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Freitag, 8. September 2023

Freitag der Karibik #75

Das Warten auf Pirates of the Caribbean 6 nimmt und nimmt kein Ende. Margot Robbie umgarnt die Disney-Studios seit Jahren, ihre eigene kleine Insel im verfluchten Karibikuniversum besiedeln zu dürfen. Disney hat Robbies Begehren nicht in die Tonne gekloppt, vorangekommen ist man aber partout nicht. Weshalb selbst Robbie dachte, Disney sei einfach desinteressert, woraufhin Produzent Jerry Bruckheimer öffentlich deklarieren musste, dass die Margot-Karibik nicht aufgegeben wurde. Es benötige nur etwas Zeit, bis man sie bereist. Dumm von Disney, so lange zu warten. In einem alternativen Universum wäre der Film bereits im Kasten und wartet darauf, als erstes Margot-Robbie-Projekt nach dem globalen Kinophänomen Barbie auf der weltweiten Welle der Begeisterung für die talentierte Australierin zu reiten.

So ernüchtert Robbie zuletzt klang, als sie sich über Pirates of the Caribbean äußerte, so positiv überrascht meldete sich kürzlich Craig Mazin zu Wort: Der Hangover 2 & 3-Autor und Chernobyl-Serienschöpfer steht seit nunmehr vier Jahren (!) gemeinsam mit PotC-Veteran Ted Elliott hinter einem Pirates of the Caribbean-Projekt, das parallel (und angeblich nicht in Konkurrenz) zu Robbies Film entwickelt wird. Jetzt endlich wurde uns ein winziger Einblick gestattet, was uns mit Mazins und Elliotts Film erwarten könnte - und wie es um ihn bestellt ist.

Gegenüber Variety erklärte Mazin, dass er und Elliot eine im etablierten Kanon spielende Grundidee vorgeschlagen haben, und vollauf davon überzeugt waren, dass Disney sie ablehnen wird. "Zu seltsam", sei sie. Und dann... hat Disney zugeschlagen. Das Skript ist laut Mazin fertig und nun warte man das Ende der Streiks ab, die die US-amerikanischen Schauspiel- und Drehbuch-Gewerkschaften anberaumt haben, weil sich die Studios immer größere Teile des sprichwörtlichen Kuchens in die Tasche stecken und noch dazu Kunstschaffenden damit drohen, sie durch KI zu ersetzen. Hisst die Flaggen!

Mal ganz davon abgesehen, dass seit Salazars Rache mehrere Projekte semi-offiziell angekündigt und von der Gerüchteküche heraufbeschworen wurden, ohne dass irgendwas passiert ist, und ich daher nicht zu früh jubilierend in die Luft springen möchte: Mazins "zu seltsam"-Kommentar und die Behauptung, dass es direkt nach den Streiks losgehen könnte, sind für mich Anlass genug, zu fabulieren:

Welche Talente könnten Bruckheimer und Disney auf dem Regiestuhl platzieren, um meine Vorfreude in die Höhe schnellen zu lassen und mir Mut zu machen, dass sich "zu seltsam" nicht als leere Phrase herausstellen wird? (Stets vorausgesetzt, dass sie auch wirklich Lust haben. "Naja, irgendwie muss ich ja meine Hypothek abbezahlen"-Motivation für den Regiejob brauche ich nicht in meiner Lieblingsfilmreihe.)

David Prior

Womöglich mein heimlicher Lieblingskandidat für den Pirates of the Caribbean-Regieposten. Mit The Empty Man schuf er den goreverbinskihaftesten Film, den jemals eine Person gedreht hat, die nicht Gore Verbinski ist. Und was wäre angebrachter bei einem PotC-Teil als genau diese Energie, noch dazu bei einem Skript, das angeblich disney-untypisch seltsam sein soll?

David Fincher

Ja, eine absolut unrealistische Wahl. Fincher steckt die Alien 3-Erfahrung noch immer zu tief in den Knochen, als dass er bereitwillig in eine bestehende Filmreihe springen würde, und seine gescheiterten Anläufe, bei Disney eine 20.000 Meilen unter dem Meer-Neuinterpretation vom Stapel laufen zu lassen, dürften ihn auch nicht von der Idee schwärmen lassen, für's Maushaus nun die Segel gen Karibik zu setzen. Aber: Allein, dass in Fincher ein abenteuerversessener Knabe steckt, der für Disney einen Effektfilm drehen möchte (wäre das Studio halt was zuvorkommender), macht ihn zu einem guten PotC-Kandidaten. Zumal man disneyfilmhistorisch eine direkte Linie von Käpt'n Nemo zu den verfluchten Piraten ziehen kann.

Noch dazu ist David Fincher bekennender Gore-Verbinski-Fan. Nicht, dass der Regisseur hinter Sieben, Zodiac, Panic Room, Fight Club, Gone Girl und Mank es nötig hätte, noch weiter in meiner Sympathie zu steigen. Aber eine Wertschätzung für Verbinskis Schaffen ist zweifelsohne ein großer Bonus, will man in meiner Fantasie den Pirates of the Caribbean-Regieposten ergattern.

Julia Ducournau

"Zu seltsam", Herr Mazin? Hm? Dann lasst uns das Skript doch der Regisseurin von Raw und Titane überreichen, es ihrem Geschmack anpassen und sie dann mit einem großen Budget in die Karibik verschwinden, wo sie fernab der sich einmischenden Disney-Studiobosse ihr Piratending zuzieht. Das würde mich vorfreudig zappeln lassen. Pirates of the Caribbean war eh schon das hormonell aufgeladenste Franchise unter der Disney-Flagge, mal gucken, was die schräge Bodyhorror-Indie-Französin mit einem Hang für sexuelle Unter-, Zwischen- und Übertöne draus macht!

Und Filmtwitter wieder einmal brennen sehen, weil sich irgendwer an ein Franchise "verkauft" hat, ist auch ein Spaß. (Zumal in einer idealen Welt Hollywood durch Barbie nicht die Lektion lernt "mehr Mattel braucht das Kino", sondern "lasst kreative Frauen mal mit massig Geld haushalten, wird schon".) 

Guillermo del Toro

Komm schon, Disney. Lass den Mann wenigstens eine Bahn verfilmen!

Aritz Moreno

Schräger Humor, ein Sinn für große Bilder und das Jonglieren vieler Figuren, gepaart mit einem Auge für's Sonderbare: Von Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden hinein in Disneys Fluch-Karibik. Also, ich fänd's spannend.

Joseph Kosinski

Hat eine etablierte Arbeitsbeziehung mit Disney (Tron: Legacy) und Jerry Bruckheimer (Top Gun: Maverick), kann hervorragende Bilder und die Soundtracks seiner Filme sind im Normalfall absolut klasse. So gesehen trifft er einige der Grundvoraussetzungen für einen Pirates of the Caribbean-Film, auch wenn er aus dieser Liste der am wenigsten "sonderbare" Kandidat wäre. Aber selbst wenn ihm der "Was? Er?!"-Faktor fehlt: Er hat einst Tron: Legacy durchgerungen, was auch nicht gerade der archetypische Disney-Big-Budget-Film ist. Und da wir hier gerade eh träumen: Direkt nach PotC 6 kann er ja auch endlich Tron 3 drehen. (Sorry, Joachim Rønning. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem Tron-Film von dir und von Kosinski, dann nehme ich Kosinski.)

Alfonso Cuarón

Damit er auch mal in einem Franchise herumwerkelt, für das ich mich erwärmen kann. Und weil ich gespannt wäre, über wie viele Schiffsdecks er einen Longtake gehen lassen würde.

Coralie Fargeat

Die Revenge-Filmemacherin zählt David Cronenberg, David Lynch und Michael Haneke zu ihren Vorbildern, was nun nicht gerade nach einem Abstecher in Disneys Karibik klingt (auch wenn Cronenberg immerhin mit Keira Knightley zusammengearbeitet hat, will man hier Six Degrees of Disney Pirates spielen). Doch nicht nur, dass sie mit ihrer Regiearbeit an der Netflix-Serie The Sandman bewiesen hat, sich nicht vor etablierten Popkulturmarken zu scheuen:

Sie erklärte auch, sich zum absurd-opernhaften Kino zugezogen zu fühlen, und je nach Regisseur war die PotC-Saga auch durchaus eine sehr absurde Rockoper. Noch dazu nennt sie als weiteres Vorbild John Carpenter, und da Pirates of the Caribbean 6 laut Mazin "zu seltsam" wird, hätte Fargeat ja hiermit die Gelegenheit, ihrer Filmografie ein Projekt zuzufügen, das bei ihr ähnlich hervorsticht wie Big Trouble in Little China aus Carpenters.

Gina Prince-Bythewood

The Woman King vereint prunkvolle Action, Entertainment vor historischer Kulisse mit grandiosen Kostümen und nuancierte Charakterköpfe von Figuren, die locker von dramatisch zu schnippisch wechseln können. Der Film ist eigentlich ein starkes Bewerbungsvideo, von Hollywood eine Wagenladung voll Geld und den Auftrag "Hier, mach was Aufwändiges draus" zu erhalten, und mir kann niemand erzählen, dass Pirates of the Caribbean nach The Woman King ein Stilbruch für Prince-Bythewood wäre. Aber für Disney wäre sie eine interessantere Wahl als etwa einem Shawn Levy, Alan Taylor oder (sorry) Kenneth Branagh (der sich doch lieber seinen biografisch motivierten Passionsprojekten, Shakespeare und Agatha Christe widmen sollte, als dem Popcorn-Effektkino) die Zukunft der verfluchten Karibik zu überlassen.

Wen würdet ihr euch für Pirates of the Caribbean 6 wünschen? Und werden wir es jemals schaffen, wieder einen PotC-Film und einen neuen Gore-Verbinski-Film im selben Jahr spendiert zu bekommen? Beantwortet erste Frage gerne in den Kommentaren und drückt für ein "Ja" bezüglich der zweiten Frage die Daumen, me hearties, yo-ho!

Freitag, 25. Juni 2021

Freitag der Karibik #74

Was bisher geschah: Ich bin wieder voll im Piratenfieber. Daher widme ich mich nun den weniger bekannten Deleted Scenes aus Gore Verbinskis Pirates of the Caribbean-Fortsetzungen. Also den komplett gekippten oder gestutzten Filmpassagen, die erst in späteren, internationalen Sammeleditionen al Bonusmaterial zu finden waren. Die entsprechenden Szenen zu Teil zwei behandelte ich bereits hier.


Und nun weitere Deleted Scenes, inszeniert von Gore Verbinski!

Die Postproduktion von Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt war legendär-stressig. Der Drehschluss des großen Finales von Gore Verbinskis Piratentrilogie verschob sich aufgrund zahlreicher Komplikationen (von einem Hurrikan zerstörte Sets! Szenen, die komplett neu gedreht werden mussten, um bessere Effekte zu ermöglichen!) wiederholt nach hinten. Die kreativen Verantwortlichen beknieten daher Disney, den Starttermin von Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt ebenfalls zu verschieben. Doch sie lehnten ab. Und so mussten die sich stapelnden Erledigungen in deutlich weniger Zeit abgearbeitet werden, als geplant. Der Legende nach erhielt Gore Verbinski vom Studio während der Postproduktion Fahrverbot, weil es Angst hatte, dass der unzählige Überstunden schiebende Mann am Steuer einschlafen und so einen schweren Unfall bauen könnte.

Und dennoch kam am Ende ein wahrhaftiges Meisterwerk heraus (wenn man mich fragt, und da ihr auf meinem Blog seid, tut ihr das ja offenbar!), wenngleich ein Meisterwerk, um das die hitzigsten Diskussionen entstanden. Hätte mehr Material auf dem Boden des Schneideraums landen müssen? Weniger? Warum bitte landeten manche Dinge auf dem Boden des Schneideraums? Es ist an der Zeit, sich die Tonnen an Deleted Scenes näher anzuschauen und Gore Verbinski höchstpersönlich zu lauschen, während er erklärt, was er sich dabei gedacht hat ... 

(Titellos)

In der einzigen Aufnahme, die für den verworfenen Anfang von Am Ende der Welt gemacht wurde, sehen wir Barbossa nachdenklich an einem Tisch sitzen, mit einer Acht-Realis-Münze in der Hand. 

