümen. Mit Disney-Grenzen testendem, ultraräudigem Dialogwitz und sehr sympathischen Neuzugängen zum bisherigen Pirates-Cast. Die Musikuntermalung ist schmissig, schön und eingängig, wenngleich de neuen Motive eher rar gesät sind. Depp ist im ersten Drittel in ein paar Szenen "off", wird aber nach und nach zum guten, alten Käpt'n Jack. Der Action fehlt Gore Verbinskis Wahnsinn, jedoch ist sie trefflich geschnitten und abwechslungsreich. Das Storytelling ist ungewohnt schlicht für die Reihe, dafür mit emotionalem Rückgrat: Lauter, schräger, düsterer als Teil 1, schneller als der vierte Teil, bescheidener und stringenter als zwei und drei. Wer wenigstens irgendeinen der bisherigen Pirates of the Caribbean-Filme mochte, sollte erneut ins Kino, denn auch wenn Salazars Rache wohl bei wenigen zum Favoriten werden dürfte, so hat er das Zeug dazu, sich in vielen Herzen als guter Rang zwei oder drei innerhalb der Saga zu platzieren.

Die Fan-Perspektive: Eine sadistische, passionierte Verneigung vor der Reihe. Der Filmkanon wird von Nathanson sowie den Regisseuren Joachim Rønning und Espen Sandberg mehrfach in Frage gestellt, woraufhin sie mit etwas Abstand zurück rudern, mit einem fiesen Grinsen im Gesicht: "Nein, wir haben eben kein Loch in Figurenentwicklung und Kontinuität geschossen. Reingefallen!". Das erweiterte Universum … äh … wird anerkannt, aber es wird Diskussionen geben, die es über (mögliche) Ungenauigkeiten zu führen gilt. Der Film hat dafür mehrere dicke, saftige Fanservice-Momente. Wenn es der letzte Teil sein sollte, ist’s ein sehr würdevolles Ende.

Ich, ganz privat, als jemand, der dieses Franchise ganz, ganz nah am Herzen trägt: So bin ich noch nie in einer Pressevorführung durch Himmel und Hölle gegangen. Was für ein Glück, dass ich relativ abgeschottet saß und mich daher niemand hat sehen oder hören können. Gigantische Momente der Freude wechselten sich mit intensivster Besorgnis ab. Mehrmals täuschte der Film an, eher ein "Ok, das ist was für Gelegenheitsfans und Popcornkinogänger, aber das, was ich suche, ignoriert er"-Projekt zu sein, nur um mich dann vollauf zu entschädigen. An mehreren Stellen war ich kurz vor der Resignation, nur um mich dann mit aller Macht zurückzuhalten und nicht laut klatschend, aus dem Sessel hüpfend meine Freude zu proklamieren: "Ja! Ja! Danke, wie genial!" Aber, nur um es noch einmal ganz sicher festzuhalten: Es wird (kaum) wem so ergehen wie mir! Aber ich, mit meiner intensiven, emotionalen Bindung zu der Reihe, ihren Themen, Figuren und Musikstücken war nach diesem ersten Salazars Rache-Seherlebnis außer Atem und brauchte etwas, um wieder runterzukommen. Und, wow, was freue ich mich auf die entspannte(re) Zweitsichtung, wenn ich mich zurücklehnen und in den Saal horchen kann, ob irgendwo ein Menschlein sitzt und so hörbar mitleidet und mitjubelt wie ich beim ersten Mal. Ich, als wer, der die irrsinnige, aberwitzige, überambitionierte Seite der Reihe mag, werde ihn auf Dauer trotz dieser unfassbar intensiven Erfahrung beim ersten Gucken nicht so feiern wie meinen Lieblingsteil. Aber, hey, meinen liebsten Pirates of the Caribbean mögt ihr da draußen im Durchschnitt nicht so sehr wie ich, da ist das nur ausgleichende Gerechtigkeit. Nur das Kopfzerbrechen, wie ich den Piratenspaß gern fortführen würde, das wird mich in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen.

Ab den Abendstunden am 24. Mai könnt ihr euch ebenfalls auf Pirates of the Caribbean – Salazars Rache einlassen. Ich würde empfehlen, eher auf 3D zu verzichten, es sei denn, ihr seid 3D-Fans, habt ein gutes 3D-Kino in eurer Nähe oder seid innige Fans und die 2D-Optionen sagen euch zeitlich nicht so sehr zu. So oder so: Habt Spaß. Und: Trinkt aus, Piraten, Yo-Ho!

Montag, 7. November 2016

Einschaltbefehl: Die dritte Staffel "Disney Magic Moments"


Es wird wieder kalt in unseren Breitengraden. Doch zum Glück gibt es ein Fernsehschmankerl, das darüber hinwegtäuscht und nicht nur die Herzen erwärmt, sondern auch bei Twitter wieder ordentlich Diskussionen anheizen wird: Disney Magic Moments!

Die beste, da informativste und passionierteste Rankingshow im deutschen Fernsehen, geht in die dritte Staffel! Und wie schon in Season zwei bin ich mit von der Partie: Ich hatte die Ehre, mich in die Greenbox setzen und meine Kommentare zu den Platzierungen in den repräsentativ ermittelten Hitlisten abgeben zu dürfen! Neben mir gibt es auch zahlreiche namhafte Mediengesichter und Disney-Fans zu sehen, und wem das nicht genug an ambitionierter Disney-Debatte ist, ist herzlich eingeladen, bei Twitter unter dem Hashtag #DisneyMagicMoments mitzuquatschen!

Die von Steven Gätjen souverän präsentierte Sendung ist ab dem 14. November 2016 immer montags um 20.15 Uhr im Disney Channel zu sehen, und dieses Mal geht es um die folgenden Themen:

- Die besten Gute-Laune-Songs
- Die beliebtesten Pixarfilme
- Die dramatischsten Duelle Gut gegen Böse
- Die fantasievollsten Welten
- Die bewegendsten Momente
- Die schönsten Weihnachtsfilme
- Die beliebtesten Schauspieler

Also: Einschalten, mit euren Favoriten mitfiebern und mitdiskutieren!

