Donnerstag, 29. November 2012

Die Hüter des Lichts


Der Weihnachtsmann, der Sandmann, die Zahnfee, der Osterhase und Jack Frost treffen sich, um im Namen des Mann im Mond eine Krisensitzung abzuhalten. Nein, das ist nicht die Story für Santa Clause 4, sondern das neue Werk aus dem Hause DreamWorks Animation. Dort wechselt sich ja neuerdings der Shrek- und Madagascar-Stil mit ambitionierten Trickabenteuern ab. Ein Drachenzähmen leicht gemacht gibt es dieses Jahr von DreamWorks Animation leider nicht zu bestaunen, aber mit Die Hüter des Lichts startet zur Vorweihnachtszeit ein weiterer Film der Kategorie "Ach, aus dem Studio können doch Filme mit einer Seele kommen!"

Der sich in der Welt verloren vorkommende, deswegen geknickte und eigenbrötlerische, dennoch stets auf der Suche nach Spaß befindliche Jack Frost, Schöpfer winterlicher Kinderfreuden, wird nach Jahrhunderten des Ignoriertwerdens von den anderen Sagengestalten zum Nordpol eingeladen. In der Werkstatt des Weihnachtsmanns wollen sie Jack zu einem von ihnen machen, zu einem "Hüter des Lichts". Denn der grausige Schwarze Mann, auch bekannt als Pitch, ist zu neuer Macht gelangt und flößt den Kindern der Welt schwerwiegende Albträume ein. Der Mann im Mond rief die bisherigen Hüter, sozusagen die Elite der Kindheits-Sagenhelden, dazu auf, ihre Kräfte mit Jack zu vereinen, um Pitch bezwingen zu können. Aber weder trauen alle Hüter dem starrköpfigen Jack, noch hat er große Lust, sich einem Team unterzuordnen.

"Avengers mit Kindheitsfiguren", so könnte man Die Hüter des Lichts salopp bezeichnen. Die Persönlichkeiten der einzelnen Heroen kommen hier zwar längst nicht so prägend zum Vorschein wie in Joss Whedons Superhelden-Megaspektakel, trotzdem bietet auch diese Kinofortsetzung einer in den USA beliebten Kinderbuchreihe mehr als den bloßen "Höhö, guck mal, wer da zusammensitzt!"-Gedanken. Womit sie etwa locker Santa Clause 3 in die Tasche steckt, selbst wenn das Design Jack Frosts darin viel cooler war als beim Klischeetrübsinnsjugendlichen in Die Hüter des Lichts.

Selbst wenn die Charakterisierung Jack Frosts keinerlei eigenen Dreh hat, so ist sie dennoch effektiv geschrieben und rührt sowie amüsiert selbst dann, wenn man den Enthüllungen des Films einen Schritt voraus ist. Vor allem fügen sich Jacks Hintergrundgeschichte sehr gut in den Hauptplot ein, was ja wahrlich keine Selbstverständichkeit ist. In Sachen Spaß rauben ihm aber seine bekannteren Kollegen das Rampenlicht: Ein russischer Kosakenweihnachtsmann mit sonderbaren Helfern, ein Phantomimen-Buddha von einem Sandmann und ein australischer Osterhasen-Dundee, das muss man einfach gesehen haben. Diese Reinterpretationen der Figuren sind zeitgemäß und cool, aber keineswegs auf Shrek-Art frech, sondern sinnig und mit Seele ausgestattet. Auch die Kolibri-Zahnfee ist sympathisch, mich nervt es allerdings, dass die einzige Frau im Team sofort flattrig wird (Wortspiel beabsichtigt), wenn sie den jungen, leidenden Jack Frost sieht.

Die Mischung aus Slapstick, Dialogwitz und Charaktermomenten ist ausgewogen, das große Finale ist nach dem originelleren Beginn jedoch die reinste Klischeeparade. Zum Glück macht der Schurke Mordsspaß, auf Deutsch dank einem sich selbst genießenden Tommy Morgenstern (Benedict Cumberbatch in Sherlock, Chris Hemsworth in den Marvel-Filmen) etwas mehr als im Original. Dieses ist dennoch deutlich stärker, denn Hugh Jackman als Osterhase ist genial, während Matze Knop völlig fehlbesetzt ist und den Witz der Rolle raubt. Und Florian David Fitz ist in den melancholischen Momenten Jack Frosts zu distanziert, um die erzielten Gefühle nachhaltig zu transportieren.