Gores Kommentar: Ursprünglich sollte Am Ende der Welt damit beginnen, wie jeder der Piratenfürsten eine solche Münze erhält, was als Einladung Barbossas zum Rat der Bruderschaft gelten sollte.

Mein Urteil: Hau weg den Dreck, keine Alternative kommt an den Hoist the Colors-Prolog ran!

The Canaries

Nachdem Barbossa und Elizabeth in das Badehaus Sao Fengs eingetreten sind, sehen wir bereits Tia Dalma (die in der endgültigen Filmfassung erst etwas später wiedereingeführt wird). Sie und Jack, der Affe nutzen die Drehorgel, um die Feilgeräusche zu übertönen, die Gibbs und Co. verursachen. Als die Wachen der East India Trading Company sie verjagen wollen, verrät Tia Dalma einem der Wachmänner etwas aus seiner Kindheit (er warf stets Laken in den Brunnen) sowie eine ihn tiefer treffende Wahrheit (dass seine Mutter ihn durchschaute, aber ihm verzieh). 

Gores Kommentar: "Es ist eine Art Verweis auf Obi-Wan in Star Wars ... 'Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht'. Ich glaube, die Autoren Ted & Terry waren als Kinder große Fans von diesem Film. Aber letztlich wollten wir zügiger zum Treffen mit Sao Feng kommen, also musste diese Szene weichen."

Mein Urteil: Keine Szene, bei der ich denke "Hach, wäre sie doch nur drin geblieben!", gestört hätte sie mich aber auch nicht. Doch ich will nicht wissen, wie ungeduldig das Publikum damals, im Mai 2007, während des Triple Features mit Mitternachtsvorpremiere geworden wäre, hätte es noch länger gedauert, bis wir zu Jack Sparrows Auftritt kommen. Also, ja, im Sinne des Publikums: Gut entschieden. Und auch ohne die Meute im Kino im Blick ist ja nichts wertvolles verschollen gegangen.

A Pox on Us All

Sao Feng kritisiert etwas länger den Gedanken einer Fürsten-Zusammenkunft, woraufhin Barbossa den Hohen Rat mit Nachdruck und romantisiertem Tonfall verteidigt.

Gores Kommentar: Er merkt an, dass das Treffen mit Sao Feng insgesamt viel ausführlicher war, doch letztlich beschloss er, es auf das Wesentliche zu reduzieren. Er vermisst jedoch die kurzen Zeilen, in denen Barbossa Sao Feng verdeutlicht, was der Hohe Rat der Bruderschaft den Piraten alles ermöglichte. Gore ist sich dessen bewusst, dass diese Informationen weiterhin im Film stecken, jedoch mag er es, wie Barbossa sie hier mittels seiner Gravitas als Verhandlungsmittel einsetzt.

Mein Urteil: Rush spielt wirklich klasse, aber die Szene wäre schon redundant ... 

You're a Pirate

Pintel begegnet während der Singapur-Kampfszene zwischen den Piraten und der East India Trading Company dem Verräter mit dem zerlaufenen Tattoo (der später auch als Leiche zu sehen ist, die die Wasserstelle vergiftet, die die Crew der Black Pearl nach der Up is Down-Szene nutzen möchte).

Gores Kommentar: Diese zweite von planmäßig eigentlich drei Szenen rund um die Verräterfigur sollte dafür sorgen, dass ihre dritte Szene (die als Leiche im Wasserloch) stärker nachhallt. Aber zu wenige Leute erkannten den Verräter in dieser zweiten Szene wieder, so dass sie auch direkt für etwas mehr Tempo fliegen konnte,

Mein Urteil: Kein Verlust, der Am Ende der Welt irgendwie mindern würde. Aber die kurze zusätzliche Action-, Humor- und Storyeinlage ist gut gefilmt und gespielt. Ich finde, sie hätte bleiben dürfen.

You Weren't Supposed to Get Caught

Während der Wegfahrt von Singapur auf dem von Sao Feng geliehenen Schiff: Barbossa ermahnt Will, dass er sich nicht hat erwischen lassen sollen. Wills kühle Antwort suggeriert, dass alles nach seinem Plan verlief, er sich also hat erwischen lassen, um bei der Unterredung mit Sao Feng dabei zu sein und verhandeln zu können.

Gores Kommentar: Er nennt keinen Grund, weshalb die Szene gekürzt wurde, merkt nur an, dass sie sehr früh aufgegeben wurde.

Mein Urteil: Der Szenenübergang von Singapur zu Davy Jones ist im fertigen Film so stark, ich glaube glatt, dass dieser zusätzliche Beat an Will-Ambivalenz (die ja dennoch in Am Ende der Welt spürbar ist) daher fliegen musste.

It's a Two-Part Plan

Murtogg und Mullroys Wiedereinführung fällt etwas länger aus, mit Gescherze über den Zustand der Flying Dutchman. Anschließend sehen wir, wie sich Gouverneur Swann in das Egomessen Lord Becketts und Davy Jones' einmischt und Jones anfährt, weil er den Piratenschiffen nicht ausreichend Möglichkeit gibt, sich zu ergeben. Jones behauptet daraufhin Swann gegenüber, dass Elizabeth tot sei und Beckett davon wüsste.

Gores Kommentar: Gore sagt, dass diese Szene für viele, eifrige Diskussionen sorgte und für Meinungsverschiedenheiten, ob sie Sinn ergeben würde. Daher habe sie weitere Handlungsfäden, vor allem die restlichen Szenen rund um Gouverneur Swann, in Mitleidenschaft gezogen. Daher hat er sie umgeschnitten.

Mein Urteil: Der zusätzliche Comedy-Beat mit Murtogg und Mullroy ist zurecht geschnitten worden: Ich mag die beiläufige Reintegration der Figuren, das Understatement passt zur Stimmung, die Am Ende der Welt im ersten Akt hat, und sie schürt die Vorfreude auf späteren Unfug mit den Beiden. Das Gespräch zwischen Jones, Beckett und Swann ist aber echt gut gespielt, und daher ist es schon schade, dass der fertige Film ohne die Szene auskommen musste. Aber ich verstehe Gores Bedenken und, hey, es gibt ja die Blu-ray mit der Sequenz in den Extras!

Swann Song

Emotional aufgrund der obigen Szene aufgelöst, rennt Gouverneur Swann zur Truhe des Todes und versucht, Davy Jones' Herz zu durchstechen. Norrington kann ihn davon abhalten. Ein in Tränen zerfließender Swann erzählt Norrington, dass Elizabeth tot sei, woraufhin Norrington mit brechender Stimme, aber strengem Auftreten den um ihn stehenden Soldaten befiehlt, den Raum zu verlassen. Jones betritt die Szene, wird sofort von Norrington mit einer gezückten Pistole bedroht, während er weiter Swann zu trösten versucht. Dieser erklärt Swann mit diabolischer Freude den Fluch, den er auf sein Herz gelegt hat. Mercer und Beckett stoßen dazu. Mercer klärt auf, dass Elizabeth noch lebt, und Beckett merkt schelmisch an, dass er dieses Wissen willentlich zu unterschlagen versucht hat. Swann verlässt entgeistert den Raum, Beckett schnaubt Jones an. Sobald Mercer und Beckett allein sind, spricht Mercer den Gedanken an, dass Swann und Norrington sterben müssen, weil sie zu viel wüssten. Beckett erklärt, dass er Norrington achtet und weiter gebrauchen kann, Swann dagegen ... 

Gores Kommentar: Durch die Kürzung der obigen Szene, musste zwangsweise auch diese weichen. Gore erklärt, dass man sich während der stressigen Produktion von PotC 2 & 3 an dieser Stelle in eine Ecke manövriert habe. Der Handlungsstrang rund um Gouverneur Swann war verfahren: Diese so emotional aufgeladene Szene verpuffe für das Publikum, weil es mehr weiß als der wütend-traurige Swann und der ihn mit Geheimnissen über seine Vergangenheit triezende Davy Jones. Dass Jones an dieser Stelle die Regeln des Fluchs vertiefe, würde zudem dafür sorgen, dass die Enthüllung von Swanns Tod an emotionaler Kraft verliert:

Wenn er als Geist gezeigt wird und Elizabeth die Regeln über Jones' Herz erklärt, drohe es laut Gore aufgrund dieser Szene, dröge zu werden, weil Swann etwas wiederkaut, das ohne diese Szene neu für uns wäre. In Gores Augen ist Swanns Tod bedeutsamer, wenn mit ihm auch Erkenntnisgewinn für Publikum und die Figuren einhergeht. Also wurde diese Szene gestrichen und ein verkürzter Ersatz geschrieben, um Mercers und Becketts Absicht, Swann zu töten, dennoch im Film zu haben. Am meisten trauert Gore um Jones' triezenden Monolog über seinen Fluch, der letztlich sein eigenes Ende begründet. Doch die Szene, die zu diesem Moment führt, habe zu große Kosten, um den Genuss an ihm zu rechtfertigen.

Mein Urteil: Als ich die Szene erstmals sah, dachte ich: "Wow! Wieso wurde die geschnitten?!" Jonathan Pryce, Jack Davenport, Bill Nighy und Tom Hollander spielen großartig auf, vor allem Pryce und Davenport lassen einen an ihrem Sturm der Emotionen teilhaben. Und David Schofield ist als Mercer einmal mehr herrlich fies. Die Szene ist, für sich stehend, einfach klasse anzuschauen. Und dann habe ich Gores Kommentar gehört und ... Ja, ich verstehe ihn. Die Szene ist an sich grandios, aber wenn ich mir vorstelle, sie wäre im Film, dann würde im Mittelteil bei einem wichtigen Wendepunkt Emotion fehlen. Der Schock wegen Swanns Tod wäre kleiner, der unmittelbare Gefühlsbogen rüber zur Anspannung, was wir mit der Information über Jones' Fluch anfangen soll und was Jack damit anfangen wird, wäre nicht mehr da, somit fiele der emotionale Wellengang aus, der uns quasi auf den Schwung von Up is Down raubt ... Es ist ein Jammer, dass man keine Möglichkeit fand, eine Version dieser Szene zu entwerfen, die im Gesamtwerk funktioniert. Denn, liebe, innige PotC-Fans: Wenn ihr diese Sequenz noch nicht kennt, besorgt euch umgehend ein Blu-ray-Set, in dem sie enthalten ist. Es lohnt sich, wenn ihr mich fragt!

This Was Your Idea

Pintel und Ragetti necken sich länger, während sie kopfüber am Mast der Black Pearl hängen.

Gores Kommentar: Gore ist kurz davor, das Entfernen dieser Szene zu bereuen, nennt sie eine der größten Verluste. Aber letztlich war sie unnötig und musste daher raus, damit der Kern der Geschichte stärker rausgearbeitet ist.

Mein Urteil: Gore ist voller Überraschungen. Das hier ist für ihn eine der Szenen, die er am ehesten/meisten vermisst? Verrückt.

Kraken Slayers, Pt.1

Pintel und Ragetti blödeln länger neben, um und auf der Leiche des Kraken herum

Gores Kommentar: Gore liebt alles, was Pintel und Ragetti am Strand treiben, während wir den Krakenleichnam sehen. Es sei absurd und passe zur Thematik des Films, denn letztlich würden Pintel und Ragetti ja die Kommerzialisierung von Mythen ausdiskutieren, unwissentlich, dass sie somit ideologisch mit Lord Beckett verbrüdert sind, obwohl er ihren Untergang bedeutet. Er vergleicht Pintel und Ragetti mit den sprichwörtlichen Leichenfledderern aus The Wild Bunch, die nicht erkennen, dass sie sich dem Ende ihrer Ära nähern.

Mein Urteil: Wow ... Also, wenn ich einer anderen Person Gore Verbinskis visuellen Stil erklären muss, so ist mein Paradebeispiel bislang die Szene am Steg im Hafen von Tortuga in Pirates of the Caribbean - Die Truhe des Todes. (Ja, ich weigere mich mal wieder, den richtigen deutschen Titel zu nehmen, ja, das ist kindisch von mir. Ignoriert es einfach.) Ted & Terry haben es ja in ihrem Audiokommentar genauso getan. Gore nimmt eine lange Dialogszene, in der viel Information übermittelt wird, und macht aus ihr eine Passage, die sich zügig bewegt, in der ein Gag nach dem nächsten zündet, und die jede Menge kinetische Ebenen hat (Statisten, die keinerlei Ruhe finden, Figuren, die in Bewegung bleiben, schaukelnde Schiffe) ... und eine Ziege.