Mittwoch, 3. August 2016

Die wichtigste Filmszene 2016

Dieser Artikel enthält keine handlungsrelevanten Ghostbusters-Remake-Spoiler, verrät aber sehr wohl den Ablauf einer Szene im dritten Akt. Je nach eurer Befindlichkeit in solchen Sachen empfehle ich daher, zunächst den Film zu gucken, und dann erst hier weiterzulesen.

Allein schon die Kombination aus der Überschrift "Die wichtigste Filmszene 2016" und einem animierten Ghostbusters-Szenenbild dürfte bereits einige Gemüter zum Kochen bringen. Und ich fürchte, die nachfolgende Beteuerung wird es nicht besser machen: Wir müssen die Szene, über die ich nun schreibe, nicht genau so betiteln. Ich hatte für diesen Artikel diverse alternative Titelideen. "Der filmische Schlüsselmoment 2016". "Der cineastische Wendepunkt, der Ghostbusters zu einem der wichtigsten Filme dieses Jahrzehnts machen könnte". Und andere Formulierungen, die den Bodensatz des Internets gewiss nicht erfreuen dürften. Also kann ich auch direkt die knackigste Variante wählen.

All jenen, die nicht bereits in die Kommentarsektion gespurtet sind, sondern tatsächlich wissen wollen, worum es mir geht, möchte ich versichern: Keine Sorge. Ich bin niemand, der Sonys Big-Budget-Komödie aus Prinzip über den grünen Klee lobt und so tut, als sei er aufgrund seiner Besetzung über jeden Zweifel erhaben. Das wäre auch gar nicht im Sinne dieses Films. Denn Ghostbusters setzt sich über den (zu seiner Zeit begründeten) Parolenfeminismus vergangener Jahrzehnte hinweg und ist voll und ganz im "Leb damit!"-Zeitalter angekommen. Er schwafelt nicht darüber, dass Frauen die gleichen Fähigkeiten wie Männer haben. Er zeigt es einfach. Statt zu theorisieren, lebt er es vor. Und so selbstverständlich, wie Ghostbusters mit seinem Cast und seinen Figuren umgeht, ist es auch gestattet, ihn für seine Mängel zu kritisieren, ohne dadurch seine positive Vorbildfunktion zu untergraben.

Erfreulicherweise gibt es, in meinen Augen, nicht all zu viele Mängel. Ganz gleich, wie viele Menschen es aufgrund ihrer geringschätzigen Betrachtungsweise auf Frauen oder ihrer nostalgischen Verklärung des Originals nicht sehen werden. Paul Feigs Ghostbusters-Remake (oder -Reboot, wie auch immer es euch beliebt) ist ein kurzweiliger Blockbuster-Komödienspaß. Große Gesten, markige Figuren. In Anbetracht von Paul Feigs Tendenz, auszuschweifen, ziemlich knackig erzählt. Manche Gags schaffen es nicht, das Timing astrein abzustimmen, so dass sie zwischen "endet, wenn es witzig ist" und "läuft so lange, dass es erst unlustig wird, und dann wieder lustig" landen. Der Antagonist ist humorig und ein interessant eingesetzter Archetyp, wird aber als Figur nicht greifbar, wodurch das volle Potential seiner Metaphorik verloren geht. Immerhin erinnert er an die sozial gekränkten, einsamen, weißen Buben, die durchticken und zu Einzeltätern werden – was aber nur zwischen den Zeilen rüberkommt.

Davon abgesehen hat Ghostbusters allerhand Qualitäten aufzuweisen. Eine tolle Dynamik zwischen den Darstellern etwa. Eine komplett neue Figurenriege mit eigenen Persönlichkeiten, statt der bei Remakes oft üblichen, nur partiell gegenüber dem Original veränderten Rollen. Zahlreiche spaßige Dialoge. Toll aussehende Geister. Chris Hemsworth als perfekte Parodie des dummen Blondchens. Und: Kate McKinnon alias Dr. Jillian Holtzmann. Die quirligste, unterhaltsamste Leinwandschöpfung seit vielen, langen Jahren.

All das sorgte dafür, dass ich mich im Kino während der Pressevorführung sehr gut unterhalten gefühlt habe. Rundes, angenehmes Entertainment mit rezitierbaren Sprüchen, bei dem ich persönlich die kleineren Längen verzeihen kann. Wahrlich kein Meisterwerk, doch ein außerordentlich gelungener Launenheber.

Doch dann kam dieser Moment, in dem Ghostbusters einen gewaltigen Satz nach vorne macht. Es ist keine Sequenz, die diesem Film streng nach Lehrbuch einen Freifahrtschein für seine schwächeren Elemente verleiht. Wohl aber eine Szene, die mich voll und ganz gepackt hat. Ich vergaß die Leute um mich herum, ich vergaß den Kinosaal. Ich fühlte mich wie in die Filmwelt gesogen, um dort als staunender Beobachter diesen Augenblick zu verinnerlichen. Es war eine dieser Szenen, nach denen ich spüre, wie mein Filmliebhaberhherz vor Freude in die Lüfte springt und so schnell damit nicht mehr aufhören will.


Die Szene, die ich meine, spielt sich während des großen Finales ab. Drei der vier Ghostbuster hatten bereits ihren heroischen, kämpferischen Solomoment, wobei dieser stets eine kleine bis größere Pointe beinhaltete. Plötzlich schrecke ich in Gedanken auf, leicht quengelig, und frage mich, wieso meine Lieblingsfigur bisher übergangen wurde: "Aber was ist mit Holtzmann?!"