Trotz solcher Meckereien ist Die Hüter des Lichts ein beseelter, pointenreicher Familien-Trickspaß mit tollen Hintergründen, intensivem (Zweifler wohl kaum überzeugendem) 3D und ausdrucksstarken Hauptfiguren. Sowie den typischen DreamWorks-Animation-Statistenzombies.

Kurzum: Die Hüter des Lichts ist gut, doch nicht sehr gut. Wer in der Adventszeit nur Zeit oder Geld für einen Animationsfilm hat, sollte also auf den noch eine Spur originelleren, witzigeren und charakterstärkeren Ralph reichts warten. Und wem es nach Weihnachtsmännern gelüstet, der kauft sich Arthur Weihnachtsmann.

Siehe auch: Meine Kritik bei Quotenmeter

Tron: Legacy / Star Wars

Hier ein YouTube-Fundstück, das schon 2010 bewies, wie gut Disney und Star Wars verschmelzen können:


Mittwoch, 28. November 2012

Cate Blanchett im Gespräch für Disneys Realverfilmung von "Cinderella"


Heute in der Kategorie "Angekündigte Disney-Filme, die wir längst vergessen haben": Die Realverfilmung des Aschenputtel-Märchens, für die zwischenzeitlich Amanda Seyfried als Hauptdarstellerin im Gespräch gewesen sein soll. Laut The Wrap beginnt Disney derzeit damit, die Besetzungsliste festzulegen und trat unter anderem an Cate Blanchett heran. Die Oscar-prämierte Actrice sei dem Bericht nach die Studio-Wunschbesetzung für die Rolle der bösen Stiefmutter.

Das Drehbuch zum Projekt stammt ursprünglich von Aline Brosh McKenna (Der Teufel trägt Prada, Morning Glory), wurde aber von Chris Weitz (Der goldene Kompass) intensiv überarbeitet. Regie führt Mark Romanek, dessen Hollywooddebüt One Hour Photo Robin Williams von seiner finsteren Seite zeigte. Außerdem drehte er zahlreiche Musikvideos, darunter für Madonna, Linkin Park und Nine Inch Nails,

Sonntag, 25. November 2012

Waltmenschen: Bill Farmer

An dieser Stelle möchten wir den bekannten und weniger bekannten Mitarbeitern Walt Disneys einige Zeilen widmen – Im Schatten der Maus.

Bill Farmer

Dass in den Disney-Studios der Sprecherarbeit bei Zeichentrickfilmen ein besonders hoher Wert eingeräumt wird, dürfte selbst in Zeiten von vermeidbaren Kontinuitätsbrüchen bei der deutschen Synchro beliebter Filmreihen (Toy Story) niemand ernstlich verneinen. Dass nicht nur der Look, sondern auch die Stimme für die unverwechselbare Charakteristik der Disney-Figuren entscheidend ist, äußert sich insbesondere darin, wie penibel der Disney-Konzern bei seinen ältesten Stars ist. Englischsprachige Voice Actor, die als einer der Fab Five besetzt wird, hat keinen Gelegenheitsjob sicher für ein paar Episoden einer Micky-Maus-Fernsehserie, sondern eine Aufgabe auf Lebenszeit. Jede Kleinigkeit, in der Micky, Minnie, Donald, Goofy oder Pluto zu hören sind, wird von ihren Stammsprechern eingesprochen. Jeder Satz in Videospielen, jeder Huster in Themenparkshows kommt von den stets auch disneybegeisterten Stammsprechern. Ersatzbesetzungen sind nahezu tabu.

Doch in der Riege der Fab Five gibt es auch ein kleines Gefälle. Donald bekam im englischsprachigen Original bloß von zwei Menschen seine Stimme geliehen – Clarence Nash und Tony Anselmo. Micky erfuhr vier Sprecher und Goofy ist mit sechs Sprechern das schwarze Schaf. Und wie chaotisch Disney bei Goofy umging ist praktisch beispiellos: Pinto Colvig, sein erster Sprecher und das Vorbild für seinen Charakter, ging nach wenigen Jahren und wurde durch Archivmaterial seiner eigenen Sprecherleistung und einen neuen Sprecher zugleich ersetzt. Später kam Colvig zurück, doch Disney forderte bei Neuentwicklungen der Figur immer wieder neue Intonationen der eigentlich ikonischen Goofy-Stimme. In den 80ern durchlief Goofy gleich drei Sprecher, die allesamt unterschiedlich nah an Colvigs Original lagen, ehe man sich 1986 für Bill Farmer entschied. Farmer ist mittlerweile der Sprecher, der Goofy die längste Zeit treu blieb und ist längst noch enger mit seiner Rolle verwachsen als Colvig.

