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Montag, 25. Dezember 2023

Die schlechtesten Filme 2023

Die Kritik an "Die schlechtesten..."-Listen nimmt konstant zu. Und per se bin ich sehr froh darum, dass sich wenigstens in manchen Winkeln des digitalen Kultur-, Entertainment- und Medienaustauschs die Freude an Häme allmählich in Zaum hält.

Dessen ungeachtet halte ich weiter an dieser Tradition fest, wie ich bereits 2022 erläuterte. Denn mir geht es mit diesen Listen weniger darum, weiter auf wen einzudreschen, der bereits am Boden liegt. Es geht mir um die Bereicherung, die eine Schlusslichtliste leistet. Dieser Beitrag hier gibt mir die Gelegenheit, über Filme zu schreiben, über die ich noch nicht geschrieben habe, oder weitere Gedanken zu Filmen festzuhalten, über die ich mich bereits geäußert habe.

Es ist die Möglichkeit, auf negative Texte von mir zu verlinken sowie neue zu schreiben, und euch so ein runderes Bild meines Filmgeschmacks zu präsentieren. Schließlich veröffentliche ich angesichts dessen, dass ich etwa Streaming- und Heimkino-Empfehlungen bei Filmstarts schreibe, deutlich mehr lobende als mahnende Texte. Nicht, weil ich kaum etwas schlecht finde, sondern weil ich in meiner Profession gehäuft Aufgaben übernehme, bei denen ich mich gehäuft Werken widme, die ich mag.

Als Ausgleich ist es da hilfreich, euch auch meine negativen Reaktionen zu präsentieren. Auch, weil man die Perspektive einer Person besser kennenlernt und einordnen kann, wenn man ihre Antipathien erfährt. Meine Lieblingskollegin Antje etwa weiß ich nicht nur zu schätzen, weil ich ihre positiven Meinungen meistens nachvollziehen kann, sondern auch, weil ich ihre Abneigungen kenne wie meine eigene Jackentasche (die Westen, die ich besitze, haben keine Taschen, also verzeiht das versaubeutelte Sprichwort).

Und, ja, vielleicht finden manche von euch in der nachfolgenden Liste sogar Anregungen, einzelne Filme nachzuholen, so, wie ich nahezu Jahr für Jahr bei den Flops des YouTube-Musikkritikers Todd in the Shadows mindestens einen Popsong finde, bei dem ich denke: "Moment, Moment, den finde ich eigentlich ganz in Ordnung!" Oder ihr findet Erleichterung, weil ihr euch weniger einsam findet, wenn auch ihr mal einen positiven Konsens partout nicht versteht. Oder, oder, oder... Kurz gesagt: Eine Negativliste kann so viel Mehrwert haben, ich fände es schade, auf sie gänzlich zu verzichten.

Langer Vorrede, kurzer Sinn: Finden wir heraus, ob ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werde oder doch nur stumpf rumpöble! Und wie immer gilt: "Schlecht" ist hier nicht zwingend ausschließlich technisch, erzählerisch und darstellerisch katastrophal. Es kann auch ein kompetenter Film sein, der mich extrem gelangweilt hat oder aufgrund bestimmter Makel mehr geärgert hat, als es viele amateurhafte Projekte tun könnten, die ihr schöpferisches Herz aber am rechten Fleck haben. Das hier ist eine "Mein Filmherz schmerzt"-Flopliste, keine "Das Lehrbuch des Kinos geht durch die Existenz dieser Filme in Flammen auf"-Flopliste!

In diesem Sinne: Das sind sie, die Filme, für die ich 2023 die größte Antipathie empfunden habe!

Platz 10: Talk to Me (Regie: Danny und Michael Philippou)

Mehr Fragezeichen hat 2023 kein anderer Film bei mir hinterlassen. Nicht, weil ich Talk to Me auf thematischer Ebene, geschweige denn auf Plotebene nicht verstanden hätte. Ich denke, dass ich da gut mitgekommen bin: Eine einbalsamierte Hand ermöglicht Séancen und sogar das gewollte, gezielte Von-einem-Geist-in-Besitz-genommen-werden, was in der erweiterten Clique unserer Protagonistin (Sophie Wild)e zum neusten Party-Trend wird. Gruppendruck, morbide Neugier, Mutproben-Dynamiken und Lust daran, eigene Grenzen auszutesten, sei es gedankt.

Doch für die im Filmmittelpunkt stehende Halbwaise wird aus riskantem Grenzerfahrungsspaß alsbald eine Sucht, in die sie sich mit voller Wucht hineinstürzt. So lenkt sie sich von der Trauer um ihre Mutter ab. Das Element der Trauerbewältigung wird im (sehr deutlichen) Subtext durch Drogenmissbrauch ergänzt: Die Séancen in Talk to Me ähneln via Smartphone festgehaltenen und geteilten gemeinsamen Drogenexperimenten (und ähnlichem den Verstand attackierenden Schabernack, wie dem 2023er Trend zum Lachgasmissbrauch). So weit, so sinnig: Drogen gehören für viele zur Jugend dazu und sind sowieso gefährlich, auch wenn manche besser an den Nebenwirkungen vorbeisausen als andere. Doch sobald eine emotional angeknackste Person damit anfängt, das sprichwörtliche Steuer aus der Hand zu legen, und dem als sinnlos empfundenen Leben eine Richtung zu geben, nun... Der Ärger kündigt sich lautstark und deutlich an.

Was ich derweil nicht verstanden habe: Wieso kam Talk to Me dermaßen gut an? Ich war nach meiner Talk to Me-Begegnung vollkommen ratlos, fühlte mich, als hätte man mir einen anderen Film vorgesetzt als allen anderen.

Ich gebe Talk to Me eine engagiert spielende Sophie Wilde, eine mit Spannung inszenierte und glaubhaft mit untätigen, überforderten und daher falsch handelnden Figuren ausstaffierte Party- Séance sowie solide bis gute Make-up- und Trickeffekte, um Verletzungen und körperliche Folgen des Besessenseins zu illustrieren. Aber dem gegenüber standen eine meiner Auffassung nach ziemlich an didaktische 80er/90er-Jahre-PSAs erinnernde Anti-Drogenmetaphorik, eine leblose Lichtgebung, die generischste Teeniehorror-Farbdramaturgie, die ich seit langem gesehen habe, und klobigstes Foreshadowing. Klobiges Foreshadowing, das bei mir keinen "Oh nein, ein Damoklesschwert schwebt über unseren Figuren"-Spannungseffekt hatte, sondern den Ich seh, Ich seh-Effekt. 

Und ich fand die Dialoge überaus ernüchternd, wenn nicht sogar desillusionierend. Die jugendlichen Figuren klangen sich zu ähnlich, und daher hatten sie für mich wenig Charakter, was der Spannung nicht gerade zugutekam. Als ich nach meiner Sichtung erfuhr, dass die regieführenden Brüder ihren Cast viel improvisieren ließen (nicht storytechnisch, sondern hinsichtlich der Dialoge), schien mir klar, was das Problem sein dürfte: Nur, weil man schauspielern kann, kann man halt nicht automatisch schreiben.

Für jene, bei denen der Film funktioniert hat, ist das Impro-Element dagegen der Grund, weshalb alle so authentisch klingen. Und wo ich nur generische, leblose Regieführung sah, fanden unzählige andere Kreativität, Innovation und unverbrauchte Abwandlungen bekannter Versatzstücke. Das muss so eine "Entweder hast du die Hand berührt und kannst den Geist sehen, oder du bist die piefige Null, die spaßbefreit die Party verlässt"-Sache sein. Ich wünsche euch, dass ihr den Geist seht, den zum Beispiel Antje und Bea gesehen haben, kann mir aber nicht anders als weiter ratlos den Kopf schütteln. Es tut mir leid.

Platz 9: Five Nights at Freddy's (Regie: Emma Tammi)

Josh Hutcherson macht seine Sache gut, Elizabeth Lail hat mehr Spaß als ihr das Drehbuch zugesteht und die von Jim Henson's Creature Shop erbauten Animatronic-Kostüme können sich sehen lassen. Und im ersten Drittel greift Regisseurin Emma Tammi auf stimmungsvolles Foreshadowing zurück. Dann wird der Film über lange, lange Strecken langweilig. Übererklärungen, ungeschliffene Szenen, die danach schreien, hier und da noch ein paar Sekunden zu verlieren, und erzählerische Sackgassen. Ein paar selbstironische Momente lassen eine campigere Variante des Stoffes erahnen, die wohl mal in den Köpfen der Verantwortlichen herumgeisterte. Und dann geht's gen Fremdschamfinale. Joah. Für mich ein "Wäre gern ein guter erster Horrorfilm", Matt Donato beurteilt, dass er nicht nur als Genre-Einstiegsdroge funktioniert.

Platz 8: Totally Killer (Regie: Nahnatchka Khan)

Die moderne Welle an Slasherkomödien, die bewährte Konventionen dieses Horrorsubgenres mit anderen, altbekannten Plotideen kreuzt und die im Mittelpunkt der Erzählung stehenden demografischen Gruppen durchmischt, sagt mir sehr zu. Entsprechend groß war meine Vorfreude auf Totally Killer, einen Film, dessen Grundidee quasi besagt: "Was, wenn Zurück in die Zukunft ein Slasher wäre?"

Kiernan Shipka hat noch durch Chilling Adventures of Sabrina Sympathien bei mir über, und innerhalb der ersten paar Minuten habe ich mehrfach herzlich über kompromisslose Seitenhiebe gen True-Crime-Wahn gelacht. Kaum ist die Protagonistin in die 80er zurückgereist, um sich dort dann darüber zu wundern, dass einige große Probleme mit diesem Jahrzehnt in der 80er-Nostalgie-Popkultur so überhaupt nicht abgebildet wurden, hatte ich auch Spaß daran. 

Aber dann hat mich Totally Killer zügig verloren: Die Dialoge sind klobig, der Cast schien damit zu hadern, die Balance zwischen den zwischenmenschlich-dramatischen Momenten, der Genre-Selbstironie und der Slasher-Anspannung zu finden. Und der Film sieht in Ermangelung eines mir erkennbaren visuellen Konzepts einfach hässlich aus. Schon nach der ersten Hälfte wollte ich einfach nur, dass es vorbei ist. Schade. Aber nehmt mich nicht sofort beim Wort: Für eine gut geschriebene Pro-Meinung zu Totally Killer empfehle ich Christy Lemires Review bei Roger Ebert.

Platz 7: Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds and Snakes (Regie: Francis Lawrence)

Von allen Filmen in dieser Liste, ist das Die Tribute von Panem-Prequel der Film, dem ich die meisten Pluspunkte zusprechen würde:. Hunter Schafer hat zwar nicht viel zu tun, macht ihre Sache aber gut und erfüllt ihre Figur (die sich und ihrer Familie ein würdevolles Auftreten verschaffende Cousine eines zukünftigen Despoten) mit Empathie und Tatkraft. Rachel Zegler kann noch immer gut singen. Jason Schwartzman ist als eiskalter, spießig-albern auftretender Moderator ein großes Vergnügen und eine gute Fortführung (beziehungsweise: ein guter Vorbote) von Stanley Tuccis Gastgeber-Rolle in den anderen Panem-Filmen.