Kaum habe ich meine Frage zu Ende gedacht, stampft Holtzmann entschlossen auf die Leinwand und registriert, welche Heerschar an Geistern sich um sie herum versammelt hat. Die orchestrale Musik des Komponisten Theodore Shapiro gönnt sich eine kurze Verschnaufpause, Holtzmann merkt staubtrocken an, dass sie ja die neusten Babys in ihrem Waffenarsenal vergessen hat, rüstet auf ...

Und ZACK! Begleitet von der bombastischsten, coolsten, rockigsten, markigsten Variation des Ghostbusters-Titelthemas, die jemals auf diesem Erdenrund gespielt wurde, schlägt und schießt und wirbelt sich Holtzmann durch eine Parade stylischer Geister, während um sie herum ein reiner Farborgasmus die Leinwand erfüllt. Mein Atem stockt, ich bekomme Gänsehaut und denke nach dieser makellosen Kampfchoreografie, von mentalem Applaus begleitet: "Ich muss den Film so bald wie möglich nochmal sehen. Das. War. Cool."

Nachdem der Film zu Ende ging und im Kinosaal wieder das Licht angeknipst wurde, dachte ich lange und intensiv über diese Szene nach. Ich wollte rausfinden, weshalb sie bei mir eine solch starke Reaktion ausgelöst hat. Ja, sie ist gut gefilmt, hat eine fürs heutige Blockbusterkino außergewöhnliche Farbästhetik und die Musik ist sehr treffend auf die Bewegungen abgestimmt. Dennoch: Eigentlich nur eine gute Actionszene. Keine cineastische Revolution. Muss wohl einfach daran liegen, dass meine Lieblingsfigur dieses Films sie bekommen hat. Und am Timing, kam die Szene doch genau dann, als ich sie mir herbeigewünscht habe.

Im Anschluss an den Kinobesuch habe ich mit mehreren Menschen über den Film gesprochen. Unter anderem mit einem guten Freund, den ich als Begleitung mitnehmen durfte. Ich sprach auch mit meiner hochgeschätzten Kollegin Antje, die den Film wenige Tage zuvor in einer anderen PV gesehen hat, und ebenfalls sehr genoss. Jeder hatte seine persönlichen Highlights. Aber niemand erwähnte diese Szene. Antjes Höhepunkt etwa lag ganz woanders im Film: In einem originell-dummen Satz von Chris Hemsworth. Okay. Lag wohl wirklich ganz allein an mir, zuckte ich mit den Schultern.

Aber diese Szene ließ mich partout nicht los. In den Folgetagen spielte ich sie immer wieder vor meinem geistigen Auge ab. Ich suchte bei Spotify den Soundtrack nach der Begleitmusik dieser Sequenz ab. Kaufte mir den Score letztlich. Ich durchstöberte das Netz nach GIFs und schwärmte jedem, der es hören wollte, von der Szene vor.


Und dann stieß ich via Twitter über einen fantastischen Artikel bezüglich Ghostbusters. Erin Ramsey schreibt darin, wie sie als kleines Mädchen auf dem Spielplatz immer nur eine bessere Statistenrolle ausführen durfte, wenn sie mit Jungs herumtobte. Sie stellte das nie in Frage. 2016 jedoch sitzt sie im Kino und wird von besagter Szene überwältigt. Eine Heldin macht Geistern den Garaus. In einem zu großen Overall. Mit wuseligem Haar und zerknautschten Gesichtsausdrücken. Niemand lobt sie, weil sie gut aussieht. Sie wird von der Kamera kein Stück weit sexualisiert. Sie ist einfach nur verdammt cool, ohne sich über ihr Aussehen Gedanken zu machen. Sie ist das Vorbild, von dem Erin in genau dieser Sekunde bemerkt, dass sie es als Siebenjährige hätte haben wollen, hätte sie gewusst, dass sie sich sowas wünschen kann.

Wenige Tage später stieß ich auf eine weitere Lobeshymne auf diese Szene, dieses Mal von einer Erynn Brook. Sie jubelt: Ein Film mit mehreren Frauen, die gut miteinander klar kommen. Keine Lovestory. Aber gute Actionmomente. Komplett ohne sexy Kostüme. Ohne Kommentare anderer Figuren, wie heiß diese Damen doch alle sind. Sie erleiden keine narrativen, ironischen Seitenhiebe. Sie scheitern in einem normalen Maße und kommen da ohne männliche Hilfe wieder raus. Und dann rockt Holtzmann das Haus! Sie ist eine brillante, fesselnde Verkörperung eines Rollentypus, den sonst nur Männer besetzen. Sie ist ein kompetenter Irrer.

Ja. Ripley ist eine starke Leinwandheldin. Ja, die Russos und Joss Whedon haben Black Widow weit über ihren Status aus Iron Man 2 emporgehoben. Die Braut aus Kill Bill hat's voll drauf. Furiosa in Mad Max: Fury Road ebenfalls. Und dennoch: Hier ist der Kontext nochmal anders. Und Holtzmanns Kostüm nochmal eine gute Spur unglamouröser. McKinnons Performance deutlich non-chalanter, selbstbewusster und daher desinteressierter daran, wie Holtzmann auf ihr direktes Umfeld wirken könnte. Sie ist eine herausragende Identifikationsfigur, ohne sich anzubiedern. Oder optische Erwartungen zu setzen. Oder ein positives Rollenmodell irgendwie mit jedweder romantischer Fußnote zu versehen. Sie ist irre, aber das ist für sie und ihre Gefährten selbstredend. Ich will keineswegs sagen, dass Holtzmann die beste weibliche Leinwandfigur ist, die es je gegeben hat. Gute Güte. Aber sie punktet den ganzen Film über und rockt insbesondere diesen einen Moment. So, wie Holtzmann die Geister zerfetzt, metzelt sich diese Szene durch all die schlechten Actionmomente, in denen Frauen dumm dastehen.