Dabei hätte es komplett anders kommen können – als sich Bill Farmer bei Disney bewarb, ging er die Figuren durch, die der Teilzeit-Stand-up-Comedian imitieren konnte. Er selbst fand seine Micky-Performance gut, während er einen mäßigen Donald drauf hatte. Farmer gesteht sich ein: „Ich kann wie er schnattern, aber in seiner Stimme kein einziges Wort artikulieren.“ Doch Farmer hatte einen Trumpf im Ärmel: Goofy. Den Tollpatsch ahmte er bereits perfekt in seinen Comedyprogrammen nach und all seine Anvertrauten pflichteten ihm bei, dass er sowieso ein realer Goofy sei.

Der 1952 in Pratt, Kansas geborene, studierte Rundfunkjournalist strahlt stets einen naiven Optimismus aus und entwickelte sich vom zum Scherzen aufgelegten Farmersjungen zu einem liebenden, mit distinktiven Witz auftretenden, tollpatschigen Vater aus der städtischen Bürgerschicht. Einen geregelten Tagesablauf kennt Farmer nicht – mal wird er für Goofy-Tonaufnahmen ins Studio geholt, mal von anderen Studios als Imitator engagiert (in Robot Chicken imitierte er zum Beispiel bereits Bugs Bunny und Daffy Duck). Zu den ermüdendsten Aufgaben zählt Farmer Jobs wie das Einsprechen von über 2.800 Namen, um Disney das Erstellen individualisierter Geburtstags-CDs zu ermöglichen – am schönsten sind dafür Anrufe bei Kindern, zu deren letzten Wünschen ein Gespräch mit Goofy gehört.

Der 2009 zur Disney Legende ernannte Sprecher hat nur einen regulären Termin in seinem Kalender: Während Micky Maus Wunderhaus-Episoden produziert werden, ist der Donnerstag für diese Aufnahmen reserviert. Farmer, der den berühmten Goofy-Schrei lange üben musste, spricht nicht nur Goofy, sondern leiht auch Pluto sein Stimmorgan und ist der erste offizielle Sprecher von Rudi Ross.  

Mittwoch, 21. November 2012

Dredd 3D


Die 1995 erschienene Comicverfilmung Judge Dredd mit Sylvester Stallone gehört zu den größten Verbrechen, den das zum Disney-Konzern gehörende Filmstudio Hollywood Pictures auf die kinobegeisterte Menschheit losgelassen hat. Diese Meinung war nicht von Beginn an die vorherrschende: Zwar erhielt die aufgrund von heftig ausgetragenen Unstimmigkeiten zwischen Hauptdarsteller Stallone und Regisseur Danny Cannon inhaltlich orientierungslose Sci-Fi-Story bei Kinostart vorwiegend schlechte Kritiken, allerdings machte sie an den Kinokassen Gewinn und wurde für gerade einmal eine einzige Goldene Himbeere nominiert. Mittlerweile ist Judge Dredd eine verhasste Lachnummer, ein Campfest, das im Pantheon der grausigen Comicadaptionen direkt neben Howard – Ein tierischer Held und Steel verortet wird.

Klar, dass Fans der Vorlage seither gebannt auf eine neue Verfilmung gewartet haben, die das cineastische Bild des kompromisslosen Richters korrigiert. Die Abscheu vor dem 95er Judge Dredd hatte jedoch ebenfalls zur Folge, dass sich die Finanziers in der Filmwelt nicht mehr an den Stoff herantrauten, weil sie einen garantierten Misserfolg fürchteten. Doch nach einigem Hickhack konnte das im Dezember 2008 gestartete Vorhaben der britischen Independentfirma DNA Films und Autor Alex Garland (verantwortlich für den Roman Der Strand und die Kinofilme Sunshine sowie 28 Days Later) in die Tat umgesetzt werden: Die 45-Millionen-Dollar-Produktion Dredd 3D kam mit einigem über Previews und Festivalaufführungen generierten Vorabhype in die US-Kinos, wo sie Actionfans und Kritiker überzeugte. Die von den Machern ersehnten Fortsetzungen stehen indes auf wackligen Beinen. Das erhoffte US-Einspielergebnis kam nicht zusammen, und so hängt die Kinozukunft von Judge Dredd vom internationalen Einspiel ab.

