Es ist wieder "Hinterher werden alle Gewinner:innen sowas von offensichtlich sein"-Zeit!
Bester Animationsfilm
Guillermo del Toro's Pinocchio
Das Seeungeheuer
Marcell the Shell with Shoes On
Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch
Rot
Auch wenn Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch seit Ende Dezember kontinuierlich neue Fans gewinnt und beispielsweise der Held des filmaffinen Internets ist (zweitbestbewerteter Film des Jahres 2022 bei Letterboxd): Ich denke, dass es hier keinen Weg gibt, der an Pinocchio vorbeiführt. Dafür ist sein Ansehen in der Filmbranche zu gut, sind seine Besprechungen in der Breite zu positiv, ist del Toros Anziehungskraft innerhalb der Academy zu groß.
Und auch wenn mein Herz etwas lauter für den Kater schlägt: Es wäre ein verdienter Sieger.
Bestes adaptiertes Drehbuch
Im Westen nichts Neues, Edward Berger, Lesley Paterson & Ian Stokell
Top Gun: Maverick, Peter Craig, Ehren Kruger, Justin Marks, Eric Warren Singer & Christopher McQuarrie
Living, Kazuo Ishiguro
Glass Onion, Rian Johnson
Die Aussprache, Sarah Polley
Ich glaube, das Rennen wird sich zwischen Im Westen nichts Neues, der seit Wochen im englischsprachigen Raum ordentlich an Zugkraft zulegt, und Sarah Polleys wenig gesehene, aber viel bewunderte Romanadaption Die Aussprache entscheiden. Knapp sehe ich Polley vorne: Es ist die Kategorie, um dem Film etwas Liebe zukommen zu lassen, und vereint die Votingfraktion "Starke Dialoge" mit diejenigen, die eine starke Erzählstruktur würdigen.
Bestes Original-Drehbuch
Triangle of Sadness, Ruben Östlund
The Banshees of Inisherin, Martin McDonagh
Everything Everywhere All at Once, Daniel Kwan & Daniel Scheinert
Die Fabelmans, Steven Spielberg & Tony Kushner
Tár, Todd Field
Selbst in einem Jahr, in dem sich das Klima innerhalb der Filmindustrie nicht für die schräge Art von Everything Everywhere All at Once geöffnet hätte, wäre der Film hier ein Topkandidat. Dieses Jahr und nach den zahlreichen Auszeichnungen erst recht.
Beste Kamera
Im Westen nichts Neues, James Friend
Elvis, Mandy Walker
Empire of Light, Roger Deakins
Tár, Florian Hoffmeister
Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten, Darius Khondji
Ich denke, das machen Im Westen nichts Neues, Elvis und Tár unter sich aus. Und tippe mal auf die hypnotische Sogkraft von Elvis.
Beste Kostüme
Babylon, Mary Zophres
Black Panther: Wakanda Forever, Ruth E. Carter
Elvis, Catherine Martin
Mrs. Harris und ein Kleid von Dior, Jenny Beavan
Everything Everywhere All at Once, Shirley Kurata
Der "Wow, das und das und das ikonische Outfit haben die aber sehr gut getroffen"-Effekt könnte Elvis zum Sieg bringen.
Bester Schnitt
The Banshees of Inisherin, Mikkel E.G. Nielsen
Tár, Monika Willi
Elvis, Jonathan Redmond & Matt Villa
Everything Everywhere All at Once, Paul Rogers
Top Gun: Maverick, Chris Lebenzon & Eddie Hamilton
Noch bevor sich abgezeichnet hat, dass Everything Everywhere All at Once von den großen Filmpreisen akzeptiert wird, meinte ich: Dieser Film müsste den Oscar für den besten Schnitt gewinnen. Ich werde diese Haltung jetzt nicht verraten, indem ich einen anderen als Sieger vorhersage.
Bestes Produktionsdesign
Avatar: The Way of Water, Dylan Cole, Ben Procter & Vanessa Cole
Babylon, Florencia Martin & Anthony Carlino
Elvis, Catherine Martin & Karen Murphy
Die Fabelmans, Rick Carter & Karen O'Hara
Im Westen nichts Neues, Christian M. Goldbreck, Ernestine Hipper
So viele detailreich ausstaffierte Sets in Babylon, kann das die generell spaltende Art des Films übertrumpfen?
Bester Dokumentarfilm
All that Breathes
All the Beauty and the Bloodshed
Fire of Love
A House Made of Splinters
Navalny
Die Doku-Sparte bringt mich regelmäßig zur Verzweiflung: Sage ich den vermeintlich sicheren Gewinnerfilm vorher, gewinnt eine Überraschung. Und umgekehrt. Für mich entscheidet es sich dieses Jahr zwischen Fire of Love (hervorragende Kritiken, wird für seine Bildgewalt und seine Emotionalität gefeiert, ist dank Disney+ leicht zugänglich und hatte somit viel Zeit, Buzz zu gewinnen) und All the Beauty and the Bloodshed (thematisch schwerer, aufwühlender und "wichtiger", spricht über die Relevanz von Medien). Ich gehe dieses Jahr auf "Relevanz" statt "Gefühl".
Bester Doku-Kurzfilm
Die Elefantenflüsterer
Haulout
How Do You Measure a Year?
The Martha Mitchell Effect
Stranger at the Gate
Meine Prognose: Die Horden an Walrössern ziehen die Aufmerksamkeit der Oscar-Stimmberechtigten auf sich.
Bester internationaler Film
Argentina, 1985, Argentinien
Im Westen nichts Neues, Deutschland
Close, Belgien
The Quiet Girl, Irland
EO, Polen
Pans Labyrinth verlor einst in dieser Kategorie gegen Das Leben der Anderen, obwohl del Toros Film auch in weiteren Sparten nominiert war. Es wäre also ausgleichende Gerechtigkeit, wenn dieses Mal ein vielfach nominierter deutscher Film den vermeintlich sicheren Oscar versäumt. Doch es wäre auch eine statistisch unweise Prognose. Müsste ich raten, wer in einer Wiederholung des 20 Jahre zurückliegenden Ereignisses dem Antikriegsfilm ein Schnippchen schlägt: Mein Gefühl sagt The Quiet Girl.
Bestes Makeup & Hairstyling
Im Westen nichts Neues
The Batman
Black Panther: Wakanda Forever
Elvis
The Whale
Die tollen Frisuren in Elvis (plus die zusätzlichen Pfunde an Austin Butler gen Ende) gegen die zusätzlichen Kilos on The Whale und Colin Farrell Verwandlung in The Batman. Oder zieht Im Westen nichts Neues mit seinem rundum großen Buzz davon? Nur das Marvel-Sequel erscheint mir hier trotz guter Arbeit eine unwahrscheinliche Wahl, und sage: Elvis hat einfach mehr Razzle Dazzle und gewinnt daher.
Beste Filmmusik
Babylon, Justin Hurwitz
The Banshees of Inisherin, Carter Burwell
Die Fabelmans, John Williams
Im Westen nichts Neues, Volker Bertelmann
Everything Everywhere All at Once, Son Lux
Eines Tages wird die Filmgeschichtsschreibung kollektiv den Kopf schütteln, weshalb Babylon bei den Oscars nicht mehr abgeräumt hat. Aber Justin Hurwitz' Ohrwürmer sind zu mitreißend, als dass sie ignoriert werden könnten.
