Freitag, 24. November 2017

Freitag der Karibik #70


Es ist doch zum aus der Haut fahren: Im Frühjahr 2017 startete Joe Books Ltd. unter Disneys Lizenz eine US-Comicreihe, die im Pirates of the Caribbean-Universum angesiedelt ist und die Lücken zwischen den Filmen schließen sollte. Der ambitionierte Plan des Ganzen: Die Reihe beginnt unmittelbar nach Fluch der Karibik und zeigt, was Käpt'n Jack Sparrow und seine Crew so getrieben haben, nachdem sie von James Norrington einen Fluchtvorsprung gewährt bekamen. Im Laufe der Reihe sollten außerdem die Hintergrundgeschichten diverser Salazars Rache-Figuren erläutert werden und die Figuren aus Fremde Gezeiten etwas Zeit im Rampenlicht erhalten. Außerdem sollte die Zerstörung der HMS Dauntless gezeigt werden, die Norringtons Absturz ausgelöst hat, die ihn zu dem Mann gemacht hat, den wir in Die Truhe des Todes sehen.

Aber es hat wieder einmal nicht so kommen sollen, wie es geplant war: Die Reihe wurde allerdings abrupt eingestellt. Die vier einzigen veröffentlichten Storys wurden im Sammelband Beyond Port Royal noch einmal herausgebracht. In diesem vierteiligen Mini-Storybogen sucht Käpt'n Sparrow in der Nähe Port Royals nach einem sagenumworbenen Artefakt, dass den Wind kontrolliert. Dafür wird er von Gibbs und Anamaria kritisiert, sei es doch vernünftig, endlich das Weite zu suchen. Doch Jacks Logik besagt: Besser, nun nach einer Möglichkeit suchen, den Wind zu kontrollieren, als eines Tages auf weiter See bei Windstille auf dem Präsentierteller zu liegen.

Joe Floods Zeichnungen sind energiereich und dennoch übersichtlich - während die Figuren mit spitzer Feder angelegt sind, sind die Hintergründe etwas skizzenhafter, womit Flood das Augenmerk auf die Mimik der Piraten und ihrer Widersacher legt. Sind Gibbs und Marty nah an ihren Darstellern Kevin McNally und Martin Klebba gehalten, strahlt Sparrow klar das Flair dieser Figur aus, ist aber keine Johnny-Depp-Karikatur. Ebenso ist Anamaria zweifelsfrei als sie zu erkennen, selbst wenn sie nicht Zoe Saldanas exakte Gesichtszüge aufweist.

Die vier episodenhafte Abenteuer führen Sparrow und Crew zu einer Gruppe Inselbewohner, die Sparrow von früher kennt und lassen unsere Black-Pearl-Crew gegen Schurken antreten, die Anamarias Familie bedrohen, in einem weiteren Abenteuer wird Sparrow mit Ehrlichkeit "gesegnet" und zuletzt geht es um einen Dschungelkult.

Die von Storyautor Chris Schweizer erzielte Mischung aus Action, Comickaribikabenteuer und Humor ist ausgewogen und erinnert an das Flair der ersten beiden Pirates of the Caribbean-Filme, wobei die Charakterzeichnung Jacks sehr nah am trickreichen Ganoven mit innerem moralischem Kompass aus Teil eins liegt - selbst wenn er, anders als in den Gore-Verbinski-Filmen, ohne jeden Zweifel ganz allein im Mittelpunkt des Geschehens steht. Was mir sehr imponiert: Die Dialoge und Monologe wirken, wie aus einem Ted'n'Terry-Skript gefallen, voller Seefahrervokabular, rhythmisch-eloquenten Wortschwallen und trockenem Witz. Leider ist das Lettering durchweg in Großbuchstaben, was zumindest ich auf Dauer als anstrengend empfinde.

Fans der PotC-Saga kann ich den Sammelband mit der Einschränkung, dass er halt nur einen Bruchteil der geplanten Gesamthandlung erzählt und die Comicreihe somit unbefriedigend endet, durchaus empfehlen. Einfach, um noch einmal den glorreichen Jack in der Form zu erleben, in der wir ihn lieben gelernt haben.

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