Mittwoch, 31. Oktober 2012

Sleepy Hollow


Drei Jahre nach dem blödelkomischen Mars Attacks! und fünf Jahre nach seinem Biopic über B-Movie-Filmer Ed Wood kehrte Tim Burton 1999 mit Sleepy Hollow zu seinen atmosphärisch-schaurigen Wurzeln zurück. Die lose Adaption der Erzählung von Washington Irving rund um ein verschlafenes Dorf und einen kopflosen Reiter schüttelte den verschrobenen Burton-Humor jedoch nicht völlig ab, was sie zu einer kuriosen Mischung aus Schauermär und leicht grotesker Komödie werden ließ. Eine Mixtur, die wohl nicht jedem Zuschauer gefällt, jedoch durchaus ihre Ausstrahlung hat.

New York City im Jahre 1799: Police Constable Ichabod Crane fällt mit seinen fortschrittlichen forensischen Methoden seinen Vorgesetzten gehörig auf den Wecker. Als er sich obendrein gegen die Folter und für Strafverteidigung ausspricht, haben sie endgültig genug von dem intelligenten und chaotischen Sonderling. Um  Crane loszuwerden, bedenkt ihn sein Vorgesetzter damit, eine mysteriöse Mordserie im abgeschiedenen Dörflein Sleepy Hollow aufzuklären. Dort angekommen erläutern ihm die Anwohner, dass es sich beim Täter um einen untoten, kopflosen Reiter handeln würde, der jedem, der ihm über den Weg läuft, den Kopf abschlägt. Crane hält dies für unsinnigen Hokuspokus, aber er beginnt an seiner rationalen Denkweise zu zweifeln, als ihm die zierliche Katrina van Tassel schöne Augen macht und dabei voller Überzeugung von ihrem Glauben ans Übernatürliche berichtet ...

Sleepy Hollow hält im Tim-Burton-Kanon eine sonderbare Position inne: Einerseits ist diese Produktion aufgrund Cast & Crew, der mit Ironie gebrochenen, schaurigen Atmosphäre und des gothischen, in ausgewählten Szenen auch poetischen Looks so etwas wie "Das große Tim-Burton-Einmaleins". Der Film ist das Bindeglied zwischen dem frühen Tim Burton, der nur zwei Mal mit Johnny Depp zusammenarbeitete und sich bevorzugt originalem Material annahm, und dem "modernen" Tim Burton, der Depp stets in seiner Nähe braucht und bevorzugt bekanntes Material neu interpretiert. Und dennoch würde ich ihn nur in der zweiten Reihe der Burton-Werke vermuten. Er hat nicht die eingeschworene Kultgemeinde eines Nightmare before Christmas (wo Burton nicht als Regisseur tätig war, trotzdem darf man den Film wohl seiner Vita zuschreiben) oder Sweeney Todd, es ist kein solcher Kritikerfavorit wie Edward mit den Scherenhänden oder Big Fish und auch nicht solch ein kommerzieller Großerfolg wie Charlie und die Schokoladenfabrik oder Alice im Wunderland. Ebenso wird Sleepy Hollow nicht so gehasst wie besagtes Alice-Remake/Sequel, Dark Shadows oder Planet der Affen. Sleepy Hollow, so könnte man sagen, ist einfach da. Der Film existiert, gefällt oder missfällt, reizt aber nicht zu so starken Reaktionen wie viele andere Burton-Projekte.

Dass Sleepy Hollow sich in der Betrachtung Tim Burtons Schaffenswerk nicht dermaßen aufdrängt wie die genannten Beispiele, dürfte daran liegen, dass diese augenzwinkernde, und dennoch auch ernstlich gruselige, Schauermär zwischen den Fronten steht. Burtons freie Nacherzählung der Geschichte vom kopflosen Reiter hat von allem etwas, geht aber nie aufs Ganze. Er ist zu schaurig, um als Komödie durchzugehen, zu komödiantisch, um durchweg zu beklemmen, zu burtonhaft-quirlig, um die konventionellen Genrefans zu begeistern, wer aber den puren Burton-Wahnsinn erwartet, wird durch eine unerwartet große Bodenhaftung zurückgehalten.

All das führt dazu, dass Sleepy Hollow leicht als Film der Qualitätsgüte ''recht gut, aber ...'' aufgenommen werden kann. Jedoch jongliert Burton so gut mit seinen ungleichen Zutaten, dass seine dritte Kollaboration mit Johnny Depp trotzdem keinen unausgegorenen Mischmasch darstellt. Wenn man sich mit der sonderbaren Grundstimmung von Sleepy Hollow arrangiert hat, entfaltet diese einen eigenwilligen Charme. Es ist so, als würde man einen nostalgischen Rückwurf zu den Glanzzeiten der Hammer-Horrorfilme, eine opulentere und durchdachtere Hommage an die kultige Horrormarke und eine liebevolle Parodie gleichzeitig sehen, ohne dass sich die drei Elemente gegenseitig in ihrer Wirkung verhindern. Wenn etwas witzig sein soll, ist es zumeist auch witzig, und die Schreckmomente sitzen ebenfalls. Bloß im Gesamtbild erschwert Burtons Mischung das Ziehen eines handfesten Fazits – was schließlich die eher zweitrangige Position von Sleepy Hollow im Burton-Kanon bedingt.


Die tragenden Elemente von Sleepy Hollow sind, über jegliche tonale Schwankungen hinweg, Hauptdarsteller Johnny Depp, die Darstellung des kopflosen Reiters und die düster-melancholische Optik des Films. Depps Ichabod Crane hat, von seiner Tollpatschigkeit abgesehen, nur noch den Namen mit der ursprünglichen Figur gemeinsam. War Crane im Original eine einfältige, abergläubische Vogelscheuche von einem Mann, ist Depps Ichabod ein liebenswert-verpeilter Schussel mit hoher Kombinationsgabe und von störrischer Rationalität. Somit konnten Burton und die Autoren dieser Schauermär einen neuen Charakterbogen spannen: In diesem Film muss Ichabod seine Rationalität überkommen, um mit der geheimnisvollen, zierlichen Katrina van Tassel (eine sympathische, doch etwas zu zurückhaltende Christina Ricci) dem Gehemnis des Reiters auf die Spur zu kommen. Früh wird klar, dass dieser in Burtons Version der Geschichte zweifelsohne ein übernatürliches Ungetüm ist (wortkarg und einschüchternd, aber auch mit kurzen Prisen Humors von Christopher Walken dargestellt) – jedoch ist die Kriminalgeschichte, die den Überbau von Sleepy Hollow darstellt, damit noch nicht zu Ende erzählt. Denn hier vermengen sich nicht nur filmische Klangfarben, sondern alte Flüche, monströser Blutdurst und ganz weltliche Mordmotive miteinander.

Das Rätsel ist aufgrund der leicht als Ablenkungen erkennbaren erzählerischen Irreführungen und den zu dick aufspielenden Verschwörern zwar schnell gelöst (zumindest die Frage nach de Täter, das Motiv wiederum ist überraschend verworren), allerdings ist in dieser Gruselgeschichte der Weg das Ziel. Und diesen beschreitet Burton mit denkwürdiger Ikonografie: Kameramann Emmanuel Lubezki und Produktionsdesigner Rick Heinrichs schaffen eine lebensnah detaillierte, doch unwirklich ausgeleuchtete Bühne für Burtons Erzählung, verleihen den Schauplätzen ein unwohles Gefühl und berücken mit wuchtigen Monumenten wie dem Baum des Todes.

Sleepy Hollow zeigt Tim Burton in seinem Element. Jedoch ist es ein Tim Burton, der sich der Atmosphäre seiner Vorlage anpasst, statt sie sich zurechtzubiegen. Je nach Sichtweise gab es das zuletzt bei Sweeney Todd, an dessen nachhallende Ausstrahlung Sleepy Hollow nicht heranreichen mag, doch es genügt für eine visuell stimmige, inhaltlich reizvoll-verschrobene Gruselstunde.

Dienstag, 30. Oktober 2012

Disney übernimmt LucasFilm, ist zwei Schritte näher an der alleinigen Herrschaft der Kinowelt


Es lag schon länger in der Luft, trotzdem schien es unwahrscheinlich, dass es in naher Zukunft geschieht. Und jetzt stehen wir hier, staunend: Nach Pixar, den Muppets und Marvel greift Disney ein weiteres Mal tief in die Taschen, um sich eine populäre Marke einzuverleiben. Wie vor wenigen Minuten offiziell bekannt wurde, übernimmt The Walt Disney Company für 4,05 Milliarden Dollar George Lucas' Produktionsschmiede Lucasfilm Ltd. inklusive den Rechten am legendären Star Wars-Franchise.

Anders als damals bei den Muppets lässt Disney seine jüngste Errungenschaft nicht lange links liegen: Wie im Rahmen der offiziellen Pressemitteilung bezüglich der gemeinschaftlich von George Lucas und Disney-Chef Robert Iger ausgeheckten Übernahme vermeldet wurde, will Disney noch bis 2015 die dritte Star Wars-Trilogie in Gang bringen. George Lucas wird, ähnlich wie bei Star Wars Episode V und VI, als kreativer Berater fungieren, nicht aber als Regisseur tätig sein. Kathleen Kennedy, derzeit Co-Vorsitzende von Lucasfilm, wird als Produzentin an den Filmen beteiligt, außerdem wird sie unter Disney zur Präsidentin von Lucasfilm Ltd. (oder Disney-Lucasfilm) ernannt und das Label in Zusammenarbeit mit Alan Horn, dem Vorsitz der Walt Disney Studios, zu einem integralen Teil des Konzerns aufbauen.