Aber müsste ich demnächst wieder erklären, wie Gore Verbinski als Regisseur tickt, wenn es darum geht, wie er geistig an seine Filme herantritt ... Ich glaube, ich würde künftig womöglich diese Deleted Scene zeigen, zweimal nacheinander. Einmal pur, danach mit Audiokommentar. Im fertigen Film ist Pintels und Ragettis Geblödel kurz, knackig, es entspricht ihren Persönlichkeiten, es schafft eine Fallhöhe für Jacks und Barbossas unerwartet ernstes und sentimentales Gespräch. Als ich diese Deleted Scene das erste Mal sah, dachte ich nur: "Ja. Okay. Mehr Comedy." Und dann habe ich Gores Kommentar gehört, der damit beginnt,  wie enorm er diesen geschnittenen Passagen hinterher trauert, und ich war bereit, zu denken: "Gore! Was?! Warum?!"

Und dann enthüllt er, wie sehr er es liebt, dass diese Szene völlige Absurdität mit thematischer, ernster Konsistenz mit dem restlichen Film vereint, als dass sie zwei sympathietragende Dummbeutel als Leute zeichnet, die lachend in ihren Untergang schippern und sich unwillentlich ideologisch an die Seite der imperialistischen Macht stellen, die sie leiden und verenden sehen will ... Wow. Und es ist kein hochtrabendes Gerede, Gore hat völlig recht, die Szene drückt genau das aus, und es ist verblüffend, wie nahtlos das ineinander übergeht. Im fertigen Film kommt dieser Gedanke weiterhin rüber, und seit ich Gores Kommentar gehört habe, liebe ich die Szene rund um den toten Kraken mehr denn je, und ... Ja, wie kann man Gore Verbinski besser erklären, als "Das ist der Mann, der zwei tölpelige Nebenfiguren liebend gern Unfug reden lässt, und somit die schwere Thematik seines Films unterstreicht"? Das ist fast schon die Essenz dieses Mannes!

Kraken Slayers, Pt.2

Pintel und Ragetti scherzen nach Jacks und Barbossas schwermütigem Gespräch im Angesichts des toten Kraken weiter. 

Gores Kommentar: Gore liebt auch diese Stelle. Pintel und Ragetti sind, anders als Jack und Barbossa, bereit, ahnungslos und glücklich unterzugehen.

Mein Urteil: Siehe oben.

It's Just Good Business

Die deutlich verlängerte Verhandlung zwischen Käpt'n Jack Sparrow und Lord Cutler Beckett, die mehr ihrer gemeinsamen Vorgeschichte enthüllt (inklusive der durch den Roman The Price of Freedom wieder kanonisierte "People aren't cargo, mate"-Zeile Jacks, die erklärt, dass er zum Pirat wurde, weil er sich weigerte, für Beckett Sklaven zu verschiffen). Anschließend bedrohen und verwirren sich Jack und Beckett, schüchtern ein, versuchen einander durch Wortgeflechte in die Ecke zu drängen. Beckett legt seine Ideologie klipp und klar offen: Die Gesellschaft verlangt Waren "und solange alles pünktlich und ausreichend geliefert wird, sind Menschen damit einverstanden, bloß Zahlen in einem Kontobuch zu sein". Jacks Erdnuss-Running-Gag wird stärker herausgestellt, Beide bemühen sich, den jeweils Anderen dazu zu bringen, unwillentlich die ihm entgegengesetzten Ziele zu verfolgen. 

Gores Kommentar: Gore erklärt, dass die Szene ursprünglich als Einzelstück gedacht war, das so im Film abläuft, wie hier gezeigt, also ohne Parallelschnitt zu den weiteren Verhandlungen zu diesem Handlungszeitpunkt (Will und Sao Feng, Sao Feng und Barbossa, Sao Feng und Mercer, Barbossas Verhandlung via Blicke mit Tia Dalma, etc.). Gore wünschte sich eingangs nämlich eine substanzielle, gehaltvolle und schwere Szene, weil hier erstmals die Kontrahenten Beckett und Jack aufeinander treffen, die sich in der Vorgeschichte der Trilogie einander schufen. Doch im Schnitt bemerkte er, dass dieses philosophisch gefühlte Wettrüsten der Egos, während dem impliziert wird, wie sehr Beckett Jack für seine Freiheit beneidet und dass es "viel Unausgesprochenes" zwischen ihnen gibt, zu behäbig geraten sei. Daher habe er es gestutzt und in die Parallelmontage gepackt. Der Erdnuss-Gag ist für Gore mehr als ein Gag, nämlich auch eine dramatische Erinnerung an das fatale Schicksal, das Jack droht, sollte er scheitern.

Dass Jack Becketts Drinks stiehlt (was auch im fertigen Film zu sehen ist), versteht Gore als pointierte Vordeutung, dass Jack letztlich Beckett alles nehmen wird. Die Sequenz sei bewusst so geplant, dass erst Beckett die Oberhand gewinnt, mit Einschüchterungstaktik und kapitalistischer Überzeugungskraft, ehe Jack gewieft und teuflisch-widerlich das Sagen zurückgewinnt und für Freiheit einsteht, selbst wenn bei ihm die Angst im Raum steht, dass er für seine Freiheit alle anderen verraten wird. Doch so gelingt es ihm immerhin, Beckett dazu zu bringen, ihn zur Dutchman zu führen, weil Beckett denkt, dass Jack dies vermeiden will. 

Mein Urteil: Ich verstehe Gores Gedanken, dass die Szene gestrafft werden muss. Aber dass "People aren't cargo, mate" und Becketts Zitat über die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber den verheerenden Folgen des Turbokapitalismus, solange sie ihre gewünschten Güter zügig und reichlich geliefert bekommen, gewichen sind, ist einfach schade. Die hätten doch drin bleiben können? Und vor allem Becketts Äußerungen würden in den Zeiten eines immer mächtiger werdenden Onlinehändlers Am Ende der Welt rückwirkend noch prophetischer dastehen lassen. Wirklich ein Jammer.

Ted & Terry erklärten mal, dass sie bei Diskussionen über Teil zwei und drei zumeist geschlossen hinter der Position "weniger erklären, mehr visuell andeuten und ambivalent lassen" standen. Also kann ich mir vorstellen, dass sie für "weniger konkrete Bestätigung der Jack-Hintergrundgeschichte" einstanden. Gore ist in Interviews ja sehr offen, wenn es darum geht, über Studio-Einmischerei zu sprechen, und er sagte nie, dass Disney die Filme zu kommerzkritisch waren - daher würde ich der These "vielleicht ließ Disney die Beckett-Zitate streichen" erstmal Wind aus den Segeln nehmen. Vielleicht war es Gore zu unsubtil? Oder die Zeilen waren ein weiteres Opfer von "Die Szene drum herum war mir zu träge, und durch die nötigen Kürzungen schwebten die starken Zeilen zusammenhanglos im Raum"Kill-your-Darlings-Problemen ... So oder so: Sollte es je eine Jubiläums-Extended-Cut-Veröffentlichung von Am Ende der Welt geben, würde ich diese Passage reintegriert sehen wollen!

Legendary

Barbossas Trickserei, Sao Fengs These, Elizabeth sei Calypso, zu verstärken und sie an ihn zu verhandeln, wird ausführlicher dargestellt. Außerdem hält er eine Rede über den Einfluss Calypsos, die letztlich an anderer Stelle im Film wiederaufgenommen wird (nachdem diese Fassung gekürzt wurde).

Gores Kommentar: Gore nennt dies die unsubtile Fassung dessen, was letztlich im Film steckt.

Mein Urteil: Jepp.

The Thing You Want Most

Jack und Beckett verhandeln weiter, nun darüber, wer wen ausgehändigt bekommt. So deutet Jack an, er wolle Elizabeth für sich, um Beckett bezüglich seiner wahren Intentionen in die Irre zu führen. Das Element mit Beckett, der Jacks Kompass hält, der wiederum auf Jack zeigt, wird etwas länger ausgespielt.

Gores Kommentar: Gore erklärt, dass das Jack-Will-Elizabeth-Liebesdreieck-Thema in Teil zwei ausgeschöpft wurde, und er eine Rückkehr zu dem Thema vermeiden wollte. Auch die "Beckett will Jacks Tod, aber auch wie Jack sein"-Dualität habe nicht in den Film gepasst.

Mein Urteil: Sehe es wie Gore.

Grammatically Incorrect

Sao Feng unterhält sich länger mit Elizabeth, die er für Calypso hält, und sie versucht, sich mit ihm argumentativ zu messen, doch nach etwas Zeit, in der sie die Überhand, deutet sich an, dass Sao Feng ihr in diesem Spiel über ist

Gores Kommentar: Gore befand, dass die Mitte von Am Ende der Welt drohte, überfüllt zu sein. Daher musste etwas von der Wortklauberei zwischen Sao Feng und Elizabeth weichen

Mein Urteil: Weiß nicht, wie das den Film hätte bereichern sollen.

Choices

Jack und Will diskutieren darüber, welche Entscheidungen sie treffen müssen und/oder nicht treffen können, um zum Ziel zu gelangen. Es ist eine längere Version ihres Gesprächs, bevor Jack Will über Bord jagt, damit er Beckett eine Botschaft überbringt.

Gores Kommentar: Gore nennt diese Szene ein Echo des Moralgesprächs in Teil eins ("Was ein Mann kann, und was er nicht kann") und somit eine Verdeutlichung eines zentralen Elements der Trilogie: Jacks Wissen darum, wie sehr wir durch unsere Entscheidungen definiert werden. Er nennt die PotC-Trilogie eine Reihe über Figuren, die Entscheidungen treffen, die ihren Gefühlen widersprechen, um das zu erreichen, das sie logisch als korrekt erachten. 

Mein Urteil: Schönes, längeres Gespräch zwischen Jack und Will, die deutlicheren Rückverweise auf Fluch der Karibik gefallen mir. Hätte drin bleiben können.

The Coming Storm

Barbossa und Calypso diskutieren länger miteinander, bevor die Pearl zur Schiffbruch Bay fährt. 

Gores Kommentar: Die Szene wurde aus logistischen Gründen sehr früh während der Dreharbeiten zu Teil zwei gedreht. Bei der Fertigstellung von Am Ende der Welt wurde deutlich, dass Teile des Gesprächs aufgrund Drehbuchanpassungen des Drehbuchfinales redundant wurden und daher gekürzt werden konnten.

Mein Urteil: Ja, das hier ist letztlich unnötig.

The Devil's Throat

Die Pearl durchfährt eine enge Schlucht, um zum Ort Schiffbruch zu gelangen.

Gores Kommentar: Durch den engen Zugang zum Ort sollte die Gefährlichkeit von Jacks Plan unterstrichen werden, was sich aber als unnötiger Schnörkel erwies

Mein Urteil: Hätte drin bleiben können, ich vermisse es aber auch nicht.

Honest Streak

Gibbs merkt zum Abschluss des Hohen Rats der Bruderschaft (deutlicher als im fertigen Film) an, dass er Jack nicht mehr vollauf wiedererkennt. 

Gores Kommentar: Gore findet, dass das Publikum das innere Ringen Jacks auch ohne Gibbs' Anmerkung begreift: Er ist noch ehrlicher, noch bemühter um das Vermeiden von Opfern, als zuvor, nun, da er aus Davy Jones' Reich zurückkehrte. Er ist weniger Pirat als die anderen Piratenfürsten und wünscht sich, er könnte seine ehrliche Seite runterschlucken - aber es ist ihm nicht möglich

Mein Urteil: Ja, es ist zu überdeutlich.

"Her"

Beckett deutet während der Parlay-Szene an, dass er denkt, Jack handle aus seinem Interesse an Elizabeth und dem Versuch, Will los zu werden.

Gores Kommentar: Wie schon weiter oben erwähnt, wollte Gore das Liebesdreieck größtenteils aus Am Ende der Welt entfernen: Die Folgen sollen drin bleiben, es selbst aber nicht weiter aufrecht erhalten. Dass Jack Beckett gegenüber so tut, als sei er weiter an Elizabeth interessiert, um mit diesem Trick einen anderen Trick durchzuziehen, um sein Ziel zu erreichen, war ihm zu viel der Komplikationen

Mein Urteil: Ja, ist gut, dass es raus ist.

Poppycock

Jack, seine "regulären" Doppelgänger und der verkrustete Jack reden noch mehr Unsinn.