Viola Davis ist genüsslich-abscheulich als durchgeknallte Erfinderin. Und die Kostüme sowie Locations geben einmal mehr einen intensiven Eindruck davon, wie Panem so tickt. Auch die Idee, den in den vorherigen Filme etablierten Look nun mit Verweisen auf die (westeuropäische) Nachkriegszeit zu ergänzen, inklusive des 50er-Jahre-Designs bei der Übertragung der zehnten Hungerspiele, ist clever. Sie ergänzt sich stimmig mit der gesellschaftskritischen Komponente der Reihe.

Aber. Das große, große Aber. Das gigantische Aber: Die Faktoren, die mich am Panem-Prequel verärgerten, sind dermaßen drastisch und schwerwiegend, dass der Film halt trotzdem auf diesem Platz gelandet ist. Nicht nur, dass ich das Skript holprig fand, mit einem von vorhersehbaren Klischees übersäten ersten Akt und einem dritten Akt, in dem sich die Charakterzeichnung panisch überschlägt, um irgendwann halt dort auszukommen, wo der Film auskommen muss, damit er als Prequel zur bekannten Reihe funktioniert.

Erschwerend kam hinzu, dass ich nie den Eindruck gewonnen habe, irgendwer hätte gewusst, was man mit den beiden Hauptfiguren (District-12-Tribut Lucy Gray und ihr Mentor, der künftige Präsident Snow) anstellen soll: Weder Lawrence, noch die Drehbuchautoren Michael Lesslie & Michael Arndt, noch Rachel Zegler und Tom Blyth vor der Kamera.

Unentwegt ändert sich der Ansatz, wie die Figur zu verstehen ist, mal durch Mimik, Gestik und die Art, wie gesprochen wird, mal durch die Wortwahl im Dialog, andere Male durch Lawrences Regieführung. Aber nie, nicht einmal, änderte sie sich so, dass ich das als Charakterwandel verstanden habe, oder als Versuch einer nuancierten Figurenskizze. Für mich wirkte es stets unentschlossen. 

Das hinderte mich daran, mit ihnen / auf emotionaler Ebene gegen sie zu fiebern. Ihre Schicksale waren mir wahlweise egal oder ich war szenenweise einfach von ihnen genervt. Aber selbst das ist nicht das größte Verbrechen des Films. Der Hauptgrund, weshalb das Panem-Prequel in meiner Flopliste landete, ist der meiner Ansicht nach konfuse ethische Kompass dieser Erzählung.

Der Film beginnt mit einem etwas unter Ressourcenmangel leidendem, jedoch privilegiertem Snow, der mit den faschistischen Methoden in Panem fein ist und gerne aufsteigen würde, um mehr Vorteile dieses Systems auszukosten. Dann setzt eine Mitleidsparade in Gang, dass dieser arme, bedauernswerte Fascho-Bube ja leider, leider durch seine Umstände dazu gezwungen wurde, ein mörderischer Extremist zu werden, und eigentlich hätte er ja nur eine tröstende, liebende Umarmung mehr von Lucy benötigt, um gut zu werden. Snow ist ein Opfer, Leute! Er musste einfach gegen seinen Willen vom Faschismus-Begünstigten zum Über-Fascho werden, seufz!

Das jedenfalls war die Botschaft, die ich daraus gezogen habe, wie hier die Geschichte aufgezogen wurde. Es war garantiert nicht die intendierte Botschaft, und es ist auch nicht die, die beispielsweise Christoph Petersen in der Filmstarts-Kritik herausgezogen hat, also bin ich willens, den Fehler bei mir zu suchen. Und ich empfehle allen, die den Film noch nicht gesehen haben, Christophs Kritik zu lesen, statt hier nur auf mein Gemecker zu hören. Trotzdem weiß ich noch, wie nahe ich der Weißglut war, als der allerletzte Satz im Panem-Prequel fiel. Bis ich vielleicht eines Tages weiser werde, bleibt der Film in dieser Negativliste.

Platz 6: Indiana Jones und das Rad des Schicksals (Regie: James Mangold)

Ich kenne mehrere Leute, deren Filmgeschmack ich sehr respektiere, die diesen Film unterhaltsam oder sogar klasse fanden. Und es gibt viele, viele digitale Brandstifter, die liebend gerne beschließen dürfen, ihren Job niederzuschmeißen und fortan irgendetwas wertvolles für die Gesellschaft zu tun (etwa Brot backen für die Armen), die mir bei der Aufnahme von Indiana Jones und das Rad des Schicksals in meine Flopliste gratulieren würden. 

Anders gesagt: Hiermit baue ich mir ungewollt eine starke argumentative Rampe dafür, dass Floplisten eben doch mies sind. Aber es wäre halt gelogen, zu behaupten, dass mich James Mangolds Indiana Jones-Sequel nicht mit dem Gefühl zurückgelassen hat, als hätte mir wer während des Kinobesuchs die Lebensgeister aus dem Körper gesogen.

Die Dramaturgie wirkte auf mich bleiern, die Lichtsetzung und Bildkomposition war in meinen Augen derart ideenlos, dass mir dieser immergleiche butterig-braun-sonnengegerbte Look bereits auf die Nerven ging, bevor der dritte Akt losging, der dann auch nichts daran änderte. Und vor allem fehlte es mir bei diesem Wiederauflebenlassen der alteingesessenen Abenteuerreihe einfach an Esprit, Inspiration, Identität. Und sei es noch so wenig.

Die Indy-Reihe wird ja gerne als "Abenteuerfilm-Blaupause" bezeichnet, was angesichts ihrer großen Vorbildwirkung auch nicht völlig daneben ist. Aber für Blaupausen sind die ersten vier Teile der Reihe eigentlich zu charakterstark, alle von ihnen (selbst der eine, den ich nie mochte) haben eine tonale Persönlichkeit, eine klare Gangart. Indiana Jones 5 ist, von ganz wenigen Augenblicken, in denen der Gedanke aufblitzt, man könnte sich etwas kritischer und komplexer mit der Titelfigur auseinandersetzen, hingegen vollkommen generisch und frei von jeglichem Funken, der den Film beseelen würde. 

Während andere wirtschaftliche Big-Budget-Enttäuschungen des Jahres wie Shazam 2 und Ant-Man and the Wasp: Quantumania gemeinhin härtere, prominentere Verrisse abbekommen haben, nahm ich aus ihnen mehr mit als aus Indiana Jones 5: Shazam 2 ist ein filmgewordener Samstagmorgen-Abenteuercartoon mit Mythologie-Begeisterung, einfach ein munter-quirliger Comedy-Streifzug durch eine Antike-Ausstellung. Quantumania ist Peyton Reeds Sommerschlussverkauf an Hommagen auf B-Movies seiner Kindheit und Jugend, ein bewusstes Edelschundfilm-Allerlei, das als limitierte Blu-ray in VHS-förmiger Verpackung plötzlich nach Kult schreien würde, aber leider den Ballast tragen musste, Phase 5 im MCU zu eröffnen und daher an ganz anderen Maßstäben gemessen wurde. Es sind Ansätze, ich hatte Spaß mit ihnen, verstehe aber, wenn sie bei anderen nicht funktionieren.

Doch Indiana Jones 5? Der füllte mich bloß mit Leere. Kein Revisionismus, keine Dekonstruktion, keine Rekonstruktion, nicht einmal ein engagiertes "Ein letzter Ritt!" Der Film wirkte auf mich nach dem Schließen einer Programmlücke im Kinostartkalender, nicht nach der Ausführung einer Idee. Ich beneide alle, die auf der Wellenlänge liegen, auf der der Film irgendetwas gesendet hat. Bei mir kam nur weißes Rauschen mit bräunlich-weichgezeichneten Bildern an. Etwas deutlich Würdevolleres kam derweil bei Patrick Wellinski von Deutschlandfunk Kultur an, solltet ihr noch ein Gegengewicht zu meinem Sermon benötigen.

Platz 5: Ruby taucht ab (Regie: Kirk DeMicco)

Ich kann es nicht abwarten, bis eines Tages ein ausführlicher Artikel über die Produktionsgeschichte von Ruby taucht ab erscheint. Denn diese DreamWorks-Animation-Komödie über eine am Land lebende Teenie-Krake, die einer mit Meerjungfrauen verfeindeten, mächtigen Familie entstammt, wirkt wie das erschöpft und schulterzuckend ins Kino geschleuderte Endergebnis einer tumultartigen Produktionsgeschichte.

Vielleicht irre ich, und die Entstehung des Films lief glatt. Aber würde dieses Wissen es wirklich besser machen? Charakterzüge drehen sich unprovoziert um 180 Grad (und zurück, und wieder zurück), Subplots werden fallen gelassen, und die zu Filmbeginn mit hübsch-leichtfüßiger Selbstverständlichkeit ausgelebte Toleranzbotschaft wird durch den Hauptkonflikt attackiert, bis sich die Balken biegen. Schwergängige Expositionsdialoge und eine mit weiterem Filmverlauf immer niedrigere Gag-Trefferquote kommen erschwerend dazu. Tracy Brown von der LA Times erklärt euch, wie man mehr Spaß mit Ruby haben kann.

Platz 4: Heart of Stone (Regie: Tom Harper)

Die geschmacksarme Discountvariante von Mission: Impossible - Dead Reckoning: Eine besonders geheime Geheimorganisation, die regierungsunabhängig agiert, doppeltes und dreifaches Spiel, und eine künstliche Superintelligenz als alles berechnendes Ass im Ärmel. Nur, dass der Netflix-Actioner weitaus unkritischer mit KI und Algorithmen ins Gericht geht, die Superstunts und schmissig inszenierten Verfolgungsjagden fehlen und Gal Gadot halt kein Tom Cruise ist.

Der Fairness halber: Gadot war schonmal ein stärkerer Kritikpunkt an einem Film als hier. Vor allem, wie sie körpersprachlich zwischen den verschiedenen behaupteten Identitäten ihrer Figur switcht, ist echt passabel. Dennoch wird sie von ihrem restlichen Cast ausgestochen, etwa von einer quirligen Alia Bhatt, einem amüsant-schmierigen Jamie Dornan und einem sehr spaßigen Matthias "Fazzoletti" Schweighöfer als eine Art Q. Das tröstet nicht über die dröge Story, die bemühten Twists und den aggressiv-uninteressanten Look hinweg. Aber vielleicht bin ich auch nur garstig: John Anderson vom Wall Street Journal beweist euch, dass man doch Spaß am Film haben kann.

Platz 3: Trauzeugen (Regie: Finn Christoph Stroeks und Lena May Graf)

Ein Scheidungsanwalt und eine Paartherapeutin müssen für ein befreundetes Ehepaar die letzten Hochzeitsplanungen übernehmen. Zuerst hassen sie sich, sowohl aus berufsbedingten Prinzipien als auch aufgrund gegensätzlicher Gemüter: Sie stürzt sich begeistert und impulsartig ins kleinste Detail der Last-Minute-Planungen, er würde sich lieber weiter seiner Arbeit widmen und bevorzugt ein methodischeres Vorgehen.

Er ist der trocken-charismatische Edin Hasanović, sie die energiegeladene Almila Bagriacik. Beides Schauspieltalente, die ich sehr gerne sehe, und die auch in Trauzeugen eher punkten als danebenhauen. Sie trifft keine Schuld. Mit einem wortlos Wut, körperliches Begehren, Neid und Frust ausdrückenden Tanz sorgen die Zwei dank ihrer Körpersprache sogar für ein kleines Highlight im Film.