George Lucas, der nach seiner diesjährigen Produktion Red Tails bekannt gab, sich stückweise vom aktiven Filmgeschäft zurückziehen zu wollen, kommentiert seinen und Disneys Entschluss: "In den vergangenen 35 Jahren zählte es zu meinen größten Vergnügen, zu sehen, wie Star Wars von einer Generation zur nächsten weitergereicht wurde. Nun ist es für mich an der Zeit, Star Wars an eine neue Generation von Filmemachern zu überreichen. Ich war stets davon überzeugt, dass Star Wars mich überleben kann, und ich empfand es als wichtig, diesen Übergang noch während meiner Lebenszeit voranzutreiben. Ich bin zuversichtlich, Lucasfilm unter der Führung Kathleen Kennedys zu sehen, und mit seiner neuen Heimat innerhalb der Disney-Gesellschaft wird Star Wars noch viele Generationen weiterleben und aufblühen."

Auch die Rechte an Indiana Jones gehen zu Disney über, aktuelle Pläne für den berühmtesten Archäologen der Welt gab Disney allerdings noch nicht bekannt.

Mit der Übernahme Lucasfilms erhält Disney nicht bloß die Rechte an Star Wars, sondern übernimmt auch die Führung der weiteren Aktivitäten von Lucas' Filmschmiede, sei es im Bereich der Soundbearbeitung oder Effektarbeit. Wie schon bei der Übernahme Pixars bleiben die bisherigen Marken und deren Standorte bestehen. Disney möchte zudem alle Mitarbeiter von Lucasfilm, und dessen Untermarken Lucasfilm Ltd., LucasArts, Industrial Light & Magic und Skywalker Sound, beibehalten.

Siehe auch:

Montag, 29. Oktober 2012

Disneyland°2 - Pirates of the Caribbean

Welcome, foolish mortals!

Disneyland Paris feiert sein 20-jähriges Jubiläum, und während ich es kaum erwarten kann, die großartig angekündigte neue Wassershow Disney Dreams! selbst zu sehen, ist dies für mich die ideale Gelegenheit, den hiesigen Park mit dem Anaheimer Original zu vergleichen.



Paris

Als Pirates of the Caribbean 1967 seine Pforten öffnete, bot die völlig neuartige Wasserbahn ihren Besuchern ein Erlebnis, wie man es noch nicht gesehen hatte: Neben aufwändigen Kulissen und zwei „Wasserfällen“, die die Gäste in ihren Booten durchfahren, tummeln sich hier insgesamt 128 Audio-Animatronic-Figuren, die in großem Maßstab die Piraten-Welt des achtzehnten Jahrhunderts wiederauferstehen lassen.

Paris
Pirates of the Caribbean ist heute eines der beliebtesten Wahrzeichen der Disney-Freizeitparks und durfte somit auch in Paris vom ersten Tag an nicht fehlen. Die prinzipiellen Unterscheidungen der Bahnen beschränken sich dabei vor allem auf geringfügigere Veränderungen in Reihenfolge und Aufbau der verschiedenen Szenerien, wobei Paris wohl generell als besser und dramaturgisch durchdachter betrachtet wird.
Die Änderungen sind zum Großteil durch den anderen Standort gegeben, der der Pariser Version parkinternen ein ganz anderes Umfeld verschafft. Hier ist die Bahn im Adventureland mitten im Dschungel gelegen, direkt neben dem Schädelfelsen und Käpt‘n Hooks Jolly Roger - man befindet sich also von Anfang an in der klassischen Piraten-Vergangenheit. In Anaheim liegen die Piraten auf dem New Orleans Square; zwar auch in einer romantisierten Vergangenheit, aber eindeutig in eine spätere Zeit verlegt. Folglich sieht man in der Anaheimer Bahn erst die schaurigen Überreste der früheren Piraten, ehe man durch einen Wasserfall „weiter in die Vergangenheit“ gelangt, in die Hoch-Zeit der karibischen Bukanier.

Paris
In Paris befindet man sich dagegen schon zu Beginn der Bahn in dieser Zeit und fährt somit erst an den höchst aktiven Piraten vorbei, ehe man deren ruhelose Geister gegen Ende der Fahrt erlebt. Diese Aufteilung ist nicht nur chronologisch sinnvoller, sondern bietet auch mehr emotionalen Raum und eine bessere Vorbereitung gerade für die finalen Szenen der Skelette. Außerdem hat die Pariser Bahn wohl eindeutig den besten Höhepunkt zu bieten: die Landung direkt nach dem großen Wasserfall mitten in das Getümmel der Hafenschlacht.

Anaheim
Doch der größte und eindrucksvollste Unterschied zwischen den Bahnen ist heute natürlich ein anderer: Nach dem atemberaubenden Erfolg der Attraktionsverfilmung Fluch der Karibik wurden in Anaheim 2006 einige klassische Figuren der Bahn durch aktuelle Filmpersonen ersetzt und auch zur musikalischen Untermalung wurde der Soundtrack des Films hinzugefügt. Während Barbossa nun den Platz auf dem großen Piratenschiff eingenommen hat, versteckt sich Käpt‘n Jack Sparrow anfangs an zwei Stellen in Bahn, ehe er gegen Ende offen auf seinem Piratengold sitzt und leicht angetrunken „A Pirate‘s Life For Me“ singt. Im Gegensatz dazu haben es die Fluch-der-Karibik-Filme in Paris neben Jacks herumlaufender Figur nur zu einigen Bildern in einem abgelegenen Geschäft gebracht ...


Paris
Die Frage, wie diese Zugaben der klassischen und heißgeliebten Bahn zu bewerten sind, ist nicht einfach - das zeigen nicht zuletzt die erbitterten Streitereien, die sich in entsprechenden Internet-Foren zu diesem Thema entwickeln.
Insgesamt ist die Vorstellung, die Fluch-der-Karibik-Welt der Filme wieder auf ihren Ursprung zurückzuprojizieren natürlich faszinierend. Die Filme sind einer derartigen Behandlung sicher würdig und die Idee ist vom Prinzip her nicht schlecht, aber bei ehrlicher Betrachtung muss man zugeben, dass sich die neuen Veränderungen vom Stil her generell nicht reibungsfrei einfügen.

Anaheim
Zum einen liegt das Problem an den Figuren selbst: Johnny Depps Audio-Animatronic-Konterfei wurde wirklich lebensecht getroffen - und steht damit im völligen Gegensatz zu Marc Davis‘ übersteigerten Original-Kreationen. Zum anderen wird der Attraktion so zumindest ansatzweise eine durchgehende Geschichte verpasst, die die fröhliche Piratenbahn an sich einfach nicht nötig hat. Und nicht zuletzt führen die Einschübe zu einer Veränderung der gesamten Aura, die der Bahn eher einen gewissen Hollywood-Charakter verleiht. Zugegebenermaßen ein Charakter, der in unser „fantastischeres“ Adventureland besser passen würde als auf den eher realistischen New Orleans Square.

Aber wie schon im Falle von It‘s a Small World bin ich hier eigentlich zufrieden mit dem Status quo, sprich der Möglichkeit, neben der Anaheimer Film-Version in Paris die „beste“, originale Bahn zu erleben - umso mehr, als Paris der einzige Ort ist, an dem die Piraten noch ungestört ihr Unwesen treiben können. Aber schaut man sich die zukünftigen Pläne und die immer wieder durchsickernden Gerüchte für den europäischen Park an, lässt sich das Update auch hier auf Dauer wohl nicht vermeiden. Und wenn man sich damit schon abfinden muss, dann bietet die Pariser Bahn neben den Szenen, die Anaheim verändert wurden, natürlich noch eine ideale zusätzliche Option: Die beiden kämpfenden Figuren, Einzelstücke unserer Version, sehen schon jetzt bei flüchtiger Betrachtung aus wie Käpt‘n Jack Sparrow und Will Turner, die von Elizabeth beim Gefecht beobachtet werden. Ich denke, es besteht kein Zweifel, dass diese zufällige Ähnlichkeit im Falle einer Veränderung der Bahn offiziell gemacht würde.



Paris

Welche Version der Piraten nun die bessere ist, das ist für mich keine Frage. Die Pariser Bahn ist perfekt, genau so wie sie ist, und ich werde sie genießen, solange es noch möglich ist.
Nur bei der ganz subjektiven Einschätzung, was mir persönlich lieber ist, da verrät mich mein schwaches Fan-Herz. Neue Spezialeffekte? Jack Sparrow, der persönlich die Piratenhymne singt? Und vor allem - mein liebster Ort im Park, die große Fahrt mitten ins Kampfgetümmel, unterlegt mit der großartigen Filmmusik? Hach ja, ich könnte mich wohl damit abfinden ...


Ananke Ro gibt‘s jetzt auch auf einer eigenen Seite: Besucht mich auf www.AnankeRo.com!



Andere Artikel dieser Reihe:

Sonntag, 28. Oktober 2012

Retro-Werbespots zu den Games aus "Ralph reicht's"

Pixar veröffentlichte im Vorfeld des Toy Story 3-Kinostarts zwei Fake-Werbespots für den Teddybären Lotso. Ein Promo-Einfall, der sich auch perfekt für Ralph reicht's eignet, in dem drei fiktive Videospiele eine große Rolle spielen. Diese erhielten nun authentisch wirkende Werbespots, die sehr deutlich die Parallelen zu realen Vorbildern aufzeigen.

Viel Spaß beim Anschauen:





Samstag, 27. Oktober 2012

Waltmenschen: Don Griffith

In der Serie Waltmenschen möchten wir den bekannten und weniger bekannten kreativen Mitarbeitern Walt Disneys einige Zeilen widmen Im Schatten der Maus.


Don Griffith, 1918–1987

Don gehört zu den vielen jungen Künstlern, die in den späten 1930er Jahren frisch von der High School bei Disney landeten. Talentiert, motiviert, aber sehr unerfahren. 

Seine Situation war dennoch eine andere. Er hatte früh seinen Vater und die Familie damit ihre Existenzgrundlage verloren, die Mutter musste mit Don und seinen drei Geschwistern von Montana nach Los Angeles umziehen. Dort hausierten die Griffiths jahrelang in einer Pension.