Bester Song
Lift Me Up aus Black Panther: Wakanda Forever
This is a Life aus Everything Everywhere All at Once
Naatu Naatu aus RRR
Applause aus Tell It Like A Woman
Hold My Hand aus Top Gun: Maverick
Ich halte den Sieg von Naatu Naatu nicht für derart sicher, wie manche Kolleg:innen. Schließlich kommen zwar die Nominierungen aus der Musiksparte der Academy, während die gesamte Academy über den Sieg entscheidet. Und da rechne ich mit einigen, die RRR nicht gesehen haben und lieber diese Kategorie nutzen, um hier für einen favorisierten Film abzustimmen. Sollte sich hier also beispielsweise Top Gun: Maverick durchsetzen: Ich werde keine verwirrten Fragezeichen über dem Kopf haben. Dennoch: Mein Tipp geht gen Indien, weil sich die großen, ernst(er)en (Abspann-)Nummern gegenseitig auf den Füßen rumtreten.
Bester Animations-Kurzfilm
The Boy, the Mole, the Fox and the Horse
The Flying Sailor
My Year of Dicks
Ice Merchants
An Ostrich Told Me the World Is Fake and I Think I Believe It
Hoffentlich verleiht Riz Ahmed den Preis in dieser Kategorie, damit er diese Titel noch einmal vorlesen kann. Und obwohl die Trick-Kurzfilmkategorie seit vielen Jahren sehr mainstreamig ist und oft der niedlichste Nominierte gewinnt: Die stilistisch vielseitige, intim-ehrliche Coming-of-Sexual-Age-Geschichte My Year of Dicks wird gewinnen, so mein Gespür.
Bester Kurzfilm
An Irish Goodbye
Le Pupille
Nattrikken
The Red Suitcase
Ivalu
Indikatorpreise und "Es liegt Irland in der Luft" ergeben zusammen diese Prognose.
Bester Ton
Im Westen nichts Neues
Avatar: The Way of Water
The Batman
Elvis
Top Gun: Maverick
Top Gun: Maverick brachte die Kinos zum Beben und damit die Kassen zum Klingeln, nun ist es an der Zeit, dafür einen Oscar einzusacken.
Beste Effekte
Avatar: The Way of Water
Black Panther: Wakanda Forever
The Batman
Im Westen nichts Neues
Top Gun: Maverick
Es gewinnt nicht jedes Mal der teuerste Film, wie Ex_Machina bewiesen hat. Und nachdem monatelang fehlberichtet wurde, dass Top Gun: Maverick ja komplett praktisch gedreht wurde, könnte die Erkenntnis, wie viel hier top getrickst wurde, den Film an James Camerons Epos vorbeitragen.
Bester Nebendarsteller
Brendan Gleeson, The Banshees of Inisherin
Barry Keoghan, The Banshees of Inisherin
Ke Huy Quan, Everything Everywhere All at Once
Brian Tyree Henry, Causeway
Judd Hirsch, Die Fabelmans
Ke Huy Quan hat praktisch alles gewonnen, wofür er in den vergangenen Monaten nominiert wurde. Sehe diese Siegesserie nicht mehr abreißen.
Beste Nebendarstellerin
Kerry Condon, The Banshees of Inisherin
Jamie Lee Curtis, Everything Everywhere All at Once
Stephanie Hsu, Everything Everywhere All at Once
Hong Chau, The Whale
Angela Bassett, Black Panther: Wakanda Forever
Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, dass Bassett für "Ein bisschen streng und traurig gucken in einem Marvel-Film" einen Oscar gewinnt, und tippe daher auf "Oh, eine Ikone in einem vielfach beachteten Film"-Gewinnerin Curtis.
Beste Hauptdarstellerin
Ana de Armas, Blonde
Michelle Yeoh, Everything Everywhere All at Once
Cate Blanchett, Tár
Michelle Williams, Die Fabelmans
Andrea Riseborough, To Leslie
Es entscheidet sich zwischen Yeoh und Blanchett, in beiden Fällen habe ich jetzt schon die Schnauze voll von den reißerischen Essays und Tweets am Folgetag, in beiden Fällen gewinnt eine starke Schauspielerin in einer großartigen Rolle. Aber ich sage hier Blanchett vorher, die einfach noch eine Spur magnetischer ist in ihrem Film (so jedenfalls meine Meinung) und weil dies die Kategorie ist, wo Academy-Mitglieder, die Tár mögen, am ehesten ihre Begeisterung kanalisieren werden.
Bester Hauptdarsteller
Paul Mescal, Aftersun
Colin Farrell, The Banshees of Inisherin
Austin Butler, Elvis
Bill Nighy, Living
Brendan Fraser, The Whale
Es ist fatal, auf die "Willkommen zurück"-Narrative reinzufallen, schließlich hat Mickey Rourke auch keinen Oscar für The Wrestler bekommen. Aber da alle Zeichen darauf deuten, dass beim Nebendarsteller sehr wohl diese Karte gespielt wird, tippe ich hier ebenfalls darauf, dass sich die Academy in einer sentimentalen Stimmung befindet.
Beste Regie
Ruben Östlund, Triangle of Sadness
Martin McDonagh, The Banshees of Inisherin
Daniel Kwan & Daniel Scheinert, Everything Everywhere All at Once
Steven Spielberg, Die Fabelmans
Todd Field, Tár
Wenn die Daniels diesen Oscar nicht gewinnen, wird "Bester Film" nochmal richtig spannend.
Bester Film
Im Westen nichts Neues
Avatar: The Way of Water
The Banshees of Inisherin
Elvis
Everything Everywhere All at Once
Die Fabelmans
Tár
Top Gun: Maverick
Die Aussprache
Triangle of Sadness
Wären die vielen Indikatorpreise nicht gewesen, ich würde denken, dass der Film "zu seltsam" für Branchenpreise ist, aber so langsam zieht das Argument nicht. Aber wenn ein Film Everything Everywhere All at Once ausstechen könnte, dann The Banshees of Inisherin.
EdiGrieg ist ein Disney-Experte, wie er im Buche steht und ein Meister im Fachbereich Synchronisation. Daher solltet ihr alle seine Seite Trickfilmstimmen kennen, das beste Disney-Synchron-Archiv des World Wide Webs! Aber auch in anderen Themengebieten kennt er sich bestens aus, wie ihr nun feststellen werdet...
2022 erlebte die nicht aufzuhaltende Welle von Realfilm-Umsetzungen klassischer Disneyfilme durch "Pinocchio" einen neuen Tiefpunkt, während Guillermo del Toros Umsetzung des hölzernen Bengels im selben Jahr von Lob geradezu überschüttet wurde. 2023 wird nun der Film "Winnie-the-Pooh: Blood and Honey" Streamingnutzern eine blutige Version von A. A. Milnes berühmten Kinderbuch präsentieren, welches 1926 veröffentlicht wurde und 2021, 95 Jahre später nach US-Recht den Status "Public Domain" (Gemeinfreiheit) erlangte. Nach Christopher Robin Milnes Tod am 20. April 1996 verkaufte seine Witwe die Rechte an Puuh dem Bären an die Walt Disney Company. Solange Regisseur Rhys Frake-Waterfield im oben genannten Horrorfilm nichts verwendet, was wiederum Disney seinerzeit kreativ hinzu fügte, hat der Maus-Konzern aufgrund des PD-Status jedoch nun keine rechtliche Handhabe mehr.
Die Rechtsgrundlage vom Schutz geistigen Eigentums ist ein Thema, das Bücher füllen könnte und hat nirgendwo eine derartige Komplexität erlangt wie in den USA. Da nun in den kommenden Jahren viele bekannte und berühmte Werke der 20er Jahre aus Literatur, Musik und Film in die erwähnte 95'er Frist kommen, könnte die Medienlandschaft von Hollywood und Co., die sich unlängst in eine kreative Sackgasse aus Reboots, Remakes und Spin-Offs verrannt hat, noch um einige bekannte Franchises "bereichert" werden. Dieser Umstand entfachte unlängst Diskussionen in entsprechenden Fachkreisen. Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Obersten Gerichtshof, gab zu Protokoll, dass (Zitat:) "Wir an der Schwelle zu einer Zeit stehen, in der Urheberrechte für eine Reihe visueller Werke auslaufen." und auf einen eventuell kaum überschaubaren Ansturm an Rechtsverletzungsverfahren hinweist.