Aber das Drehbuch ist völlig zerschossen, ständig werden Logikkapriolen geschlagen und charakterliche Gemüter komplett uminterpretiert, um die Story am Laufen zu halten. Und die Inszenierung ist so profilarm, dass eine gewaltige Anti-Chemie zwischen den Hauptfiguren entsteht. Inniglich habe ich dagegen gefiebert, dass zwischen ihnen etwas entsteht. Ein drastischeres Urteil ist in einer RomCom kaum vorstellbar. Begeisterte Stimmen habe ich keine gefunden, aber Bianka Piringer von kino-zeit führt vor, dass man den Film sehr wohl zumindest solide finden kann. 


Platz 2: The Flash (Regie: Andy Muschietti)

Talk to Me hat bei mir zwar die meisten Fragezeichen hinterlassen, The Flash allerdings das größte: Das soll laut zahlreichen talentierten, fähigen Filmschaffenden, darunter laut James Gunn, einer der besten Superheldenfilme aller Zeiten sein? Das hier?! Diese kühl berechnete, seelenlose und grottenhässliche Nostalgieköderfalle, die in feinster Ready Player One-Manier oftmals nicht einmal versteht, was die künstlerische Essenz der meisten von ihr ausgebeuteten Werke ist, und sich einzig darauf verlässt, dass es durch den "Ja! Das kenne ich!"-Faktor funktionieren wird? Wirklich?

The Flash ist in einer Filmära, in der der Kritikpunkt "Es ist kein Film, sondern ein Produkt" inflationär durch die Gegend geschleudert wird, weil er der Filmpresse (und, viel intensiver: Film-YouTube) frisch unter den Nägeln brennt, die Produktion, wo ich dieses Buzzword wirklich zücken würde. Der Film wirkt wie etwas, das Don Cheadles schurkischer Algorithmus aus Space Jam: A New Legacy in Auftrag geben würde, nicht wie ein popcornaffines Kunstwerk, in dem ein Herz schlägt.

Das liegt unter anderem an Muschiettis unfokussierter Regieführung (oder an den vielen Faktoren, die den Produktionsprozess derart plagten, dass sie im fertigen Produkt so wirkt): Die Makel, die bereits Es: Kapitel 2 plagten, werden hier mehrfach potenziert, allen voran ein aggressiv-cartoonesker Humor, der sich mit dem Mindset der Figuren und der zuvor etablierten, inneren Logik der Filmwelten mischt wie Wasser mit Öl. 

Dass Muschietti irgendwann eine Vision hatte, zeigt ein turbulent-chaotisch eskalierender Einsatz der Flash-Superkräfte: Nachdem ein paar Looney Tunes-Bilder gezeigt wurden, zieht Flash eine ungewollte Schneise der Zerstörung nach sich, wie in einem Tex-Avery-Cartoon. Muschiettis Gedanke war gewiss: Inspirationsquelle zeigen, Hommage durchführen. Doch weder gefiel mir Muschiettis Hommage (zu verkrampft), noch hat es dem Erzählfluss geholfen, vor ihr erst einmal ausgiebig und unsubtil auf sie vorzubereiten.

Solche Dinge wiederholen sich im Film immer und immer wieder, was schon ätzend genug wäre, würde Ezra Miller nicht auch noch eine vollkommen weltfremd-kindsköpfige Flash-Interpretation spielen (die noch dazu, Zeitreise sei dank, eine noch kindsköpfigere Flash-Variante unterrichten muss). Ich fand Miller in Justice League (sowohl in Joss Whedons Version als auch in Zack Snyders Fassung) amüsant, neurotisch-sympathisch. Aber deren Darbietung in The Flash ist eine inkonsistente Ansammlung an nervlichen Macken, kein Gesamtbild einer immer noch an einem Verlust nagenden Person. Und den übermäßigen Slapstick scheint Miller eher erschöpft zu erdulden, statt pointiert auszuspielen.

Ein Autopilot-Michael-Keaton, dem sekündlich die Lebensfreude aus den Augen entfleucht und eine ihre eigene Emotionalität wiederholt betrügende Narrative kommen noch dazu, die Action im MMORPG-Kampfarena-Look schmerzt in den Augen und ich hoffe so sehr, dass die peppig-saucoole Sasha Calle noch viele, echt knallende Actionrollen bekommt, um diesen Fehlgriff vergessen zu machen. In der Zwischenzeit verrät Jannek Suhr bei epd film, was ich offenbar übersehen habe.


Platz 1: Ghosted (Regie: Dexter Fletcher)

Chris Evans und Ana de Armas hatten in Knives Out einen tollen Rapport mit- und gegeneinander, Dexter Fletcher hat dank Eddie the Eagle und Rocketman einen gewaltigen Stein bei mir im Brett, und das Konzept "Romantik- trifft Actionkomödie, weil ein Kerl nicht schnallt, dass seine Traumfrau Topagentin ist" hat 80er-Touchstone-Pictures-Komödien-Vibes, womit ich mich als Zielgruppe für Ghosted verstehe. Gute, wenn nicht sogar sehr gute Voraussetzungen.

Und um kurz beim wenigen (sehr, sehr wenigen) Positiven zu bleiben: Fletcher lässt vor allem im Auftakt gewiefte ironische Ansätze durchschimmern, wenn er den Film wie eine extra dumme RomCom inszeniert und schneidet. Und das Finale in einem durchdrehenden Dreh-Restaurant hat ein paar gute Einfälle zu bieten. Und da hören die Stärken auch schon auf.

Die Chemie zwischen de Armas und Evans kann den Film nicht tragen, die Action ist zumeist total lahm, es gibt den Film ausbremsende, förmlich verzweifelt wirkende Cameos, die Schnittarbeit ist konfus, der Plot lustlos und die Dialoge haben kaum Witz. Und wenn sie mal Witz haben, ist es zumeist Humor, der im Rohr krepiert. Dass Fletcher durchblicken ließ, dass Apple im Schnitt so manche Sonderwünsche hatte, lässt natürlich die Frage aufkommen, ob hier eine solide Komödie kaputtverbessert wurde. Den fertigen Film finde ich aber hauptsächlich öde und bedauernswert.

Felicitas Kleiner vom Filmdienst lag dagegen auf derselben Wellenlänge wie Ghosted, ich empfehle also für ein besseres Gefühl so spät im Jahr ihre Kritik.

Dienstag, 28. Dezember 2021

Die schlechtesten Filme 2021

Alle Jahre wieder, gibt's hier im Blog das große Kopfschütteln. Denn wie könnte ich mich Jahr für Jahr durch Hunderte von Filmen ackern, ohne dabei bei einigen Titeln vor Frust und Missfallen jammernd Aufzustöhnen? Und auch wenn sich in den vergangenen Jahren in der Filmkritik-Blase ein Auflehnen gegen Floplisten entwickelt hat, so will ich an meiner Angewohnheit festhalten. Denn zum filmischen Jahresrückblick gehört es doch, nicht nur an die Glanzlichter zurückzudenken, sondern auch an die dunkelsten Schatten. Man muss ja beim Gedanken an diesen Graupen nicht direkt Schläge und Tritte unterhalb der Gürtellinie verteilen. Denn die Tendenz dazu ist doch ein viel größeres Problem als ein Sammelsurium der größten Schwachpunkte?

Bevor es losgeht, rasch noch ein paar obligatorische Anmerkungen: Der Titel dieses Eintrages ist nicht richtig zutreffend, es müsste "Die mir unliebsten Filme 2021" lauten, aber das klingt so ungelenk, dass ich lieber Jahr für Jahr erkläre, was ich meine, statt den Titel zu ändern. Denn ich gehe nach Ablehnhaltung, die ein Film bei mir ausgelöst hat, sei es durch verschenktes Potential, quälende Langeweile oder erzählerische/kunsthandwerkliche Inkompetenz. Außerdem kann ich natürlich nur das beurteilen, was ich auch gesehen habe, das erklärt sich ja wohl von selbst. So, los geht's!

Platz 10: Asphalt Burning (Regie: Hallvard Bræin)

Dank seines Status als Netflix-Originalfilm und der Beteiligung einiger deutscher Stars und Sternchen dürfte dies der hierzulande bekannteste Teil der am zweitinkonsequentesten betitelten Autoactionfilmreihe dieses Jahrtausends sein. Auf Borning: The Fast & The Funniest folgte Børning 2 - On Ice, und dann halt Asphalt Burning. Die norwegische Autorenn-Saga mit Witz und viel Familienkonflikt geriet in den ersten beiden Runden sehr charmant, doch Teil drei fährt alles an die Wand. Die etablierten Figurendynamiken werden unglaubhaft weitergeführt, das Dialogbuch hat sämtlichen Witz verloren und die Action fühlt sich ungeheuerlich bleiern an. Und das, obwohl mit dem Gedanken "Da können wir so schnell sein, wie wir wollen" durch Deutschland gebrettert wird. Gähnend langweilig.

Platz 9: LEGO Star Wars Gruselgeschichten (Regie: Ken Cunningham)

Ich erwarte von LEGO-Specials eigentlich nur eines: Dass sie lustig sind. LEGO Star Wars Gruselgeschichten hat mich nicht nur nicht zum Lachen gebracht, sondern mich derart gelangweilt, dass ich dachte, es sei ein zweistündiger Film, obwohl diese Nummer nur rund eine Dreiviertelstunde geht. Und manche der Gags sind so aggressiv schlecht, dass es mir noch für Stunden die Laune verhagelte. Einfach aggressiv mies.

Platz 8: Halloween Kills (Regie: David Gordon Green)

In Sachen Kameraführung, Lichtsetzung, Schauspiel, Sounddesign, Kostüm, Make-up und so weiter, und so weiter, ist dies klar der am fähigsten umgesetzte Film in meinem Flopranking. Aber die Balance aus erzählerischer Grundidee, dramaturgischer Ausarbeitung des Skripts und inszenatorischer Tonalität ist derart katastrophal, dass Halloween Kills dennoch der von mir am achtmissachteste Film des Jahres ist. Auf konzeptueller Ebene bin ich fasziniert von Greens Gedanken, im Sequel zu seinem wie ein Remake betitelten Halloween-Sequel inhaltlich das auszuerzählen, was das Filmerbe zuvor schon aus dem Serienkiller Michael Myers gemacht hat: Aus einem unerklärlichen, jedoch realistisch denkbaren Gewalttäter wurde sukzessive ein Mysterium, eine tödliche Chiffre, das Böse in Person. Dass also in Halloween Kills aus einer äußerst unwahrscheinlichen, trotzdem weitestgehend realistischen Killerfigur ein mythologisch angehauchtes Ungeheuer wird: Gern, meinetwegen, is' mal was Neues.

Jedoch ist das Slasher-Element von Halloween Kills so knochentrocken und sperrig erzählt sowie im Löwenanteil der Szenen so monoton inszeniert, dass der Film mir weder Thrill noch Spaß geboten hat. Und das, obwohl die Kills für sich betrachtet zum härtesten gehören, das das Halloween-Franchise abseits Rob Zombie zu bieten hat. Und leider ist es nicht so, als hätte Halloween Kills an anderer Stelle umso mehr zu bieten: Die Dialoge sind derart platt und haben solch eine Wachsmalkreide-Verkrampftheit, dass jeglicher Versuch, Halloween intellektuell auf einer Metaebene weiterzubringen, genauso flach fällt, wie die gallig-tumbe Anti-Mob-Mentalität-Gesellschaftskritik.