Auch wenn Dredd 3D aus wirtschaftlicher Sicht hinter dem Stallone-Desaster hinterherhinkt, ist diese herbe Actionproduktion qualitativ und stilistisch über ihr zu verordnen. Nicht nur, dass kein schriller Actionspaß aus der Vorlage gezimmert wurde, Dredd 3D ist sich, anders als die Comicadaption von 1995, seiner technischen und finanziellen Limitationen bewusst und nutzt sie sogar zu seinem Vorteil, indem er dem Publikum ein Gewalt-Kammerspiel mit harscher Atmosphäre und trockenem Menschenbild unterbreitet.

In einer nicht all zu entfernten Zukunft, in der die Erde vertrocknet und die Demokratie verendet ist, prangt die Metropole Mega City One in Mitten dessen, was einst die Vereinigten Staaten von Amerika waren. In der von Chaos, Zerstörung, Armut und Verbrechen diktierten Stadt vereinen die Judges Jurisdiktion, Legislative und Exekutive in einem. Zu den besten und strengsten dieser Rechtsvollstreckern gehört Judge Dredd, dem eine Auszubildende zugeteilt wird. Sie fiel stets haarscharf durch alle Prüfungen durch, aber weil sie durch ihre Mutation Gedanken lesen kann, wollen Judge Dredds Vorgesetzten, dass er sie dennoch mit auf Streife nimmt. Sollte sie die Feuertaufe bestehen, würde sie offiziell zum Judge ernannt. Als Dredd und Lehrling ihre Runde drehen, geschieht im von Drogenbaronin Ma-Ma unterjochten Hochhaus Peach Trees ein dreifach Mord, dem das Duo nachgeht. Die Spur führt zu besagter Drogenbaronin, welche daraufhin das gesamte Hochhaus abriegelt. Ihr Befehl an alle Einwohner: Tötet die Judges. Oder es bestehen grausige Dinge zu erwarten ...

Unkorrumpierbare Vertreter des Rechts, die sich in einem verkommenen, von einem Drogenboss beherrschten, lachhaft großen Hochhaus von unten nach oben durchkämpfen müssen. Das erinnert frappierend an den indonesischen Action-Überraschungserfolg The Raid, der dieses Jahr den internationalen Filmmarkt eroberte. Auch wenn die Produktion von Dredd 3D anfing, bevor The Raid das Licht der Filmwelt erblickte und es somit nicht mehr als ein Zufall ist, bietet sich dieser Vergleich an: Beide Filme reduzieren die Pseudostory auf ein Minimum und nehmen die naheliegende, videospielartige Idee eines superklaren Ziels für die Protagonisten. Durchkämpfen. Fertig. Das verkommene Hochhaus bietet einen dreckigen Schauplatz für kompromissarme Action und ist somit eine geeignete Kulisse für harte Action in Reinkultur. Während in The Raid blutige Martial Arts vorgeführt wurde, atmet Dredd 3D bleischwere Luft. Da die Judges sehr vielseitige Schusswaffen haben, deren Munition nicht unbegrenzt ist, erlebt der Kinogänger bei Dredd 3D aber kein monotones Dauerfeuer, sondern bekommt Abwechslung sowie taktierende Figuren geboten. Das größte Element der Monotonie-Bekämpfung kommt jedoch in Form der Droge Slo-Mo daher, die von Ma-Ma vertickt und auch genutzt wird. Slo-Mo sorgt für eine Entschleunigung und gleichzeitige Intensivierung der Sinneswahrnehmung. Soll heißen: Wann immer wer Slo-Mo einnimmt, bekommt der Zuschauer kunterbunte Superzeitlupenbilder geliefert. Manche davon waren mir zu zäh und sinnlos, doch meistens wird sie sehr effektiv für kreative Gewaltdarstellungen genutzt.