So haben diverse Nachrichtendienste reißerisch Artikel mit dem Thema veröffentlicht, dass Walt Disneys Micky Maus 2024 PD-Status erlangen wird und fröhlich darüber spekuliert, was dies wohl alles nach sich ziehen könnte. Nach Persönlichkeitsrecht hätte Micky sogar eine 70-Jahres-Frist nach dem Ableben Disneys bekommen, die erst 2036 ausläuft ... Nur ist Micky, Fans wissen das, nicht Walts persönliche Erfindung, sondern die von Ub Iwerks, der 1971 verstarb und die Frist damit sogar bis 2041 verlängern würde. Das Alles zählt aber nicht, weil Disney schon lange vorher festgelegt hatte, seine Kreationen ins Firmenrecht zu integrieren. Natürlich hatte er damals von der heutigen Rechtslage noch keinen Schimmer.
Und somit werden Figuren wie King Kong, Popeye, Flash Gordon, Superman und auch Micky & Donald im Laufe der nächsten Jahre gemeinfrei werden. Aber was bedeutet das im Detail? Vereinfacht gesagt geht es darum, dass Micky im Laufe der Jahrzehnte optisch immer wieder verändert wurde, wobei jeder Stil wiederum seinen eigenen Urheberrechtsanspruch einfordern kann.
Anders herum gesagt: Jeder darf eine Micky Maus öffentlich ausstellen, solange sie nicht wie eine von Disney gezeichnete Micky aussieht. Dieser "optische Schutz" verwirkt jedoch nach 95 Jahren. Aktuell geht es um die Verwendung Disneys erster Micky-Cartoons von 1929, allen voran der Klassiker "Steamboat Willie". Kann und darf ein Drittunternehmen ab 2024 die berühmte Dampferszene auf ein T-Shirt drucken und verkaufen, ohne von Disney belangt werden zu können? Nach US-Recht grundsätzlich ja!
Natürlich ist die kleine Maus nicht nur Copyright- sondern auch Marken-geschützt, und dieses Trademark läuft grundsätzlich NICHT ab, solange Disney existiert. Gerade hier wird es mit der Rechtsgrundlage aber etwas schwammig. Ein Trademark beinhaltet, dass die "Ideale" eines Unternehmens nicht gefährdet werden dürfen, und DAS treibt Rechtsexperten Schweißperlen auf die Stirn angesichts eines Unternehmens, dem zur Zeit angedichtet wird, sich auch noch Sony oder/und Netflix unter den Nagel zu reißen, um seinem Medien-Monster weitere Tentakel hinzufügen zu können.
Selbstredend beschäftigt der Konzern nicht nur einige der besten Künstler der Welt sondern wohl auch einige der besten Rechtsanwälte; und dass Disney mit Rechtsverletzungen nicht zimperlich umgeht, hat er schon des Öfteren unter Beweis gestellt. So wurde eine Kindertagesstätte in Florida gezwungen, ein nicht autorisiertes Minnie-Maus-Wandbild zu entfernen. Im Jahr 2006 sagte Disney einem Steinmetz, dass das Schnitzen von Winnie Puuh in den Grabstein eines Kindes das Urheberrecht verletzen würde, und 2020 berechnete eine Disney-Tochtergesellschaft einer Grundschule 250 US-Dollar, weil sie "Der König der Löwen" ohne Erlaubnis bei einer PTA-Spendenaktion gezeigt hatte.
Der darauf folgende Mediensturm war so heftig, dass sich Robert A. Iger entschuldigte und sagte, er würde eine persönliche Spende leisten. "Wenn es etwas gibt, das Disney ernster nimmt als geistiges Eigentum, dann ist es das Image in der Öffentlichkeit.", frotzelte Rechtsanwalt Aaron J. Moss, der explizit auf die ständig anwachsende "Creator Culture" der sozialen Medien von YouTube bis TikTok aufmerksam macht. Diese Landschaft könnte für Disney eine Herausforderung darstellen, wenn "Steamboat Willie" PD-Status erhält. "Sie werden nicht in der Lage sein, alle zu verfolgen", sagt Moss, "Kampflinien müssen gezogen werden." Frau Ginsburg gibt an, sie beobachte genau, ob Disney und andere Medien-Unternehmen versuchen, das Markenrecht als Ersatz oder Erweiterung des Urheberrechts anzuwenden, um, wie sie es ausdrückt, "einen separaten Schutz anzuwenden, der letztendlich greifen kann".
Im Falle von "Steamboat Willie" hat Disney dies unlängst getan. 2007 wurde das Firmenlogo neu gestaltet, der pfeifende Steamboat-Micky darin integriert und damit markengeschützt. Vielleicht - ich spekuliere hier - ist sogar Mickys optische wie charakterliche (freche) Rückkehr in alte Zeiten, welche 2013 begann (aktuelles Franchise: "The Wonderful World of Mickey Mouse"), nicht nur eine künstlerische Frischzellenkur, sondern schlägt auch rechtlich einen Bogen in die Vergangenheit, um später eventuelle Ansprüche des Konzerns unterfüttern zu können.
Die Themen Micky Maus und Urheberrecht sind seit Ende der 1990er Jahre im öffentlichen Bewusstsein, als sich Disney und andere Medienunternehmen erfolgreich für eine Ausweitung des Urheberrechtsschutzes im Kongress einsetzten. In vielerlei Hinsicht ist Micky dabei zum ultimativen Symbol für geistiges Eigentum geworden. Die Verlängerung des Urheberrechts von 1998 löste einen hässlichen Rechtsstreit aus, wobei Kritiker argumentierten, der Kongress habe die Verfassung missachtet, die klar vorsieht, dass Urheberrechtsschutz nur für eine begrenzte Zeit gewährt werde.
Laut Paul Goldstein, Professor an der Stanford Law School und Autor einer fünfbändigen Abhandlung über das US-Urheberrecht, tauchten damals erstmals "Free the Mouse"-Autoaufkleber auf. "Disney hat nicht aktiver auf die Verlängerung gedrängt als alle anderen, aber der Konzern habe einen bequemen Bösewicht abgegeben.", sagte er. Ginsburg und ihre Richter-Kollegen segneten zwar damals die Kongress-Entscheidung ab, warnten aber vor einer erneuten Verlängerungs-Forderung, die wohl nur in einer unsäglichen Schlammschlacht enden würde. Auch Rechtsanwalt und Medienexperte Daniel Mayeda erklärt: "Sie haben ihre Amtszeit für Micky & Co. erfolgreich verlängert, aber ich denke, dies wird das Ende der Fahnenstange sein."
EdiGrieg unter Zuhilfenahme eines Artikels von Brooks Barnes (New York Times, 27.Dezember 2022)
Weniger Sexualität, mehr Sinnlichkeit: Nachdem Steven Soderbergh in Magic Mike XXL "nur" die Kamera führte und den Schnitt betreute, kehrt das Regie-Chamäleon für den (wahrscheinlichen) Abschluss der Channing-Tatum-Stripper-Saga zurück auf den Regiestuhl. Und dieses Mal muss sich der vom Striptease zum Handwerk zum Striptease zum Handwerk zum Barkeeping wechselnde Titelheld seinem womöglich größten Feind stellen: Dem Altern!
Denn zu Beginn von Magic Mike's Last Dance treffen wir den einstigen Superstripper als müde gewordenen Mann. Sein kleiner Handwerksbetrieb ist an den Klippen der harschen wirtschaftlichen Realität unserer Zeit zerschellt, und er hält sich für zu alt, um in seine vorherige Profession zurückzukehren. Als er aber auf einem Event von Maxandra Mendoza (Salma Hayek Pinault), der wohlhabenden Gattin eines Medienimperialisten, der sich ungeliebt fühlenden Gastgeberin auffällt, macht sie ihm ein verführerisches Angebot: Eine Mordssumme für einen verboten heißen Lapdance.