In anderen Händen hätte Halloween Kills mit dieser Grundidee ein Brett werden können. Ryan Murphy hätte ein campy-sündiges Vergnügen draus machen können, Christopher Landon eine clever-witzige Slasher-Dekonstruktion und Ari Aster hätte den bitteren Witz noch bitterer und das angedachte, verstörende Element auch wirklich zappenduster umsetzen können. So dagegen war Halloween Kills eine Geduldsprobe. Und das nicht auf die Weise, auf die Horrorfilme unsere Nerven strapazieren möchten.

Platz 7: Mosquito State (Regie: Filip Jan Rymsza)

Beim diesjährigen Fantasy Filmfest war die Durchschnittsqualität meiner Ansicht nach außerordentlich. Doch drei gewaltige Ausreißer nach unten gab es. Einer hat die Flops 2021 knapp verpasst, einer hat einen offiziellen deutschen Start für 2022 erhalten, und bei Festivalfilmen verfolge ich in meinen Jahreslisten ja die Regel "Wenn kurz vor Veröffentlichung ein deutscher Start abseits des Festivalzirkus feststeht, gilt der". Und dann ist da noch das Shudder Original Mosquito State, das bisher keinen deutschen Start hat und daher für mich mangels Alternative als 2021er-Film gilt. Die Grundidee ist denkbar simpel: "Was, wenn wir Wall-Street-Spekulanten als Blutsauger darstellen - DIE FILMMETAPHER" Als Kurzfilm hätte dies in der von Filip Jan Rymsza hier gebotenen, eisig-sauberen Bildstilistik super funktioniert, doch als Langfilm ist Rymszas Herangehensweise einfach nicht genug: Die Metapher ist schnell durchschaut, die Länge des Films verwässert die Aussage eher, als sie zu intensivieren, und letztlich habe ich mich nur noch vor Langeweile im Kinosessel gewälzt. Ziemliche Bankrotterklärung für einen Film, der mich eher unbequem zurücklassen müsste wie zahlreiche Mückenstiche.

Platz 6: Jiu Jitsu (Regie: Dimitri Logothetis)

Sterbenslangweiliger, stellenweise auf fast schon beleidigende Weise lieblos runtergefilmter Mix aus Action und Sci-Fi, in dem Frank Grillo und Tony Jaa verschenkt sind und Nicolas Cage in einer Handvoll Szenen ansteckend viel Spaß hat und somit im Alleingang Jiu Jitsu vor einer noch mieseren Platzierung bewahrt.

Platz 5: Nobody Sleeps in the Woods Tonight II (Regie: Bartosz M. Kowalski)

Der erste Nobody Sleeps in the Woods Tonight-Film ist eine wenig originelle, aber passable Slasher-Hommage irgendwo zwischen ständiger Verneigung vor unvergesslichen Genremomenten und reinem Ideenklau, der jedoch durch die neckisch-wendungsreiche Story zumindest annehmbar gerät. Teil zwei, der von ein paar halbseidenen Referenzen auf den Vorgänger abgesehen, praktisch ein In-Name-Only-Sequel ist, nimmt sich vor, das Genre vehementer auf links zu drehen und mischt Killersympathien mit dem Thema "Sinnlichkeit zwischen Monstern". Auch das sind keine völlig neuen Ideen, aber sie sind sehr wohl weniger abgenutzt als die Versatzstücke des Vorläufers, noch dazu in dieser Kombination. Wieso also landet dieser polnische Netflix-Horror in meinen Flops? Nun: Kowalskis interessante Idee gerät zur filmgewordenen Schlaftablette, weil die Figurenzeichnungen ultraflach sind, die Dialoge absolut frei von Witz, Stil oder Charakter und die Regieführung so steif wie ein Bügelbrett, während bildästhetisch "ohne Blitz mit einer Wegwerfkamera in einer Tropfsteinhöhle fotografiert" als Vergleich angebracht ist. Das große Gähnen, im Tandem mit dem enttäuschten Seufzen "Diese Idee hätte was werden sollen".

Platz 4: Happy Family 2 (Regie: Holger Tappe)

Pro: Joko Winterscheidt haut hier als Synchronsprecher echt einen raus.

Contra: Praktisch alles andere. Eine Spannungskurve wie ein vor Wochen umgekippter Besenstiel, eine Figurenanimation, die auf Automatik zu laufen scheint ("solange die Augen alle paar Sekunden blinzeln reicht das für's Gesicht, oder?") und eine Story, die die Sequel-Plage "Komm, wir lassen die Figuren einfach nochmal das Problem und die Lektion aus Teil eins durchlaufen" mit "Öh, irgendwas mit höher, schräger, weiter?!" verquickt. Grausig.

Platz 3: The Reckoning (Regie: Neil Marshall)

Mein Fantasy-Filmfest-Flop 2020 erhielt 2021 seinen offiziellen deutschen Start, und auch mit dem großen Abstand hat sich meine Frustration über dieses Machwerk nicht gelegt. Marshalls "Ist sie eine Hexe oder gibt es Hexen nicht, und ich will einfach nur die Machtgeilheit der Kirche und des Patriarchats vorführen?"-Thriller ist ein Paradebeispiel der inszenatorischen Doppelzüngigkeit: Um seine Horrorwurzeln nicht zu verleugnen, unterwandert Marshall die auf dem Papier so geradlinige "Die Frau ist unschuldig und Opfer einer selbstgefälligen Machtnummer der Männer um sie herum"-Erzählung mit ambivalenten Genreeinflüssen, die übernatürliche Deutungen des Stoffes zulassen. Und der ganze feministische Grundgedanke dieser Handlung wird durch die Kameraführung, die Bildästhetik und die Inszenierung von Marshalls Lebensgefährtin in der Hauptrolle ad absurdum geführt:

Charlotte Kirk räkelt sich sauber rausgeputzt in lasziven Mittelaltermarktkostümen, als sei sie Teil eines Fotoshootings der Sports Illustrated Renaissance Fair Edition. Fehlen nur noch lauter abgemischtes Stöhnen auf der Tonspur und eine "Bowchickawowowow"-Originalmusik für's Softcore-Privatfernsehen-Nachtprogramm. Weißte, wenn du deine Partnerin angesext in einem Erotikfilm in Szene setzen willst, dann mach's halt, aber schnell doch nicht zu Boden, indem du das und einem diesen Gedanken völlig entgegengesetzten Film im selben Atemzug verbrichst!

Platz 2: Aquaslash - Vom Spaßbad zum Blutbad (Regie: Renaud Gauthier)

Eine Wasserrutsche wird zur Todesfalle. Geile, simple, trashig-launige Idee. Was kann da schon schiefgehen? Naja, einfach alles, was über das Verkaufsargument hinausgeht: Grottiges Schauspiel, ein Drehbuch, das Horrorpartystimmung versprühen müsste, aber stattdessen von Minute eins an tot im Chlorwasser schwimmt, ein schwammiger Schnitt und spröde Uninspiriertheit machen alles vor dem blutigen Finale zur Geduldsprobe. Das blutige Finale ist dann sogar ganz lustig, aber es reicht völlig, den Trailer zu schauen. Der bietet alles, was Aquaslash zu bieten hat, ohne den Murks drumherum.

Platz 1: Buddy Games (Regie: Josh Duhamel)

Ich bin den Grown Ups-Filmen wohl fast eine Beinahe-Entschuldigung schuldig: So unangenehm ich die Chaos-Freundesgruppe aus Adam Sandlers "Ich will einfach mit meinen Buddys abhängen"-Filmen auch finde, die sind absolute Musterschüler im Vergleich zu den keinerlei Chemie miteinander aufweisenden Mistkerlen aus Buddy Games. Josh Duhamels Regiearbeit ist eine Art "Grown Ups trifft Catch Me!", nur dass sämtliche Schwächen aus den Adam-Sandler-Abhängkomödien potenziert werden, die Story von Catch Me! (einmal im Jahr stärken Freunde ihre ansonsten allmählich schwindende Bindung zueinander mit einem absurd eskalierenden, kindischen Wettkampf) aufgebrummt bekommen und sämtliche Stärken des Jeremy-Renner-Vehikels auf der Strecke bleiben.

Dass die Typen in Buddy Games nicht im Geringsten Typen sind, mit denen ich abhängen wollte? Geschenkt, ich würde auch niemals mit dem Hangover-Wolfsrudel Junggesellenabschied feiern wollen, da muss man ja um seine Gesundheit, seinen ganzen Lebensentwurf, wenn nicht sogar ums Leben bangen! Aber zwischen ihnen besteht eine witzige Reibung, die dank Todd Phillips' hochwertiger Regie spaßig anzuschauen ist. Und Catch Me! vereint Reibung und glaubwürdig wirkende, enge Bindung zwischen den Freunden mit Selbstironie, Herz und herrlicher Albernheit.

In Buddy Games dagegen glaube ich den Figuren nicht eine Sekunde lang, dass sie Freunde sind, unentwegt ätzt eine Abneigung zueinander aus ihnen heraus, die sich durch deren nerviges Gehabe nur potenziert und mich durch die von Duhamel spürbar intendierte "Na? NA?! COOL, ODER?!"-Brudi-Darstellung richtig wütend macht. Da fallen die propagierten Männer- und Frauenbilder aus der Hölle direkt doppelt schwer ins Gewicht. Kein Film 2021 hat mich mehr damit kämpfen lassen, ihn auszuhalten, als Buddy Games, und dafür gibt es die Flop-Spitzenposition!


Das waren natürlich längst nicht alle Graupen 2021, aber um das Ganze abzurunden, seien zwei gesondert erwähnt, ehe über den Rest der Flops der Mantel des Schweigens gehüllt wird. Zunächst: Mein Beinahe-in-den-Flop-10-gelandet-Filmfestkandidat John and the Hole, eine lästig-grobschlächtige Pubertätssinnkrisemetapher, gehüllt in einem Thrillergewand ohne Thrills, über einen Jungen, der seine Familie in einer Baugrube zurücklässt.

Und dann natürlich Der Duft von wildem Thymian mit Emily Blunt und Jamie Dornan, der unschuldig-banal beginnt und alsbald so hirnrissig-pathetisch und chaotisch-kauderwelschig wird, dass er einmal mit Anlauf auf einen Flop-Podestplatz zu rennt und dann wieder die Kurve kriegt und als "So unfassbar dumm, dass es wieder Spaß macht" endet. Ein Film, um ihn einmal im Jahr feucht-fröhlich zu begießen und sich über ihn zu wundern! Na, schönen Dank auch!

Donnerstag, 20. Februar 2020

Die Känguru-Chroniken: Satire als Totalausfall



Die beliebten Geschichten von Marc-Uwe Kling eroberten schon die literarischen Bestsellerlisten und gingen als Hörbücher durch die Decke. Nun legt das kommunistische Känguru einen Film nach – einen Film in blamabler Qualität.