Als Don 1937, gerade 19 Jahre alt geworden, eine Stelle als Tuscher angeboten bekam, war das der Start einer 47 Jahre langen, erfolgreichen Karriere, die das Leben seiner Familie veränderte. Nach dem Umzug des Studios nach Burbank wurde er Layout artist. Dort traf er auch Katherine Lane, die für Walt Disney als Sekretärin arbeitete; das Paar heiratete, kurz bevor Don Griffith zum Militärdienst eingezogen wurde. Nach seinem Einsatz bei der Handelsmarine kehrte er nach Burbank zurück. Er gewann schnell an Einfluss und arbeitete unter anderem an Alice im Wunderland, Peter Pan und Dornröschen. Nach der Gründung des CalArts im Jahr 1961 bat ihn Walt Disney, dort Nachwuchskünstler zu unterrichten. Nach einigen Jahren kehrte er als Art director zurück; in den Folgejahren wirkte er so zusammen mit Ted Berman und dem jungen Andreas Deja an zahlreichen Produktionen, wie Robin Hood und Taran und der Zauberkesel. 1984 trat er in den Ruhestand ein, nur drei Jahre später verstarb er.

Freitag, 26. Oktober 2012

Robert Stevenson – Disneys ursprünglicher Verbinski

Das DVD-Medium nähert sich der abschließenden Phase seines Lebenszyklus, und wie man die Walt Disney Studios kennt, werfen sie auf dem letzten Drücker eines Heimkinozeitalters noch ein paar Katalogtitel auf den Markt. Dadurch will Disney Fans und Gelegenheitskäufer zum Kauf von Filmen bewegen, die sie nicht dringend auf dem besser auflösenden (und teurerem) neuen Medium brauchen, doch durchaus zu kaufen gewillt sind. Nun stehen in deutschen Landen also einige "Walt Disney Abenteuer Klassiker" und "Walt Disney Familien Klassiker" (nur echt ohne Bindestriche im Namen der Sammelreihe!) zum Kauf bereit, teils zum ersten Mal in digitaler Form.

Zu diesen Titeln gehören unter anderem waschechte Toptitel aus dem Disney-Realfilmarchiv, wie etwa Die Schatzinsel, 20.000 Meilen unter dem Meer, Alle lieben Pollyanna und Ein toller Käfer, doch auch ein paar verstaubte Klamotten wie Der Millionenschatz. Für Familien, die sich auf der Suche nach vergnüglicher Unterhaltung für einen gemeinsamen DVD-Nachmittag befinden, sowie für Nostalgiker und Disneyfans lohnt sich ein Blick auf dieses Sortiment aber auf jeden Fall. So kann ich, abseits der üblichen Verdächtigen, etwa wärmstens die hierzulande eher unbekannte Komödie Alles für die Katz empfehlen, die mit leichtgängigem Humor und Esprit von eher ungewöhnlichen Ermittlungen in einem Entführungsfall erzählt.

Durch das erneute Anschauen einiger dieser Disney-Realfilmklassiker ist mir auch einer der wichtigsten Namen in der Historie des Disney-Spielfilms neu aufgefallen. Robert Stevenson sollte jedem Disney-Kenner, der sich nicht allein auf den Trickfilm beschränkt, ein Begriff sein, war er doch der Regisseur, der mit Mary Poppins und Ein toller Käfer zwei der zeitlosesten Realfilmerfolge des Maus-Hauses verantwortete. Was mir aber erst nun ins Auge stach: Robert Stevenson war für Disney nicht nur ein äußerst produktiver Filmer, jemand, der im Regiestuhl Walts Willen umsetzte. Er war Disneys erster Gore Verbinski!

Robert Stevenson und Notizen zu Jane Eyre

Was bitteschön den Mann hinter dem Familienfilm- und Musical-Klassiker Mary Poppins und den Typren hinter Fluch der Karibik verbinden soll, fragt ihr euch? Haben die zwei Regisseure überhaupt irgendwelche Charakteristika?

"Ja verdammt!" sag ich da! Wie ich treuen Bloglesern bereits mehrfach vorbetete, ist Gore Verbinski unter den heutigen Hollywood-Regisseuren insofern eine Ausnahmeerscheinung, als dass er seinen Filmen einige markante Eigenschaften mitgibt, ohne einen solchen Kultstatus und eine ihm eingeschworene Fangemeinde zu haben, wie sie ein Quentin Tarantino, Robert Rodriguez, Kevin Smith oder David Fincher aufweisen kann. In Augen vieler Gelegenheits-Kinogänger und Filmkritiker ist Verbinski einer dieser "Auftragsfilmer", ein Filmemacher, der zwar Kassenschlager in seiner Vita stehen hat, jedoch nicht sonderlich auffällt. Erst Rango hat in Kritikerkreisen erstmals spürlich den Namen Verbinski als Marke durchhallen lassen, ein echter Markenname ist er indes noch nicht. Dabei muss man nur einmal genauer hinschauen. Gore Verbinskis Langfilmdebüt Mäusejagd war ein hässlicher, bittterböser und gemeiner Streifen, der sich ekligerweise zum Alibi das Kleid einer Kinder-Slapstickkomödie übergestreift hat. Dieses groteske Aufeinanderprallen der cineastischen Traditionen vollführte Verbinski, ebenso wie das Einbinden einer verwunderlichen Liebe zum Detail, in all seine weiteren Regiearbeiten. Selbiges gilt auch zu seiner Tendenz, all seine Filme ein Scherflein "kantiger" zu machen als die Norm. In Mexican ließ er eine Romantikkomödie und eine in Robert-Rodriguez-Manier gehaltene Gangsterkomödie aufeinanderklatschen, sein Remake von The Ring mischte überdeutliche Anteile von Familiendrama und journalistischer Detektivgeschichte in die japanische Horrorsuppe und laut Verbinskis eigenen Aussagen sind seine Pirates of the Caribbean-Filme mindestens genauso sehr Western und Rockoper wie Piratengeschichte. Dass diese sowohl ernst gemeint ist und das zuckrige Piratenbild minderwertiger Abenteuerfilme mit abgehalfterte, dreckigen Piraten unterwandert und zu gleichen Teilen auch pythoneske Züge trägt, verkompliziert die kategorische Analyse zusätzlich.

Kurzum: Verbinskis Filme sind oberflächlich betrachtet massentauglich, sobald man seinen Blick schärft, merkt man dagegen, dass sie stets eine Spur schräger, verschrobener, bitterer, dunkler sind, als sie in anderen Händen wären. Sowie eine Spur größer und aufwändiger. Dies spürt man sogar dann, wenn Verbinski für den ursprünglichen Regisseur einspringt (siehe The Time Machine), mehr noch aber, wenn er für Disney dreht. Gore ist für drei der bis dato sechs Realfilme verantwortlich, die unter dem Disney-Markennamen erschienen und in den USA ein PG-13-Rating als Jugendfreigabe trugen (die bislang höchste Freigabe, die Disneyfilme erhielten). Sie sind dreckiger, moralisch ambivalenter und machen deutlichere sexuelle Anspielungen als übliche Disney-Produktionen – und sind dennoch keine Anti-Disney-Filme.

"Na fein ... aber, nochmal: Was hat das mit dem Mary Poppins-Regisseur zu tun? Müsste der nicht eher der absoluten Disney-Norm entsprechen?", fragt sich nun sicher manch einer.
Sieht man sich Robert Stevensons Regiearbeiten für Disney an und vergleicht jene mit anderen Disney-Realfilmen, die zur selben Zeit in die Kinos kamen, so werden alsbald gewisse Tendenzen klar. Stevensons Filme zeigen durchaus Parallelen zu den Arbeiten Gore Verbinskis auf, als dass sie eine Spur kerniger, oft auch filmkategorisch komplexer und meist visuell ausgefeilter sind als vergleichbare Disney-Ware die neben ihnen startete.

Bereits Robert Stevensons Debüt als Disney-Kinoregisseur gab deutlich die Laufrichtung vor. Wo andere Disney-Realfilme der Marke "Ein Kind und sein geliebtes Tier" im Fahrwasser dieses Streifens zunehmend süßlicher, kitschiger und undramatischer wurden, ist das Drama Sein Freund Jello mit seinen harschen, herzerreißenden Augenblicken seit Jahrzehnten Auslöser verstimmter Kindesgemüter. Sind andere Disneystreifen dieser Art reine Kind-und-Tier-Geschichten, ist dies auch ein Familiendrama über das Farmleben vergangener Tage, und nur wenige Disneyrealfilme arbeiten mit so einer Ernsthaftigkeit und emotionaler Rauheit. Erst recht, wenn sie so eine potentiell klebrige Story haben.

Weiter ging es für Stevenson mit der Spezialeffekt-Extravaganza Das Geheimnis der verwunschenen Höhle, einer sich selbst ernst nehmenden Fantasygeschichte über einen alternden Trickser und Lebemann, der das Volk der Leprechauns entdeckt. Das Finale involviert eine schaurige Begegnung mit der Kutsche des Todes, eine Szene, die wohl der unterschätzteste Schauermoment der Disney-Realfilmgeschichte ist (wenigstens der Nostalgia Critic erinnert sich an sie).

Alles für die Katz, 1965

Ende der 50er, zu Beginn der 60er änderte sich allmählich der Trend im Bereich der Disney-Realfilme und Walt Disney setzte verstärkt auf lockere, spaßige Komödien. In dieser Ära kam zu Stevensons Talent für wohlplatzierte "Düsternis" auch sein Geschick bei Verschrobenheiten zum Vorschein. Etwa in Der fliegende Pauker. Mit etwas Abstand werden sich viele an diesen Vorgänger des Robin-Williams-Vehikels Flubber als liebe Familienkomödie erinnern. Das ist dieser Kinohit zwar auch, doch er geht weit über das Disneykomödien-Minimum hinaus, streut etwa ab und an Zweifel daran, ob der Protagonist korrekt handelt. So nutzt er sein fliegendes Auto, um seinen Nebenbuhler um die Gunst seiner Verlobten wahnsinnig zu machen. Stevenson ist zwar nicht für das Drehbuch verantwortlich, doch er als Regisseur bestimmte den Tonfall der Umsetzung dieser Elemente, und er lässt den Helden des Films bei seiner Rache an seinem Konkurrenten eben nicht als charismatisch-frech auftreten, sondern verleiht mit umfangreichen Schattenwürfen und massenhaft Horrornebel diese Verfolgungsjagd einen nahezu psychopathischen Dreh. Das Finale wiederum ist unter seinem Disney-Slapstick-Irrsinn ein feister Seitenhieb auf die militärische Paranoia der USA. Nichts fahnenschwingend politisches, dennoch ein köstliches Bonbon für den Zuschauer, der es bemerkt. Zuvor ging Der unheimliche Zotti, der Auslöser des Disney-Comedy-Booms, nicht ganz so weite Wege, verlieh dem zentralen Fluch, der einen jungen Mann in einen Hund verwandelt, bei allem Humor aber noch immer eine unangenehme Note. Man vergleiche dies etwa mit dem "Alberner Spaß pur!"-Remake mit Tim Allen und sieht, wie bedeutend diese kleine Prise sein kann.