Magic Mike heißt nicht grundlos Magic Mike und tanzt für und mit seiner Auftraggeberin auf eine dermaßen prickelnde Art und Weise, dass sie sich daraufhin wie ein völlig neuer Mensch fühlt - und zum Dank Mikes Leben umkrempeln will: Sie gibt ihm die einmalige Gelegenheit, in einem altehrwürdigen Londoner Theater Regie zu führen. Doch wie viel kreativer Saft steckt noch in einem Stripper, der nicht mehr tanzen will?
Der erste Magic Mike ist ein über weite Strecken uringelb farbgefiltertes Drama darüber, wie sehr das Strippen Männerfreundschaften zersetzen und Liebesbeziehungen auf die Probe stellen kann. Unterbrochen von Performances, die Soderbergh so inszeniert, als wolle er sagen: "Schaut! Schaut, wie toll diese trainierten Männer tanzen! Es ist siffig, aber schaut doch!"
Magic Mike XXL gelingt unter der Regie von Gregory Jacobs der Transfer: In einer locker-lässigen "Lasst uns mit den Kings of Tampa abhängen"-Atmosphäre wird daran gewerkelt, wie erotische Tänze mehr sein können. Wie sie den Strippern die Möglichkeit geben, sich künstlerisch zu entfalten, und wie die betanzten Frauen mehr bekommen als eine tumbe Fleischbeschau.
Die Tänze wurden kreativer, gewitzter und für beide Seiten erfüllender, was in ein sensationelles Finale auf einem Wettbewerb im Rahmen einer Stripper-Convention mündet, dessen Ausgang jedoch völlig irrelevant ist. Wichtig ist: Magic Mike und seine königliche Florida-Tänzertruppe haben ihr Bestes gegeben!
Doch was macht ein Erotiktänzer, wenn er älter wird, sich zu genieren beginnt und über seine Gelenke jammert? Wohl dasselbe, was Action- und Tanzfilmstars machen, wenn sie nicht mehr unentwegt knapp und/oder eng bekleidet mitten im Getümmel stehen wollen oder können: Er tritt einen Schritt zurück, zieht lieber hinter den Kulissen die Strippen und tritt nur noch für seinen großen Heldenmoment vor die Kamera.
Magic Mike's Last Dance schleudert seinem Publikum daher weniger nackte Haut ins Gesicht und ersetzt stürmischen sexuellen Drang durch hingebungsvolle prickelnde Sinnlichkeit. Jedenfalls immer dann, wenn er nicht die Steven-Soderbergh-Variante eines durch "Lasst uns eine Show auf die Bühne stellen"-MGM-Musicals, gefiltert durch einen Step Up-Trittbrettfahrer-Tanzfilms ist.
Der erste Tanz in Magic Mike's Last Dance ist dennoch (oder gerade daher) sinnlicher, schärfer als alles, was die deutlich explizitere Netflix-Trilogie 365 Days zu bieten hat: Hayek Pinault und Tatum reiben und winden sich in engen, brisanten Stellungen, die großes Vertrauen ineinander verlangen. All das, während sie (größtenteils) bekleidet sind, selbst wenn Max und Mike ins Gesicht geschrieben steht, wie sehr sie sich nach engerem Kontakt verzehren.
Die prickelnde Choreografie dieser Sequenz und die hingebungsvollen Performances fängt Soderbergh in kühl-schmeichelnden Hochglanzbildern ein, die Kamera bleib weitestgehend in respektvoller Distanz zu den Figuren, als sei sie ein beschämter Beobachter, der jedoch zu fasziniert ist, um den Raum zu verlassen. Dieser Auftakt wird gen Ende in einem geradezu athletischen, dennoch zärtlichen Contemporary im strömenden Theaterregen gespiegelt: Er ist artistischer, ausdrucksvoller und theatraler, in ihm erzählen Tatum und seine Tanzpartnerin Christie-Leigh Emby wortlos eine Geschichte, während Max und Mike zu Filmbeginn reiner Begierde nachgingen.
Der Wassertanz löst auch (zumindest partiell) eine thematische Diskussion in Magic Mike's Last Dance ein: Max sucht privat wie beruflich feministische Erfüllung und einen Weg zur Selbstbestimmung. Die in Mikes Show involvierte Theaterschauspielerin Hannah (Juliette Motamed) unterstreicht den Wunsch nach künstlerischer Erfüllung in Form weiblicher Perspektive. Fragen, die im Dialog wiederholt angestoßen, nicht aber groß ausdiskutiert werden.
Allerdings wird, ähnlich wie hinsichtlich der Suche nach besserem Erotiktanz in Magic Mike XXL, ein Lösungsvorschlag ausgeführt: Diese Tanzshow voller durchtrainierter Männer umfasst auch Nummern, in denen Frauen mittanzen. Wunscherfüllung durch repräsentierte Partizipation, wenn man so will.
Zwischen diesen Eckpfeilern des Films steht ein ausgedehnter Mittelteil, in dem wenig getanzt, noch weniger Kleidung vom Leib gerissen, und viel geplant wird. Wir müssen Tänzer casten! Die Besetzung des für Mikes Stück abgesetzten Dramas will involviert werden! Mike hat Ideen, die aber Maxandra ablehnt. Maxandra will sich auf Mikes Ideen einlassen, aber er hat keine. Mike und Max ziehen an einem Strang, doch die Behörden stellen sich ihnen in den Weg! Private Konflikte zehren an den Nerven! Private Konflikte inspirieren!
Auf dem Papier ist das ziemlicher Genrestandard, und auf der erzählerischen Oberfläche bleibt es auch so. Allerdings bemüht sich Soderbergh, mit Stil und Klasse durch dieses Standardprozedere zu schreiten. Im Interview mit Matt Zoller Seitz von Vulture benannte Soderbergh als Inspirationsquellen den Dialogwitz der Komödien eines Ernst Lubitsch, die feministisch-meinungsstarken Charakterzeichnungen einer Lina Wertmüller und die Bildsprache eines Bernardo Bertolucci.
Nicht, dass Soderbergh sich auf eine Stufe mit diesen Vorbildern stellt, oder Magic Mike's Last Dance aus dem Stand heraus von Fans auf diese Stufe gehoben wird. Aber die Absicht, der Blick hin zu ihnen, ehrt Soderbergh und ist zuweilen, flüchtig zu merken. Hayek Pinault spielt eine stolze, in prachtvoll-bossiger Mode gekleidete, frustrierte Gattin-in-Trennung, die ebenso sehr als Mikes Mäzenin agiert, wie sie als Produkt einer Männerwelt sich im Heute endlich selbst neu definieren will, auch wenn sie die dazu nötige Methodik noch nicht beherrscht.
Max' belesene, vorlaute und trotzdem empathische Adoptivtochter Zadie (Jemelia George) und Butler Victor (Ayub Khan Din) sorgen verlässlich für spitzzüngige Wortwechsel. Und die Situationskomik, wenn Ex-Schreiner/Ex-Stripper/Erotikshowregisseur Mike mit Londons High Society kollidiert, ist köstlich. Doch zwischen zündenden Momenten der figurenbasierten Komik und der Dramatik einer Projekt- und Beziehungsfindung plätschern wiederholte Charaktermomente orientierungslos aus, als wäre die Idee für eine Szene bereits da, nicht aber die Idee, wie sie umgesetzt werden sollte.