Es gibt gute Filme, es gibt schlechte Filme. Filme, die massentauglich sind, und Filme, die ein Nischenpublikum ansprechen. Und es gibt Filme, bei denen man sich fragt: "Wie zum Geier konnte das nur passieren?" Die Känguru-Chroniken ist solch ein Film. Nicht an der Oberfläche betrachtet, wohlgemerkt: Einen Die Känguru-Chroniken-Film musste man kommen sehen. Denn wieso sollten sich die sowohl in gedruckter Form als auch als Hörbücher immens erfolgreichen Känguru-Geschichten des Liedermachers, Kabarettisten und Autoren Marc-Uwe Kling den Sprung auf die große Leinwand entgehen lassen? Sobald man etwas tiefer bohrt, wird aber klar, welch unkoordinierter Sprung das gewesen sein muss. Denn was Inhalt und Umsetzung des Die Känguru-Chroniken-Films angeht, dürfte die neue Regiearbeit von Dani Levy (Alles auf Zucker) eines der rätselhaftesten, wenn nicht gar fragwürdigsten Kinoprojekte sein, die das wiedervereinigte Deutschland hervorgebracht hat.

Schlimmer als jede Hufeisen-Argumentation
Das hier ist nämlich der Plot: Faulenzer Marc-Uwe (Dimitrij Schaad), der behauptet, Künstler zu sein, aber eigentlich den ganzen Tag nur schläft und jammert, macht eines Mittags Bekanntschaft mit einem kleptomanischen, kommunistischen, leerstehende Wohnungen besetzenden Känguru, das nichts zur Gesellschaft beiträgt, außer Stunk zu machen. Sie beide leben in einem ranzigen, baufälligen Gebäude in Berlin und hängen mit weiteren Linken, wie einer veganen Hackerin (die einem befreundeten Späti geschäftsschädigende Streiche spielt) in einer versifften Kneipe ab. Als das Känguru bei einem Besuch im Park einen unschuldigen Hund misshandelt, hat es nicht die Rechnung mit dessen Besitzern gemacht, einer Gruppe Patrioten, die nicht fassen kann, wie diese Linken Spaß daran haben können, einen kleinen Wauwau zu verletzen.

So beginnt ein Kleinkrieg zwischen den Hundebesitzern und den linken Troublemakern, in den durch eine Täuschung des Kängurus und des "Künstlers" auch der Politiker und Geschäftsmann Dwigs (Henry Hübchen) reingezogen wird. Die Hundefreunde werden durch einen Trick nämlich dazu verleitet, das Auto des in dieser Sache unbescholtenen Immobilienbesitzers und Bauunternehmers schwer zu beschädigen. Und da endet das Elend noch nicht: Das Känguru und Marc-Uwe nehmen sich alsbald vor, die Baupläne Dwigs' zu untergraben, der das dringend Wohnraum benötigende Berlin mit einem topmodernen Hochhaus segnen möchte. Mit Diebstahl, Lug und Trug soll dieses Vorhaben zerstört werden, nur weil Dwigs sein Angebot an die Stadt ein bisschen aufgehübscht hat – doch wer tut das nicht? Statt dem freien Markt die Chance zu geben, darauf zu reagieren, beginnen Marc-Uwe und das Beuteltier eine Intrige, in deren Rahmen Panik und Sachbeschädigung erfolgen sollen. Können Dwigs und die sich ihm anschließenden Hundefreunde das verhindern?

Gewiss: Der Filmverleih fasst die Geschichte von Die Känguru-Chroniken anders zusammen und Marc-Uwe Kling, der nicht nur die Vorlage verantwortete, sondern obendrein das Drehbuch zum Film, wird die Handlung zweifelsohne ebenfalls anders nacherzählen. Aber genau hier fangen die vielen Probleme von Die Känguru-Chroniken an: Die Macher dieser Satire lehnen sich faul zurück und verlassen sich darauf, dass allein ihr Zielpublikum den Weg ins Kino finden und es mit vorgefertigter Deutung betreten wird.

Die Fangemeinde der Känguru-Werke ist vornehmlich im links-grünen Studierendenmilieu zu verorten, Kling ist politisch ohne jeden Zweifel links einzuschätzen und der Känguru-Chroniken-Film möchte sicherlich als Satire gegen rechts verstanden werden. Schließlich stellen sich die Hauptfiguren (die im Unterhaltungskino meistens zugleich als die Sympathieträger verstanden werden) gegen eine Gruppe Neo-Nazis und gegen einen Immobilienhai/Politiker, der inszenatorisch überdeutlich als Comic-Abziehbild der AfD positioniert wird. Und dann hämmert der Abspannsong auch noch froh und mit Nachdruck politisch linke Positionen heraus. Dennoch haben sich die Filmschaffenden offensichtlich kaum größere Gedanken, wie sie ihre Kernaussage vermitteln sollten.

Aber sei es aus Nachlässigkeit im Prozess des Drehbuchentwerfens, sei es schluderiges Erzählen, sei es eine unfassbar naive Inszenierung der Grundidee oder gar vollkommene Hybris, dass sich das Publikum ja wohl ungefragt hinter die Protagonisten mehrerer Bestseller stellen wird: Klammert man das Vorwissen, wie Die Känguru-Chroniken angesichts seiner Vorlage und deren Schöpfer gemeint sein muss, sowie sämtliche eventuell erworbenen Vorschuss-Sympathiepunkte für die Hauptfiguren aus, wird aus dieser gedachten Anti-Rechtspopulismus-Satire urplötzlich ein Film, der wie geschaffen ist für den Kemmerich-Flügel der FDP. "Schaut mal, die AfD macht ja wenigstens was für die Wirtschaft, diese widerlichen Linken hingegen sind eine Bedrohung für gute Bürger, brave Hunde, den freien Markt und unschuldige Autos!"

Keine Känguru-Chroniken, sondern ein Satire-Schwanengesang
Im heutigen Klima einen Film zu schreiben, zu drehen und zu veröffentlichen, der nicht nur der AfD-Anhängerschaft in die Karten spielt ("Dwigs hat einen kleinen Formfehler begangen, aber schaut euch mal diese Linken an!"), sondern zugleich jenen vermeintlichen Demokraten, die jedoch keine klare Kante gegen Rechts zeigen, sondern feige herumdrucksen und gar gelegentlich den Steigbügel halten, ist schon fragwürdig genug. Aber wenn das alles nicht aus Überzeugung, sondern aus Inkompetenz geschieht, drängt sich umso mehr die Frage auf: Wie zum Donner ist das passiert, und wie künstlerisch ratlos müssen die Verantwortlichen gewesen sein?

Wir wollen Die Känguru-Chroniken an dieser Stelle nicht zu viel Wirkungskraft unterstellen – der Film wird schon nicht aufgeschlossene, tolerante Menschen versehentlich zu AfD-Wählern machen. Aber er legt auf satirische Weise durchaus den Kemmerichs unter der FDP-Wählerschaft und den geistigen Seehofern in der Union Argumente raus, weshalb sie sich darin bestätigt sehen sollten, lauter vor links die Nase zu rümpfen als vor den Rechten. Angesichts politischer Entwicklungen, die täglich immer klarer unterstreichen, wie wichtig es ist, klare Zeichen gegen Hass und Intoleranz,zu setzen, ist das haarsträubend – und es ist doppelt haarsträubend, wenn all das quasi aus völliger Nachlässigkeit geschieht. Denn um Die Känguru-Chroniken kurz aus rein künstlerischer Sicht zu betrachten, ist es einfach ungeheuerlich peinlich und ärgerlich, wie dieser Film in Ermangelung einer kohärenten Vision und einer satirisch-markanten Umsetzung mehrmals gegen seine eigentliche Essenz ("Ja, wir Linken können chaotisch sein, aber wir sind sympathisch-unkoordiniert, die Rechten müssen dagegen dringend aufgehalten werden!") argumentiert.

Denn das, was Die Känguru-Chroniken treibt, ist keine satirische Unbequemlichkeit. Dieser Film ist nicht wie Sally Potters The Party, das schwarz-weiße Streitkomödien-Kammerspiel, das mehrere linke und grüne Positionen personalisiert darstellt, wie sie sich gegenseitig aufgrund von Nichtigkeiten zerfleischen, statt an einemStrang zu ziehen[/url]. Nichts in Die Känguru-Chroniken skizziert Fehlverhalten innerhalb der Linken nach, um beißend Lösungen aufzuzeigen – aber vieles in dem Film verharmlost Feinde von Demokratie und Frieden. Die Känguru-Chroniken ist ebenso wenig ein Allgemeinumschlagwie Dietrich Brüggemanns Heil, der mit Süffisanz, Fiebrigkeit und Stringenz gegen Medien, Parteien, Organisationen und Einzelpersonen jeglicher politischer Färbung tritt, um konzentriert zu sagen: "Sag mal, merkt ihr nicht, was da am rechten Rand abgeht?!"

Vielleicht glauben Marc-Uwe Kling und Dani Levy, eine Lustspiel-Variante der Er ist wieder da-Herangehensweise zu verfolgen. David Wnendts Bestsellerverfilmung über Hitler, der urplötzliche im Deutschland der Gegenwart auftaucht und Karriere als Komiker und Medienpersönlichkeit macht, gestattet seiner Interpretation des Despoten und Massenmörders mehrmals,richtig zu liegen. Etwa, wenn er sich über schlechtes Fernsehprogramm aufregt, die NPD als einen Haufen verirrter Jammerlappen enhüllt oder schlagfertige Witzlein reißt. Satire darf unbequem sein (oder muss es sogar, je nach Auffassung dieser Kunstform), und Er ist wieder da verfolgt diese Maxime: Der Film nutzt die phasenweise aufgebaute Toleranz gegenüber seiner Hauptfigur, um dem Publikum dramatisch den Boden unter den Füßen wegzuziehen und nachdrücklick aufzuzeigen, dass mit dem Wiederaufbäumen des sprichwörtlichen Hitlers in Deutschland eben [i]nicht[/i] zu spaßen ist.

Darüber, ob diese satirische Narrative in Er ist wieder da durchweg zweckgerichtet ausgeführt ist oder ob es effektiver gewesen, die Tonalität des Films früher zu kippen, lässt sich streiten. Doch die Umsetzung ist dank Wnendts Regieführung und Oliver Masuccis Spiel als Hitler eindrucksvoll, zumal das Ende einem gezielten Tiefschlag gleicht. Ganz anders verhält es sich mit Die Känguru-Chroniken: Die Situationen, in denen Kling und Levy die Neo-Nazis als unverdiente Opfer zeigen oder die Hauptfiguren mit unlauteren Mitteln Dwigs peinigen, verfolgen kein größeres erzählerisches Ziel und der notwendige Schlag in die Magengrube, den Er ist wieder da oderdie quietschig-fröhlich beginnende Faschismus-Satire JojoRabbit verteilen, um ihre Position gegen Hass zu unterstreichen, bleibt völlig aus.

An seiner Stelle tritt ein hastiges, zahnloses Ende, das niemanden, der schon als Känguru-Chroniken-Fan in den Saal gegangen ist, zum Nachdenken anregen wird, wohl aber (entgegen der Kernaussage des Films) der selbsternannten bürgerlichen Mitte sowie Anhänger der unentwegt nach rechts schielenden "Werte-Union" nur weitere Munition gegen liderliche Linke hinterlässt. Denn die "Wer wird uns schon hinterfragen?"-Arroganz, mit der die Hauptfiguren handeln und geschrieben sind, lässt sämtliche potentielle Selbstironie viel mehr als tumbe, versehentliche Selbstenttarnung aussehen. Somit rennt Die Känguru-Chroniken nicht einfach nur sehenden Auges in die Kreissäge, sondern schmeißt hüpfend und debil lachend auch noch Hufeisen um sich, ohne zu wissen, was das überhaupt bedeutet.