Gores Kommentar: Jacks Herleitung, wie er aus der Brig entkommt, sollte ausführlicher sein: Er sollte Kopfweh haben, Kopfschmerzen erinnern ihn an Will, Will erinnert ihn an die Gefängnisflucht in Teil eins ... Gore erklärt, dass die Szene zu umständlich war, als dass sie im Handlungsfluss hätte funktionieren können.

Mein Urteil: Ja, ein Comedy-Beat zu viel.

The World We Know Ends Today

Vor der Befreiung Calypsos aus dem engen Körper Tia Dalmas hält Barbossa noch eine Rede

Gores Kommentar: Gore liebt die Reden, die Ted & Terry für Barbossa geschrieben haben, und wie Rush sie spielt, aber "es wurde inflationär, also musste diese weichen"

Mein Urteil: Du sagst es, Gore.

I Miss Him Already

Noch mehr Jack-Doppelgänger-Unsinn, nun mit der Rückkehr des Hühner-Jacks

Gores Kommentar: Für sich stehend liebt er die Absurdität der Szene, und generell bereitet es ihm riesige Freude, einen Film in den tonalen Extremen bis an seine Grenzen zu bringen ... aber dieser Gag ist kurz vor dem großen Endkampf deplatziert, weil er die Gravitas des Moments zerstört. Also musste er weg. 

Mein Urteil: Ja, wieder ein Comedy-Beat zu viel.

Ring Around the Capstan

Jack wirbelt Davy Jones während des Kampfes auf der Flying Dutchman länger umher

Gores Kommentar: Ein schöner Moment, den er nicht überreizen wollte, also stutzte er ihn

Mein Urteil: Ja, schon wieder ein Comedy-Beat zu viel.


Und das waren sie. Die selten gesehenen Deleted Scenes aus Am Ende der Welt. Welche hättet ihr drin behalten?!

Freitag, 9. April 2021

Freitag der Karibik #73

Ich bin wieder voll im Piratenfieber, und daher habe ich beschlossen, mich hier im Blog mit den weniger bekannten Deleted Scenes aus Gore Verbinskis Pirates of the Caribbean-Fortsetzungen zu befassen. Denn zusätzlich zu den Szenen, die schon bei den DVD-Erstveröffentlichungen dabei waren, gibt es noch einen ganzen Haufen an komplett gekippten oder gestutzten Filmpassagen, die erst in späteren, internationalen Sammeleditionen zu finden waren.

Ich werde hier im Blog diese Szenen mit einer kurzen Inhaltsbeschreibung durchgehen, festhalten, was Gore Verbinskis Erklärung im Audiokommentar ist, weshalb die Szenen geschnitten wurden, und meine eigene Einschätzung abgeben, ob es diese Szenen in den Film hätten schaffen sollen oder nicht. In diesem Teil gehe ich auf die geschnittenen Szenen aus Teil zwei ein.


(Titellos)

Jack Sparrow flieht vor den Pelegosto (in zusätzlichen Kameraeinstellungen).

Gores Kommentar: Er sagt nichts spezifisch über diese Szene, sondern begrüßt uns zu seinem Audiokommentar der Deleted Scenes.

Mein Urteil: Es sind einfach nur ein paar alternative Perspektiven auf Jacks Flucht. Sie wieder reinzupacken würde nicht wirklich schaden, aber den Film auch nicht bereichern.


Steady As She Goes

Verlängerte Version davon, wie Jack Sparrow früh im Film aus der Kapitänskajüte torkelt, um sich Rum zu besorgen, was darin mündet, wie er Stiefelriemen Bill begegnet. Wir sehen mehr vom neuen Crewmitglied Leech (gespielt von San Shella), von der Pearl, Käpt'n Jack scherzt mit den Tieren an Bord (bezeichnet Schafe als "Ladys" und bedroht ein Huhn) und klopft gegen ein (vermeintlich?) leeres Rumfass, aus dem Klopfzeichen zurück kommen.

Gores Kommentar: Gore merkt an, wie aufwändig der reale Bau der Pearl war, und wie die verlängerte Szene mehr Gefühl für diesen Setbau gestattet. Darüber hinaus lobt er die von Johnny Depp improvisierten Sprüche in der Szene. Er kommt zum Entschluss, dass diese Passage aufs im fertigen Film gezeigte Maß eingedampft wurde, weil er dachte, dass das Kinopublikum bereit für das große Abenteuer ist, und wir daher schneller zu Stiefelriemen Bill kommen mussten, der Jacks Plot erst in Gang bringt.

Mein Urteil: Ich verstehe total, weshalb Gore Verbinski 2006 beschlossen hat, diese Szene durch das Auslassen einiger Kamerafahrten und allerhand Jack-Sparrow-Getorkel zu beschleunigen. Wir erinnern uns: Zwar generierte Die Truhe des Todes (ja, ich habe noch immer meine Probleme, den letztlich gewählten deutschen Untertitel zu verwenden) über eine Milliarde Dollar an den Kinokassen, gleichwohl gab es so manche Publikumsklage, er würde zu viel Drumherum ums Spektakel bieten. Ich glaube, damals hätte dieses Mehr die Euphorie der Leute nur gedrosselt.

Allerdings würde mich im Jahr 2021 durchaus ein Extended Cut reizen, der zum Beispiel diese Passage wieder in den Film packt. Denn wer sich von diesem Film die verlängerte Fassung anschaut, kennt den Plot schon, ist also gar nicht in der "Okay, wo bleibt Jacks Konflikt?!"-Verfassung. Und in dieser Verfassung wäre dieses kleine Extra an Black-Pearl-Flair durchaus reizvoll. Naja. Jedenfalls für mich.


East of India

Beckett erklärt Will ausführlicher die Absichten der East India Trading Company: "Wenn Güter keine Grenzen übertreten, tun es Armeen."

Gores Kommentar: Diese Szene sollte verdeutlichen, dass Beckett eine Manifestierung dessen ist, wie Fortschritt die Ära des Erkundens und der Piraterie beendete. Dass durch Profitgier alles gerechtfertigt werden kann und schlussendlich das Gesetzwidrige zum Gesetz wird. Damit sollte diese Szene die thematische Intention der Autoren Ted Elliott & Terry Rossio und von Gore selbst klarifizieren. Einen konkreten Grund, weshalb diese Szene gestutzt wurde, nennt Gore nicht.

Mein Urteil: Die Szene ist für sich betrachtet super: Die verbalen Seitenhiebe zwischen Will und Beckett, Becketts oben erwähntes Zitat ... Aber im Erzählfluss des Films ist sie eher Ballast, zumal die Grundaussage der Trilogie auch so deutlich wird. Naja. Jedenfalls meiner Ansicht nach. Die zeitgenössische Kritik sah es ja anders.


Don't Eat Me

Ein paar zusätzliche Takte auf der Insel der Pelegosto: Wenn Will Cottons Papagei begegnet, lässt er ihn nicht nach einem verdutzten "Ich werde dich nicht essen!" stehen, sondern beginnt ein längeres Gespräch mit ihm.

Gores Kommentar: Gore Verbinski betont, wie wichtig es ihm die gesamte Trilogie über gewesen sei, Will Turner eine Aura von D'Artagnan zu verleihen. Mit einer freundlichen Unbeholfenheit sollte er ein Gegengewicht zur piratigen Zynik anderer Figuren bieten. Dieser putzige Austausch zwischen Papagei und Welpe sollte einen weiteren Beitrag dazu leisten. Doch letztlich befand Gore, dass die Szene zu einem Zeitpunkt kommt, zu dem das Publikum gespannt wartet, was auf der Insel lauert. Und daher musste die Szene deutlich gekürzt werden, um den Flow des Films aufrecht zu erhalten.

Mein Urteil: Ähnlich wie bei "Steady As She Goes" muss ich sagen: Ich verstehe den "Mach vorwärts!"-Gedanken. Aber Orlando Bloom ist so gut in der längeren Fassung der Szene, dass ich mir glatt wünsche, die Szene hätte es in voller Länge in den Film geschafft. Sie hätte Will Turner etwas mehr Raum gegeben, dem Film auch seinen eigenen Stempel aufzudrücken, und als jemand, der Die Truhe des Todes schon 2006 nicht zu lang fand, denke ich mir: Es hätte im richtigen Moment etwas "Mit Will lachen" mitgegeben, bevor wir erst "Mit Jack lachen", dann mitfiebern und dann "Über Jack lachen", bevor es wieder spannend wird.


Lizzy Gets Her Gun

Ein kurzer Dialogschnipsel mehr zwischen Elizabeth Swann und ihrem Vater, während er sie aus dem Gefängnis zur Kutsche begleitet. Er betont, zu denken, er sei einflussreich und respektiert genug, um Beckett nicht führen zu müssen, und wir sehen, dass er es ist, der Elizabeth die Waffe gibt, die sie kurz danach auf Beckett richtet

Gores Kommentar: Sinngemäß: "War unnötig"
Mein Urteil: Ja, war es.


What of You and Jack?

Elizabeth und Beckett unterhalten sich etwas länger, als sie ihn nachts in seinem Büro bedroht. Er horcht expliziter aus, ob sie Interesse an Jack hat. Am Ende der Szene wird enthüllt, dass vor Becketts Büro ein Wachmann postiert ist, der jedoch schläft.

Gores Kommentar: Der Film sollte an Tempo gewinnen. Er wollte das Liebesdreieck Jack-Elizabeth-Will nicht überreizen. Und er wollte die East India Trading Company nicht geschwächt darstellen. Also musste das alles raus.

Mein Urteil: Sehe es exakt so wie Gore.


Never Mind

Käpt'n Jack fragt einen Pelegosto aus, weshalb er keine Kleinkinder auf der Insel sieht ("Sie schmecken am besten, oder?"), außerdem unterhalten sich Will und Gibbs noch etwas länger in den Knochenkäfigen. Unter anderem sehen wir explizit, wie Will Gibbs seinen Flachmann überreicht.

Gores Kommentar: Er liebt es, wenn in seinen Filmen zu sehen ist, wie Gegenstände weitergereicht werden und so ihre eigene Geschichte entwickeln, doch letztlich war all das zu unbedeutend, als dass er dafür den Film ausbremsen wollen würde.

Mein Urteil: Jupp, Gore weiß, was Sache ist.


Six Became Five

Eine langsamere Variante dessen, wie der Knochenkäfig der Black-Pearl-Crew zerstört wird, sich die Crew in einer Schlucht kurz sammelt und dann von den Pelegosto angegriffen wird. Wir sehen, wie ein Statist aus Wills und Gibbs' Knochenkäfig von einem Pfeil getötet wird.

Gores Kommentar: Es schmerzt ihn, den Filmtod des sechsten Piraten aus dem Knochenkäfig zu kürzen. Doch die Szene machte die Vefolgunggsjagd weniger mitreißend. Nun geht der Mann halt im Off verloren, was als Kontinuitätsfehler verstanden könnte. Doch der Erzählfluss war letztlich wichtiger.

Mein Urteil: Ich habe Die Truhe des Todes Dutzende Male gesehen, und nie bemerkt, dass zwischen Knochenkäfig und Ankunft an der Pearl ein Statist verloren geht. Und selbst wenn, so würde ich einfach denken, dass er zurückgelassen würde. Also: Kein Problem, aber durch den größeren Schwung der Sequenz ein Gewinn für den Film. Anders gesagt: Echt gut gestutzt, das Ganze!


Cutlery

Wir sehen, dass Käpt'n Jack versucht, mit einem Messer das Seil durchzuschneiden, mit dem er an einen Stock gefesselt ist, und wie Jack nach seinem Sturz durch eine Schlucht auf der Insel der Pelegosto nach dem Messer greift.

Gores Kommentar: Früh im Drehprozess war Jacks Flucht noch etwas anders geplant, doch Gore beschloss, die zwei Zusatzbeats rund um das Messer aufzugeben. 

Mein Urteil: Es wären keine besonders guten Gags gewesen, wieso also den Film für sie ausbremsen?


Where's My Profit?

Nach der Flucht von der Insel der Pelegosto unterrichtet Will Jack darüber, dass er einen Kaperbrief erhalten würde, sollte er mit Will kooperieren.