Ohne großes tonales Augenzwinkern hat Magic Mike's Last Dance gleichwohl ein metafiktionales Echo. Ging doch auch Channing Tatum nach Magic Mike XXL den Weg nach (Las Vegas und daraufhin nach) London, um dort eine erotisch angehauchte Tanzshow auf die Bühne zu stellen. War doch auch Tatum einige Jahre lang wenig im Rampenlicht zu sehen, orientierte sich privat und als kreativer Schöpfer neu. Die ersten zwei Drittel von Magic Mike's Last Dance sind insofern ein fiktionalisiertes Making-of der realen Magic Mike-Liveshow, deren Choreografien als Blaupause für das Finale dieses Films dienten.
Zugleich steht der Verdacht im Raum, dass auch etwas Soderbergh in Magic Mike steckt. Kündigte der Filmemacher doch schon mehrmals seinen (Kino-)Ruhestand an, bloß um dann doch wieder zurückzukehren. Und wer wettet, dass die verzweifelte Suche nach einem funktionierenden dritten Akt auch ihm schon mehrmals die Nerven geraubt hat, dürfte diese Wette gewinnen.
Das Ringen darum, die Showplanung zu vollenden, hätte mehr Pfeffer vertragen können, sei es durch Witz, Dramatik oder erhellende Einblicke in den Kreativprozess. Und sowohl beim Casting als auch in den Proben und in der Finalshow kommt es gelegentlich zu einer sperrigen Kluft zwischen der gezeigten Choreografie und der letztendlich drunter gelegten Musik.
Wenn Magic Mike's Last Dance Feuer fängt, brennt es trotzdem lichterloh. Vor allem während der filmischen Kurzform der Magic Mike-Liveshow, die durch pointierte Blicke auf das Publikum, eine großartige Soundabmischung und eine sich förmlich näher an die Action sehnende, am Riemen reißende Kameraarbeit mächtig Stimmung macht.
Magic Mike's Last Dance ist in vielen Kinos zu sehen.
Die Academy Awards bleiben auch in der Saison 2022/2023 ein undurchsichtiger Mischmasch aus offensichtlichen Antworten und Unberechenbarkeiten. Nach zwei stark von der Pandemie beeinflussten Jahren ist dieses Mal vor allem ein Element für meine Verwirrung zuständig: Zwiegespaltener Diskurs!
Babylon etwa hat zwar viele negative Kritiken und ein desaströses US-Einspielergebnis, doch diejenigen, die ihn lieben, lieben ihn. Sind genug Leute von diesem Schlag in der Academy, um ihm Nominierungen zu sichern? Top Gun: Maverick ist ein sehr gut gemachter, aber inhaltlich total normaler Action-Blockbuster - reicht das dieses Jahr aus, um die Academy in einen ähnlichen Taumel der Begeisterung zu versetzen wie die US-Presse, große Teile der internationalen Presse und das zahlende Publikum?
Everything Everywhere All at Once würde in jedem anderen Jahr als "zu schräg für die Academy" abgetan, aber reichte das monatelange Dauerfeuer an Hype seitens Filmfans und der Presse aus, um im Zusammenspiel mit der Verjüngung der Academy doch mehrere Nominierungen herbeizuwillen?
Egal, wie es kommt: Am Ende wird es heißen "war doch klar!" Babylon, Top Gun: Maverick und Everything Everywhere All at Once sind drin? "Klar, deren Fans sind doch so vehement!" Sie werden aus dem Rennen ausgeschlossen? "War doch klar: Zu kontrovers, zu tumb, zu schräg!"
Und was ist mit Die Fabelmans, einem Film, den viele als sichere Bank sahen, der in seinen ersten Schüben der Veröffentlichung auch viel und positiv diskutiert wurde, dann an den US-Kinokassen unterging und in der Industrie wenig besprochen wurde, bevor er gegen Ende der Nominierungs-Votingphase wieder an Fahrt zulegte, etwa durch die auf einmal wieder beachteten Golden Globes?
Ich bin sehr gespannt, was uns am Dienstag erwartet. Meine Vermutungen besagen, dass es folgendes Feld sein wird:
Bester Animationsfilm
Guillermo del Toro's Pinocchio
Der kleine Nick
Marcell the Shell with Shoes On
Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch
Rot
Bestes adaptiertes Drehbuch
Im Westen nichts Neues, Edward Berger, Lesley Paterson & Ian Stokell
Glass Onion, Rian Johnson
Living, Kazuo Ishiguro
The Whale, Samuel D. Hunter
Die Aussprache, Sarah Polley
Bestes Original-Drehbuch
Aftersun, Charlotte Wells
The Banshees of Inisherin, Martin McDonagh
Everything Everywhere All at Once, Daniel Kwan & Daniel Scheinert
Die Fabelmans, Steven Spielberg & Tony Kushner
Tár, Todd Field
Beste Kamera
Im Westen nichts Neues, James Friend
Elvis, Mandy Walker
Empire of Light, Roger Deakins
Nope, Hoyte Van Hoytema
Top Gun: Maverick, Claudio Miranda
Beste Kostüme
Babylon, Mary Zophres
Black Panther: Wakanda Forever, Ruth E. Carter
Elvis, Catherine Martin
Mrs. Harris und ein Kleid von Dior, Jenny Beavan
The Woman King, Gersha Phillips
Bester Schnitt
Avatar: The Way of Water, David Brenner, James Cameron, John Refoua & Stephen E. Rivkin
Babylon, Tom Cross
Elvis, Jonathan Redmond & Matt Villa
Everything Everywhere All at Once, Paul Rogers
Top Gun: Maverick, Chris Lebenzon & Eddie Hamilton
Bestes Produktionsdesign
Avatar: The Way of Water, Dylan Cole, Ben Procter & Vanessa Cole
Babylon, Florencia Martin & Anthony Carlino
Elvis, Catherine Martin & Karen Murphy
Die Fabelmans, Rick Carter & Karen O'Hara
Glass Onion, Rick Heinrichs
Bester Dokumentarfilm
All that Breathes
All the Beauty and the Bloodshed
Fire of Love
Moonage Daydream
Navalny
Bester Doku-Kurzfilm
The Elephant Whisperers
The Flagmakers
Holding Moses
How Do You Measure a Year?
38 at the Garden
Bester internationaler Film
Argentina, 1985, Argentinien
Im Westen nichts Neues, Deutschland
Close, Belgien
Die Frau im Nebel, Südkorea
EO, Polen
Bestes Makeup & Hairstyling
Babylon
The Batman
Black Panther: Wakanda Forever
Elvis
The Whale
Beste Filmmusik
Babylon, Justin Hurwitz
The Banshees of Inisherin, Carter Burwell
Die Fabelmans, John Williams
Guillermo del Toro’s Pinocchio, Alexandre Desplat
Die Aussprache, Carter Burwell
Bester Song
Lift Me Up aus Black Panther: Wakanda Forever
Til You're Home aus Ein Mann namens Otto
Naatu Naatu aus RRR
Applause aus Tell It Like A Woman
Hold My Hand aus Top Gun: Maverick
Bester Animations-Kurzfilm
The Boy, the Mole, the Fox and the Horse
The Flying Sailor
My Year of Dicks
New Moon
An Ostrich Told Me the World Is Fake and I Think I Believe It
Bester Kurzfilm
An Irish Goodbye
Le Pupille
Nakam
The Red Suitcase
Warsha
Bester Ton
Im Westen nichts Neues
Avatar: The Way of Water
Babylon
Elvis
Top Gun: Maverick
Beste Effekte
Avatar: The Way of Water
The Batman
Doctor Strange in the Multiverse of Madness
Nope
Top Gun: Maverick
Bester Nebendarsteller
Brendan Gleeson, The Banshees of Inisherin
Barry Keoghan, The Banshees of Inisherin
Ke Huy Quan, Everything Everywhere All at Once
Paul Dano, Die Fabelmans
Eddie Redmayne, The Good Nurse
Beste Nebendarstellerin
Kerry Condon, The Banshees of Inisherin
Jamie Lee Curtis, Everything Everywhere All at Once
Stephanie Hsu, Everything Everywhere All at Once
Hong Chau, The Whale
Jessie Buckley, Die Aussprache
Spätestens durch ihren Globe-Gewinn und ihre Nominierung bei den SAG Awards nehmen immer mehr Oscar-Expert:innen Angela Bassett mit in ihre Prognose auf. Doch ich kann mir nicht helfen: Weder Black Panther noch Avengers || Endgame haben es geschafft, eine erste MCU-Schauspiel-Nominierung zu bewerkstelligen.