Nun, wie ich wohl nicht betonen muss: Ich bin ein Mann. Also will ich mich nicht anmaßen und sagen: Ich hatte genau dasselbe Erlebnis wie die Autorinnen der obig verlinkten Beiträge. Und dennoch erklären ihre Reaktionen auch meine Reaktion.
Ich habe bereits Hunderte, ach was, sicher Tausende Filme in meinem Leben gesehen. Ich bin für jedes Genre offen. Bin anders, als manch desillusionierte Kollegen, noch immer empfänglich für gute Action und launiges, so genanntes Popcornkino. Und dann kommt da Ghostbusters an. Ein Remake! Oder Reboot, wie auch immer ... Und liefert mir etwas Frisches und Unverbrauchtes. Diese Szene verschafft mir ein neues, oder zumindest rares, Seherlebnis. Und das gepaart mit einer kaum geahnten Selbstverständlichkeit. Was sie, leider, filmhistorisch überaus relevant macht.

Diese Szene, in der Holtzmann ihre Gadgets erfolgreich austestet, ist bei Weitem nicht die erste gute Actionszene mit einer Frau im Mittelpunkt. Und doch strahlt sie etwas aus, was ich nie zuvor in diesem Genre in einer Produktion dieser Größenordnung von einer Filmszene über eine weibliche Rolle vermittelt bekommen habe. Es geht nicht um Liebe. Oder um Muttergefühle. Oder um eine Vergewaltigungsmetapher. Oder eine Rachefantasie. Oder darum, wie gut Frauen aussehen können, wenn sie einen Männerjob erledigen. Es geht ebenso wenig darum, dass Frauen mit Männern mithalten können. Es geht um absolut gar nichts. Es ist einfach nur eine verflixt coole Szene ohne jeglichen Fetischismus und ohne jegliche Aussagekraft. Und gerade daher ist diese Szene so sexy und so bedeutsam. Die Frau ist hier für einen kurzen, atemberaubenden Moment im Hollywood-Entertainment mit dem Mann gleichgezogen. Ohne Parolen. Ohne Erklärung oder Rechtfertigung, geschweige denn Relativierung. Wenigstens für diesen einen Augenblick. Es ist somit eine Szene, die das große Spektakelkino nahezu gar nicht kennt. Sie ist ein Novum. Und ich hoffe, sie wird massenhaft kopiert.

Nicht, weil es keine Heldinnen und Helden mehr geben soll, die was fürs Auge bieten. Sondern, weil es bei Helden alle Varianten gibt: Vom Adonis über den Spinner hin zum Jedermann. Wieso sollten wir nicht auch drei Spielweisen der Heldin bekommen? Die schöne Helena. Die Normale. Und die Holtzmann.

Mittwoch, 16. März 2016

Let's Swing into Spring!


Seit meinem letzten Besuch im Disneyland Paris sind leider drei laaaange Jahre vergangen, aber dieses Frühjahr war es endlich wieder so weit: Ich bin ins französische Zauberreich gefahren, das von einer quietschfidelen Maus regiert wird. Obwohl wir alle wissen, dass eine gewisse cholerische Ente die beste Figur ist, die je das Licht der Disney-Welt erblickt hat. Aber lassen wir diese jahrzehntealte Debatte ruhen, um uns meinem nunmehr 23. Trip ins Disneyland Paris zu widmen. Dieser Besuch bot für mich tatsächlich einige Neuheiten - sowas kommt nun einmal vor, wenn man nicht oft genug vorbeischaut.

So kam ich erstmals in den Genuss der noch vergleichsweise frischen Frühlingssaison im Disneyland Paris. Obwohl das Swing into Spring-Fetival erst 2014 eingeführt wurde, stellt es mittlerweile für nicht wenige Mitglieder in der DLP-Fancommunity die Lieblingssaison dar. Und ich kann sehr gut nachvollziehen, weswegen: Der Disneyland-Frühling hat zwar weder die Coolness von Halloween, noch den Prunk von Weihnachten, jedoch ist diese Saison eine besonders muntere: Durch die warme, freundliche Gestaltung der Frühlingsdeko wird das Disneyland Paris von einer charmanten, süßlichen Atmosphäre erfüllt. Mehr als eh sch. Von den zahlreichen über den Park verteilten Osterei-Versionen ikonischer Disney-Figuren, über die zahlreichen Blumendekorationen in der Main Street, U.S.A., bis hin zu kunstvollen Gestecken: Der Frühling im Disneyland Paris hat geradezu eine Wohlfühlgarantie.

Und für alle Disney-Park-Geeks hat er den besonderen Bonus, dass er das im viktorianischen Stil gehaltene Fünftel des Parks zum Leben erweckt, wie sonst keine Saison: Die Disney-Figuren treffen ihre Fans in Outfits im galanten Dapper-Stil und sobald die Swing into Spring-Saison richtig in Gang geht, gibt es zudem Musik und Streetmosphere, die perfekt zum Look der Main Street passt. Herrlich! Und ideal, wann immer man im Laufe eines ereignisreichen Urlaubstages in der so atmosphärisch dichten, bildhübschen Main Street kurz durchschnaufen möchte.


Bis Mai besteht das frühlingsafte Entertainment-Programm im Disneyland Paris zudem aus der sehr schönen Show The Forest of Enchantment, die Teil jedes Besuchs in den kommenden Monaten sein sollte! Meine Gedanken zu dem liebenswerten, kleinen Bühnenmusical könnt ihr hier nachlesen.