Und sonst so ..?
Es ist auch nicht so, als hätte Die Känguru-Chroniken derart viele anderweitige Qualitäten, dass man glauben könnte, das polit-satirische Element wäre halt ein Nebengedanke der Verantwortlichen gewesen und daher dermaßen schiefgelaufen. Unter anderem strecken Levy und Kling Die Känguru-Chroniken mit völlig kopflosen Videospiel- und Filmreferenzen. Popkulturreferenzen sind zwar auch Teil der geschriebenen und gesprochenen Känguru-Kurzgeschichten, doch während sie dort zumeist pointiert sind, wird in der Filmversion beispielsweise die Handlung völlig ausgebremst, um Raum für eine behäbige Imitation einer ikonischen Pulp Fiction-Szene zu schaffen. Weder bereichert sie den Plot oder die Charakterisierungen, noch fügt sich solch eine ausgelutschte Filmparodie in den sonstigen humoristischen Duktus des Films.

Und obwohl Die Känguru-Chroniken einen selbstironischen Erzählerkommentar aufweist, lassen sich die Filmschaffenden die ultra-offensichtliche Chance entgehen, ihre verstaubte und unlustige Pulp Fiction-Parodie letztendlich noch durch einen pfiffigen Meta-Twist zu retten. Mit der Faulheit dieser Filmreferenz werden in Die Känguru-Chroniken auch Videospiele "parodiert": Völlig unmotiviert ploppen in einer Actionszene für wenige Augenblicke Retro-Videospielgrafiken auf – und damit hat es sich auch schon. Levy bemüht sich nicht einmal, die Kampfchoreografie, geschweige denn die Gesamtästhetik der Szene in Richtung Videospiel-Nostalgie zu bewegen und auf eine große Pointe hinzusteuern. "Eine billige Grafik genügt", war wohl der Gedanke – und schon erklärt sich ein Stück weit, mit welcher Haltung wohl der Großteil des Films angepackt wurde.

Was aber sehr wohl funktioniert, sind jene Augenblicke, in denen der völlig krumm geratene Plot über Marc-Uwe, das Känguru und die rechten Verschwörer sowie sämtliche Versuche, sich an der Popkultur abzuarbeiten, fallen gelassen werden. Sketchartige Szenen rund um Dinge wie ein absurdes Aerobicvideo (inklusive unerwartetem Cameo) oder eine automatisierte Notruf-Hotline sind spritzig geschrieben und sehr wohl vergnüglich. Kurzum: Die Känguru-Chroniken funktioniert dann am besten, wenn Drehbuchautor Kling wie bei seinen Kurzgeschichten operieren und zusammenhanglos Albernheiten fabrizieren kann. Auch in den Film eingewobene Klassiker aus besagten Kurzgeschichten sind für sich betrachtet launig realisiert – nur die Art, wie sie in die Handlung integriert werden, holpert und poltert gelegentlich (Stichwort: Gewalt gegen Hunde). Die Hintergrundmusik wiederum ist zwar eingängig, jedoch gelegentlich überbetont-lustig, womit manchmal eine eigentlich solid Pointe erdrückt wird.

Die größte Stärke von Die Känguru-Chroniken ist unterdessen die Animation des Kängurus: Das quasselnde, Chaos stiftende Beuteltier ist detailreich animiert und fügt sich glaubwürdig in die Filmwelt ein – man könnte glatt glauben, es sei eine aufwändige, digital leicht überarbeitete Puppe, so nahtlos zeigt sich das Känguru als Teil seiner Umgebung. Dass das Känguru ab und zu eine schräge Schnute zieht, ist da leicht zu vernachlässigen, zumal das angesichts des kauzigen Spiels des menschlichen Ensembles fast schon wie Absicht wirkt. Sonderlich gefordert wird der menschliche Cast aber nicht: Daniel Zillmann gibt eine verwässerte Variante seiner Rolle in Dietrich Brüggemanns Heil, Bettina Lamprecht tritt quasi als rechtspopulistische Zwillingsschwester der Frau Bruck aus Pastewka auf, Henry Hübchen bekommt als schurkischer Dwigs viel zu wenig denkwürdiges Material, um der Rolle irgendwas abzuringen, und Rosalie Thomass bekommt die Aufgabe, eine blutarme Version des Öko-Trulla-Klischees zu verkörpern.

Nur Dimitrij Schaad, der immerhin die Filmversion der fiktionalisierten Version Marc-Uwe Klings zum Leben erwecken muss, hat die Chance, eine gute Figur abzugeben, da er viele verbale Schlagabtausche mit dem Känguru zu bewältigen hat und sie mit gutem Timing hinter sich bringt. Diese Szenen dürften es auch sein, die Fans der Bücher und Audio-Kurzgeschichten am ehesten noch milde stimmen werden, obwohl der Känguru-Chroniken-Film die Vorlage immer härter mit Füßen tritt, je länger man darüber nachdenkt.

Fazit: Satirisch schwach durchdacht, konzeptionell völlig konfus bis beleidigend-ärgerlich und angesichts des politischen Tagesgeschehens dumm bis leichtsinnig: Die Känguru-Chroniken ist kurz vor unverantwortlich. Das hat die Vorlage nicht verdient.

Die Känguru-Chroniken ist ab dem 5. März 2020 in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Donnerstag, 26. Dezember 2019

Die schlechtesten Filme 2019 (Teil II)

Es tat weh, aber es wird noch mehr schmerzen: Nach den Plätzen 20 bis 11 meiner Flopliste 2019 präsentiere ich euch nun die unerbittlichen, die ätzenden, die schmerzvollen, die dämlichen, die nervenzersägenden Ränge 10 bis 1. Die üblichen, ehrenlosen Nennungen von Filmen, die es nur knapp nicht in die Flop 20 verschlagen hat, erspare ich uns dieses Mal dagegen. Es hat mich im Filmjahr 2019 nicht genug geärgert, um diesen Bonus zu bieten.

Platz 10: Und wer nimmt den Hund? (Regie: Rainer Kaufmann)

Eine Streitkomödie! Eines meiner Lieblingsgenres! Aber das heißt nicht, dass man das nicht verbocken kann: In Und wer nimmt den Hund? sehen wir ein jahrzehntelanges Ehepaar, wie es sich auseinanderlebt und letztlich trennen will. Es besucht dennoch eine Paartherapeutin (damit wir simpel in die Story forcierte Expositionsdialoge erhalten) und ... Joah, viel mehr steckt da nicht hinter: Die Figuren sind unsympathische, biedere und kleinliche Nervensägen, und ihre Wortgefechte sind so schlagfertig wie eine zu lange gekochte Nudel. Martina Gedeck ist selbst in Szenen, die spürbar als "So, wir müssen die Frau mal positiv darstellen, sonst gibt das Ärger"-Passagen geschrieben wurden, kratzbürstig, Ulrich Tukur gibt sich Mühe, hat aber mit dem laschen Skript zu kämpfen, und es wirkt einfach alles wie ein 30-minütiges TV-Special, das im Schnitt übergequillt ist und dann im Kino geparkt wurde.

Platz 9: Oh, Ramona (Regie: Cristina Jacob)

Netflix, Retter des Kinos™ und Beschützer der Filmkunst®, belästigte sein Publikum dieses Jahr mit einer rumänischen Teeniekomödie, bei der sich einem durchaus die Haare sträuben können. Der Film beginnt ja noch so, als könnte er auf schlichte Art gefällig sein. So durchbricht der Protagonist und Erzähler, Vollversager Andrei (Bogdan Iancu), mehrmals die vierte Wand und zensiert etwa die Drogen auf einer Party, indem er sie durch Obst ersetzt. Er scherzt darüber, dass man bei Netflix ja nie weiß, ob Kinder zuschauen, Nacktheit wird mit gewollt schlechten Grafikeinblendungen zensiert und Sexszenen werden durch visuelle Doppeldeutigkeiten ersetzt. Das ist ja alles ganz amüsant.

Doch die Figurenzeichnungen in der Filmadaption eines osteuropäischen Bestsellers ist selbst an den Maßstäben von Teenie-Sexkomödien gemessen platt und fahrig: Andrei ist ein Vollnerd, der sich in das schönste und populärste Mädchen der Schule verliebt hat - Titelfigur Ramona. Als Ramona ihn unerwartet von der Party weg- und in ein Schlafzimmer lockt, schmettert er ihre Avancen ab, weil er eine echte Beziehung, keinen schnellen Fick will. Daraufhin vergisst das Drehbuch völlig, wie es bis dahin diese Figuren gezeichnet hat, und macht Andrei zum unerklärlichen Frauenhelden und Superstecher, während Ramona zur sonderbaren Stalkerin mutiert, die ihm Hals über Kopf verfallen ist. Es sei denn, eine Sequenz verlangt für einen schnellen Gag erneut veränderte Persönlichkeitszüge. Der Film hätte mit seinem unglaubwürdigen Erzähler eine Ausrede für solches Hin und Her, doch diese Steilvorlage nutzt er nicht. Stattdessen skizziert Oh, Ramona Frauen als hohl und einen starken Mann an der Seite benötigend, misst den Wert eines Mannes an den sexuellen Eroberungen, die er hat, und verrennt sich in ein Liebesdreieck, in dem eine Option gleichgültiger ist als die andere.

Und nimmt man die ganzen Derbheiten bei Seite, die halt irgendwie zum Genre gehören, hier aber verkrampft-kopflos daherkommen, statt als "So sind notgeile Teenies halt"-Kolorit, ist ein völlig unverantwortlich behandelter Subplot, in dem Ramona behauptet, von ihrem Freund geschlagen zu werden, nur eine sonderbare Kleinigkeit in diesem Turm aus "Was zur Hölle?!"-Entscheidungen. Denn wenn die Liebesgeschichte auserzählt scheint und man denkt "Naja, da war viel Schrott bei, aber auch manch kreativer Einfall und Aggy Adams hat sich mit aller Macht bemüht, aus der lahmen Titelfigur was rauszuholen" kommt ein elendig langer, zäher, möchtegerndramatischer Nachklapp, der den Protagonisten endgültig zum verkommenen, sich selbst vollwinselnden Hasssubjekt macht und den Film über Gebühr ausdehnt. Es ist ein dämlicher, nerviger Schluss und der hat dann noch einen Nachklapp. Selten sitze ich vorm Bildschirm und schreie einen Film an: "Jetzt hör doch endlich auf!" Oh, Ramona ist einer dieser Filme.

Platz 8: Im Netz der Versuchung (Regie: Steven Knight)

Dafür, dass dieser "Es sollte ein Prestigeprojekt werden, wurde aber Edeltrash"-Film mit Matthew McConaughey und Anne Hathaway einen der, ähm, ambitionierteren (?) Twists der Dekade hat, ist Im Netz der Versuchung trotzdem einfach nur träge und öde: Der WTF?!-Faktor versackt völlig in Knights lebloser Inszenierung und die schleppenden Dialoge helfen auch nicht. Aber ich bin auch nach wenigen Minuten schon auf den Twist gekommen - wenn ihr ihn nicht kennt, sehr neugierig seid und Zeit totzuschlagen habt, könnt ihr euch mal an diesen Streifen wagen. Vielleicht reicht es bei euch für ein "Es ist mies, aber faszinierend."