Also lässt sich sagen, dass die Academy in Sachen Schauspielwürdigung nicht an das MCU denkt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Film, dessen Blockbusterbuzz von Avatar: The Way of Water weggewalzt wurde, da groß was ändern wird. Zumal die Academy-Mitglieder, die etwas außerhalb des Rahmens denken schon ihr Stimmgewicht hinter Everything Everywhere All at Once werfen müssen...
Beste Hauptdarstellerin
Ana de Armas, Blonde
Michelle Yeoh, Everything Everywhere All at Once
Cate Blanchett, Tár
Danielle Deadwyler, Till
Viola Davis, The Woman King
Die vernünftige Prognose wäre, Michelle Williams für Die Fabelmans anstelle von Ana de Armas vorherzusagen: Die Academy liebt gut zusprechende Mutterfiguren, Steven Spielberg und Michelle Williams! Aber: Williams wurde nicht für den SAG Award nominiert, also den Preis der Schauspielgilde! Und selbst wenn SAG und die Academy Awards in dieser Kategorie nicht immer deckungsgleich sind, gehe ich dieses Jahr einfach diesen Weg.
Die jüngere, internationalere Zusammensetzung der Academy lässt sich, so meine Vermutung, eher auf den umstrittenen Blonde ein. Wir werden es sehen...
Bester Hauptdarsteller
Paul Mescal, Aftersun
Colin Farrell, The Banshees of Inisherin
Austin Butler, Elvis
Bill Nighy, Living
Brendan Fraser, The Whale
Beste Regie
James Cameron, Avatar: The Way of Water
Martin McDonagh, The Banshees of Inisherin
Daniel Kwan & Daniel Scheinert, Everything Everywhere All at Once
Steven Spielberg, Die Fabelmans
Todd Field, Tár
Bester Film
Im Westen nichts Neues
Avatar: The Way of Water
Babylon
The Banshees of Inisherin
Elvis
Everything Everywhere All at Once
Die Fabelmans
Tár
Top Gun: Maverick
The Whale
Kürzlich sicherte sich Im Westen nichts Neues satte 14 Nominierungen bei den BAFTAs - und da beide Akademien einige Überschneidungen in der Zusammensetzung haben, halte ich es also für sehr wahrscheinlich, dass Deutschland einen Film im "Bester Film"-Oscar-Rennen stellen wird. Kurios, dass aus dem Land des ständig selbstgeißelnden "Wir können keine guten Filme!"-Aufrufs bislang so wenig Begeisterung über das Awards-Abschneiden, ach, über den Film generell zu vernehmen war.
The Whale hat zwar abseits Brandan Frasers Performance eher für zwiegespaltene Reaktionen gesorgt, aber ab und zu ist der Academy sowas egal. Und: Filme mit einer lautstark zelebrierten männlichen Performance rutschen üblicherweise auch ins Rennen um diese Kategorie.
Dass Top Gun: Maverick letztlich nicht nominiert wird, halte ich für wahrscheinlicher als wohl viele Oscar-Tippspielende. Doch dieses Oscar-Rennen ist so kurios, ich möchte keinen als sicher geltenden Tipp für ein törichtes Wagnis abgeben, also behalte ich den Mega-Blockbuster in meiner Vorhersage. Aber sollte er oder ein anderer Titel rausfliegen und dafür Glass Onion reinkommen, ich wäre nicht erstaunt.
Ich liebe Musicals, und ich habe oftmals diebischen Spaß daran, wenn sich Non-Musicals kurzzeitig in die kinetische Welt des Gesangs und Tanzes stürzen. Daher möchte ich die lange, lange Wartezeit zwischen meiner Flopliste 2022 und meinen noch ausstehenden Tops überbrücken, indem ich hier meine liebsten Musik-und-Tanz-Sequenzen 2022 zelebriere.
Bevor ich zu den Top 10 komme, erst einmal in beliebiger Reihenfolge ein paar artverwandte Szenen, die es mir ebenfalls angetan haben. In Baz Luhrmanns rauschhaftem Biopic Elvis stechen vor allem die Performance von Trouble, die Elvis' rebellisches Naturell unterstreicht, Suspicious Minds, das er in Las Vegas in einer Szene singt, während seine Missachtung für seinen Manager wächst, und die Gänsehaut-Darbietung von Unchained Melody heraus. Jedoch sind es streng genommen keine Musical-Einlagen, sondern schlicht und ergreifend Bühnenauftritte in einem Film über einen Musiker.
Tonal und inszenatorisch ganz anders, allerdings aus demselben Grund kein Musical, ist die Netflix-Komödie Metal Lords, die für mich eine der freudigsten Überraschungen des Jahres war: Inszeniert von Peter Sollett (Nick und Norah – Soundtrack einer Nacht) und geschrieben von D. B. Weiss (Game of Thrones) dreht sich der Film um eine Außenseitertruppe, die durch ihre Liebe (oder neu gefundene Begeisterung) zum Metal zusammengeschweißt wird. Die Komödie hat Charme und Witz, mutet ein bisschen so an, als hätte man einen Disney-Teenie-Film oder einen School of Rock-Trittbrettfahrer genommen und mit ein paar Kanten und sexuellen Anspielungen gewürzt, ohne dabei unnötig zu übertreiben. Emma.-Nebendarstellerin Isis Hainsworth kann hier gehörig auftrumpfen und die Performances der Band, inklusive des Originalsongs Machinery Of Torment, können sich echt hören lassen!
Auch im Kino gab es eine fiktive Band zu sehen, die fetzt: Die Dramödie Alle für Ella mit Lina Larissa Strahl über drei Freundinnen, deren Beziehung zueinander durch sich unterscheidende Karrierebestrebungen bedroht wird, hat sogleich mehrere stimmige Originalsongs zu bieten. Der beste ist der auch in der Promo zum Film viel verwendete, bittersüße Meine Fehler, der Dickköpfigkeit, die Lust, aufzubrechen, und einen Hauch Reue vereint.
Um aber endlich zu Musicaleinlagen zu kommen: Das märchenhafte Abenteuer Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch sieht nicht bloß atemberaubend aus, sondern beginnt auch mit einer peppigen, etwas monotonen, aber dadurch auch irgendwie verwunderlich-humorvollen, selbstbeweihräuchernden Musicaleinlage darüber, wie toll, beliebt und furchtlos der Titelheld doch ist. Die Szene macht Spaß, ging mir dann für einen Zeitraum von vielleicht 15 Sekunden zu lang und danach dachte ich nur noch "Oh, das kann noch stundenlang so weitergehen". Es ist kein Song, den ich mir vom Film losgelöst häufig anhören würde, aber ich denke gern an die Szene zurück (und an den grandiosen Film insgesamt sowieso).
Und Verwünscht nochmal hat mich zwar mit seiner laschen Gagdichte, ernüchternden Charakterzeichnung und steifen Inszenierung ziemlich enttäuscht (lang erwartete, direkt auf Disney+ geparkte Sequels hatten 2022 ein Murks-Jahr). Aber: Das musikalische "Ich bin besser darin, böse zu sein, als du"-Duell zwischen Amy Adams und Maya Rudolph hat mich kurzzeitig davon träumen lassen, dass eine gelungenere Version des Films möglich war.