Besonderes Augenmerk verdient noch die Komödie Alles für die Katz – ein Film, in dem eine Hauskatze als lebende heiße Spur in einem Entführungsfall dient, müsste eigentlich nach allen Regeln der Kunst albern sein. Sofern er nicht kindisch-zuckersüß ist. Als Beweis dient die völlig schrille, dümmliche und, meiner Ansicht nach absolut komische, 90er-Neuverfilmung Dieser verflixte Kater. Doch der letzte Film, den Hayley Mills als Jugendliche für Disney drehte und in dem sie Dean Jones bei seinem Disney-Debüt begleitet, widersetzt sich dieser Regel. Es kommt ein ehrlicher Sinn für Gefahr auf, da die Entführer nicht dem Disney-Archetypen des dümmlichen Gangster-Duos entsprechen, sondern sehr wohl fähig sind, krumme Dinger zu drehen. Sie sprechen unverfälscht und ohne humorigen Unterton von Mord, einer von ihnen berührt das weibliche Entführungsopfer sogar bedrohlich-verführerisch am Hals (Jahrzehnte später sollte Frollo diesen Akt nehmen und ums Zigfache intensivieren). Die Katze sorgt zwar für allerlei Slapstick, allerdings gründet Stevenson es in so einer bodenständigen Normalität, dass der Film eben nicht zur Disney-Kiddie-Komödie abrutscht. Für die zusätzliche Portion Kantigkeit sorgt ein Subplot über eine neugierige Nachbarin, die die von Hayley Mills der Vielmännerei beschuldigt – was irgendwann auch ihr Freund glaubt, der wiederum mit großen Augen das Bademodenmodel begafft, dass das Surfwetter im Fernsehen ansagt und deshalb keine zu große Klappe in Sachen treue haben dürfte.

Zwischen Der fliegende Pauker und der 1963 ins Kino entlassenden Fortsetzung drehte Stevenson für Disney übrigens wieder einen aufwändigen Fantasy-Abenteuerfilm, also eine Produktion der Marke, für die Disney vor dem Komödien-Boom bekannt war. Die Abenteuer des Kapitän Grant ließe sich, mit etwas Willen, als älterer Cousin von Fluch der Karibik beschreiben: Was als klassischer Disney-Abenteuerfilm mit großen, realistischen Sets und vergleichsweise bodenständigen Figuren beginnt, entwickelt sich plötzlich zu einer augenzwinkernden Tour de Force mit eskalierendem Fantasyanteil und deutlicher werdendem, schrägem Comedy-Einschlag.

Es wäre müßig, nun alle Stevenson-Disney-Regiearbeiten durchzugehen, aber das leicht Verschrobene und dennoch Kantigere ist in vielen weiteren von ihnen anzutreffen. Man darf nicht vergessen, dass in Ein toller Käfer eine ausführliche Szene Herbies mitleidigem Selbstmordversuch gewidmet ist oder die Fortsetzung Herbie groß in Fahrt surreale, für jüngere Zuschauer auch leicht verschreckende Albträume rund um den VW-Käfer beinhaltet. Eine Szene, in der groteske Herbie-Ärzte Schabernack mit dem Schurken des Films treiben, wurde sogar vor Kinostart aus dem Film geschnitten – vermeintlich, um das Kinderpublikum zu schonen. Selbstredend sind diese über die grundlegende Disney-Familiarität hinausgehende Elemente nicht exklusiv in Stevensons Filmen vorzufinden. Doch wie Gore Verbinski bei weitem nicht der schrägste aktuell tätige Regisseur Hollywoods ist, seine Charakteristika aber dennoch deutlich an Stellen anbringt, wo sie der unbedarfte Kinogänger nicht vermuten dürfte, machte auch Stevenson seine Filme zumeist eine Spur besonderer. Er konnte solche tonalen Gratwanderungen zielsicher vollführen, wo manch einer seiner Kollegen Probleme hatte. Mary Poppins schließlich beinhaltet auch einen Hauch Melancholie, der bei einer weniger selbstbewussten Inszenierung rasch untergehen oder fehlplatziert hätte wirken können.

Gore Verbinski am Set von Pirates of the Caribbean  – Die Truhe des Todes (ja, der deutsche Titel lautet offiziell anders, mir egal...)

Gemein ist Verbinski und Stevenson auch, wie schon angedeutet, ihr überragender Erfolg, den man ihnen bei der verhältnismäßigen Unbekanntheit ihrer Namen nicht erwarten würde. Oder anders formuliert: Es ist erstaunlich, dass zwei so handwerklich versierte Regisseure mit solch einem Erfolg keine größere Publicity haben. Gore Verbinski generierte mit seinen bislang acht Kinofilmen weltweit 3 Milliarden 465 Millionen Dollar an den Kinokassen. Das ist ein durchschnittliches Einspielergebnis von stattlichen 433,13 Millionen. Und das hat er nicht allein den Pirates of the Caribbean-Filmen zu verdanken. Allein The Weather Man galt als finanzieller Flop. Mehr noch: In der Liste der finanziell einträglichsten Regisseure steht Verbinski aktuell auf Platz 8  – knapp hinter Christoper Nolan und noch vor Roland Emmerich.

Und Robert Stevenson? Der kann sich, der Inflation sei es "gedankt", natürlich nicht mit diesen noch aktiven Filmemachern messen lassen. Aber wenn man die Zeit ein wenig zurückdreht und ihn mit Regisseuren seiner Zeit vergleicht, ist das Urteil überwältigend: 1977 ernannte ihn das Branchenmagazin Variety zum (bis dahin) kommerziell erfolgreichsten Regisseur in der Geschichte des Films, ein Jahr später listete das American Film Magazine die größten Kassenschlager aller Zeiten. Darin enthalten: 19 Arbeiten Stevensons. Doch wie Gore Verbinski, bislang, im Schatten seines bald fünffach genutzten Stars Johnny Depp, des Produzenten Jerry Bruckheimer und der Markennamen Disney und Pirates of the Caribbean steht, so steckte der spätere Stevenson stets hinter der Prominenz Walt Disneys zurück. Was sogar noch stärker in Vergessenheit geriet: Schon vor seinem Einstand bei den Disney-Studios war Stevenson ein erfahrener, von kommerziellem Erfolg gekrönter Regisseur (ähnlich, wie langsam Verbinskis Pre-PotC-Filme übersehen werden): Er startete bei der Filmfirma Gaumont-British, wo er direkt hinter Hitchcock der verlässlichste Erfolgsgarant war, weshalb ihm Produzentenlegende David O. Selznick gemeinsam mit dem Meister des Suspense in Hollywood unter Vertrag nahm. Später versuchte er sich gemeinsam mit Frank Capra als Dokumentarfilmer, mit zunehmender Verbreitung des Fernsehmediums betätigte er sich zwischenzeitlich als Autor bei der Western-Kultserie Gunsmoke.

Natürlich wird kaum jemand einen Robert-Stevenson-Film mit einem Gore-Verbinski-Film verwechseln. Sie sind beide nicht die verschrobensten Regisseure ihrer Zeit, nicht einmal im Mainstream-Segment. Auch sind sie längst nicht die einzigen, die außergewöhnliche Disney-Realfilme auf die Beine stellen können. Aber beide sind versierte Talente, die es dicker hinter den Ohren haben, als man es anfangs glauben mag.

Tut euch doch selbst einen Gefallen und schaut euch ein paar ihrer Filme nicht nur als Wegwerfunterhaltung an, sondern mit offeneren Augen. Ihr werdet vielleicht überrascht sein, was alles in ihnen steckt.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Meerjungfrauen ahoi!

Wir erinnern uns an den letztjährigen Kassenschlager Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten. Darin beklagte der musikalisch begabte Seeräuber Scrum, dass ihm in seinem kurzen, bedauerlichen Leben wahrhaftig wenig vergolten war. Doch bei Gott, jedermann soll erfahren, dass es ihm gelang, eine Meerjungfrau zu küssen!

Der gute Scrum feierte im Milliarden-Dollar-Hit nicht den von ihm ersehnten Erfolg, und es bleibt abzuwarten, ob noch weitere Kinogänger so wie ich denken und sich eine Rückkehr Scrums im fünften Teil von Jack Sparrows Filmsaga wünschen. Dort hätte er, zumindest in der Theorie, erneut Gelegenheit, sich an seinem romantisch-sinnlichen Ziel zu versuchen. Selbst wenn es mich verwundern würde, wenn er es weiterhin verfolgt. Sollte dem so sein, er allerdings davon absehen, dafür zur berüchtigten Schiffbruch Bay zurückzukehren, so verzeichnen die Seekarten neuerdinges ein weiteres, massivst von Meerjungfrauen befallenes Ziel: Das Magic Kingdom in Walt Disney World, Florida.

Ganz heimlich, still und leise sowie ohne größere Vorankündigung haben die Imagineers die Pirates of the Caribbean-Bahn ein weiteres Mal mit Blick auf die Kinoreihe aktualisiert. Wie folgendes Video von Attractions Magazine zeigt, schwimmen die garstigen Grazien der See nun auch durch die ewig reizenden Gewässer der legendären Disney-Attraktion ...