Seine FSK-Freigabe ab 18 Jahren hat sich Dredd 3D mit viel spritzendem Blut und einigen anderen harten Augenblicken durchaus verdient, dennoch ist der Film harmloser als "Hochhausdurchkämpfungskollege" The Raid, welcher ebenfalls schon kein Tabubrecher war. Dredd 3D definiert sich nicht durch Superlative, sondern dadurch, dass wieder unpolierte, raue Action geboten wird, die seit dem neuen Jahrtausend im Kino immer rarer wurde. Als solch ein Stück "Old School"-Action funktioniert Dredd 3D auch ganz gut, trotzdem finden sich in Pete Travis' Gewalt-Kammerspiel einige der Probleme, die schon dafür sorgten, dass mich The Raid kalt ließ.

So ist der Spannungsbogen von Dredd 3D ziemlich flach. Dredd und sein Azubi Cassandra Anderson geraten zwar jeweils einmal in die Enge getrieben, doch sonst sind sie so übermächtig, dass kein Mitfiebern möglich ist. Genauso wie The Raid bremst Judd 3D während der Pseudo-Storysequenzen ziemlich aus. Dredd ist eine stoische, im übertragenen Sinne unbewegliche Figur, so dass aus ihr im Laufe der Filmhandlung wenig rauszuholen ist. Auch Ma-Ma, die in ihren Einführungsmomenten noch etwas Coolness hat, ist bald nur noch "die krähende Drogenboss-Tussi", so dass einzig Cassandra in den Storymomenten für Charakterwachstum und somit für Kurzweil sorgt. Durch das süße und vergleichsweise subtile Spiel Olivia Thirlbys sind ihre Figurenmomente tatsächlich interessant, was Dredd 3D in dieser Hinsicht an The Raid vorbeischiebt. Auch technisch ist Dredd 3D mit seiner klaren Schnittarbeit und klaren Kameraarbeit stärker als der verwackelte The Raid. Der Humor kommt in beiden Filmen kurz, doch die Comicadaption hat einige sitzende Oneliner und zwei, drei Fälle komisch überspitzter Gewalt, die in der Actionflut sehr willkommen sind.

Wenn man vom 3D absieht, welches von zwei Aus-der-Leinwand-spritz-Effekten abgesehen das flachste und unschärfste 3D ist, das ich je in einem mit 3D-Kameras gefilmten Film sah, ist Dredd 3D also exakt das, was man erwartet. Nicht weniger, vor allem jedoch auch nicht mehr. Es ist ein Sci-Fi-Baller-The Raid.

Dienstag, 20. November 2012

Disneyland°2 - Fantasyland und die Märchenbahnen

Welcome, foolish mortals!

Disneyland Paris feiert sein 20-jähriges Jubiläum, und während ich es kaum erwarten kann, die großartig angekündigte neue Wassershow Disney Dreams! selbst zu sehen, ist dies für mich die ideale Gelegenheit, den hiesigen Park mit dem Anaheimer Original zu vergleichen.



Paris

Das obligatorische Fantasyland ist wohl der Disney-typischste Teil eines jeden Disney-Freizeitparks, und auch der erste, an den der Durchschnittsmensch bei der Erwähnung von Disneyland denkt. Dies ist der Ort, an dem die Märchenfilme wirklich Gestalt annehmen und man das Gefühl hat, den Disneyzauber mit jedem Atemzug in sich aufzunehmen.
Anaheim
Paris
Generell sind sich diese Bereiche in beiden Parks sehr ähnlich, seit Anaheim auch auf die Kulisse eines alten europäischen Dorfes hin renoviert wurde. Beide Versionen bieten eine wunderschöne und detailgenaue Gestaltung, deren Unterschiede eher in den Einzelheiten liegen - wie der Frage, auf welcher Seite des Weges Peter Pan‘s Flight nun zu finden ist, oder ob es Cinderellas oder Schneewittchens Brunnen ist, an dem man vorbeiflaniert.

Die Hauptattraktion dieses Landes besteht wohl in den Märchenbahnen, in denen man durch die sorgsam aufgebauten Kulissen und Szenerien der Disneyfilme fährt und den Zauber der Meisterwerke auf diese Weise auf ganz andere Art nachfühlen kann. In Anaheim befinden sich von diesen Bahnen sechs, während Paris nur drei bietet, die ihren amerikanischen Vorbildern extrem originalgetreu nachempfunden sind: Snow White‘s Scary Adventures, Pinocchio‘s Daring Journey und Peter Pan‘s Flight.

