Freitag, 18. August 2017

Freitag der Karibik #56




Die Pirates of the Caribbean-Filme haben das Gesicht des Disney-Konzerns langfristig verändert – darüber habe ich hier im Blog bereits ausführlich sinniert, und wie ihr mich kennt, wisst ihr: Dabei werde ich es nicht beruhen lassen. Aber einen faszinierenden Punkt habe ich an dieser Stelle noch nicht angeschnitten – es ist exakt diese Filmreihe, und eine auf hohem Niveau erlittene Schlappe, die dazu führte, dass Disney es zum Hollywoodsport gemacht hat, frühzeitig Starttermine mitzuteilen.

Um das genauer zu erläutern, müssen wirdas Rad der Zeit um einige Jahre zurückdrehen. Genauer gesagt zum Beginn der Dreharbeiten an den ersten beiden Fluch der Karibik-Fortsetzungen. Der interne Plan sieht zunächst vor, dass Pirates of the Caribbean – Dead Men's Chest (respektive Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2, oder, wie ich ihn ewig nennen werde: Pirates of the Caribbean – Die Truhe des Todes) am 7. Juli 2006 anläuft, der zunächst noch unbetitelte dritte Teil exakt ein Jahr später. Nachdem die Dreharbeiten zu Teil zwei der Piratenreihe abgeschlossen wurden und sich die Filmcrew komplett auf den dritten Film konzentrieren konnte, rutschte die interne Deadline für das letztlich als Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt veröffentlichte Epos allerdings ohne größere Vorwarnung nach vorne: Der US-Kinostart sollte bereits am 25. Mai 2007 erfolgen. Es war ein Schritt, der den Druck auf die Crew massiv erhöhen sollte, bedeutete er doch mehrere Wochen weniger Zeit für die Postproduktion – respektive ein deutliches Mehr an Überstunden in der finalen Phase.

Was ist geschehen? Wieso verkürzte Disney die Produktionszeit am bis dahin aufwändigsten Film der Studiogeschichte? Pirates of the Caribbean-Drehbuchautor Terry Rossio erläuterte nach Kinostart die halboffizielle Ereignisabfolge: "Angeblich wollte Disney nicht gegen Transformers und Harry Potter antreten", die zuvor für den 3. Juli 2007 beziehungsweise den 11. Juli 2007 angekündigt wurden. Der für Kinoproduktionen dieser Größenordnung als sehr attraktiv geltende Startmonat Mai war allerdings ebenfalls schon rappelvoll: Spider-Man 3 erklärte den 4. Mai 2007 als sein Eigentum, Shrek der Dritte den 18. Mai. Disney bliebe noch der 25. Mai, Memorial Day – bei Studiobossen ein umstrittener Kino-Starttermin: Er erhält zusätzliche Medienaufmerksamkeit, wirtschaftlich ist er jedoch weitaus mäßiger als besagter Presserummel um ihn suggerieren würde. Und im Sonderfall 2007 würde Disney riskieren, als dritter und letzter Film einen gesättigten Markt anzusprechen – die Marktforschung ergab nämlich, dass Spider-Man 3 und Shrek der Dritte weitestgehend dieselbe Zielgruppe ansprechen würden.

Rossio führt auf 'Wordplayer' weiter aus: "Der Plan war, Shrek der Dritte von seinem Starttermin zu verjagen", was weniger Konkurrenz an den Kinokassen bedeutet hätte. "Gerüchteweise gelang dieser Plan und [DreamWorks-Animation-Chef] Katzenberg beschloss, den Film zu verschieben", so Rossio. Doch das Glück war nicht mit den Piraten. Oder, genauer gesagt: Die Kommerzgötter hatten sich gegen sie verschworen: "Aber, wie Herr Gerücht behauptet, hat DreamWorks bereits seine Werbekampagne geplant und einen Werbedeal mit McDonald's abgeschlossen – und McDonald's wollte keine Änderung des Starttermins zulassen."

Also musste sich Disney mit dem Kinogedrängel Ende Mai 2007 zufrieden geben. Spider-Man 3 brach kurz zuvor die stattlichen Startrekorde, die 2006 der zweite Fluch der Karibik aufgestellt hat, und entgegen früherer Analysen und Erwartungen konnten Käpt'n Jack Sparrow und Konsorten diese Bestmarken mit Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt nicht wieder dem Disney-Konzern einverleiben.

Auch auf dem globalen Parkett fehlte dem Piraten-Monumentalfilm die letzte Puste: Anders als dem Vorgänger (sowie dem 2011 erschienenen Sequel Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten) gelang es ihm ganz knapp nicht, die Eine-Milliarde-Dollar-Grenze zu durchbrechen. Selbstredend lässt sich nur spekulieren, ob es allein am Starttermin lag oder vielleicht doch daran, was der Film bot oder wie sein Marketing gestaltet wurde – für Disney scheint die Sache indes klar zu sein: Das Studio rückte als letzter mit dem Starttermin heraus und zog den Kürzeren.

Und, welch Zufall: In den Folgejahren wurde es schrittweise für Disney zum Standard, mehrere Jahre im Voraus Starttermine mitzuteilen. Erst beschränkte sich diese Taktik auf Filme, die zu etablierten Marken gehören, nunmehr gilt sie für fast den gesamten Konzern-Output.

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