Gores Kommentar: Ursprünglich war geplant, dass Jack in zwei Etappen vom Kaperbrief erfährt. Erst durch Will, der ihm das Angebot überhaupt erst gibt, und dann durch Elizabeth, wer genau den Kaperbrief ausgestellt hat (nämlich Lord Cutler Beckett). Schlussendlich befand Gore, dass es das Publikum ermüde würde, so oft die Kaperbriefe erklärt zu bekommen, und dass es frustrierend wäre, derart explizit seinen eigenen Wissensvorsprung gegenüber Jack zu erfahren. Daher wurde diese Passage gekürzt, so dass die Kaperbriefe innerhalb Jacks Handlungsfaden erst dann zur Sprache kommen, wenn sie für ihn (und den ihn abhörenden Norrington) von Belang sind.

Mein Urteil: Ich bin regelrecht sprachlos, dass diese Szene überhaupt geschrieben und gedreht wurde. Sie ist völlig überflüssig und wurde aus guten Gründen geschnitten.


Tortuuuuga

Elizabeth fuchtelt noch etwas länger mit ihrem Kleid herum, um die Besatzung der Edinburgh Trader glauben zu lassen, ein Geist wolle ihnen den Hinweis geben, sie müssten auf Tortuga Halt machen. Die Crew macht einige dumme Sprüche, was sie denken, was gerade vorfallen würde, und Lizzie ruft letztlich in einer Geisterstimme: "Tortuuuuga!"

Gores Kommentar: Wir mussten vorwärts kommen.

Mein Urteil: Hält man im Hinterkopf, wie sehr die Autoren Ted Elliott und Terry Rossio im DVD-Audiokommentar betonen, ihnen hätte diese Szene gruseliger und ominöser vorgeschwebt, frage ich mich: Was zum Henker haben die erwartet? Die Dialoge sind sehr komödiantisch, und die Filmversion ist schon deutlich eher atmosphärisch als die Sequenz es wäre, wären diese Extrateile mit drin.


If You Believe Such Things

Gibbs' Monolog an Will, während die Black-Pearl-Besatzung unter Jacks Kommando zu Tia Dalma paddelt, ging ursprünglich noch etwas länger: Bevor Gibbs vom Kraken erzählt, berichtet er Will von der Sage von Davy Jones' Reich und was einen dort erwartet. (Oder ist dies eine alternative Szene, die statt Gibbs' Kraken-Monolog genutzt worden wäre? Das wird im Bonusmaterial nicht ganz klar.)

Gores Kommentar: Er hat letztlich beschlossen, Die Truhe des Todes und Am Ende der Welt ein Stück weit unabhängiger zu machen und diesen Jacks Schicksal in Am Ende der Welt vorausdeutenden und voraberklärenden Monolog zu tilgen, um sich an dieser Stelle stärker auf das zu konzentrieren, was in diesem Film von Belang ist.

Mein Urteil: Eine Änderung mit großer Auswirkung. Stellt euch vor, in der ersten Hälfte von Die Truhe des Todes wird in einem minutenlangen Monolog ausgebreitet, dass Jack Sparrow, sollte er vom Kraken verschluckt werden, eine Art Fegefeuer erwartet. Es würde die Wahrnehmung der Kraken-Actionsequenzen völlig verschieben und ebenso die Emotionalität des Filmendes. Es wäre nicht mehr folgende Abfolge von Gedanken: "Oh nein, eine nach aller weltlicher Logik ausweglose Situation, was, Tia Dalma glaubt, es gäbe einen Weg? Wie das? Huch, dramatische Wende, oh nein, Ende!" Es wäre: "Oh, Gibbs hatte Recht, joah, dann bekommen wir das in Teil drei sicher zu sehen." Die Filmfassung ist viel, viel besser, da sie Die Truhe des Todes gestattet, am Schluss stärker im Moment zu leben, und Am Ende der Welt den Platz lässt, trotz seines Status als Fortführung auf tonaler Ebene mehr eigene Identität zu entwickeln, weil sich dieses andersweltliche Element in dieser Deutlichkeit erst dort entfaltet.


Begins to Forget

Stiefelriemen Bills Vergesslichkeit, die in der Filmfassung nur sporadisch durchschimmert und sich erst in Am Ende der Welt drastisch ausbreitet, wird hier schon früher in den Fokus genommen. Im Gespräch mit Will wird klar, dass Stiefelriemen Bill nun schon den ersten Fluch vergaß, der auf ihm lag, sowie das ganze Kapitel in seinem Leben rund um Barbossa.

Gores Kommentar: Die Intention war, Stiefelriemen Bill mehr Aufmerksamkeit zu schenken und so seine Fallhöhe im ganzen Gewusel um die Truhe und Davy Jones' Herz zu vergrößern. Letztlich sei man aber zur Erkenntnis gekommen, dass mehr Stiefelriemen-Bill-Dramatik dem Film weniger Mehrwert gegeben hätte, als sich einfach während des Abschnitts auf Davy Jones' Schiff um Wills Dilemma zu kümmern und ihn konkreter zu fokussieren.

Mein Urteil: Bevor ich mir Gores Audiokommentar angehört habe, war mein Verdacht eher, dass man durch ein Verschieben, wann uns im Publikum Stiefelriemen Bills Erinnerungsverlust klar wird, die Wendepunkte in der Charakterzeichnung anders takten wollte. Zu Beginn von Die Truhe des Todes erinnert sich Stiefelriemen noch, dann muss er mitansehen wie (so weit er glaubt) Will durch den Kraken getötet wird, dann ist er in Am Ende der Welt nur noch ein Schatten seiner selbst. Wäre die geschnittene Szene noch im Film, wäre der Zerfall von Stiefelriemens Verfassung kontinuierlicher, und somit nicht derart aufwühlend (und implizit weniger davon abhängig, was er erlebt hat) - und das hätte in meinen Augen weniger Wirkung. Aber Gores Argumente sind auch überzeugend.


Manual Labor

Eine längere Diskussion über die Kaperbriefe an Bord der Black Pearl.

Gores Kommentar: Durch das Entfernen der Will-Kaperbrief-Szene wurde auch die verlängerte Version der Elizabeth-gibt-Jack-den-Kaperbrief-Szene unnötig. Beide Kürzungen bringen das Publikum näher an Jacks Erfahrungsstand, was den Film weniger umständlich macht.

Mein Urteil: Kann ich nicht besser ausdrücken.


Married to the Ship

Eine deutlich verlängerte Szene der Pirate's-Dice-Sequenz: Vor der Partie, die wir im fertigen Film sehen, spielt Will Turner im Duell gegen Davy Jones und setzt Stiefelriemen Bills Schuld als Wetteinsatz. Will gewinnt gegen Davy Jones und befreit somit seinen Vater (der diese Freiheit wieder in der uns bekannten Szene verliert). 

Gores Kommentar: Diese Szene zu kürzen gehört zu Gores liebsten Deleted Scenes, da sie atmosphärisch dicht ist: Das Schauspiel von Orlando Bloom und Bill Nighy, die herausragenden Trickeffekte von Industrial Light & Magic, die innere Dramaturgie der Sequenz, in der sich zwei Männer während eines Würfelspiels mit ihrem Wissen voneinander gegeneinander ausspielen. "Die Details sind hypnotisierend." Zudem befindet Gore, dass Wills Opfer in der Kinofassung (in der sich sein Vater einmischt) größer wird, wenn man zuvor sieht, wie er auf den eigenen Beinen stehend obsiegt. Letztlich entschied sich Gore jedoch, die Szene zu schneiden, weil sie mit ihrem Fokus auf Will und seinen Vater zu viel Laufzeit von Die Truhe des Todes einer Dynamik widmete, die erst im dritten Teil aufgelöst wird. Und er habe letztlich erkannt, dass es dem Film zugute käme, etwas mehr Anteil den Dingen zurückzugeben, die schon in Teil zwei aufgelöst werden.

Mein Urteil: Auch wenn wir ja beide zum Schluss kommen, dass die Szene weichen musste, so habe ich ganz andere Gründe dafür, weshalb ich die erste Runde des Piraten-Würfelspiels nicht in Die Truhe des Todes inkludiert hätte. Dadurch, dass Will erstmal in aller Seelenruhe, ungestört gegen Davy Jones spielt (und gewinnt!) wird die Charakterisierung von sogleich zwei Figuren verwässert: Einerseits Stiefelriemen Bill, der wenige Filmminuten zuvor noch einwilligte, seinen Sohn auszupeitschen, weil es ihm selbst zwar das Herz zerreißen würde, er so aber Will körperliche Schmerzen erspart, die ihm durch den kräftigeren Bootsmann zugefügt würden. Und jetzt, wo Will seine Freiheit aufs Spiel setzt, schaut er einfach nur zu? Das kaufe ich ihm nicht ab, die Filmfassung, in der er zügig mit einsteigt, um Will zu beschützen, finde ich schlüssiger.

Und dann ist da der Faktor Davy Jones: In einer Die Truhe des Todes-Version mit dem kompletten Würfelspiel verliert der alle einschüchternde, monströse, gerissene Teufel des Meeres in einem Spiel, das nicht nur Glück, sondern auch Taktik und Voraussicht erfordert. Das hemmt die Intensität, mit der wir ihn als unheimliche, nicht abwendbare Bedrohung wahrnehmen. In der Kinofassung bleibt derweil nur übrig, wie Jones kurz davor steht, zu verlieren, dann aber den aufopferungsvollen Stiefelriemen zum Verlierer machen kann. Das schadet seinem Status weniger als die ursprünglich geplante Version.


Not So Fortunate

Etwas längere Variante des unmittelbaren Vorspiels der Kraken-Attacke auf die Edinburgh Trader: Davy Jones schüchtert Stiefelriemen Bill deutlicher ein und betont, dass das, was nun folgt, nicht als Strafe für Will Turner gedacht ist, sondern als Strafe für ihn.

Gores Kommentar: Einzelne Shots dieser Deleted Scene gehörten zum Test, ob Davy Jones bei Tageslicht gut aussieht. Gründe für's Schneiden nennt Gore nicht.

Mein Urteil: Ich find die Szene einfach überflüssig, die kürzere Kinofassung macht alles genauso gut klar.


Every Man for Himself

Nach der Krakenattacke treibt Will auf einem Stück Holz, als ein Rettungsboot vorbei kommt. Die Männer weigern sich, ihn mit ins Boot zu nehmen, direkt danach wird es von einem Krakententakel zerschmettert.

Gores Kommentar: Gore fand es reizvoll, Will erneut als einzigen Überlebenden auf einem Stück Holz treibend zu sehen, genauso wie in Teil eins und später in Teil drei. Aber letztlich entschied er, dass es das Publikum ermüdend wird, noch einen Kraken-Attacken-Beat zu sehen.

Mein Urteil: Kein weiterer Kommentar nötig.


Salvation (& For Whom the Bell Tolls)

Pintel und Ragetti plänkeln länger über die korrekte Aussprache von "Kraken". Elizabeth und Norrington unterhalten sich anschließend sich über die Sage von Isla Cruces: Ein Gerücht (das sich später durch einen kurzen Kameraschwenk bewahrheitet), laut dem einst ein Priester auf diese Insel zog und sie missionierte - und kurz darauf tödliche Krankheiten alles Leben auf ihr auslöschten, bevor sich der Priester selbst das Leben nahm. Norrington kommentiert dies mit "Lieber verrückt wie der Rest der Welt als bei Sinnen und allein", was als Vordeutung seines kommenden Handelns intendiert ist.

Gores Kommentar: Gore bezeichnet diese Anekdote als wahres Kleinod, das nicht nur dem Schauplatz Bedeutung verleiht, sondern auch das thematische Element der Trilogie untermauert. Einen Grund für's Kürzen nennt er nicht. 

Mein Urteil: Eindeutig der größte Verlust unter allen Deleted Scenes für Gore Verbinskis Pirates of the Caribbean-Filme! Keira Knightley und Jack Davenport sind herausragend in der Szene, und die Hintergrundgeschichte über Isla Cruces verleiht der furiosen Abfolge von Actionsequenzen, die im letzten Drittel des Films auf uns wartet, atmosphärische Textur. Darüber hinaus vertieft die Geschichte eines Geistlichen, der missionierend auf eine Insel kommt, die kurz danach von Kummer, Tragik und Tod heimgesucht wird, die zentrale Thematik der von Gore verantworteten Fluch der Karibik-Sequels. Und Ted & Terry schreiben einfach so schöne, sprachrhythmisch wohlklingende Monologe, die die Mythologie der Filme vergrößern, und gleichzeitig dadurch, wer wie was erzählt, die Figurenzeichnung bereichern. Ein echter Jammer, dass diese Passage fehlt, denn bei aller Bereicherung, die sie meiner Ansicht nach darstellt, hätte sie andererseits dem Film nicht geschadet: Sie kommt genau in einer Zäsur, kurz bevor die Action explodiert, und die paar Takte mehr hätten die Erzähldynamik meiner Ansicht nach nicht ausgebremst. (Und der kurze Kameraschwenk, der danach die Story als wahr enthüllt, sowieso nicht.)