Tja, und wenn ich aktuell Apple TV+ hätte, könnte ich auch sagen, ob eine Szene aus Spirited in meinem Ranking wäre. Aber da dem nicht so ist, geht's nun halt endlich mit meinen Top 10 los. Und in Anlehnung an meine früheren Filmsongs-Rankings hier im Blog (und um keinen Überdruss an Songs aus einem einzigen Film zu haben), gilt: In die Top 10 darf nur eine Musicaleinlage pro Film! Doch ich lasse euch hie und da wissen, welche anderen Songs ich mochte, wenn es sich denn anbietet...
Platz 10: Big Time aus Bühne frei für Nate
Disney hat leider vorerst seinen King of Camp an Netflix verloren. Aber nimmt man Disney einen Kenny Ortega weg, und gibt ihm bei der Konkurrenz einen Exklusivvertrag, dann wachsen zwei Camp-Kronprinzen nach: Paul Hoen schickt sich mit seiner Z-O-M-B-I-E-S-Saga an, die quirlig-stolze, bunt-schräge Seite Ortegas im Maus der Haus aufrecht zu halten. Cocktailbuchautor Tim Federle wiederum führt nicht nur mit High School Musical: Das Musical: Die Serie Ortegas inhaltliches Erbe fort, sondern inszenierte mit der Disney+-Adaption seines eigenen Bühnenstücks Bühne frei für Nate die Art Film, die Ortega sicher schon längst für Disney gemacht hätte, wäre die Zeit früher reif gewesen: Ein musicalbegeisterter Junge dampft abrupt ab nach New York, um bei einem Broadwaymusical vorzusprechen. Was daraus entsteht, hat die "Kind in der großen Stadt"-Energie früherer Disney Channel Original Movies, gefilmt mit der Größe einer 2000er-Jahre-Disney-Familienomödien-Kinoproduktion. Doch: Halt!
Titelheld Nate und seine beste Freundin haben keinen romantischen Subplot, sondern eine "Sie glaubt, wenn man so eng miteinander ist, müsste da vielleicht Interesse füreinander bestehen, weil, so läuft das doch...(?) während er sich einen Ruck gibt und ein Regenbogenglücksarmband kauft"-Randgeschichte. Ein kurzweiliger Disney-Film, der seine Begeisterung für Bühnenmusicals verinnerlicht hat, aber ähnlich verstohlen-impulsiv zeigt wie Nate zum Verkaufsstand stürmt, um sich sein Armband zu holen: Die meisten Musikeinlagen sind eher kontemporär-social-media-tauglich, was Federle authentisch ins Geschehen einbindet, statt anbiedernd. Dennoch schlägt mein Herz am lautesten, wenn es altmodisch in einer "I Want It All aus High School Musical 3: Senior Year"-esken Traumsequenz auf die Bretter geht, die die Welt bedeuten.
Habe ich schon gesagt, dass ich Kenny Ortega vermisse? Hocus Pocus 2 führt nahezu konstant vor, dass der Choreograf und Regisseur eine prägendere Handschrift hat, als man ihm gemeinhin zumuten würde. Aber wenigstens der obligatorische Versuch, die I Put a Spell on You-Sequenz aus dem Original zu kopieren, macht was her. Die Magie konnte nicht wiederholt werden, aber hier ist wenigstens ein Funken munter-spritziger Zauber versteckt, der dem restlichen Sequel praktisch durchweg fehlt.
Ein super-knuffiges Krokodil, das singen und tanzen kann, freundet sich mit einer etwas chaotischen Familie an: Fertig ist Lyle - Mein Freund, das Krokodil, ein Wohlfühl-Familienmusicalspaß mit Songs aus der Feder der Greatest Showman-Songwriter Benj Pasek & Justin Paul, unter Mitwirkung von Sänger (und Lyle-Originalstimme) Shawn Mendes. Ein harmloser, angenehmer Film, dessen Songs mir jedoch zumeist zu selbstständig-poppig sind. Als wären die potentiellen Spotify-Abrufzahlen wichtiger gewesen als ihre Integration in die Storyline. Rip up the Recipe ist die güldene Ausnahme (und im Film noch länger und pfiffiger als der obige Clip): Lyle bricht das Eis zur verschreckten Mutter des Hauses, indem er sie anregt, ihre Liebe zur Koch- und Backkunst wiederzufinden und abseits der Küche frohen, munteren Hobbys nachzugehen. Ein Sonnenstrahl von einer Szene!
Platz 7: Allein Allein aus Träume sind wie wilde Tiger
Nach Einsamkeit und Sex und Mitleid geht Lars Montag rüber ins Familienkino und inszeniert eine bunte Musicalkomödie voller Songs des Bibi & Tina-Teams Peter Plate & Ulf Leo Sommer. Der Ohrwurm Das Leben ist wie Mathematik, die Musiksehnsuchtsnummer Wenn ich sing und der Titelsong Träume sind wie wilde Tiger blieben mir in Erinnerung. Doch Allein Allein ist die für mich beste Kombination aus Lied und dazugehöriger Szene (die im Film auch wieder länger geht als der obige Clip). Mit Michel-Gondry-Touch sehen wir unsere Hauptfigur Ranji beim Musikvideodreh. Kreativ, verspielt, einfach hübsch: Noch ein Sonnenstrahl von einer Szene!
Platz 6: Clown Café aus Terrifier 2
Apropos froh und munter: Terrifier 2! Der absurde 139 Minuten lange, in feister Mitternachts-Sonderschiene-Logik operierende Slasher pausiert das Morden und Quälen für eine Traumsequenz, die zugleich mehrere Funktionen erfüllt. Sie diente zumindest mir als Irreführung, weil ich überzeugt war, dass sie jeden weiteren Kill des Films bitter-ironisch vorbereitet, was nicht in der von mir erwarteten Weise erfolgte. Sie bereitete aber sehr wohl spätere narrative Entwicklungen vor. Und sie gibt Regisseur Damien Leone ein Sprungbrett, um in diesem XXL-Schundkinoexzess sein Publikum minutenlang zu trollen. Naja, nicht sein komplettes Publikum, denn so Dödel wie ich sitzen fröhlich wippend vor der Kinder-TV-Gesang-Hommage und grinsen sich wund, statt sich zu wundern, geschweige denn zu langweilen. Für mich eine der Top-3-Szenen in diesem Film, der schon ganz allein ein knackiges Grindhouse-Double-Feature ergibt.
Wunderschöne Kostüme, bildhübsche Schauplätze und betörend-schmachtende Figuren: Joe Wrights Cyrano ist eine liebevolle Adaption des oft kopierten, adaptierten und neu interpretierten Cyrano de Bergerac-Stücks. Leider, leider, leider zündet bei mir nur selten die Musik, was in einem Musical nicht gerade ideal ist. Mit seinem verträumten Tanz durch Unmengen an Statist:innen und Drehorten, die UNESCO-Welterbe sind, ist Someone to Say trotzdem eine fabelhafte Szene. So fabelhaft, dass ich zwischendrin glatt vergesse, wie wenig mich der Song beeindruckt, und einfach nur mitschwärme.
Platz 4: Naatu Naatu aus RRR
Die zumindest in meinen filmaffinen Sphären am meisten hochgejubelte Musikeinlage des Filmjahres ist ein kräftiger Endorphinstoß mit einer einprägsamen Choreografie. Die drei Rs des Films, die Hauptdarsteller Rama Rao und Ram Charan sowie Regisseur S. S. Rajamouli, toben sich hier munter aus. Und daher gönne ich Naatu Naatu seinen Jubel. Aber er lässt mich auch etwas verwundert zurück, denn es ist für mich einfach "nur" eine echt gute Musik-und-Tanz-Einlage (lasst euch von meinem Begleittext zu Rang 5 nicht in die Irre führen, diese Top 10 lässt mein Filmherz höher schlagen, da ist Platz vier kein Trostpreis). Es ist für mich nicht, wie gemeinhin getan wird, ein positiver WTF?!-Moment, ein cineastischer Triumph oder gar die beste Filmsequenz des Jahrtausends. Naja, lieber verwunderlich viel Liebe, als dass onlinefilmdiskurstypisch alles übertrieben verrissen wird. Schmeißt das Genörgel über Bord und let's dance!