Meerjungfrauen unter Wasser, ihr betörender Gesang und der Anblick einer Meerjungfrau, die bei der Jagd nach menschlicher Beute weniger Glück hatte – drei Boni zur bestehenden Fahrt, wohl aber nicht sonderlich aufdringliche. Sie passen meiner Ansicht nach perfekt zur ursprünglichen Stimmung und fügen sich gut ins Gesamtbild ein. Da die Meerjungfrauen wohl wesentlich einfacher hinzuzufügen sind als Jack Sparrow, hätte ich nichts gegen eine Erweiterung der Pariser Bahn einzuwenden. Theoretisch. Ulkigerweise kommt mir bei der Pariser Abwandlung der Fahrt keine Stelle in den Sinn, wo die Meerjungfrauen ebenso nahtlos dazustoßen könnten. Mit etwas Willen würde man mögliche Stellen für sie finden (kurz nach dem zweiten Drop? oder gar kurz nach der Blue Lagoon?), aber ob wir Fans sie dort akzeptieren werden?

Dienstag, 23. Oktober 2012

Die Party ist vorüber: Trailer zu "Iron Man 3" kommt in düsteren Farben daher



Trotz manch dramatischer Zwischentöne zeichneten Iron Man 1 & 2 doch ein sehr launiges, spaßiges Bild von Marvels metallen gerüsteten Helden. Erst recht, wenn man sie mit den Filmen über einen anderen erfinderischen Millionär vergleicht, der sich als Held verdingt. Für jede "Ich habe Kriege ermöglicht"- oder "Ich könnte sterben"-Szene gab es drei urkomische Sprüche und zwei fetzige Songs. Iron Man 3 startet die zweite Phase des "Marvel Cinematic Universe", und zumindest wenn man dem Tonfall des ersten Trailers Glauben schenken darf, so ist die Popcorn-Dauerparty vorbei. Klänge in Moll, schwarzblaue Farbfilter und die Schattenseiten seines Handelns holen Tony Stark ein.

Yay? Oder werden den Kinogängern, die Avengers und Co. gegenüber den The Dark Knight-Jüngern noch mit "Diese Filme machen wenigstens jede Menge Spaß!" verteidigten, die Argumente ausgehen? Und wenn wir dabei sind: Wird dies Marvels The Dark Knight? Oder eher Iron Mans The Dark Knight Rises? Und was soll diese ständige Vergleicherei?

Damon Lindelof und Brad Bird graben in Disneys Vergangenheit, geben Fans Rätsel auf


Im Mai dieses Jahres wurde bekannt, dass Brad Bird als nächstes einen Sci-Fi-Realfilm für Walt Disney Pictures drehen wird, dessen Drehbuch von Lost-Mitsschöpfer Damon Lindelof und Journalist & Graphic-Novel-Autor Jeff Jensen stammt. Um die weiteren Details dieses Films machte das Studio ein großes Geheimnis. Und wie es scheint, möchte uns Disney weiter über den kryptisch mit 1952 betitelten Streifen rätseln lassen, denn die jüngsten Infos über den Film beantworten zwar ein paar Fragen, doch in bester Lost-Manier werfen diese Antworten zugleich zahlreiche neue Fragen auf:

Wie Vulture berichtet, erhielt Lindelof vergangenes Jahr nach seinen ersten das Projekt betreffenden Gesprächen mit Disneys Produktionschef Sean Bailey Zugang zu gut behüteten Schätzen aus dem Disney-Archiv, darunter eine Archivbox voller Dokumente aus Walt Disneys legendärer Entwicklungsschmiede WED Enterprises. Diese Box wurde ursprünglich mit That Darn Cat beschriftet, dem Originaltitel der 1965 ins Kino entlassenen, erfolgreichen Komödie Alles für die Katz von Disneys Regisseur des Vertrauens, Robert Stevenson. Der Filmtitel wurde auf der Box allerdings durchgestrichen und mit "1952" überschrieben. In Referenz auf diesen Schatz der Disney-Archive, sowie dessen Inhalt, betitelte Lindelof sein für eine siebenstellige Summe verkauftes Sci-Fi-Projekt. Und einigen Branchenquellen nach soll auch der Inhalt Bezug auf diese Dokumente Walt Disneys Bezug nehmen, die erste Entwürfe für ein Science-Fiction-Projekt darstellen. Ob es sich um einen nie verwirklichten Film, eine Serie oder eine Themenparkattraktion handelt, wird bislang geheim gehalten.

Lindelofs, Jensens und Birds 1952 zumindest soll tonal mit Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der dritten Art verwandt sein und einen Mann in seinen mittleren Dreißigern in der Hauptrolle haben. Einen Disney-Kiddie-Film darf man also eher weniger erwarten, ebenso wenig, obwohl der Vergleich zum Spielberg-Klassiker es nahelegt, einen Film über Kontakt mit Außerirdischen. Zumindest eine dem Projekt nahestehende Quelle des Branchenblogs Vulture dementiert heftig, dass der Film mit Aliens zu tun habe.

Rund um den Film, und angeblich auch rund um die mysteriöse Dokumentensammlung Walts, soll Disney in naher Zukunft, sogar noch vor Drehbeginn, eine ausführliche virale Werbeaktion starten, inklusive solcher virtueller Schnitzeljagden wie rund um Tron: Legacy.

Welches abgebrochene, nach Alles für die Katz begonnene Disney-Projekt könnte nun mit Verspätung wieder an Zugkraft gewonnen haben? Erwartet uns eine riesige Dosis Disney-Fanservice für den erwachsenen, informierten Fan? Oder wird Walts aufgegebene Idee nur eine Randnotiz in Brad Birds nächstem Realfilm darstellen? Erwartet uns vielleicht nur ein Reboot von Die Katze aus dem Weltraum?

Samstag, 20. Oktober 2012

Ohne Dresscode


Unterhaltungsjournalist aus Leidenschaft, ungeheuerlich nette Type und begeisterter Disney-Fan: Christian Job ist seit mehr als 25 Jahren im Radio tätig, seine Stimme dürfte zu den bekanntesten im Saarland zählen, und obwohl der Saarländische Rundfunk nicht gerade zu den größten Funkwellen Deutschlands gehört, kann Job einige amüsante Anekdoten über deutsche und internationale Stars erzählen. Exakt dies tut er auch, und zwar in seiner erfrischend-unaufgeregten Anekdotensammlung Ohne Dresscode.

Jobs Buch versteht sich nicht als Enthüllungsbuch, Wegweiser zu einer erstrebenswerten Radiokarriere oder als Schmunzelschmöker, sondern ist eine ganz und gar sympathische, bodenständige Anhäufung von Erinnerungen aus einer über 25 Jahre andauernden Journalistentätigkeit. Das Publikum ist somit, außerhalb von Jobs Hörerreichweite, klar abgesteckt: Wer sich für kumpelhaft erzählte Erfahrungen mit Promis und launige Storys aus dem Alltag einer größeren Radioredaktion erwärmen kann, sollte einen Blick auf dieses hübsche Büchlein werfen.

Zu den Lektionen gehören: Wie man einen überarbeiteten, unterkühlten Jürgen von der Lippe ratzfatz für sich und seine Interviewsendung gewinnen kann, wie ein Ex-Metzger Saarbrücken zu einer Hochburg für Konzerte und große Liveshows machte, frische Newcomer verstehen weniger Spaß als Musikurgesteine und  weshalb selbst Gewinnspiele mit Promiunterstützung an den Chefs scheitern können.

Nicht jede der Anekdoten hat eine Pointe oder einen größeren Informationsgehalt, gerade die ersten paar Kapitelchen laufen leider etwas ins Leere (und ein paar kleinere Tippfehler finden sich auch, da darf der Lektor vor der nächsten Aufage nochmal ran), doch die meisten Storys bringen dem Leser die zwischenmenschliche Seite der von Job getroffenen Stars und die Tricks, Kniffe und Macken einer mit Promis arbeitenden müssenden Radioredaktion näher. Und natürlich lernt man den Autor besser kennen, welcher übrigens großer Disney-Fan ist und deshalb unter anderem auch von Treffen mit Andreas Deja, der Eröffnungsfeier des Walt Disney Studios Park und (über Umwege abgehaltenem) Mailverkehr mit Ollie Johnston und Frank Thomas zu berichten hat. Oder auch darüber, wie man dank Micky-Maus-Shirt mit Stars locker ins Gespräch kommt.

Und wenn alles gut geht, so kann ich vielleicht eines Tages von den Vorzügen eines Donald-Duck-Shirts berichten. Wobei Job klar macht: Früh übt sich, was groß werden will. Er verschaffte seiner Abizeitung immerhin eine Widmung von Wolfgang Niedecken. Hut ab!

DuckTales: Ein intensiver Blick auf die Kultserie


Und nun ein kollegialer Hinweis: Am 11. Oktober erschien die 3. Sonderausgabe des Fanzines Bertel Express, und diese beschäftigt sich ausführlich mit der überaus erfolgreichen Disney-Trickserie DuckTales. Ich kann diese Analyse nur wärmstens empfehlen, denn nicht nur wird auf die Frage eingegangen, ob die Serie noch immer hält, was sich viele von ihr versprechen, sondern auch, was man als Fan der Carl-Barks-Comic von dieser tonal doch sehr anders gelagerten Serie halten soll.

Also, schnappt euch einen Kakao mit Marshmallows, etwas Zeit und folgt diesem Link!

Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte

 
Von Legenden zu historischen Ereignissen, von Märchen bis zu klassischer Literatur - die Zauberkünstler von Disney haben sich der vielfältigsten Quellen bedient, um Stoff für ihre Filme zu finden. Gemein haben sie jedoch alle, dass das Ursprungsmaterial nicht ohne Veränderung in den Disney-Kanon eingeflossen ist.