Pot Kettle Black

Norrington, Jack und Will schüchtern einander weiter ein und verwirren gegenseitig, als der Schwertkampf zwischen ihnen ausbricht.

Gores Kommentar: Sinngemäß "Da war ein schönes Zitat drin, aber eigentlich wiederholt sich das alles nur, überflüssig, weg damit!"

Mein Urteil: Exakt!


Three Swords, One Key

Ein paar zusätzliche Beats für den Drei-Personen-Schwertkampf, unter anderem verheddert sich der Schlüssel zu Davy Jones' Truhe zwischen den Schwertern von Will, Norrington und Jack, woraufhin sich ein kurzer Anstarr-und-Antäusch-Wettbewerb ergibt, wer zuerst reagiert.

Gores Kommentar: Gore Verbinski bezeichnet die geschnittenen Passagen aus dem Drei-Leute-Schwertkampf als Folge dessen, was passiert, wenn man die Dreharbeiten beginnt, bevor sämtliche Drehbuchseiten finalisiert sind. Er und die Stuntcrew hätten sich bemüht, eine spannende, interessant choreografierte Actionszene zu gestalten, doch letztlich wurde im Schnitt klar, er hätte zu viel Material, als dass der Schwertkampf durchweg spannend bliebe. Daher kürzte er den Anfang, bevor das Trio das Wasserrad erreicht. In der langen Fassung sei zu offensichtlich, dass keine Gefahr besteht, weil keiner der Drei den Schneid hätte, die Gegner zu töten. Und generell habe Gore nach Fluch der Karibik die Nase bereits voll von konventionellen Schwertkämpfen und wolle daher so schnell wie möglich zum kreativen Teil.

Mein Urteil: Okay, Gore argumentiert überzeugend. Und dennoch trauere ich den Zusatzbeats etwas nach: Dariusz Wolskis Schwenks über Isla Cruces sind so bildhübsch, dass ich sie nicht missen möchte. Die drei "Ich will mein Ziel erreichen, aber nicht über Leichen gehen, doch auch keine Schwäche zeigen"-Choreografien für Will, Jack und Norrington sind sehenswert, und ich habe das Gefühl: Ein paar Takte länger als in der Kinofassung antäuschen, dass die große Steigerung gegenüber Teil eins lautet "Drei Männer kämpfen am Strand gegeneinander", um dann erst die absurden Geschütze aufzufahren, macht die Überraschung und anschließende Freude der kreativeren Momente auf Isla Cruces nur noch größer.


The Map is Finished

Ein alternatives/längeres Ende für die Norrington/Jones/Beckett-Handlungsfäden: Nachdem Norrington Beckett zeigt, dass er das Herz von Davy Jones ergatterte, schlägt er vor, es auf der Stelle zu durchstoßen, woraufhin Beckett ihn warnt, dass dies das leichtsinnigste ist, was er tun könnte. Beckett gibt Norrington stattdessen sein altes Schwert und seinen früheren Status wieder und empfängt einen (unausgesprochen, magisch) herbeigerufenen Davy Jones, als die Karte in Becketts vervollständigt wird.

Gores Kommentar: Gore befindet, dass diese Szene freier atmen kann und dadurch deutlicher macht, dass man verlorene Unschuld nicht mehr erhalten kann, als es letztlich die Norrington-Szenen in Teil drei zeigen, die geschrieben wurden, um das Entfernen dieser Passage auszugleichen. Er lobt Jack Davenports zerrissenes Schauspiel in dieser Deleted Scene, und er merkt an, wie sehr es ihm weh tat, die Kamerafahrt auf die vollendete Karte zu stutzen. Gore erklärt nicht, weshalb diese Szene entfernt wurde, macht aber klar, dass er die Entscheidung früh fällte: Die Szene wurde nicht einmal vollständig gedreht, sollte also noch länger gehen, als diese Deleted Scene denken lässt.

Mein Urteil: Wieder ein Fall von "Isoliert mag man kaum glauben, weshalb die Szene gekürzt wurde, aber im Gesamtkontext wird es überdeutlich": Stellt euch vor, wie diese Sequenz in den eigentlichen Film gequetscht wird. Auf einmal würde das ganze Finale von Die Truhe des Todes aus dem Takt geraten. Nach dem letzten Krakenangriff hat der Film so einen fantastischen Rhythmus, jede Dialogzeile, jeder Schnitt, alles greift ineinander. Jones bemerkt, dass er das Herz gar nicht zurückerobert hat, Norrington enthüllt, dass er das Herz hat, die Frage wird aufgeworfen, was Beckett damit vor hat, bevor wir uns in diese Frage verbeißen können, werden wir ins emotionale Tief von Will, Elizabeth, Gibbs, Pintel & Ragetti zurückgeworfen, vertiefen uns in Wills und Elizabeths Lage, sind völlig desolat und dann kommt der von Tia Dalma eingeworfene Hoffungsschimmer, gefolgt vom genialen Cliffhanger.

Ein längeres Verweilen bei Beckett und Norrington würde den Erzählfluss stören und die Melancholie und Verwirrung gegen ein deutlicheres "Dies ist das Ende des ersten Teils einer Back-to-Back-Filmproduktion, hier wird die Saat für den nächsten Part gesät, bereitet euch auf eine veränderte Bedrohung durch Jones vor, und nun zurück zu den Helden"-Plotten eintauschen. 


Das waren die weniger bekannten Deleted Scenes aus Teil zwei. Freut euch auf die aus Teil drei, die ich hier demnächst durchgehe.

Freitag, 5. März 2021

Freitag der Karibik #72

 Where's a Pirate?

Vieles ist seit dem letzten Freitag der Karibik geschehen! Box-Office-Analysten sagten die Pirates of the Caribbean-Saga tot, weil sie mit Teil fünf "nur" 794 Millionen Dollar eingenommen hat. Dann wurde öffentlich, dass Disney derzeit an zwei Pirates of the Caribbean-Filmen arbeitet. Nicht an zwei Entwürfen, von denen sich dann einer durchsetzen soll. Nein. Es werden zwei Filme entwickelt, die Disney umgesetzt sehen will. Gerüchteweise einer, der die altbekannte Filmwelt fortführt (wenngleich mit neuen Figuren im Fokus), und einer, der eher eine Art Neustart darstellt.

Und da drängt sich mir eine Frage auf: Was sollte mit He's a Pirate geschehen, wenn Jack, Will, Elizabeth und Konsorten nicht mehr im Fokus der Filmreihe stehen? Ist das Motiv so eng mit den Figuren verwoben, dass es unpassend wäre, es ohne sie weiter zu verwenden? Oder ist das Motiv eher mit der Filmreihe verquickt, so dass es falsch (und enttäuschend wäre), ohne es weiterzumachen?

Meine Position dazu: He's a Pirate könnte weiter verwendet werden. Während The Medaillon Calls alias "Jack Sparrows Einmarschmusik" fest mit Jack assoziiert ist, und daher ohne ihn nicht mehr in purer Form verwendet werden sollte (über kurze, kaschierte Referenzen ließe sich reden), ist He's a Pirate ein allgemeiner eingesetztes Stück. Allein schon, dass seine pure (und wohl am stärksten in den Köpfen des Publikums verankerte) Version im Abspann von Fluch der Karibik vorkam, und es generell im ersten Teil immer wieder während Actionmomenten variiert wird, sollte das deutlich unterstreichen.

He's a Pirate in einem Film ohne Will, Jack und Elizabeth einzusetzen, wäre also nicht so, als würde man einen heroischen Akt von Thorin Eichenschild in Der Hobbit mit einem schaurig-schurkischen Motiv aus Der Herr der Ringe untermalen. Oder sowas in der Art. Dennoch weiß ich nicht, wie ich zu einem sturen "Wir benutzen He's a Pirate exakt so wie früher, denn das ist, was die Fans wollen"-Denken stehen würde. 

Letztlich kommt es natürlich auf den Film, seine Tonalität, Story, Figuren und den Moment an, in dem man auf He's a Pirate zurückgreifen würde. Vielleicht findet man den perfekten Rückgriff, in dem es die altbekannte, pure Version sein muss, eventuell aber auch nicht. Per se, rein theoretisch gesprochen, würde ich aber hoffen, dass man dieses großartige Stück Musik nicht als Krücke benutzt, um sich im neuen Kapitel der alten Pirates of the Caribbean-Welt einerseits, geschweige denn beim ersten Kapitel in einem neuen Pirates of the Caribbean-Buch andererseits, auf alten Verlässlichkeiten ausruhen zu können.

Mein Gespür würde daher besagen, dass man bei Pirates of the Caribbean: Welchen Seemansgarn in der von Gore Verbinski errichteten Welt können wir denn noch so spinnen? musikalisch besser an Teil fünf anschließt als an Teil vier, sich also stärker darum bemüht, neue Themen prominent aufzubauen, statt alte abzuwandeln. Eine hörbar umarrangierte, aber klar wiedererkennbare He's a Pirate-Version, wie sie Geoff Zanelli im Abspann verwendet, darf liebend gern hier und da auftauchen. Ist ja auch die altbekannte Filmwelt, wenngleich wir uns in anderen Winkeln tümmeln, da ist das noch gut zu vernehmende Echo bekannter Musik durchaus angebracht.

Kniffliger wird es beim gerüchteweise eigenständigeren Pirates of the Caribbean-Projekt: Auf der einen Hand muss man diese Eigenständigkeit auch deutlich ausdrücken und durchziehen. Auf der anderen Hand wäre die Frage erlaubt, weshalb das denn dann noch Pirates of the Caribbean sein soll, statt etwa eines gänzlich neuen Piraten-Franchises, wenn man sich völlig von ikonischen Aspekten der Filmreihe distanziert. Wie etwa He's a Pirate.

Das ist eine wesentlich kompliziertere Balance, die man halten müsste, als beim obigen Gedankenspiel. Meine Annäherung wäre es wohl, in diesem Film He's a Pirate noch stärker umzuarrangieren und behutsam in die wahrscheinlich neue Klangwelt dieses Abenteuers einzuweben. So, dass das Publikum beim Zuschauen nicht raushört: "Oh, sie spielen endlich die Hits!" Es sollte eher eine unterbewusste Familiarität werden, quasi ein "Oh, wenn ich aufmerksam dem Album lausche, realisiere ich, weshalb ich dieses komfortable Gefühl habe, einen alten Bekannten wieder zu treffen: Da versteckt sich He's a Pirate in der Komposition!"


Aber egal, wie die Verantwortlichen vorgehen werden ... Ich kann erste, konkrete Meldungen über die zwei PotC-Filme nicht abwarten! 

Freitag, 1. Dezember 2017

Freitag der Karibik #71

Dieser Beitrag enthält Spoiler für die Pirates of the Caribbean-Saga.

Sofern wir einen Filmhelden danach definieren, wie viele Schurken er erledigt, so hat die Pirates of the Caribbean-Saga einen großen Helden im Schurkengewand versteckt. Was durchaus eine sehr piratige und somit konsequente Sache ist. Denn Käpt'n Hector Barbossa hat konsequent am Untergang all seiner "Nachfolger" in der Schurkenrolle mitgewirkt, nachdem er im Reihenbeginn Fluch der Karibik noch von Käpt'n Jack Sparrow bezwungen wurde.

Barbossa wirkte am Sieg gegen Davy Jones mit, indem er als fähigster Steuermann die Black Peal durch den Mahlstrom dirigierte, während Will Turner, Elizabeth Swann und Jack Sparrow das Kämpfen übernommen haben. Es war Barbossa, der den Feuerbefehl gegen Lord Beckett gegeben hat. Und er durchstieß Blackbeard mit einer vergifteten Klinge. In Salazars Rache letztlich war er es, der sich auf den Piratenjäger gestürzt und ihn in die Tiefe gerissen hat.