Paris
Während mir in der Pinocchio-Bahn keinerlei Unterschiede zwischen den Versionen auffallen, ist es bei Schneewittchen das Ende, das für Paris sichtbar erweitert wurde. Diese Bahn hat in ihren verschiedenen Inkarnationen eine lange Geschichte hinter sich: Früher, bevor sie den Zusatz Scary im Titel erhielt, war die Fahrt durch Disneys erstes Meisterwerk noch eine wirkliche Gruselbahn. Doch die vielen Beschwerden, die im Laufe der Jahre von genervten Müttern und überängstlichen Kindern geäußert wurden, führten dazu, dass die jetzige Version so weit heruntergeschraubt ist, dass von dem früheren Schrecken nur mehr eine Ahnung verbleibt. Dennoch endet die Fahrt in Anaheim weiterhin mit der Hexe, die mit ihrem Felsbrocken die Zwerge und Besucher gleichermaßen bedroht - um dann zum Abschluss ein aufgeschlagenes Märchenbuch mit der Inschrift „And they lived happily ever after“ zu zeigen, wie als Versuch, die Szenerie im allerletzten Moment noch zu retten.
Der Aufbau der Pariser Bahn hat sich exakt an dieses Vorbild gehalten, einzig mit Ausnahme der Endszene, bei der man sich hier die Mühe gemacht hat, ein richtiges Happyend zu bieten. Dabei wurde der Fahrt ein zusätzlicher Raum spendiert, in dem man unter dem Prinzen und Schneewittchen auf seinem Pferd hindurchfährt, die den Besuchern glücklich zuwinken. Das einzig Irritierende an dieser Idee ist wohl die Ausarbeitung der Puppen, die in einem vergleichsweise realistischen Stil gearbeitet sind - auch wenn Schneewittchen selbst nur wenige Szenen zuvor als filmgetreue, dreidimensionale Zeichentrickfigur dargestellt wurde.
Doch solchen Kleinigkeiten zum Trotz ist es schön, dass in Paris nun ein befriedigendes Ende der Märchenbahn zu erleben ist.


Paris

Der größte Unterschied liegt für mich seltsamerweise in der beiderorts dauerüberfüllten Attraktion Peter Pan‘s Flight. Gerade diese Bahn, die in den beiden Parks als praktisch identisch gilt, weist einen speziellen Unterschied in der Gestaltung auf, der - zumindest für mich - einer erstaunliche Wirkung erzielt.
Paris
Der zweite Flugraum der Bahn, in dem die Zuschauer in ihrem Schiff eine Runde über das weit unter ihnen liegende Nimmerland drehen, ist ein Meisterstück an Miniaturarbeit, die in ihrem Aufbau eine gewisse Gezwungene-Perspektiven-Wirkung hat, alles unterstützt durch das Wolken- und Sternenmeer, das sich zu allen Seiten des Zuschauers erstreckt.
Während diese Wolken auf dem Boden sehr sorgfältig drapiert sind, liegen sie in Paris an den Seitenwänden allerdings eher flach an. Die wahren Dimensionen des Raums bleiben gut erkennbar und besonders bei der wiederholten Betrachtung erinnert die Staffage viel zu sehr an die Watte, aus der sie in Wirklichkeit besteht.
In Anaheim dagegen wurden die Wolken an allen Seiten „gut“ verteilt, und auch die Sterne funkeln so dreidimensional durcheinander, dass eine wahre Tiefenwirkung zustande kommen kann. Dazu kommt, dass mir der Raum deutlich dunkler erschien und damit den Besucher noch zusätzlich einlädt, sich ganz in die Zauberillusion fallenzulassen.



Anaheim
Neben diesen drei Bahnen bietet Anaheim noch Toon Town, eine Alice-im-Wunderland-Bahn, die ich beim nächsten Mal betrachte und als speziellen Pluspunkt Mr. Toads Wild Ride - eine Attraktion, an die Paris mit einem noch so schön gestalteten Restaurant in keiner Weise heranreichen kann. All diese Vorteile zusammengenommen führen dazu, dass das Anaheimer Fantasyland seinem Pariser Nachbau eindeutig überlegen bleibt.