Wie bei jedem Disneyland-Paris-Besuch habe ich mich auch dieses Mal auf die Bäckereien und Süßwaren-Snackstände gestürzt, um mir wiederholt die umwerfendste Köstlichkeit zu gönnen, die man in Marne-la-Vallée erwerben kann: Die superschokoladigen Brownies! Von diesen verboten guten Zuckerbomben gestärkt, ging es auf all meine Lieblingsattraktionen im Disneyland Park - und da es im Frühjahr vergleichsweise ruhig ist, wurden die meisten von ihnen sogleich drei Mal oder öfter besucht! Kaum etwas bringt mich so sehr auf Trab wie eine Kreuzfahrt mit den Pirates of the Caribbean, und ich würde lügen, müsste ich sagen, dass ich nicht süchtig danach bin, meine eigenen Highscores beim interaktiven Darkride Buzz Lightyear Laser Blast zu brechen. Das schaurig-düsterromantische Pariser Original Phantom Manor wollte natürlich ebenfalls bestaunt werden, und it's a small world ist und bleibt ein kitschig-fröhlicher Superspaß. Auf Big Thunder Mountain und Peter Pan's Flight musste wegen Renovierungsarbeiten verzichtet werden, dafür habe ich mich, nachdem ich die Bahn beim letzten Besuch ausgelassen habe, von Space Mountain bis zum Mond und darüber hinaus schießen lassen.

Viel gespannter als auf das Wiedersehen mit diesen und weiteren Bahnen im klassischen Park war ich aber auf das, was der Walt Disney Studios Park für mich zu bieten hatte. Okay, Forest of Enchantment als neue Show und meine ewige Lieblingsbahn Pirates of the Caribbean waren ganz oben auf meiner "To do"-Liste. Sowie das obligatorische Treffen mit Donald Duck, denn ein Disneyland-Besuch ohne Donald ist für mich nur ein halber Besuch. Trotzdem: Der zweite meiner drei Urlaubstage sollte der große, gespannt erwartete Studio-Tag werden!


Der Walt Disney Studios Park ist für manche Disney-Park-Nerds so etwas wie das schwarze Schaf in der Familie. Und mit seinem sehr geringen Themening in den ersten Jahren sowie der künftige Erweiterungen des Parks erschwerenden Platzierung einiger Rides sehe ich auch, wo diese Meinung herkommt. Trotzdem habe ich eine gewisse Schwäche für den Disney-Park, der wohl die höchste Thrill-pro-Quadratmeter-Dichte aufweist und zudem mit Cinemagique und bis vor kurzem auch mit der Schwarlicht-Bühnenshow Animagique zwei tolle Originale zur Eröffnung herbeizauberte. Donalds wunderliche Reise durch das Disney-Archiv ging nach rund 15 Jahren endgültig in Rente, aber seit Sommer 2014 gibt es in unmittelbarer Nähe des wirbelnden, wilden Crush's Coaster (einem weiteren Pariser Original) immerhin die weltweit exklusive Ratatouille-Bahn! Hinter dem zungenbrecherischen französischen Namen Ratatouille: L’Aventure Totalement Toquée de Rémy verbirgt sich eine technisch ausgefeilte Attraktion, in der man sich als Besucher auf Rattengröße geschrumpft fühlt und auf einer schienenlosen Strecke durch das noble Restaurant Gusteau's düst.

Selbst wenn mich die hochmoderne Technologie, die auf eine Kombination aus ultrahochauflösenden 3D-Projektionen und klassischen Requisiten setzt, nicht in die Story versetzt hat, sondern über die Umsetzung der Bahn grübeln ließ, kann ich jedem Disney-Urlauber diese Fahrt nur ans Herz legen. Es ist ein rasantes, spaßiges Abenteuer, das zwar familienfreundlich ist, mit Tempo und Illusionen aber auch Pepp hat. Ich bin zwei Mal hintereinander mit Remy durch Gusteau's gedüst, danach wurde es in der pittoresk gestalteten, französischen Ecke der Studios einfach zu voll! Diese Bahn hat echt viele Fans, und das völlig verdient!

Das Warten auf meine erste Ratatouille-Fahrt, die direkt nach der offiziellen Parkeröffnung erfolgte, war übrigens sehr kurzweilig! Als so gegen 9 Uhr die Pforten des Parks geöffnet wurden und alle Anwesenden eilig zu den Topattraktionen gedüst sind, um sich einen der ersten Plätze zu sichern, schlenderte ich zur Single-Rider-Line bei Remy. Und als sich diese Warteschlange und auch die anderen Schlangen vor der Bahn immer mehr füllten, kamen mehr und mehr Cast Member heraus, die allesamt sehr ulkig drauf waren. Einige "Besen gegen Lichtschwert"-Kämpfe und andere Albereien mit anstehenden Kindern später habe ich gar nicht gemerkt, wie lange ich eigentlich gestanden habe. So lässt sich auch die unvermeidliche Schattenseite eines Themenparkbesuchs verschönern.

Ein weiteres Muss im Studio Park war der Rock'n'Roller Coaster, eine für Disney-Verhältnisse sehr temporeiche, turbulente Achterbahn, die einen gewissermaßen mitten in einen Aerosmith-Song versetzt. Von allen Looping-Bahnen im Resort ganz klar mein Favorit, da Soundtrack und Strecke so gut verschmelzen und die Lightshow während der Fahrt großartig ist. Und da es Gerüchte gibt, dass die Achterbahn über kurz oder lang umgestaltet wird, führte für mich kein Weg an ihr vorbei!