Sollte es einen sechsten Teil geben, wäre ich schwer dafür, dass es Carina ist, die der Widersacherin/dem Widersacher den finalen Stoß gibt!

Freitag, 24. November 2017

Freitag der Karibik #70


Es ist doch zum aus der Haut fahren: Im Frühjahr 2017 startete Joe Books Ltd. unter Disneys Lizenz eine US-Comicreihe, die im Pirates of the Caribbean-Universum angesiedelt ist und die Lücken zwischen den Filmen schließen sollte. Der ambitionierte Plan des Ganzen: Die Reihe beginnt unmittelbar nach Fluch der Karibik und zeigt, was Käpt'n Jack Sparrow und seine Crew so getrieben haben, nachdem sie von James Norrington einen Fluchtvorsprung gewährt bekamen. Im Laufe der Reihe sollten außerdem die Hintergrundgeschichten diverser Salazars Rache-Figuren erläutert werden und die Figuren aus Fremde Gezeiten etwas Zeit im Rampenlicht erhalten. Außerdem sollte die Zerstörung der HMS Dauntless gezeigt werden, die Norringtons Absturz ausgelöst hat, die ihn zu dem Mann gemacht hat, den wir in Die Truhe des Todes sehen.

Aber es hat wieder einmal nicht so kommen sollen, wie es geplant war: Die Reihe wurde allerdings abrupt eingestellt. Die vier einzigen veröffentlichten Storys wurden im Sammelband Beyond Port Royal noch einmal herausgebracht. In diesem vierteiligen Mini-Storybogen sucht Käpt'n Sparrow in der Nähe Port Royals nach einem sagenumworbenen Artefakt, dass den Wind kontrolliert. Dafür wird er von Gibbs und Anamaria kritisiert, sei es doch vernünftig, endlich das Weite zu suchen. Doch Jacks Logik besagt: Besser, nun nach einer Möglichkeit suchen, den Wind zu kontrollieren, als eines Tages auf weiter See bei Windstille auf dem Präsentierteller zu liegen.

Joe Floods Zeichnungen sind energiereich und dennoch übersichtlich - während die Figuren mit spitzer Feder angelegt sind, sind die Hintergründe etwas skizzenhafter, womit Flood das Augenmerk auf die Mimik der Piraten und ihrer Widersacher legt. Sind Gibbs und Marty nah an ihren Darstellern Kevin McNally und Martin Klebba gehalten, strahlt Sparrow klar das Flair dieser Figur aus, ist aber keine Johnny-Depp-Karikatur. Ebenso ist Anamaria zweifelsfrei als sie zu erkennen, selbst wenn sie nicht Zoe Saldanas exakte Gesichtszüge aufweist.

Die vier episodenhafte Abenteuer führen Sparrow und Crew zu einer Gruppe Inselbewohner, die Sparrow von früher kennt und lassen unsere Black-Pearl-Crew gegen Schurken antreten, die Anamarias Familie bedrohen, in einem weiteren Abenteuer wird Sparrow mit Ehrlichkeit "gesegnet" und zuletzt geht es um einen Dschungelkult.

Die von Storyautor Chris Schweizer erzielte Mischung aus Action, Comickaribikabenteuer und Humor ist ausgewogen und erinnert an das Flair der ersten beiden Pirates of the Caribbean-Filme, wobei die Charakterzeichnung Jacks sehr nah am trickreichen Ganoven mit innerem moralischem Kompass aus Teil eins liegt - selbst wenn er, anders als in den Gore-Verbinski-Filmen, ohne jeden Zweifel ganz allein im Mittelpunkt des Geschehens steht. Was mir sehr imponiert: Die Dialoge und Monologe wirken, wie aus einem Ted'n'Terry-Skript gefallen, voller Seefahrervokabular, rhythmisch-eloquenten Wortschwallen und trockenem Witz. Leider ist das Lettering durchweg in Großbuchstaben, was zumindest ich auf Dauer als anstrengend empfinde.

Fans der PotC-Saga kann ich den Sammelband mit der Einschränkung, dass er halt nur einen Bruchteil der geplanten Gesamthandlung erzählt und die Comicreihe somit unbefriedigend endet, durchaus empfehlen. Einfach, um noch einmal den glorreichen Jack in der Form zu erleben, in der wir ihn lieben gelernt haben.

Freitag, 17. November 2017

Freitag der Karibik #69


Es zeigt sich, dass ich mit meinem Gedanken nicht alleine bin, dass der reizvollste Schlüsselgedanke für ein Pirates of the Caribbean 6 nicht in der Frage liegt "Was kann Käpt'n Jack Sparrow noch alles anstellen?", sondern in der Frage "Wie geht es eigentlich Elizabeth Swann?"

Scott Mendelsohn schlägt bei Forbes vor, dass Disney ein sechstes Kapitel in der Piratensaga aufschlägt und darin erzählt, wie sich Jack Sparrow und Elizabeth Swann auf gegensätzlichen Seiten wiederfinden. Und während die ersten drei Filme sie zur Protagonistin, Sparrow jedoch zur Quasi-Hauptfigur gemacht haben, sollte sich Teil sechs völlig auf Swanns Seite schlagen und Sparrow zum Schurken machen. Und vielleicht sogar so aus der Reihe herausschreiben ...

Nun, ich würde nicht ganz so weit gehen und Elizabeth den Publikumsliebling der vorhergegangenen Filme töten lassen (*ähem*kenn ich irgendwoher*ähem*). Doch die Idee, Elizabeth in den Fokus zu stellen und gegen Sparrow arbeiten zu lassen, finde ich sehr aufregend. Selbst wenn es knifflig wird: Teil eins bis vier zeigten einen nach und nach aufweichenden Piraten. Aus jemandem, der nach Blutrache für eine Meuterei sinnt, wurde wer, der seine eigene Sicherheit für das Leben Fremder riskiert. Teil fünf zeigte dann, wie diesem Gutmenschseeräuber das Glück ausging, und selbst wenn Salazars Rache dies nicht als Konsequenz skizzierte, könnte sich Teil sechs das noch zurechtmachen: Was, wenn der zu seiner alten, legendären Form zurückgekehrte Sparrow gierig wird?

Nach Salazars Rache ist im Rat der Bruderschaft ein Platz vakant geworden, und ich könnte mir vorstellen, dass dies für die Piratenpolitik (noch mehr) Tumult bedeutet. Was, wenn Swann, dank Jack Sparrows Stimme zum Piratenkönig gewählt, und Sparrow dieses Mal auf unterschiedliche Lösungswege pochen? Welche Wellen könnte dies schlagen?

Mein Traum wäre, dass Pirates of the Caribbean 6 einen verhärtenden Käpt'n Sparrow skizziert, der sich im Finale entscheiden muss: Zunächst konnte er vielleicht sein Ziel verfolgen und so Swann in die Quere kommen, ohne sie und ihre wachsende Sippe zu gefährden. Aber was, wenn der Zwist innerhalb der Piratenschaft so sehr hochkocht, dass er Sparrows Kontrolle entgleitet und seine Verbündeten zu hart zuschlagen wollen? Was, wenn der von Sparrow ins Rollen gebrachte Stein seinen alten Gefährten nachhaltig schaden, sie vielleicht sogar töten könnte, und er dies nur durch ein Opfer abwenden kann?

Wir könnten Sparrow in den Märtyrertod schicken - oder, was ich in einer Seemannsgarnreihe reizvoll fände, die doch allein schon vom Setting her nach bitterromantischen Ideen schreit: Was, wenn Sparrow transformiert wird? Davy Jones bezeichnete ihn einst als ein kleines Vöglein, ein Vöglein, das verlernt hat, zu fliegen. Machen wir dies zu einer Vorausdeutung und lassen Sparrow zum Schutzpatron der Piraten werden - zu einem kleinen, frechen Vogel. Damit hat er endlich die von ihm ersehnte Freiheit und Unsterblichkeit. Doch er wird nie wieder seine geliebte Black Pearl steuern können und das Leben auf hoher See ist als Vogel auch nur halb so berückend ...

Ab Teil sieben geht's dann um den Swann-Turner-Clan. Und ab und zu können wir den Vogel durchs Bild fliegen lassen, und Disney/Bruckheimer müssen sich keinen Kopf mehr wegen Johnny Depps sinkender Beliebtheit in den USA machen!

Freitag, 10. November 2017

Freitag der Karibik #68


Im Herbst dieses Jahres ist eine piratige Disney-Legende von uns gegangen: Francis Xavier Atencio, bestens bekannt als X. Atencio. Der am 4. September 1919 in Walsenburg, Colorado geborene Künstler starb am 10. September dieses Jahres. Er wurde 98 Jahre alt und hinterließ ein umfangreiches Lebenswerk, das Generationen von Trickfilm- und Themenparkfans begeisterte - und das noch viele weitere Generationen verzaubern wird.

Atencios wohl meistzitierte Leistungen sind musikalischer Art: Er verfasste die Liedtexte zu Yo-Ho (A Pirate's Life for Me) und Grim Grinning Ghosts, also zu den Songs, die sich wie ein roter Faden durch zwei absolute Fanlieblinge unter den Disney-Attraktionen ziehen. Ohne Atencios Texte wären Pirates of the Caribbean und Haunted Mansion/Phantom Manor nicht das, wofür sie so sehr gefeiert werden. Aber Atencio hat diese kultigen Juwelen der Disney-Themenparkwelt nicht nur mit diesen Liedern geprägt: Er verfasste auch die generellen Scripts für die Originalversionen von Pirates of the Caribbean und Haunted Mansion.

Dass Atencio diese Aufgaben zugetragen bekam, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken: Nachdem Walt Disney ihn ins Imagineering-Team geholt hat, war er Teil der Gruppe, die an Pirates of the Caribbean tüftelte. Eines Tages sagte Atencio zu Walt Disney, dass diese bunte, bislang zusammenhanglose Abfolge an Szenen am besten durch ein Lied zusammengehalten werden sollte. Walt Disney gefiel die Idee und meinte: "Du solltest das Lied schreiben!" Atencio hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht ein einziges Mal als Liedtexter gearbeitet, befolgte aber diese Aufforderung. Und schuf einen unsterblichen Klassiker, auf dessen Schwingen er die Karriereleiter im Imagineering nach oben stolperte. Atencio arbeitete später unter anderem auch am Space Mountain und Spaceship Earth mit.

Atencio stieg 1938 bei Disney ein und wirkte zuerst als Reinzeichner an Filmen wie Pinocchio sowie Fantasia mit, ehe er zum Militärdienst eingezogen wurde. 1945 kehrte er in die Disney-Studios zurück und war zuerst in kleineren Positionen an diversen Episodenfilmen beteiligt, ehe er maßgeblich am Oscar-prämierten Kurzfilm Toot, Whistle, Plunk and Boom mitwirkte. Walt Disney gefiel, was Atencio mit limitierter Animation bewerkstelligen konnte und holte ihn ins Team für den Mickey Mouse Club, wo "große Leistung für kleines Geld" gefragt war. Atencio zeichnete dort Jiminy Grille, dieses Mal als Chef-, statt als Reinzeichner. Erneut wurde Walt auf Atencio aufmerksam und beauftragte ihn, an stilisierten Stop-Motion-Kurzfilmen wie Noah's Ark mitzuarbeiten - Posten, die ihm Aufträge in der Effektcrew von Aufruhr im Spielzeugland und Mary Poppins einbrachten.

Danke, X!

Freitag, 3. November 2017

Freitag der Karibik #67

Im Vorfeld des Pirates of the Caribbean - Salazars Rache-Heimkinostarts lud Disney einige Vlogger zu einem feinen Piratenevent. Dort wurde unter anderem von Keira Knightleys und Johnny Depps Stuntdouble ein Miniexkurs in Sachen Piratenkampf gegeben:



Und da das Video so kurz ist, hier noch etwas Piratenmusik aus Tokyo Disneyland:




Freitag, 27. Oktober 2017

Freitag der Karibik #66

Was kleines, feines zwischendurch: Die piratigen Nebendarsteller von Salazars Rache sprechen über ihre Parts. Viel Vergnügen beim Anschauen!