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Andere Artikel dieser Reihe:

Samstag, 17. November 2012

DisneyWar - Teil 1

Das neue Im Schatten der Maus-Mitglied Case berichtet euch ab sofort von einem besonderen Kapitel der Disney-Geschichte: Dem DisneyWar

Es gab Zeiten, in denen der heutige Entertainment-Gigant Disney am Scheideweg stand. 1937 war beispielsweise so ein Jahr, als die erste abendfüllende Kinoproduktion „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ zum Erfolg verdammt war, weil sie immens hohe Produktionskosten verschlungen hatte. Auch 1984 stand Disney vor einem Umbruch und höchst unsicheren Zeiten: Die Zeichentrickfilm-Sparte lag am Boden, das Unternehmen selbst versprühte kaum noch Erfindergeist und Elan. Würden es die neue, hastig zusammengestellte Führungsmannschaft mit Michael Eisner, Frank Wells und Jeffrey Katzenberg schaffen, Disney wieder zu neuem Glanz zu führen? Das risikoreiche Unterfangen ging – wie wir alle wissen – gut, doch zwanzig Jahre später war die Maus erneut an einem Wendepunkt angelangt: 2004 stand der gesamte Konzern vor der Übernahme durch den US-Kabelbetreiber Comcast; man überwarf sich mit dem Animationsstudio Pixar, das zuletzt – im Gegensatz zum klassischen Zeichentrick – hohe Gewinne in die Kassen gespült hatte; es gab eine Revolte im Management zwischen Disney-Chef Michael Eisner und Präsident Roy E. Disney.

Vor allem von dieser spannenden Zeit – dem fabelhaften Aufstieg des Disney-Konzerns ab 1984 bis zu seinem zwischenzeitlichen Fall 2004 – handelt das Sachbuch „Disney War“ von Journalist James B. Stewart, das 2005 erschienen ist. Es ist nicht nur eine Aneinanderreihung von Fakten und damals öffentlich zugänglichen Informationen, sondern ein intimer Einblick in die Traumfabrik Disney, ihre Chefs und deren innerste Gedanken. Für „Disney War“ ging Stewart ein Jahr lang beim Konzern ein und aus, führte Interviews mit den beiden Konfliktparteien, wurde zu einem Teil der gesamten Ideologie, die hinter Disney steckt. Dafür schlüpfte der Autor sogar einen Tag lang in ein Goofy-Kostüm und schrieb in Disney World Autogramme.

Es muss knapp sieben Jahre her gewesen sein, dass ich „Disney War“ zum ersten – und bisher einzigen – Mal gelesen habe. Ein Buch, das mich damals von Seite eins an fasziniert und in seinen Bann gezogen hat, weil ich einerseits als Disney-Fan natürlich Interesse an einer (möglichst) objektiven Darstellung der Hintergründe des Konzerns habe, und weil ich andererseits generell Spaß habe an wirtschaftlichen Themen im Entertainment-Geschäft. Beides findet sich in diesem Buch wieder. Für diese Artikelreihe werde ich „Disney War“ aus der Distanz und mit dem Wissen, dass Disney nach der Eisner-Ära so gut dasteht wie noch nie, ein zweites Mal lesen und meine Eindrücke und Assoziationen niederschreiben: Wie können die damaligen Ereignisse aus heutiger Sicht eingeordnet werden, wie ist meine Meinung als Disney-Fan zu diesen Entwicklungen? Welche Passagen sind rückblickend besonders erkenntnisreich und überraschend? Teil eins meines Lesetagebuchs thematisiert den Prolog und das erste Kapitel bis Seite 88.

Teil 1

Wie es sich für einen guten Journalisten gehört, beginnt Stewart seine Geschichte im Prolog nicht mit trockenen Abhandlungen oder Faktenwissen, sondern mit der Schilderung einer exemplarischen Situation: Er beschreibt einen Nachmittag des Jahres 2003 im Leben von Roy E. Disney (Foto), den damals stellvertretenden Vorsitzenden und letzten leiblichen Verwandten von Walt Disney, der im Unternehmen arbeitet. Schon auf diesen ersten Seiten werden die Gräben ersichtlich, die zwischen Roy und Michael Eisner liegen und von denen aus „Disney War“ seine Story erzählen will. Michael Eisner wird schnell – damaliger CEO und Chairman von Disney, zu deutsch: oberster Chef des Konzerns – als Feindfigur von Roy Disney dargestellt, aus dessen Sicht Teile des Prologs geschildert werden.