 

Diese Reihe von Im Schatten der Maus befasst sich mit dem Entstehungsprozess einiger dieser Meisterwerke:
Die Quellen der Disneyfilme

Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte ist, was die Wahl der Geschichten angeht, ein gewisser Spezialfall. Es ist der letzten einer Reihe von Episodenfilmen, die das Disney-Studio in den vierziger Jahren herausbrachte, doch anders als die meisten dieser im Schatten der Kriegsjahre entstandenen Filme, deren Segmente oft mehr an die Inszenierung der Silly Symphonies erinnern, handelt es sich hier um nur zwei (dafür aber sehr unterschiedliche) Geschichten, die beide den Anspruch haben, auf einem Stück klassischer Weltliteratur zu beruhen: „Der Wind in den Weiden“ und „Die Legende von Sleepy Hollow“.
Daneben kann der Film wohl das eloquenteste Titellied überhaupt vorweisen - es handelt sich um nichts als die wiederholt gesungenen Namen der Hauptfiguren.


Kenneth Grahames 1908 geschriebenes Kinderbuch „The Wind in the Willows“ ist entstanden als eine Ansammlung von Ideen und Geschichten, die der Autor seinem Sohn erzählte. Entsprechend vielgestaltig ist auch der Inhalt, der sich größtenteils eher locker um die Abenteuer und Erlebnisse einiger am Fluss lebender Tiere schlingt, vor allem Ratte, Maulwurf, Dachs und natürlich Kröte.
Passend zu dem betont lyrischen Tonfall des Buches haben die Tiere hier keine eigenen Namen, auch wenn sie ansonsten stark anthopomorphisiert sind. Allerdings ist die Dynamik gerade zwischen Tier und Mensch eine eher undefinierte und es wirkt teilweise, als habe sich der Autor nicht entscheiden können, die Tiere als wirkliche Naturlebewesen oder als menschlich gleichgestellt darzustellen. Es gibt Tiere, die sich Haustiere halten, aber dies nur mit deren Einverständnis, sie benutzen Autos und Züge, essen Sardinen und Würstchen und unterhalten sich mit Menschen, aber gleichzeitig huschen Ratte und Maulwurf heimlich durch eine Stadt, bemüht, den Blicken der Bewohner ängstlich auszuweichen.


Die Kapitel des Buches lassen sich im Großen und Ganzen in zwei Teile einsortieren: die  auf Ratte und Maulwurf konzentrierten Partien, die eher naturverbunden auf den Fluss und seine Umgebung eingehen, und Krötes eigene, sehr viel abenteuerlichere Geschichte. Das im Disneyfilm von Kröte so hochgeschätzte „Nowhere in Particular“ ist  im Buch Teil eines sehr naturgebundenen Kapitels und bezeichnet den Ort des abendlichen Mondaufgangs.
Der Inhalt des Disneyfilms, beziehungsweise dessen erster Teil, konzentriert sich völlig auf die Geschichte von Taddäus Kröte und seinen hoffnungslosen Manien. Diese Fokusänderung, zu der sich der Film schon im Titel bekennt, ist weder verwunderlich noch neu; schon die erste Theater-Verarbeitung des Buches von 1929 war als „Toad of Toad Hall“ alleine auf diese Seite des Buches konzentriert. Dabei ist es interessant, zu überlegen, wie gerade ein ausführlicher Disneyfilm beide Aspekte der Geschichte gleichwertig behandelt hätte - etwa so, wie es erste Entwürfe vor Ausbruch des Krieges vorsahen. Vielleicht wäre die Kombination von Lyrik und Action eher nach dem Vorbild der anderen frühen Filme wie Bambi oder Dumbo ausgeschlagen.



Doch abgesehen von dieser Fokussierung ist der Inhalt des Buches einigermaßen getreu wiedergegeben. Die Geschichte erzählt von Krötes ewiger Besessenheit, die sich auf immer neue Ziele konzentriert, bis er durch den (fraglichen) Diebstahl eines Autos schließlich hinter Gittern landet. Durch die - angeblich sehr überzeugende - Verkleidung als altes Waschweib gelingt ihm die Flucht und nach einer langwierigen Verfolgungsjagd erreicht er seine Heimat, nur um festzustellen, dass sein ehrwürdiges Anwesen in der Zwischenzeit von einem Haufen Wiesel besetzt wurde. Gemeinsam mit seinen Freunden gelingt es, die widerrechtlichen Gäste zu vertreiben und Kröte zeigt sich endlich geläutert und von seiner Manie geheilt - zumindest fürs Erste.
Änderungen zwischen Buch und Film zeigen sich hier nicht so sehr in der eigentlichen Geschichte, als in der Charakterisierung und Betonung der verschiedenen Figuren. Der deutlichste faktische Unterschied ist ganz einfach der, dass Kröte im Buch das Auto sehr wohl gestohlen hat, auch wenn diese Tat zumindest moralisch niemanden groß zu kümmern scheint. Die Wiesel und Hermeline, die nichts mit der Diebstahl-Geschichte zu tun haben, nutzen einfach Krötes Abwesenheit, um sich in seinem Anwesen einzunisten und das Gesetz der Natur scheint hier eine sehr viel größere Rolle zu spielen als irgendeine menschliche Rechtsprechung.
Vor allem Ratte und Maulwurf haben im Buch sehr viel mehr Charakter und stellen nicht nur die langweiligen Spielverderber für Krötes Ideen dar. Sie sind sofort bereit, ihm in jeder Situation beizustehen - und erhalten dafür mehr als genug Gelegenheit, denn im Buch hat Kröte auch vor seiner Automobil-Besessenheit jede Menge Unfug anzustellen. Damit wird zum einen Kröte selbst in seiner Angeberei und Rücksichtslosigkeit sehr viel unausstehlicher, zum anderen wird klarer, dass Ratte und Maulwurf ihrem Freund in jeder Lage nur helfen wollen.


Im Gegensatz dazu sind Ratte, Maulwurf und Dachs im Film drei reine Klischee-Gestalten, die sich in Krötes Angelegenheiten nur einmischen, um das Statussymbol Toad Hall vor der Veräußerung zu retten. Ratte erweist sich für seinen „Freund“ im entsprechenden Augenblick sogar als unbarmherziger Verräter, der ihn ohne zu zögern der Polizei ausliefern würde.
Taddäus Kröte dagegen ist lustig und scheint im Allgemeinen niemandem zu schaden. Die ganze Geschichte spinnt sich darum, dass er nichts Ungesetzliches getan hat und folglich stellt seine ganze Verurteilung eine himmelschreiende Ungerechtigkeit dar.
Zum einen macht diese Verschiebung den Film moralischer: Es wird deutlich, dass Stehlen etwas Schlimmes ist, das eine gerechte Strafe nötig ist und dass der Held des Filmes eine unbefleckte Weste hat.
Dagegen ist aber Kröte selbst hier sehr viel sympathischer. Er ist ein lustiger Geselle, dem man seine Schrullen und Verrücktheiten durchaus gönnt, anders als im Buch, wo er sich als solch nerviger Aufschneider gibt, dass man ihm die verdiente Strafe wirklich wünschen kann. Auf der gleichen Linie liegt die leichte Veränderung des Endes; während im Buch eine dauerhafte Verbesserung zumindest nicht ausgeschlossen scheint, ist dies im Film mit Sicherheit nicht der Fall.
Also ist die Geschichte bei Disney nicht eigentlich „moralischer“, sondern eher kindgerechter im besten Sinne des Wortes. Taddäus Kröte stellt hier zwar nichts „Schlimmes“ mehr an, aber dafür mehr Unfug, dem man ihm nun von Herzen gönnen kann.


Die zweite Hälfte des Films ist eine Nacherzählung von Washington Irvings „The Legend of Sleepy Hollow“ von 1820. Die erstaunlich originalgetreu übernommene Geschichte um den Kopflosen Reiter ist wohl für Disney-Verhältnisse als ungewöhnlich zu beschreiben, auch wenn sie heutzutage gerade aus dem Halloween-Fundus des Studios nicht mehr wegzudenken ist.
Irvings Geschichte ist für eine angebliche Geistergeschichte durchaus ungewöhnlich erzählt, und das beginnt schon mit der ersten Beschreibung des Handlungsortes. Sleepy Hollow wird als eine - wie der Name schon sagt - verschlafene Gegend dargestellt, die traulich und wie verzaubert mitten in der Natur liegt. Den Status des Unheimlichen erhält der Ort nur dadurch, dass seine Bewohner, die wie Schlafwandler umherziehen, immer wieder seltsame Dinge zu sehen und zu erleben meinen. Die denkwürdigste dieser Erzählungen ist natürlich die Legende vom Kopflosen Reiter oder dem Galoppierenden Hessen, der immer wieder in der Nähe einer bestimmten Kapelle gesehen wird. Es heißt, dort auf dem Friedhof liege sein Grab und daher verschwinde die Erscheinung regelmäßig an der Brücke, die zu dieser Kapelle führt.



Auch die Hauptfiguren stellen eigentlich eine höchst ungewöhnliche Konstellation dar: Der hässlichen und unleidlichen Person des Ichabod Crane wird Brom Bones als gutaussehender, „lustiger“, aber doch erklärtermaßen gutherziger Gegenspieler entgegengestellt. Diese seltsame Verschiebung funktioniert vor allem, weil sowohl Geschichte als auch Film sehr kurz sind; es bleibt keine Zeit für eine ausführliche Charakterisierung, und so lässt sich der Zuschauer einfacher dazu verleiten, ohne weiteres Hinterfragen zu der Hauptfigur zu halten.
Dazu kommt natürlich, dass die denkwürdigste Figur der Geschichte wohl eindeutig der Kopflose Reiter selbst ist und alleine dadurch kann sich jeder, der ihm gegenübersteht, der ungeteilten Sympathie des Publikums gewiss sein.
Doch an sich wird Ichabod wirklich in dem schwärzest möglichem Licht dargestellt; neben seiner unvorteilhaften Erscheinung ist er gierig und egoistisch, er schlägt die Kinder und ist an der schönen Katrina nur wegen der Besitztümer ihres Vaters Baltus van Tassel interessiert. Eine der wichtigsten Eigenschaften ist allerdings Ichabods Aberglauben, der immer wieder speziell betont wird - genau wie Brom Bones Vorliebe für Streiche, die Ichabod schon mehr als einmal an Geister und Hexen haben glauben lassen.