Freitag, 20. Oktober 2017

Freitag der Karibik #65


Bevor ihr den Rest dieses Postings über ungläubig den Kopf schüttelt, seid beruhigt: Mir ist bewusst, dass wir in einer Welt leben, in der ich als Pirates of the Caribbean -Fan darum bangen muss, überhaupt einen sechsten Film zu Gesicht zu bekommen. Da lohnt es nicht, in Träumereien auszubrechen, was Spin-Offs im Stile der A Star Wars Story-Filme anbelangt. Aber: Verboten ist solch ein Gedankenspiel ebenso wenig. Insbesondere, da ich so nochmal das Potential der Reihe abseits Käpt'n Sparrow aufzeigen kann.
Zur Not bin ich übrigens auch mit gut geschriebenen Romanen zu diesen drei Storyideen zufrieden ...

Was hat Elizabeth Swann die ganze Zeit so getrieben?
Ein Midquel, das zwischen Am Ende der Welt und dem Abschluss von Teil fünf angesiedelt ist. Es zeigt uns, wie Elizabeth ihren Sohn aufzieht, Piratenattacken auf ihre Insel abwehrt (versteckt die Gute vielleicht einen Schatz) und immer wieder königliche Pflichten erfüllt - was als Piratin sehr turbulente Formen annimmt.

Angelicas Rache
Penelope Cruz kann eine sehr anstrengende, aber auch eine sehr einnehmende Performerin sein. Und zumindest ich zähle ihrem Pirateneinsatz zu ihren besten Rollen - wieso also nicht erzählen, was nach Teil vier so geschieht? Vielleicht gerät sie auf der Suche nach Rache in ein mystisches Abenteuer ohne Sparrow?

Pintel und Ragetti schlagen sich durch
Mal was leichtgängiges aus dem PotC-Universum: Ich kann mir sehr gut eine Abenteuerkomödie vorstellen, die damit eröffnet, wie das Chaos-Duo dem Angriff Blackbeards auf die Black Pearl entkommt. Daraufhin gibt es eine episodenhafte Folge an irrem Bombastslapstick mit zwei dunkelgraumoralischen Piratentrotteln, die immer wieder knapp einem miesen Schicksal entkommen.

Freitag, 13. Oktober 2017

Freitag der Karibik #64


Sofern die Pirates of the Caribbean-Saga weitererzählt wird, und sich weiterhin dem Übernatürlichen widmet (und da gibt Teil fünf ja widersprüchliche Ansagen), stellt sich natürlich die Frage: Welcher Kurs steht dem Franchise noch offen?

Da hilft vielleicht ein Blick in die Vergangenheit. In einem Interview über Fremde Gezeiten verriet Terry Rossio, welche noch ungenutzte Mythen und Legenden dem Filmteam so herumgeisterten:

"Im Büro gibt es eine ganze Wand solcher Ideen. Unser Glück ist, dass wir Seemannsgarn erzählen, also sind wir offen für, naja, quasi alles, was auf diese alten Karten gezeichnet wurde. Da ist eine Seeschlange, da eine Riesenspinne, hier ist New Orleans."

Während  New Orleans als Setting ungeheuerliche Möglichkeiten bietet, wäre ich streng gegen einen "Piraten gegen Riesenspinne"-Film. Das klingt mir zu trashig. Da lieber die Seeschlange, auch wenn ich mich frage, wie die gegen die Kraken-Szenen in Die Truhe des Todes bestehen soll ...

Freitag, 6. Oktober 2017

Freitag der Karibik #63


Was ist schon ein Pirat ohne Beute? Wertlos, mögen manche sagen. Aber es verwundert, wie viele (hauptsächlich US-amerikanische) Medien dieses Jahr eine ganz sonderbare Definition von "Beute" herbeiflunkern, um einem gewissen Piraten seinen Wert abzusprechen.

Liest man US-Portale wie Slashfilm, Collider, The Wrap und Co., so gibt es einen überdeutlichen Konsens, was das finanzielle Abschneiden von Pirates of the Caribbean - Salazars Rache anbelangt: Katastrophal. Ein Schlag ins Wasser, der endgültig die PotC-Filmreihe begraben haben dürfte.

Nun wird man mich als Liebhaber der Saga parteiisch nennen, gut möglich. Aber man möge mir gestatten, diverse US-Kollegen ebenfalls biased zu nennen (erneut). Die Pirates of the Caribbean-Reihe hat bei den US-Kritikern seit Teil zwei einen schlechten Stand, Teil fünf bekam eine besonders deftige Schlammpackung ab. Da wird das kleine Zeichen von Schwäche, nach drei 900-Millionen-Dollar-und-mehr-Filmen in Folge nun ganz knapp an der 800-Millionen-Dollar-Hürde gescheitert zu sein, direkt derart aufgepustet, bis es so aussieht, als hätte Salazars Rache brutal Schiffbruch erlitten.

Das ist, in meinen Augen, ganz schon lächerlich. Salazars Rache nahm weltweit 794.773.823 Dollar ein - bei einem Budget von 230 Millionen Dollar (laut Box Office Mojo). Das schreit nicht nach "Okay, wir machen sofort Teil sechs", aber ebenso wenig ist es der mit Gewalt reingehämmerte, letzte Nagel im Sarg einer Seefahrerleiche.

Kurioserweise wird bei zahlreichen anderen Filmen, die schwächer an den Kinokassen abschnitten, nicht mit so viel Gift und Galle über etwaige Fortsetzungen berichtet.

Kong: Skull Island nahm weltweit 566,65 Millionen Dollar ein, bei einem Budget von 185 Millionen Dollar. Prominent platzierte, verfrühte Nachrufe auf Warners Pläne für ein Godzilla/Kong-Monsteruniversum? Keine.

Planet der Affen - Survival holte 489,55 Millionen Dollar bei Kosten von 150 Millionen Dollar - und die "Thinkpieces" über ein Ende der Reihe reichen quantitativ nicht ansatzweise an die über Disneys Piraten heran.

X-Men: Apocalypse holte nur 543,93 Millionen Dollar bei einem Budget von 178 Millionen Dollar. Fox' Entscheidung, einen weiteren X-Men-Film zu drehen wurde nirgends laut in Frage gestellt.

Also ... Ob Jack Sparrow ein letztes Mal gesegelt ist oder nicht, das haben andere zu entscheiden, nicht die Pirates-Hater. Klar soweit?!

Freitag, 29. September 2017

Freitag der Karibik #62

'Film.Music.Media' hat ein großartiges, fast eineinhalbstündiges Porträt/Langforminterview zu/mit Geoff Zanelli gemacht. Der Komponist erzählt darin unter anderem einiges Ulkiges und Wissenswertes über seinen Werdegang, den Wahnwitz von Lone Ranger und seine innige Beziehung zum Pirates of the Caribbean-Franchise.

Viel Spaß beim Anschauen!


Freitag, 22. September 2017

Freitag der Karibik #61


Habt ihr euch je gefragt, welchen Text Käpt'n Jack Sparrow da auf dem Rücken stehen hat? Nun, ihr könntet entweder die Davy-Jones-Reich-Szene in Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt im Superzoom untersuchen, aufmerksam den Abspann des Films lesen oder euch einfach an dieser Stelle Aufschluss geben lassen - sofern ihr es nicht eh schon wisst.

Der torkelnde Seeräuber hat sich ein Gedicht stechen lassen, und zwar eines, das Jahre nach seiner Entdeckung unter dem Namen Desiderata Berühmtheit erlangte. Der Sage nach wurde es im Jahr 1692 in einer Kirche in Baltimore vorgefunden - ohne Autorenangabe oder Hinweise zur Entstehungsgeschichte. Im Jahr 1927 ließ sich dann Rechtsanwalt Max Ehrmann ein Urheberrecht auf den Text ausstellen. Jedenfalls, wenn man an solche Legenden glaubt. Denn hiesig besagte Urhebergeschichte ist bloß eine urbane Legende. Die langweiligere, aber plausiblere Lesart, ist, dass das Gedicht schlicht 1927 von Ehrmann verfasst wurde. Punkt, Ende, Aus. Das Pirates of the Caribbean-Universum liegt also in einem Paralleluniversum, in dem unsere urbane Legende über Desiderata wahr ist.

Desiderata (lateinisch für "Begehrte Dinge") wurde erst nach Ehrmanns Tod weitläufig bekannt, spätestens, als es in die Public Domain gelangte, war es im englischsprachigen Raum quasi überall als Inspirationstext vorzufinden. 1971 fertigte Friedrich Schütter sogar eine deutsche Übersetzung an. Hier findet ihr den englischen Originaltext - der zumindest in groben Pinselstrichen durchaus zu Sparrows Mentalität passt (und in anderen eher seinem möglichen Wunschdenken, wie er wirken könnte), oder?

Go placidly amid the noise and the haste, and remember what peace there may be in silence. As far as possible, without surrender, be on good terms with all persons.

Speak your truth quietly and clearly; and listen to others, even to the dull and the ignorant; they too have their story.

Avoid loud and aggressive persons; they are vexatious to the spirit. If you compare yourself with others, you may become vain or bitter, for always there will be greater and lesser persons than yourself.

Enjoy your achievements as well as your plans. Keep interested in your own career, however humble; it is a real possession in the changing fortunes of time.
Exercise caution in your business affairs, for the world is full of trickery. But let this not blind you to what virtue there is; many persons strive for high ideals, and everywhere life is full of heroism.

Be yourself. Especially, do not feign affection. Neither be cynical about love; for in the face of all aridity and disenchantment it is as perennial as the grass.

Take kindly the counsel of the years, gracefully surrendering the things of youth.

Nurture strength of spirit to shield you in sudden misfortune. But do not distress yourself with dark imaginings. Many fears are born of fatigue and loneliness.

Beyond a wholesome discipline, be gentle with yourself. You are a child of the universe no less than the trees and the stars; you have a right to be here.

And whether or not it is clear to you, no doubt the universe is unfolding as it should. Therefore be at peace with God, whatever you conceive Him to be. And whatever your labors and aspirations, in the noisy confusion of life, keep peace in your soul. With all its sham, drudgery and broken dreams, it is still a beautiful world. Be cheerful. Strive to be happy.

Freitag, 15. September 2017

Freitag der Karibik #60


Wie setzt man eine immens erfolgreiche Filmtrilogie fort, deren zentraler Handlungsbogen beendet ist? Im Fall der Pirates of the Caribbean-Saga basierten die Gedanken der verantwortlichen Autoren Ted Elliott und Terry Rossio auf zwei Inspirationen.

Einerseits geisterte ihnen Tim Powers' Roman In fremderen Gezeiten durch den Kopf, der ihnen während der Skriptarbeit an Die Truhe des Todes und Am Ende der Welt in die Hände fiel und der ihnen als Story über Piraten, Meerjungfrauen, den finsteren Blackbeard und die Quelle der ewigen Jugend nicht mehr aus dem Sinn ging. Sie wussten: Wenn es einen vierten Teil gibt, so werden wir unterbewusst bei dieser starken Vorlage klauen - also gehen wir lieber den offiziellen Weg, drängen Disney dazu, die Adaptionsrechte am Buch zu erwerben und planen eine sehr, sehr lose Neuinterpretation.

Laut Terry Rossio war der Stein des Anstoßes für das endgültige Skript indes eine Vorstellung, die er und Elliott hatten. Ein Szenenbild, das ihnen sehr gefiel und das sie als Mittelstück genommen haben, dessen Vor- und Nachgeschichte sie erzählen wollten:

"Jack Sparrow tanzt mit jemandem an Deck. Es ist eher ein romantischer, der Zeit angebrachter Tanz. Ein Schiff im Mondlicht, und Jack Sparrow tanzt, muss vielleicht jemanden verführen. Das haben wir auf einer Karte notiert und dann gesagt: 'Warum tanzt Jack Sparrow?`"

Es ist Fremde Gezeiten anzumerken, welcher erster Gedanke dem Film zugrunde liegt. Er ist (vielleicht auch aufgrund Regisseur Rob Marshall) verträumter, inhaltlich spielt Jack Sparrows Tanzpartnerin Angelica eine große Rolle und das neckische Geplänkel zwischen ihr und Jack prägt sehr den Humor des Films.

Zugleich erklärt dieser Grundstein, weshalb Fremde Gezeiten in meinen Augen schwächer ist als Die Truhe des Todes: Der ersten Fluch der Karibik-Fortsetzung geht die Idee eines großen Dilemmas voraus, der ganze Film arbeitet auf eine dramatische, zweischneidige Situation hin. Fremde Gezeiten basiert dagegen "nur" auf einem reizvollen Bild.