Und auch abends war für Wohlfühlmomente gesorgt: Dank eines unschlagbaren Angebots konnte ich mir einen Abstecher ins Newport Bay Club gönnen, eines der höherklassigen Hotels im Resort. Das im Neuengland-Stil gehaltene, maritime Hotel befindet sich aktuell in den allerletzten Zügen seiner Renovierung und erstrahlt in einem nobleren Glanz denn je: Die Inneneinrichtung erlaubt es mit dunklem Holz und angenehmen, gedeckten Blautönen, abends langsam abzuschalten und sich wie auf dem Luxusdeck eines Edeldampfers zu fühlen. Im neuen Compass Club, einer höheren Zimmerkategorie innerhalb des Hotels, geht der Luxus noch weiter: Gratis Gepäckservice, eine eigene Rezeption für schnelleres Einchecken, eine eigene Etage nur für Compass Club-Gäste sowie eine eigene Lounge sind Teil dieses Angebots. Und vor allem für die sehr schmucke Lounge macht sich die Compass Club-Wahl bezahlt: Nachmittags warten dort gratis Kuchen und andere Snacks, abends kann man bei Trockenobst und Nüsschen entspannen. Alkoholfreie Getränke sind inklusive. Und morgens gibt es ein großes Frühstücksbuffet, das zum üblichen kontinentalen Frühstück noch allerlei Süßgebäck und warme Speisen hinzufügt. Und da der Compass Club nur relativ wenige Zimmer zur Verfügung hat, ist das Frühstück in der Lounge drängelfrei und superleise. Was für ein köstlich-gemütlicher Start in den Tag!

Ich könnte noch ewig weitermachen. Die drei Tage im Disneyland Paris waren einfach traumhaft. Und weil es da ja so schön zauberhaft ist, habe ich mich auch endlich wieder richtig entspannen können - obwohl ich den ganzen Urlaub über total viel getan habe! Das ist die Magie eines Disney-Urlaubs: Pickepackevolles Programm, und dennoch kann die Seele wieder durchatmen. Ich kann mein nächstes Mal kaum erwarten! Auf dass es nicht wieder drei Jahre dauert, bis ich ins Disneyland Paris zurückkehre!

Mittwoch, 15. Juli 2015

Waldbühne Berlin: Disney in Concert



Es gibt kein Filmstudio, das so magische Produktionen erschafft wie Disney. Und es gibt kein Studio, dessen Werke der Welt so unvergessliche Melodien bescheren, wie die aus der in Burbank beheimateten Traumfabrik. Ergo: Es gibt keine magischeren Klänge als Disney-Musik. Insofern ist es verwunderlich, dass Disney jahrzehntelang zwar Eiskunstlaufshows um den Globus touren ließ, während sich der 1923 gegründete Traditionskonzern in Sachen Konzertveranstaltungen eher zurückhielt. Mittlerweile werden aber verstärkt Disney-Konzertreihen angeboten, wobei diese im deutschsprachigen Raum bislang primär dem Schema einer Event-Kinovorführung folgten: Ein Film aus dem Disney-Archiv wird in einer Philharmonie auf einer Riesenlandwand gezeigt, während ein Orchester live die Musikspur rekreiert. Mit der Fluch der Karibik-Reihe und Fantasia ging dies bereits auf Tournee, in München wurde zudem Tim Burtons Alice im Wunderland auf diese Weise zelebriert.

Diesen Sommer ging Disney in Concert endlich den nächsten Schritt: Erst in Leipzig, am 11. Juli dann auch vor der traumhaften Kulisse der Waldbühne Berlin, gab es ein waschechtes Disney-Konzert zu bestaunen. Ein bunter, vielseitiger Mix aus beliebten Disney-Instrumentalstücken und -Songs, live dargeboten von einem Symphonieorchester und talentierten Sangeskünstlern. Die obligatorische Bewegtbildbegleitung auf einer Leinwand blieb auch diesem Event erhalten, von zwei Fantasia-Ausschnitten abgesehen waren diese aber nicht sklavisch an die Livemusik gebunden, sondern sollten nur zur visuellen Bereicherung und zur Verstärkung der Atmosphäre gedacht.

Und was soll ich sagen ..? Disney in Concert auf der Waldbühne Berlin stellte nicht nur vom Grundkonzept her den nächsten Schritt in Disneys hiesiger Konzerthistorie dar: Es war auch qualitativ ein gewaltiger Sprung nach vorne. Dabei bin ich ja schon inniger Fan der bisherigen Disney-Konzerte. Aber so wundervoll wie dieses Konzert war bislang keine Disney-Veranstaltung, die ich auf deutschem Boden erleben durfte!

Dies ist unter anderem dem Moderator zu verdanken: Steven Gätjen, der 2014 schon The Sound of Hollywood moderierte, führte mit einer idealen Balance aus seriöser Eleganz und verspielter Albernheit durch das Programm. Er streute genügend Informationen ein, um die Zuschauer, die keinen Abschluss in Disneyologie haben, kurzweilig weiterzubilden, und verzichtete zugleich auf Banalitäten, die mich als Disney-Narren gelangweilt hätten. Und so lustig seine Anekdoten von Disney Filmparade-Drehs oder kuriosen Hintergrundfakten über diverse Disney-Filme waren, raubte der Schlag den Raab-Moderator der Veranstaltung nie ihre märchenhaft-umwerfende Ausstrahlung. Im Gegenteil: Mit einer ehrfürchtigen Verneigung vor Walt Disney und authentischen Schwärmereien für seine Lieblingsstücke des Abends gab Gätjen mit seinen Moderationen dem Abend den letzten Schliff.