Platz 7: Hellboy - Call of Darkness (Regie: Neil Marshall)

Meine Fresse, war das ein ätzender Film: Das Hellboy-Reboot ist einer dieser Filme, die einem die "Ich wurde in der Postproduktion zerschnitten"-Warnsignale ins Gesicht reibt. Abrupte Szenenwechsel, im Off vermittelte Figurenmotivation und mehrere hintereinander geklatschte Enden sind nur ein paar Beispiele dafür. Nicht, dass da viel war, das man hätte retten können, denn das Drehbuch spurtet ohne jegliches Gespür dafür, was die Titelfigur ausmacht, durch mehrere Hellboy-Comicstorylines und die Dialoge sind ohne jegliches Flair geschriebene Ansammlungen von Schimpfwörtern, Exposition und vulgärer Exposition. Die Actionszenen leiden unter einer steifen Inszenierung und schäbigen Effekten und der Sound ist extrem schrammelig abgemischt. David Harbour spielt die Ausgeburt der Hölle gut und mitten im Film gibt es eine storytechnisch völlig überflüssige Szene über die Sagengestalt Baba Jaga, in der plötzlich mit haptischen Effekten schaurige Stimmung erzeugt wird. Aber das hilft alles nichts.

Platz 6: Iron Sky: The Coming Race (Regie: Timo Vuorensola)

Ich mag den ersten Iron Sky, sehr sogar: Er ist eine irre, spritzige Mischung zwischen Nazisploitation-Persiflage, knalliger Sci-Fi-Komödie und tagespolitischen Sketchen. Iron Sky: The Coming Race dagegen ist eine viel zu spät nachgereichte Fortsetzung mit verstaubten Gags (Haha! Apple-Fans sind wie Sektenanhänger!), Effekten, die weit unter dem Niveau des charmanten Originals liegen, konfusem Storytelling und viel, viel, viel Leerlauf. Ein paar gute Gags hat er ja, wie etwa einen verflucht unkaputtbaren Mechaniker, aber alles in allem ist Iron Sky 2 ein Sketch, der einfach nicht enden will, obwohl der Gag schon lange durch ist.

Platz 5: Maleficent: Mächte der Finsternis (Regie: Joachim Rønning)

Wo wir bei Fortsetzungen sind, die es nicht braucht: Maleficent war ein ungeheuerlich mieser Disney-Film, das Produkt eines grausigen Produktionsprozesses und ein Meisterstück in Sachen "Wir haben überhaupt keine Ahnung, wovon genau wir jetzt erzählen wollen". Als dieses Elend 2014 unverdienterweise dennoch über 758 Millionen Dollar einnahm, hätte das Haus der Maus sich auf die Schulter klopfen können und sagen: "Wow, wie wir das nur überstanden haben?! Glück gehabt!" Aber: Nein, ein zweiter Teil musste her. Und der ist narrativ genauso halbgar: Erneut erzählt Linda Woolverton von der Fee Maleficent, die eigentlich eine Gute ist, nein, eine Gute, die schnell an die Decke geht, nein, eine Gute, die einfach alle falsch verstehen, nein, eine Gute, die zur Bösen wird, nein, eine Böse, die sich lange gut verhalten hat, nein, eine Gute ist.

Angelina Jolie stolziert so selbstverliebt durch den Film, dass sich nie die Möglichkeit gibt, Maleficent stimmig als Figur aufzubauen, und dieser Film hat ungeheuerliche Angst vor Konsequenzen: Unentwegt wird zurückgerudert, weggeschnitten oder Figurenentwicklung rückgängig gemacht, wenn sich was schlimmes andeutet. Was ziemlich peinlich ist, wenn man gleichzeitig versucht, ein düsteres Fantasyepos zu sein. Joachim Rønning ringt dem Material zwei, drei hübsche Bilder ab, doch es überwiegt das Gefühl, riesiger Zeitverschwendung beizuwohnen. Für einen Film, der einen Genozid-Subplot anreißt (und natürlich zu buntem Fluff degradiert) ganz schön dämlich.

Platz 4: Head Full of Honey (Regie: Til Schweiger)

Überflüssiges Nahezu-1:1-Remake, das jeglichen künstlerischen Impuls missen lässt, Teil I: Til Schweiger hat seinen gigantischen Kassenschlager Honig im Kopf noch einmal gedreht, nun aber in englischer Sprache. Doof nur, dass Til Schweiger in der Zwischenzeit als Regisseur und Cutter nachgelassen hat: Head Full of Honey sieht noch mehr nach Aufbackbrötchenwerbespot aus, womit die Emotion der Geschichte noch schlechter rüberkommt, und das Remake ist ein noch grausigeres Schnittgewitter, bei dem ruhige Gespräche mehr Cuts aufweisen als eine Michael-Bay-Actionszene. Immerhin, unpopuläre Meinung meinerseits: Nick Nolte spielt den rauen Großvater, der durch seine zunehmende Demenz aufweicht, besser als Dieter Hallervorden, der von Schweiger im Original in ein paar grobe Gags mehr reingequatscht wurde. Hilft diesem Film aber nur unwesentlich.

Platz 3: Monsieur Claude 2 (Regie: Philippe de Chauveron)

Ein spießiger Mistkerl rennt pampig dreinblickend durch die Gegend und beleidigt alles und jeden, was nicht ist wie er. Und wir sollen gehörig mit ihm mitlachen, weil er noch sagt, was sich sonst keiner traut. Nur ab und zu sollen wir schockiert lachen und dann sympathisch grinsen, "Ach, Monsieur Claude, du meinst es sicher nicht so!" Dann wendet sich das Blatt und er inszeniert eine riesige Lügennummer, um seine Schwiegersöhne vom Auswandern abzubringen. Nicht, weil er sie nun mag, sondern nur, weil er die Idee abscheulich findet, dass man sein geliebtes Frankreich doof finden könnte. Monsieur Claude 2 ist eine Reihe an Parolen und Witzen, wie sie der AfD gefallen könnten, dargeboten mit holperndem Timing und einem selbstgefällige Grimassen schneidendem Christian Clavier. Im Frühling 2019 in der Sneak gesehen, war Monsieur Claude 2 eines der unangenehmsten, elendsten Kinoerlebnisse, die ich seit längerem hatte. Und dieses Grauen wurde 2019 noch zwei Mal überboten. Seufz.

Platz 2: Das perfekte Geheimnis (Regie: Bora Dagtekin)

Überflüssiges Remake mit wenigen, aber sehr schädlichen kreativen Impulsen: Fack Ju Göhte-Macher Bora Dagtekin hat sich das Drehbuch zur italienischen Dramödie Perfect Strangers genommen, den Look des französischen Perfect Strangers-Remakes Le Jeu übernommen, ein paar charakteristische Ecken und Kanten abgefeilt und ein identitätsloses Remake rausgerotzt. Wobei, das stimmt nicht: Es ist ein lange Zeit identitätsloses Remake, das (anders als Sönke Wortmanns tolle Komödie Der Vorname) ohne Verve und Schwung die Pointen der Vorlage durchnudelt. Und dann wirft der Film gegen Schluss einfach mal jegliches Feingefühl sowie die Vorlage aus dem Fenster und wird zu einer grobschlächtigen, dummen Lachnummer, die ein regressives Weltbild hochleben lässt und homophoben Scheiß freundlich weggrinst, frei nach dem Motto: "Ja, ach, komm, hab dich nicht so!" Eine geschmacklose, dumme, Produktion, in der zu keinem einzigen Zeitpunkt Passion seitens des Filmemachers zur Geltung kommt - alles, was diesen Film anzutreiben scheint, sind die Erwartungen klingender Kinokassen. Dieser Film hat meinem wunderbaren Kollegen Dominik Porschen weh getan, wie könnte ich diesen Streifen guten Gewissens durchwinken?

Platz 1: Der König der Löwen (Regie: Jon Favreau)

Überflüssiges Nahezu-1:1-Remake, das jeglichen künstlerischen Impuls missen lässt, Teil II: Das perfekte Geheimnis hat wenigstens eine goldig aufspielende, sympathische Jella Haase auf der Pro-Seite. Was dagegen hat Der König der Löwen? Diese 250-Millionen-Dollar-Tech-Demo saugt sämtliches Leben, jegliche Emotion, alle künstlerische Brillanz aus der wunderschönen Zeichentrickvorlage und hinterlässt ein Grau-in-Grau-in-Sandbraun, durch das Tiere spazieren, deren Münder leblos auf- und zuklappen. Ja, das hier sind sensationell fotorealistische Animationen. Doch als ausgedehnte Der König der Löwen-Nacherzählung, die wahlweise das Original 1:1 kopiert oder aber dessen Sequenzen langsamer und steifer neu interpretiert, ist Jon Favreaus Der König der Löwen eine künstlerische Bankrotterklärung, ein kreatives Schwarzes Loch und der dreisteste, uninspirierste, eiskalt kalkulierteste Wirtschaftsschachzug, der behauptet, ein Film zu sein, den Disney in diesem Jahrzehnt abgezogen hat. Und dann vollführt diese Tech-Demo nicht einmal ihren Zweck, denn das Effektstudio, das diese Bilder gestemmt hat, ist mittlerweile pleite. Na, das hat sich ja mal gelohnt!

Mittwoch, 25. Dezember 2019

Die schlechtesten Filme 2019 (Teil I)

Vor allem im englischsprachigen Diskurs haben "Worst of"-Listen mittlerweile einen schlechten Ruf. Ich möchte aber für Floplisten eine Lanze brechen: Sie sind die beste Möglichkeit, die sich mir als Kritiker bietet, um in einem Meer aus Lob, Geheimtipps, "Ach, das und das kann gefallen" und "Naja, geht so" auch daran zu erinnern, dass ich etwas schlecht finden kann. Das stärkt die Glaubwürdigkeit. Und es sorgt für Perspektive. Während die einen schimpfen, Star Wars - Der Aufstieg Skywalkers sei ja der schlechteste Film des Jahres, weil ihre Lieblingsfigur zu wenige Sätze hatte oder es einen Kontinuitätsfehler zum restlichen Star Wars-Universum aufweist, sind das hier die Filme, die mich am meisten ärgerten. So anders können Ansätze sein.

Wie jedes Jahr gilt auch dieses Mal an dieser Stelle: Ich habe mit "Die schlechtesten Filme" eine zwar aufmerksamkeitserregende, allerdings reißerische Überschrift gewählt. Mir fällt nur leider nichts besseres ein. Schließlich klingt "Hassfilme" leider noch aggressiver. Selbst wenn es treffender wäre, denn hier geht es nicht ausschließlich um handwerkliche Rohrkrepierer, sondern um Filme, die bei mir auf höchst persönlicher Ebene große Antipathiepunkte sammeln. Filme, die mich wütend gemacht haben, mich frustrieren und nerven oder auf ätzende Weise langweilen. Anders gesagt: Während in der noch kommenden Liste meiner Lieblingsfilme die Filme gefeiert werden, die mein Filmliebhaberherz haben höher schlagen lassen, stelle ich euch nun die vor, bei denen es sich vor Antipathie zusammengezogen hat. Los geht es mit ...