Es gibt sie, diese Sequenzen, in denen ein nicht für den Film geschriebenes Lied durch geschickten Einsatz einen Film aufwertet und so sehr mit ihm verschmilzt, dass man schwören könnte, der Song sei für ihn geschrieben worden. Singin' in the Rain etwa wurde nicht für Singin' in the Rain verfasst, dennoch ist es der Einsatz in dieser Regiearbeit von Gene Kelly und Stanley Donen, der aus dem Musicallied einen Evergreen gemacht und den Film entscheidend mitgeprägt hat.
Nun mag es vermessen klingen, Anders ist gut respektive Bibi & Tina: Einfach anders mit Singin' in the Rain zu vergleichen, dennoch greifen ähnliche Argumente, selbst wenn in einer anderen Güteklasse: Das Lied Anders ist gut von Ulf Leo Sommer und Peter Plate wurde zuerst von Schlagersängerin Michelle veröffentlicht, ist in dieser Fassung aber diplomatisch gesagt nicht mein Fall. Die vom Bibi & Tina: Einfach anders-Cast eingesungene Version wiederum rundet (in einem Film voller Originalkompositionen) das kunterbunte, lebensfrohe Familienmusical nicht bloß thematisch ab. Sie klingt auch wenigerschmalzig, überzeugt mehr als ehrlich-munteres Lied über Selbstbewusstsein, Individualität und Zusammenhalt, und pusht somit den Film insgesamt noch einmal kurz vor Schluss. Simpel, aber effektiv.
Notiz am Rand: Auch die Originalsongs aus Einfach anders haben es mir nahezu durchweg angetan. Hallo Halloist ein absoluter Ohrwurm und die dazugehörige Szene buckscher Zuckerschock der Extraklasse (und war nach meinem ersten Anschauen des Films mein Favorit unter den Originalsongs), Bisschen kuscheln selbstironisch-und-dennoch-nicht-selbstdementierend harmonisch, Nein Danke ein wundervoller Unfug-Protestsong (und nach Runde zwei mein Liebling), Baby eine pfiffige Parodie selbstzentrischer Prahlsongs (wie sie nunmehr gerne bei der Teenie-Zielgruppe viral gehen), Lass es Kartoffeln regnen spricht wohl für sich, Liebe muss fliegen wirkt als Szene etwas gedrosselt (da wäre in Teil eins bis drei sicher mehr bei rausgesprungen), ist aber als Lied ein weiterer Ohrwurm, undV. Arscher ist im Moment mein Favorit unter den Originalsongs.
Das Finale der Disney-Musical-Trilogie Z-O-M-B-I-E-S ist wohl meine filmische Enttäuschung des Jahres: Gemessen an meinen Hoffnungen und Erwartungen hat mich die neuste Geschichte von Cheerleader-Mädchen Meg und Zombie-Quarterback Zed sehr ernüchtert zurückgelassen. Z-O-M-B-I-E-S 3 ist in meinen Augen keine Graupe, jedoch verzettelt er sich wiederholt und teilt sich seine Energien hinsichtlich Dramatik, Hibbeligkeit und Humor sehr ungleichmäßig ein.
Doch der Filmbeginn ist mir prägnant in Erinnerung geblieben, inklusive des den Plot in Gang setzenden Songs Alien Invasion. Während dieser Nummer wurden bei mir Hoffnungen wach, Disney ließe Regisseur Paul Hoen von der Leine und gestatte ihm, quasi ein Disney-Repo! The Genetic Opera raushauen: Laut, schrill, sozusagen poppig-opernhaft beginnt Z-O-M-B-I-E-S 3 als EDM-Disney-Pop-Familienmusical, das sich mit beiden Händen an der Ikonografie von Genre-Comics, 50er-Sci-Fi und 30er/40er-Gruselfilmen bedient, gefiltert durch kinderfreundliche Kaugummiverpackung-Grafik, angereichert mit Selbstironie und mindestens einen Dreiviertelliter Energy Drink. Vielleicht traut sich Disney eines Tages, einen Film zu machen, der durchweg die Power dieser Musicaleinlage aufrecht erhält. Ich wäre Fan, ach was, Überfan!
Die weiteren Songs des Films sind stellenweise Mitgrund, weshalb Z-O-M-B-I-E-S 3 als Film nicht höher in meiner Gunst steht, aber Ain't No Doubt About It ist als Song und Szene schön-neckischer Disney-Teenie-Camp
Pride-Regisseur Matthew Warchus inszenierte am Londoner West End eine ungeheuerlich erfolgreiche und vielfach prämierte Bühnen-Musicalfassung von Matilda, dieses Jahr brachte er das Theaterstück auf die Leinwand (etwa in Großbritannien), respektive direkt zu Netflix (etwa in Deutschland). Dabei herausgekommen ist ein kreativer Film, der seine Vorlage und dessen Vorlage respektiert, sich jedoch nicht zwanghaft an ihnen klammert, sondern wiederholt eigene Wege geht, um sich seinem Medium anzupassen. Zwar finde ichWarchus' Roald Dahls Matilda- Das Musical ein wenig überdehnt, trotzdem ist es ein einfalls- und energiereicher Film mit starkem Cast und zahlreichen denkwürdigen Nummern
Die Szene des Films schlechthin ist für mich die vorletzte Gesangs- und Tanzeinlage, das befreiende und kraftvolle Revolting Children, in dem die unterjochten Schüler:innen geschlossen aufbegehren und singend, tanzend, revoltierend für ihr Recht einstehen, jung, wild und experimentierfreudig zu sein.
Warchus warf den gesamten Film über die Bühnenchoreografie aus dem Fenster, um die Lieder aus dem Bühnenstück reif für die Kamera zu machen, und für die Revolting Children-Sequenz hatte seine Choreografin Ellen Kane zwei Wünsche. Erstens: Der mit 300 (!) Tänzer:innen gedrehte Aufstand der Kinder sollte gleichberechtigt von einem Jungen und einem Mädchen angeführt werden. Zweitens: Die ganze Szene sollte sich so anfühlen, als würde ein Staudamm brechen und daraufhin eine Flut die Schule überrollen. Warchus folgte Kanes Wunsch und so schufen sie die beste Musicalszene des Jahres, mit großem Abstand!
Die Tanzschritte und akrobatischen Einlagen sind atemberaubend, die Kamera hält mit den losgelösten Kindern Schritt, gleichzeitig sorgt ein vergleichsweise gezügelter Schnitt dafür, dass wir das Spektakel auf uns wirken lassen können, es uns förmlich wegspült, statt dass es ein Schnittgewitter davon ablenkt. Der temporeiche, beschwingte und ebenso gewitzte wie triumphal-aufstachelnd Song entwickelt daher förmlich Signalwirkung, ist die Krönung des vorangegangenen Films und führt einen Großteil der Geschichte zu einem emotional höchst befriedigenden Abschluss.
Und ja, die Sequenz hat Meesha Garbett zur TikTok-Ikone gemacht, aber im Gegensatz zu gewissen anderen TikTok-Ereignissen 2022 mit Filmbezug lässt mich das nicht ratlos zurück. Im Gegenteil: Garbett haut hier eine wuchtige Performance raus und gibt der Sequenz einen zusätzlichen Pepp. Dass sie via TikTok Millionen von (oft jungen) Menschen ordentlich einheizt, sei ihr vergönnt und bestätigt die Wirkung dieser Szene. Revolting Children - das Highlight des Films, ein Highlight des Filmjahres 2022 und ich wage die Prognose: Ein filmischer Höhepunkt, der noch lange nachwirken wird!