Irvings Geschichte selbst hat im Eigentlichen keine direkte Verbindung zu Halloween - der denkwürdige Abend, an dem sich das Finale abspielt, wird nur als Herbstabend einer Quilt-Festlichkeit statt wie bei Disney als der Halloween-Abend selber bezeichnet.
Brom Bones nutzt diese Gelegenheit des Zusammenseins im Hause van Tassel, um erneut die Legende von Kopflosem Reiter zu erzählen. In der Kurzgeschichte ist dieser Bericht von Bones‘ eigenem früheren Wettrennen mit dem Reiter, der sich schließlich in einem Feuerblitz auflöste, nicht besonders auffällig; sie dient nur dazu, die immer wieder angesprochenen Andeutungen neu heraufzubeschwören. Das entsprechende Lied des Disneyfilms ist dagegen beinahe so beeindruckend wie die spätere Verfolgung selbst und zeigt dabei unauffällig, wie gut Bones in der Lage ist, mit Hilfe einfachster Mittel eine passable Spukgestalt zu imitieren.
Die Festlichkeit endet für Ichabod mit einem Treffen mit Katrina unter vier Augen - eine Begegnung, die, wie die Irvings Erzähler betont, alles andere als positiv für den Schulmeister endet.


Ichabods schauerliche Heimreise durch den dunklen Wald, während der sich jedes Geräusch und jedes Bild für ihn in eine Erscheinung verwandelt, leitet das Finale perfekt ein und wird auch in Irvings Geschichte ebenso gruselig-absurd erzählt wie im Zeichentrickfilm. Dann folgt das Glanzstück von Geschichte und Film: der Angriff des Kopflosen Reiters und Ichabods verzweifelte Fluch vor seinem infernalischen Verfolger, bis hin zum brennenden Kürbiskopf und dem beinahe spurlosen Verschwinden der beiden.
Das Ende ist wunderbar zweideutig und es bleibt unklar, ob die Ereignisse nun wirklich übernatürlicher Gestalt sind, oder ob Bones nur Mittel und Wege gefunden hat, seinen Gegenspieler dauerhaft auszustechen. Die originale Geschichte hütet sich, das Mysterium eindeutig zu brechen, aber dennoch wird mit kleinen Bemerkungen zur Erklärung der Vorkommnisse nicht gegeizt: Es wird gesagt, dass Ichabod Crane gerüchteweise an einem weit entfernten Ort wieder aufgetaucht sei und vor allem Brom Bones scheint über die Umstände seines Verschwindens einiges zu wissen.

Auch der Film bietet entsprechende Anzeichen für einen Streich des Konkurrenten: Bones zeigt seine Verkleidungskünste schon während des Liedes und auch sein Pferd und sein Säbel passen gut zu denen der Spukgestalt. Andererseits scheint gerade der Moment, wenn Ichabod direkt in den Halsausschnitt des Kopflosen Reiters hineinblickt anzudeuten, dass es sich wirklich um eine dem Grabe entstiegene Erscheinung handeln muss, ganz abgesehen von dem sich selbst entflammenden Kürbis am Ende.
Natürlich muss man einer Verfilmung gewisse Zugeständnisse machen. Alleine durch den Unterschied des Mediums kann der Film nicht genauso subtil bleiben wie das Buch; die Darstellung des Reiters muss notgedrungen expliziter erfolgen, um die gleiche Wirkung zu erzeugen. Und dann öffnet sich im Buch noch eine ganz spezielle Frage, die durch das andere Medium des Films dort gar nicht auftritt: Wenn die ganze Geschichte eine überlieferte Legende ist - wer war es dann, der von Ichabods Begegnung mit dem Galloppierenden Hessen berichtet hat? Denn wie wir alle wissen, dead men tell no tales.



Insgesamt ist die Verfilmung der klassischen Geschichte wohl eine der getreuesten Disney-Bearbeitungen überhaupt und wie das Original gelingt es ihr, trotz aller Schaurigkeit die zweideutige Ironie beizubehalten. Die große Hetzjagd des Kopflosen Reiters ist ein Animations-Juwel an sich und bietet bis heute die Basis für alle möglichen Anspielungen, Kopien und Hommagen - verdientermaßen, möchte man sagen. Gerade der zweite Teil des Films ist ein besonderes Segment, das trotz, oder gerade wegen seiner Kürze dem Zuschauer mit Sicherheit unvergesslich bleibt.

Freitag, 19. Oktober 2012

Kameragenie Wally Pfister findet "The Avengers" schlecht fotografiert


Bevor der Kinosommer 2012 losging, ahnte, ja, fürchtete man als leidenschaftlicher Filmfreund eine unschlichtbare Debatte, die unschöne, hitzige Argumente nach sich ziehen könnte. Der Kampf der Superhelden-Epen und ihrer Fans kündigte sich an, standen der Popcornspaß The Avengers und Christopher Nolans lang ersehnter Abschluss seiner The Dark Knight-Saga an. Sofern ich die vergangenen Wochen nicht ausschließlich die ruhigsten Ecken des Internets aufgesucht haben sollte, so blieb der erwartete Killerstreit aus. Selbstredend trollten manche The Avengers-Fans Batman-Liebhaber, weil The Dark Knight Rises nicht das Kritikerlob einheimste, welches dem Vorläufer zuteil kam, ebenso musste Marvels The Avengers einstecken, weil er weniger Risiken einging. Allgemeinhin schienen Comicfans und Blockbusterfreunde aber friedlich zum Entschluss gekommen zu sein, dass wir uns einfach über den Superhelden-Supersommer freuen sollten.

Nun gießt ausgerechnet Wally Pfister, der geniale Stammkameramann Christopher Nolans, Öl ins Feuer. In einem (mittlerweile um die entsprechende Stelle gekürzten) Interview mit der Harald Tribute, sagt der für Inception mit dem Oscar ausgezeichnete Kameramann:

"Was wirklich wichtig ist, ist das Storytelling. Es ist alles bedeutungslos, wenn es nicht die Geschichte unterstützt. Ich fand, dass The Avengers ein entsetzlicher Film war. Sie filmten aus irgendeinem seltsamen Winkel und ich fragte mich 'Wieso ist die Kamera dort? Oh, ich weiß, sie ist dort, weil sie eine halbe Million Dollar für das Set ausgegeben haben und das zeigen müssen.' Es hat mich völlig aus dem Film gerissen, diese unlogische Form des Geschichtenerzählens hat mich völlig wahnsinnig gemacht."

Was ist nun von Pfisters Urteil zu halten? Nun, zunächst einmal: Da das Zitat mittlerweile aus dem ursprünglichen Interview entfernt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass der The Dark Knight-Filmer diese Stelle nicht für die Medienöffentlichkeit bestimmte und nicht öffentlich über erfolgreiche Kollegen des selben Metiers herziehen wollte. Dass Pfister im Rahmen einer Vortragsreihe allerdings auch Negativbeispiele aktueller Kameraarbeiten heranzieht, ist völlig legitim, und so sei es ihm generell gestattet, über Kollegen zu urteilen. Das hat meiner Ansicht nach nichts mit Neid oder Unprofessionalität zu tun, selbst wenn ihm das momentan viele vorwerfen.

Doch bietet sich The Avengers tatsächlich für solch harsche Kritik an? Ich zumindest kann Pfisters Argument schwer nachvollziehen, mir persönlich viel dieses Superheldenstelldichein sogar als besonders gut fotografierter Film auf, ein Urteil, dass ich selbst nach viermaligem Anschauen nicht revidieren möchte. Es lassen sich einige Beispiele für gutes Framing und tolle Kameraführung finden, wie etwa die Sequenz im großen Actionfinale, die jedem der Helden in Manhattan im Einsatz zeigt. Ohne Schnitt von Held zu Held, jeder bekommt seinen kleinen Glanzmoment, die Szene ist sowohl übersichtlich als auch dynamisch und stellt gleichermaßen dar, welch ein Team die Avengers mittlerweile sind, wie auch die kämpferischen Fähigkeiten des Einzelnen. Diese Szene war das cinematografische Pendant einer doppelseitigen Splashpage, die in einem einzelnen Bild mehrere Aktionen zusammen abbildet, also ein wahrhaftig künstlerisch wie technisch ausgefeilter Comicfilm-Höhepunkt.

Ebenfalls besonders gelungen ist die im Marketing ausgeschlachtete 360°-Kamerafahrt rund um das Heldenteam. Solche Aufnahmen sind in Actionfilmen keine Seltenheit, und mit etwas triumphaler Musik wirkt so eine Kreisfahrt fast automatisch epochal, doch Avengers-Kameramann Seamus McGarvey verzichtet darauf, Michael Bay zu kopieren und platziert die Kamera nicht etwa in einem Froschwinkel, sondern auf Augenhöhe mit den Helden, was subtil die Bildwirkung von "Woah, was geht hier nur vor?" zu "Diese Leute haben es drauf und ergänzen sich" verschiebt. Kein Meilenstein der cinetmatografischen Geschichtsschreibung, trotzdem überaus gelungen.

Was also könnten die dem Film schadenden, störend-seltsamen Einstellungen sein, von denen Pfister spricht? Mir fallen wirklich nur zwei Momente ein, in denen McGarvey etwas exzentrischeres versucht, und eine davon ist die Verhörsequenz zwischen Black Widow und Loki. Wenn der zunächst sehr stille Loki sein Gegenüber einschüchtert, seine mit Hass erfüllte Drohung ausspricht und sich in seiner Abscheulichkeit aalt, fängt McGarvey aus einem Dutch Angle die spiegelnde Gaswand ein, der sich Loki nähert und außerhalb derer sich Black Widow befindet. Auf der Glaswand reflektiert der schwadronierende Gott, sein Spiegelbild verzerrt zu einer monströsen Fratze. Diese Aufnahme riss mich kurz aus dem Film, nicht aber, weil sie selbstgefällig ist, sondern weil ich eine so gekonnt augeleuchtete und geframte Aufnahme nicht in diesem Popcornspaß erwartet habe. Und insbesondere in 3D, wo sich die Reflektion in einer anderen Tiefenebene abspielt, als Black Widows schockierte Mimik und das Innere von Lokis Glaskäfig, vermittelt diese Aufnahme mit voller Wucht, dass Loki gerade auch für seine Verhältnisse richtig hässlich handelt.