Aber ein Konzert ist nur dann ein gelungenes Konzert, wenn die musikalischen Aspekte stimmen. Also die Auswahl der dargebotenen Stücke und deren Umsetzung. Und auch in dieser Hinsicht bin ich voll des Lobes! So gelang den Verantwortlichen mit der Setlist das diffizile Kunststück, einerseits dem nach Hits hungernden Publikum einige der wichtigsten, größten Disney-Nummern zu kredenzen. Und andererseits die nicht ihr ganzes Leben nach Disney ausrichtenden Besucher auch mit unbekannten Melodien zu überraschen und so Unerwartetes, Neues zu bieten. Für mich als Disney-Freak derweil war es eine tolle Mixtur aus den obligatorischen Klassikern und immer wieder gern gehörten Stücken aus weniger offensichtlichen Kompositionen, bei denen ich mich stets freue, wenn sie Aufmerksamkeit erlangen. So mischten sich in die instrumentale Ouvertüre, die einige der größten Mary Poppins-Hits und auch Melodien aus Peter Pan und Cinderella umfasste, hierzulande kaum bekannte Stücke wie Zip-A-Dee-Doo-Dah und der Mickey Mouse March. Während die Disney-Renaissance mit einem Arielle-Medley, Das Farbenspiel des Winds aus Pocahontas, einer Suite zu Die Schöne und das Biest sowie einem Gänsehaut erzeugenden Der König der Löwen-Querschnitt auf ihre Kosten kam, sowie mit einem Mini-Aladdin-Medley plus einem Auftritt der Hauptdarsteller des kommenden Aladdin-Musicals in Hamburg, wurden auch Erfolge der jüngeren Jahre geehrt, Es gab einen fetzigen Durchmarsch durch die wichtigsten Stücke des ersten Fluch der Karibik-Teils, aus Rapunzel gab es Endlich sehe ich das Licht zu hören und zum krönenden Abschluss fegte Lass jetzt los aus der Eiskönigin alle davon. Außerdem gab es aus Fantasia 2000 die Karneval der Tiere-Sequenz zu sehen und zu hören. Die Walt-Disney-Ära bediente man mit dem Zauberlehrling, I Wanna Be Like You aus Das Dschungelbuch, einem gesungenen Mary Poppins-Medley und mit dem ultraspaßigen Ohrwurm aus der Hölle Diese Welt ist klein, so klein.

Wer nun denkt "also doch nur große Hits" ist erstens disneyaffiner als mancher Konzertbesucher und muss zweitens bedenken, dass die Medleys eben nicht nur die auffälligeren Lieder der jeweiligen Filme absteckten. Sondern auch kleinere Instrumentalstücke oder originell arrangierte Abwandlungen von Songs. Überhaupt war das Arrangement top: Mal ganz nah am Film, mal lehnte man sich leicht aus dem Fenster, ohne solche Katastrophen wie auf dem Tribute-Album I Love Disney zu verursachen. I Wanna Be Like You (gesungen von einem toll aufgelegten Michael Patrick Kelly) oder eine deutschsprachige, orchestrale, hochromantische Spielvariante der Radiopop-Singleauskopplung von Die Schöne und das Biest bleiben da besonders wohlig in Erinnerung. Dass Popsänger Chima die neue Textversion von Unten im Meer gesungen hat, mag ich derweil nicht als seine Schuld sehen (da hat sicher irgendwer von Disney seine Finger im Spiel gehabt), aber Text hin oder her, seine Interpretation konnte sich leider nicht ganz zwischen Charts, Reggae und Filmtreue entscheiden. Noch immer gut, aber an einem Abend voller Brillanz leider die klare Schwachstelle.

Die wahren Stars des Konzerts waren aber eh nicht die größeren Namen. Ja, Annett Louisan säuselte eine süße Variante der Rapunzel-Ballade (und das sage ich als jemand, der mit ihren Chartnummern sehr selten was anfangen kann), jedoch haben sich die Veranstalter einen Orden für die vier "Hauptinterpreten" verdient! Musicalstar Lars Redlich, Musical- und TV-Darstellerin Lucy Scherer vom Berliner Stadttheater, die belgische Disney-Synchronstimme Deborah de Ridder und Theater-Multitalent Veit Schäfermeier sorgten zwar nicht mit ihren Namen für Begeisterungsstürme, aber dafür umso mehr mit ihren Auftritten. Fantastische, wandlungsfähige Stimmen und beschwingte, aber nie aufgesetzte Performances, deren Energie bis in die hinteren Ränge zu spüren war. Einfach großartig! Stellenweise fühlte ich mich wieder direkt in die begnadeten deutschen Synchronfassungen der Disney-Klassiker versetzt  - und wenn jemand wie Lucy Scherer (die Redselige des Quartetts) überzeugend sowohl Pocahontas als auch eine deutsche Celine Dion sowie Elsa zum Besten geben kann, dann muss ich mir einfach erst einmal einen Hut kaufen, damit ich ihn dann voller Staunen ziehen kann! Doch Scherers Kollegen zeigten ebenfalls eine formidable Bandbreite, verschmolzen einerseits mit der Vorlage, gaben ihr aber zugleich eine eigene, neue, persönliche Note mit.

Kurzum: Es gibt für mich nur einen ernstzunehmenden Kritikpunkt am Berliner Disney in Concert. Ausnahmsweise dachte Disney nicht geldgierig genug! Das muss man sich erst einmal vorstellen! Wieso kann man sich keine Live-CD von diesem Event kaufen, weshalb wurde es nicht im Disney Channel übertragen und wen muss ich erpressen, damit es eine mit Bonusmaterial vollgestopfte Konzert-Mitschnitt-Blu-ray zu kaufen gibt? Ich will mir diese Darbietungen immer und immer wieder anhören! Disney, du greifst doch immer nach meinem Geld, wieso nicht auch jetzt?!

Und auf die Gefahr hin, dass ich mich darüber im nächsten Jahr wieder ärgern werde, sollte es denn wieder eine solche Veranstaltung geben: Ich gehe nochmal hin. Denn abseits der Disney-Parks ist es unmöglich, so gebündelte Disney-Magie zu tanken. Und selbst auf Disneys Grund und Boden ist es nicht durchgehend so supercalifragilisticexpialigetisch!