Platz 20: Holmes & Watson (Regie: Etan Cohen)

Diese gähnend langweilige Sherlock Holmes-Parodie hat ihre Momente. Die generieren sich aber leider zumeist aus den weiblichen Nebendarstellerinnen, statt aus den Hauptfiguren, die nun einmal den Großteil des Films beschreiten. Wenn Rebecca Hall trocken über den Stand der Frau scherzt, Kelly Macdonald sich süffisant durch ihre paar Szenen scherzt oder Lauren Lapkus den Will-Ferrell-Schrägheit-Nerv besser trifft als es dieses Mal Will Ferrell tut, muss ich tatsächlich schmunzeln. Und Alan Menken hat eine herrlich überzogene Musicaleinlage verfasst. Aber davon abgesehen wird der "Was, wenn Holmes und Watson dumm wären?"-Gag sehr schnell sehr alt: Überdehnte, tumbe Gags und viel Grimassen schneiden. Gähn.

Platz 19: Friedhof der Kuscheltiere (Regie: Kevin Kölsch und Dennis Widmyer)

Diese Neuverfilmung des Stephen-King-Klassikers Friedhof der Kuscheltiere hat die tollste Filmkatze, die es dieses Jahr im Kino zu sehen gab. Das ist ein gigantischer Pluspunkt. Aber sonst? Die Figuren sind ungeheuerlich dünn skizziert, womit mir die tragischen Entscheidungen des Protagonisten ebenso sehr am Allerwertesten vorbeigehen, wie mir ihr Schicksal egal ist, wenn die Figuren von Horrorereignissen heimgesucht werden. Der Look ist, von ein paar Szenen mit kreativen Schneid abgesehen, völlig uninteressant und selbst die üblichen Billig-Schrecksequenzen mit aufgedrehter Tonspur fallen flach. Dieser Film ist völlig leblos. Hier könnt ihr nun ein Wortspiel eurer Wahl einsetzen.

Platz 18: Raus! (Regie: Philipp Hirsch)

Aus der Kategorie "Filme, bei denen es mir leid tut, dass ich sie nervig und enttäuschend finde", präsentiere ich euch dieses Mal: Die politisch angehauchte Aussteiger-Wander-Jugendramödie Raus! mit Milena Tscharntke, Tom Gronau, Matti Schmidt-Schaller und vielen anderen. Der Film zeigt einen Linksaktivisten, der nicht hinter der Sache steht, sondern damit nur Frauen beeindrucken will, und sich nach einer superpeinlichen Aktion verschanzt. Er stolpert über einen Aufruf, sich aus der Gesellschaft auszuklinken. Diesem Aufruf folgen auch ein Reichensöhnchen, eine frühere Rechtsradikale, eine Sex-Influencerin mit antikapitalistischer Weltsicht und ein abenteuerlustiger Typ, der einfach nur was erleben will. Was folgt, verwässert seinen Gesellschaftskommentar bis zur Unkenntlichkeit, setzt auf ultradünn geschriebene Figuren und erinnert mehr an KiKA-Wanderabenteuer, als an Teenager-Problemauseinandersetzung. Naja, bis Psychoterror und Gewaltspitzen auch die Ausrede "Es ist halt Babys erster Film über Gesellschaftsausstieg" kaputt machen. Raus! hat einen guten Cast und Philipp Hirsch hat ein inszenatorisches Auge, doch der Film findet partout nicht zusammen.

Platz 17: Green Book (Regie: Peter Farrelly)

Todd Phillips jammerte während der Promo-Phase für seine Comicadaption Joker, dass er das Komödienfeld vorzeitig verlassen hat und sich neuen Genres zuwendete, weil es unmöglich geworden sei, heute noch Komödien zu drehen. Die müssten ja nun alle gesellschaftlich aufgeklärt sein, und wo bliebe da der Witz? Mal davon abgesehen, dass Phillips irrt und es sehr wohl großartige Komödien gibt, die nicht weiter nachtreten, wenn Leute schon am Boden liegen, frage ich mich, was er gemacht hat, während Green Book seinen Erfolgszug erlebt hat. Denn Green Book beweist mit seinem Einspielergebnis von 323,5 Millionen Dollar (bei einem Budget von 23 Millionen) sowie mit drei Oscar-Siegen (darunter als bester Film), dass auch 2019 noch immer unsensible Komödien riesigen Anklang finden können.

Jede Oscar-Saison bringt einen Film mit, den ich überhaupt nicht leiden kann, doch dass er zum großen Abräumer der Saison wird, ist mir bisher nur sehr, sehr, sehr selten passiert. Aber Green Book ist für mich wirklich der mieseste Oscar-Gewinner dieser Dekade, wenn nicht sogar seit noch längerer Zeit. Ja, Mahershala Ali spielt großartig und dank ihm hat der Film seine gefälligen Momente. Doch eine Komödie über einen Pizza mampfenden Italiener, der einem Schwarzen beibringt, dass seinesgleichen doch Brathähnchen lecker finden muss, und dass er den Stock aus dem Hintern nehmen und einfach nur Spaß haben sollte, ist schon eine ziemlich fragwürdige Angelegenheit. Und wenn der Film dann noch Szenen beinhaltet wie "Du bist selber Schuld, wenn du von Rassisten verprügelt wirst", dann kann ich nur sagen: Willkommen in den Flops des Jahres, Leute! Und kommt mir nicht mit "Nun stell dich nicht so an", denn zuckrige Grütze, die sich nicht wirklich für das Leid ihrer Figuren interessiert, ist Green Book auch im luftleeren, apolitischen Raum.

Platz 16: Nightmare Cinema (Regie: Alejandro Brugués, Joe Dante, Mick Garris, Ryūhei Kitamura und David Slade)

Was habe ich mich auf den Film gefreut, ich als alter Liebhaber von Horror-Episodenfilmen. Und dann spielt die Rahmenhandlung auch noch in einem Kino, in dem ein seltsamer Kerl (Mickey Rourke) die Filme zum Publikum passend aussucht! Doch leider ist Nightmare Cinema ein Gemischtwarenladen, in dem man Qualität mühevoll suchen muss, zwischen all den Resterampe-Produkten. Der Film beginnt solide mit einem postmodernen Slasherkommentar, der seine Idee schlicht etwas überreizt, doch dann folgt eine sehr behäbige, witzig gemeinte, doch sehr hohle Episode über Schönheitsoperationen, bevor eine völlig lächerliche Dämonengeschichte in einer katholischen Schule das Niveau noch weiter herunterreißt. Ergänzt wird das Elend durch eine pseudo-intellektuelle, schnell durchschaubare Schwarz-Weiß-Episode über einen albtraumhaften Arztbesuch und letztlich durch eine Episode, die so abläuft, wie Shyamalan-Hater denken, dass all seine Filme so ablaufen. Was für ein Schrott.

Platz 15: Feedback (Regie: Pedro C. Alonso)

Dieser Kammerspielthriller zeigt einen beliebten, aber auch umstrittenen Radiomoderator (Eddie Marsan), wie er während einer Livesendung von Eindringlingen bedroht wird. Sie erpressen ihn und verlangen, dass er seinem Gast des Abends schreckliche Wahrheiten entlockt. Klingt nach genau meinem Geschmack, war aber eine unfassbare Geduldsprobe: Regisseur Pedro C. Alonso lässt seine Low-Budget-Produktion echt edel aussehen, leider ist die Soundabmischung eine unfassbare Katastrophe und die Dialoge sind klobig, unnatürlich und nervig. In einem dialoglastigen Film ist das ein extremes Minus, und dann schlägt die Story auch noch Haken, die es mir völlig unmöglich machen, mitzufiebern: Es gibt keine Sympathieträger, aber Alonso inszeniert diesen Thriller so, dass sich Spannung aus der empatischen Frage "Wie kommt X nur aus der Lage wieder heraus?" generieren soll. Und wenn man auch nur eine Sekunde zu lang über die politische Massage des Films nachdenkt (und die trägt Feedback gegen Ende mit naivem Stolz vor sich her), wird erst deutlich, wie sich der Film mehrmals ins eigene Knie schießt. Aber, hey, ein paar gute Gewaltspitzen hat er.

Platz 14: Godzilla II: King of the Monsters (Regie: Michael Dougherty)

Nach Gareth Edwards packendem Godzilla wird Warner Bros. westliche Godzilla-Saga einfach mal mit voller Macht gegen die Wand gefahren: Weg mit der langsam brodelnden, intensiven Spannung, her mit chaotischer digitaler Zerstörungswut. Und statt diese Megamonster-Klopperei wenigstens auf die sich kloppenden Megamonster zu fokussieren, zeigt Michael Dougherty bevorzugt digitalen Rauch, computeranimierten Schotter und fliegende Funken aus dem Computer. Kombiniert mit ziellosen, widersprüchlichen, schleppenden Szenen rund um dünn skizzierte, menschliche Figuren, die sich saudumm anstellen und dem Film jegliche Energie rauben, ergibt Godzilla II Popcornkino der hirnlosen Kopfweh-Kajüte.

Platz 13: Cats (Regie: Tom Hooper)

Ein abartig hässlicher Film mit dem Spannungsbogen einer geraden, horizontalen Linie und einem Übermaß an unangenehm nahen Nahaufnahmen. Aber der Cast hängt sich voll rein und es ist wenigstens ein Film wie keiner zuvor. Grausig, aber denkwürdig.

Platz 12: Murder Mystery (Regie: Kyle Newacheck)

Ein durchschaubarer Krimiplot, eine lange Parade an mäßig witzigen Witzen und ein Plot, der mit zehn, 15 Minuten weniger vielleicht noch ganz süffig hätte geraten können: Adam Sandlers Netflix-Filme sind für ihn nichts anderes als Ausreden, schöne Orte zu bereisen und für Netflix sind sie Content, der aus irgendwelchen Gründen zieht. Murder Mystery hat wenigstens einen sympathischen Cast, der sich bemüht, was aus dem Material zu machen. Es gibt viel zu wenig Filme mit Luke Evans und Gemma Arterton!

Platz 11: Belleville Cop (Regie: Rachid Bouchareb)

Was für ein elend langweiliger Film: Der bequemliche Cop Baaba Keita (Omar Sy) schlägt eine Beförderung nach der anderen aus. Doch seine Freundin will hinaus in die weite Welt, weg von den Fängen Baabas dominanter Mutter, die sich in alles einmischt. Als eines Tages ein Freund Baabas getötet wird, bricht er doch auf in neue Gefilde: Er zieht mit seiner Mutter nach Miami, wo er sich mit dem amerikanischen Polizisten Ricardo (Luis Guzman) zusammentut, um den Mord an seinem Freund aufzuklären. Belleville Cop klaut sich Versatzstücke aus den Beverly Hills Cop-Filmen, Lethal Weapon und Red Heat zusammen, ohne sie irgendwie zu kommentieren oder sehenswert abzuwandeln, und ist dann auch noch mit witzfreien Dialogen gesegnet, einem Erzähltempo, bei dem einem fließender Honig rasant vorkommt und der Krimiplot lebt von Zufällen und noch mehr Zufällen. Was für ein Elend.