Bleibt somit nur ein Moment, in welchem ich Pfisters Kritik verstehen kann: Während sich das Team von Helden streitet, zoomt die Kamera zurück, zeigt Lokis machtvolles Szepter und dreht sich, bis das Bild Kopf steht. Es ist ein aufgesetzter visueller Kniff, um die entstehende Kluft im Team darzustellen und beim Publikum Unbehagen auszulösen, und immer, wenn diese Szene kommt, wundere ich mich, was diese kleine Kamerafahrt soll. Jedoch ist es ein sehr, sehr kurzer Moment in einem ansonsten wundervoll fotografierten Actionfilm, der das Tempo eines guten Michael-Bay-Films hat, aber wesentlich, wesentlich übersichtlicher gelang.

Dennoch: Niemand sollte Pfister wegen seiner Kritik an The Avengers schlecht machen. Er ist einer der besten aktiven Kameramänner Hollywoods und blickt auf seine Profession mit einem Hintergrundwissen, welches wir nicht haben. Zudem sind seine Kameraarbeiten hypnotischer, selbst Aufnahmen wie das querstehende Hotel in Inception oder das Leuchtfeld in Prestige erwecken bei mir keine "Wow, cool!"-Rufe, sondern stehen im laufenden Film ganz im Dienste der Story und Atmosphäre, erst wenn sie aus ihrem Kontext gelöst werden, erstaunen sie so, wie die 360°-Fahrt in Avengers. Pfister verfolgt also eine andere Schule als McGarvey. Da sind Differenzen nicht zu vermeiden ...

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Agent Ranjid rettet die Welt


Deutsche Fernsehkomiker zieht es über kurz oder lang in die Welt des Kinos, das scheint sowas wie ein ungeschriebenes Mediengesetz zu sein. Ob Dieter Hallervorden, Otto Waalkes, Michael "Bully" Herbig, Atze Schröder, Ausbilder Schmidt (auch wenn das mit dem bundesweiten Kinorelease nicht ganz hinhaute) oder nun Kaya Yanar, sie alle nehmen, was ihre TV-Persona ausmacht(e), wandelten einige ihrer beliebtesten Gags ab und spinnten um sie herum eine mal mehr, mal weniger frische Alibistory. Gemein haben sie alle, dass sie auf der großen Leinwand, ganz gleich wie kreativ, konventionell, wortgewandt oder albern ihre Standup-Komik sein mag, auf erbarmungslose Blödelei setz(t)en. Was die Kinoausflüge der televisionären Ulknudeln unterscheidet, ist deren Qualität. Während Bully zumindest mit Der Schuh des Manitu und (T)Raumschiff Surprise erfrischendes Schwachsinnskino zelebrierte, wilderten Atze Schröder und Ausbilder Schmidt mit ihren Filmen dank miesem Timing, grausigen Darbietungen und trägen Drehbüchern, sowie lahmer Inszenierungen, auf unterstem Komödienniveau.

Pünktlich zum Kinostart des neuen James Bond-Films Skyfall mottet also Kaya Yanar, in den vergangenen Jahren viel häufiger als er selbst auf Stand-Up-Bühnen anzutreffen, seine Was guckst du?-Figuren aus, um eine knallige Agentenpersiflage zu veranstalten. Ein billiger, ideenloser Cash-in eines Komikers, dessen Stellung, die er vor fünf bis zehn Jahren innehatte, jetzt von Bülent Ceylan besetzt wird? Oder doch eine kurzweilige, sinnbefreite Komödie?

Nach den ultraflachen und schnell ausgelutschten Trailern durfte ich überrascht feststellen, dass Agent Ranjid rettet die Welt eher in die zweite Kategorie gehört. Stilistisch und in Sachen Anspruch erhält man natürlich exakt das, was man erwartet, eine lose zusammengehaltene Aneinanderreihung von Slapstick-Gags, lockeren Sprüchen, Blödeleien und abgewandelten, teils aktualisierten Sketcheinlagen mit Kaya Yanars Was guckst du?-Figureninventar. Also eine Johnny English-mäßige Agentenparodie, gemischt mit gesellschaftskritikarmer, leichtgängiger Ethno-Comedy. Qualitativ erhält der geneigte Zuschauer (und geneigt muss der Zuschauer definitiv sein, wer Kaya Yanars Humor nicht mag, wird sich durch die nicht einmal 90 Minuten mühevoll quälen) allerdings einen spritzigen Kinospaß, der so manche Tücken hat, aber dennoch gut unterhält. Dem Feuilleton wird Agent Ranjid rettet die Welt größtenteils auf die Dönerfladen gehen, dazu ist der Film zu aktuell, Kaya Yanar zu sehr als TV-Komiker abgestempelt (noch dazu als einer, der "auf dem RTL" zu sehen ist). Dabei ist sein Film nicht niveauärmer als eine der guten, alten Zucker-Abrahams-Zucker-Komödien. Selbstredend, an Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug oder Hot Shots 2 kommt Agent Ranjid nicht ran, Scary Movie 4 dagegen lässt er weit hinter sich, ich würde ihn sogar fast in der selben Liga wie Hot Shots 1 vermuten.

Dass Kaya Yanar ein ebenso hohler, wie komischer Kinofilm gelang, während viele seiner Komikerkollegen furios auf die Nase fielen, liegt zu weiten Teilen an einem ganz einfachen Umstand: Er kann spielen. Ich halte Yanar nicht für den geborenen Dramatiker, aber im Gegensatz zu Ausbilder Schmidt oder Atze Schröder, die sich auf ihre einseitigen Gagcharaktere spezialisierten, haucht Kaya Yanar seinen Karikaturen ethnischer Stereotypen Leben ein. Sie bleiben zweidimensionale Wesen, mehr sollen sie im Rahmen dieser Blödelkomödie nicht sein, allerdings haben sie somit auch etwas Kontur, sie sind keine wandelnden Punchlines. Yanar kann mit den meisten seiner Kunstfiguren mehrere Witze über eine Handvoll Klischees reißen und zwischendurch auch die Alibihandlung (Ranjid braucht Geld, um seine geliebte Kuh operieren lassen zu können, und rutscht so in die Beförderung zum "Süperagenten" des türk-deutschen Geheimdienstes) tragen. Gut, der Sirtakimann kann bloß einen Gag abfeuern, doch den lässt Yanar klugerweise bloß einen Cameo absolvieren. So simpel dies klingt, sowas unterscheidet eine kurzweilige Blödelkomödie voller TV-Kunstkomikerfiguren von 7 Zwerge 2 oder den schon erwähnten Negativbeispielen.

Die Inszenierung befindet sich auf TV-Niveau, Regisseur Michael Karen (Erkan & Stefan in: Der Tod kommt krass) ist kein "Bully", was die Agentenaction hinter den Möglichkeiten zurückhält, auch komödiantisch. Denn wie Bully (oder die Monty Python-Truppe) weiß, so müssen auch dümmste Gags geerdet werden, nur wenn man den Schlamm und die Scheiße in Die Ritter der Kokosnuss förmlich spürt, ziehen Gags über den Unterschied zwischen dreckigen Bürgerlichen und sauberen Adeligen. Da Agent Ranjid von manchen detailvollen Sets wie dem Geheimquartier des turk-deutschen Geheimdienstes abgesehen, in einer recht blassen Kulisse den Weltenretter spielt, zündet der Actionslapstick nur bei den besten Punchlines, während etwa ein "Bully" Herbig auch die Wegstrecke zur Pointe amüsant gestaltet.

Dafür stimmt die Besetzung: Yanar hat seine Rollen noch immer drauf (und nach ein paar Jahren Was guckst du?-Pause haben sie wieder hie und da was neues zu sagen), Rutger Hauer macht als oberschurkischer Holländer jeden Spaß mit, Birte Glang dürfte als hauteng bekleidete Agentin Viagra dem männlichen Publikum geben, was es will, die Randdarsteller besitzen Timing, statt hölzern in der Gegend rumzustehen. Tja, und die Mischung aus Ethno-Comedy und kalkuliertem Agenten-Schwachfug sorgt dafür, dass das Publikum nicht die ewiggleichen Gags ad nauseam um die Ohren gepfeffert. Bloß die Blähungen von Ranjids geliebter Kuh und die "Machomann Hakan bekommt eine drauf" wiederholen sich zum Ärger auch des geduldigeren Zuschauers.

Ähnlich wie bei ZAZ-Komödien aus der zweiten Reihe ist die Gag-Trefferquote nicht all zu hoch: Einer trifft voll, einer ist amüsant, einer ist ein Rohrkrepierer. Da die Gagdichte höher ist, als bei deutschen Komödien gewohnt, nicht aber so enorm wie bei Bullys zwei großen Realfilm-Komödienhits oder den üblichen ZAZ-Filmen, ist dieser Schnitt aber leicht zu verkraften. Schwerer verdaulich ist da schon eine dreist platzierte Promo für den Movie Park Germany.

Agent Ranjid rettet die Welt wird einige Augen zum Rollen bringen, stellenweise auch die von Kinogängern, die sich vom Film unterhalten fühlen (Stichwort: Joker-Parodie ... oder halt Movie Park), doch mit Kaya Yanars Leinwandcharisma, so manchen rezitierfähigen Sprüchen und der unschuldig-blödelhaften Parodie ethnischer Stereotypen (im Gegensatz zur boshaften Stereotypisierung zwecks Comedy) weiß diese Komödie unbeschwert die Zeit zu vertreiben.