Dienstag, 11. März 2014

Disneys musikalisches Seifenwasser

Elsa, die einzige Figur aus Walt Disneys 53. Meisterwerk, die ich mag, lässt sich ihre Oscar-Siege nicht zu Kopf steigen

Vergangene Woche hatte ich Geburtstag, und eigentlich hätte zumindest ein Tagesprogrammpunkt für mich feststehen müssen: Ein Ende November gestarteter Walt-Disney-Animationsfilm läuft aufgrund der massiven Nachfrage weiterhin in einigen deutschen Kinos (teils sogar noch immer in 3D) und kann sich mittlerweile als zweifacher Oscar-Gewinner und Milliarden-Dollar-Kassenschlager bejubeln lassen? Im Normalfall würde ich als großer Disney-Liebhaber dies mit einem Kinobesuch feiern! Bloß handelt es sich bei diesem mit Preisen überhäuften kommerziellen Volltreffer leider nicht um den genialen Ralph reicht's  oder um das wundervolle Märchenmusical Rapunzel sondern ausgerechnet um Die Eiskönigin.

Und so sehr die laute Mehrheit die Geschichte eines Tollpatschs, eines sprechenden Schneemanns und eines grobschlächtigen jungen Mannes, die unentwegt einer viel interessanteren Figur das Rampenlicht stehlen, als den besten Disney-Film seit Der König der Löwen feiern mag: Die Eiskönigin bleibt für mich einer der unattraktivsten Einträge in den großen Disney-Trickfilmkanon. Also führte mich mein obligatorischer Geburtstags-Kinobesuch in 300: Rise of an Empire.

Weshalb mich Die Eiskönigin so kalt lässt, habe ich bereits zu erläutern versucht, jedoch fehlte mir bezüglich der Lieder abseits von Let It Go ein treffender Begriff der beschreibt, wieso mich die Gesangseinlagen nicht so mitreißen wie selbst die durchschnittlichste Alan-Menken-Komposition. Dann aber stolperte eine Vorschau auf das Bonusmaterial der Die Eiskönigin-Blu-ray ins Internet, und zwar in Form eines Clips des speziell für die Making-of-Extras verfassten neuen Songs der Liedermacher Kristen Anderson-Lopez & Robert Lopez. Dieser Titel ist zwar eingängig, jedoch auch symptomatisch dafür, was mich an den "richtigen" Eiskönigin-Nummern stört:



Gewiss, vor allem der Refrain mit der mehrstimmig, leicht versetzt und dennoch betörend harmonisch gesungenen Zeile "How Did We Make / How Did We Make / How Did We Make / Frozen?" geht sofort ins Ohr. Und für eine Blu-ray-exklusive Nummer ist dieses fröhliche Lied sehr gut produziert. Aber: Für mich ist dies das musikalische Pendant zu Seifenwasser.

Von der Grundstimmung her besteht eine entfernte Verwandschaft zu typischen Feel-Good-Disneystücken, jedoch fehlen dieser blumigen, harmlosen Nummer charakterliche Ecken und Kanten. Das Lied ist zu sauber, zu freundlich. Ich vermisse die operettenartige Mehrdimensionalität eines Alan Menken und das eloquente Sprachgefühl von Howard Ashman, das etwa das Eröffnungsstück von Die Schöne & das Biest aufwies:



Selbstredend kann ich von der neuen Lopez-Nummer für die Eiskönigin-Blu-ray nicht erwarten, dass sie einen großen Disney-Songklassiker in den Schatten stellt. Aber sie verdeutlicht, was mich an allen Liedern von Kristen Anderson-Lopez & Robert Lopez stört, die das Ehepaar für Disney verfasst hat. Von Let It Go natürlich abgesehen. Schon The Backson Song aus Winnie Puuh etwa war mir zu sanft, zu lieblich, wenn man bedenkt, dass er von einem unbekannten Grauen handelt und eine surreale Filmsequenz begleitet. Und dafür, dass Do You Want to Build a Snowman? ein großes Expositions-Dialoglied ist, bietet es mir außerhalb seiner Eingängigkeit viel zu wenig. Hat Little Town französisches Flair und Schwung, ist Do You Want to Build a Snowman? einfach nur rund und setzt sich rasch im Gehörgangfest. Das tun aber auch viele Kinderlieder. Von Disney erwarte ich mehr.

Was How Did We Make Frozen mir darüber hinaus eröffnete: Let It Go als hervorragende Ausnahme einmal ausgeklammert, so geht der Lopez-Stil in meinen Ohren nur bei Parodien wirklich auf. Als Disney-Lied ist das Making-of-Lied eher durchwachsen, als verspielt-ironische Nummer für Zwischendurch dagegen nett. Doof nur, dass sich die anderen Lopez-Disney-Nummern für mich auch genauso anhören, wenn sie ernst gemeint sind. Kaum hatte ich mir dies dank How Did We Make Frozen vor Augen geführt, fiel bei mir endlich der Groschen: Robert Lopez hat (anders als der über Melodien Geschichten erzählende Alan Menken) seine Wurzeln in der Welt der Musical-Persiflage. Ob Avenue Q oder The Book of Mormon: Wenn hier eine Gesangseinlage so klingt, wie die übertrieben glückselige Raubkopie anderer Stücke, so ist dies Teil des Konzepts und die melodische Zahnlosigkeit lässt sich durch Albernheit der Texte in clevere Bissigkeit umwandeln. Das hat Robert Lopez sogar bereits für den erweiterten Disney-Kosmos vollbracht, und zwar als einer der zahlreichen Komponisten der Scrubs-Musicalfolge:



Ich liebe Scrubs: Mein Musical. Aber bloß weil es dort herrlich ist, wie Welcome to Sacred Heart als weichgespülte Disney-Nummer daherkommt, heißt das nicht, dass ich diesen Stil durchgehend hören möchte.

Hoffentlich werden wir möglichst bald wieder ein neues Alan-Menken-Stück in einem animierten Disneyfilm hören. Ich fände es nämlich zu schade, wenn die Eheleute Lopez den Disney-Hofkomponisten aufgrund des Eiskönigin-Hypes mit ihrem Seifenwasser aus seinem Königreich spülen würden ...