Stewart instrumentalisiert seine Leser damit quasi, auch indem er an ihre emotionale Seite appelliert: So wird geschildert, wie Roy, der 2003 von Eisner aus dem operativen Geschäft gedrängt werden soll, als Kind solche Geschichten wie „Pinocchio“ von Walt vorgelesen bekam und wie er nun nur noch eine Repräsentationsfigur für das Unternehmen darstellt. Der Leser schlägt sich demnach emotional auf die Seite von Roy Disney und fragt sich, wer dieser Feind ist – dieser Michael Eisner, dessen Geschichte am Anfang im Hintergrund bleibt. Es wird zunächst nur geschildert, dass Eisner den Autor von „Disney War“ offenbar zu überzeugen versuchte, das Buch nicht zu schreiben – und ihm vermeintlich im Gegenzug den Deal anbot, selbst an einem Disney-Film mitzuwirken. Stewart stellt diese quid-pro-quo-Darstellung zwar nicht als Fakt, sondern als Vermutung hin, trotzdem zeichnet er hier das Bild eines Manager-Profis Eisner, der relativ skrupellos ist und die Recherchen für das Buch zunächst zu verhindern sucht.

Der restliche Prolog ist interessant, aber trägt wenig zur eigentlichen Story bei: Emotionsgeladen schildert Stewart seinen Erfahrungsbericht als Goofy, in dessen Kostüm er einen Tag lang schlüpfen durfte, inklusive Einführungskurs. Wenig erkenntnisreich: Disney fordert von seinen kostümierten Mitarbeitern eine Verschmelzung mit der Figur und ihren Eigenschaften – Gesten, die genaue Unterschrift für Autogramme, eventuelle Sprechakte müssen genauestens studiert und auswendig gelernt werden. Fünf Tage dauert eine solche Einführung in den Charakter einer Disney-Figur normalerweise. Stewart darf schon nach einem halben Tag ran und gibt im Themenpark als Goofy Autogramme. In diesem Bericht versucht der Autor die Essenz der Disney-Magie herunterzubrechen auf die großen, faszinierten Augen der Kinder beim Anblick ihrer Lieblingsfigur – für solche Momente arbeiten nicht nur die kostümierten Goofy-Darsteller, sondern auch die ranghöchsten Bosse wie Michael Eisner. Zwar wird dies nicht im Prolog deutlich, aber schon im folgenden ersten Kapitel.

In diesem Kapitel beschreibt James Stewart vor allem die Zeit bis zum Antritt von Michael Eisner (Foto) als CEO im Jahr 1984. Er geht sogar weit zurück zu den Anfängen der Firma Disney (Stichwort: Oswalt the Lucky Rabbit) und schildert die Kurzbiographien von Walt, seinem Bruder Roy, seinem Sohn Roy E. Disney und von Michael Eisner selbst. Vermutlich genauso häufig wie diese Namen fällt in Kapitel eins aber auch einer, den selbst eingeschweißte Disney-Fans wohl nur selten gehört haben: Stanley Gold. Er war 1984 entscheidender Strippenzieher hinter der Installation der neuen Führungsriege Disneys. Gold gehörte damals dem Board of Directors an, dem Leitungsgremium jedes börsennotierten Unternehmens, das mit seinen Mehrheiten die jeweiligen Chefs wählen und abwählen kann. Außerdem war er Aktionär von Disney durch Shamrock Holdings, eine Investmentfirma von Roy E. Disney (deren CEO Gold heute übrigens ist). Damals hielt Shamrock gut vier Prozent am Disney-Konzern. Zusammen mit Roy bildete Stanley Gold die Opposition der frühen 80er Jahre, die sich gegen die restlichen Board-Mitglieder stellte.

Immer wieder zeichnet Stewart aber langsam das Bild von Michael Eisner, dem zuletzt allseits ungeliebten Disney-Chef: Seine Kindheit soll rau verlaufen sein, den Vater durfte Michael nicht mit „Daddy“, sondern nur mit dem Vornamen anreden. Man liest hier die typische Geschichte eines Mannes, der aus dem Schatten seines Vaters treten wollte und sich gegen Widerstände durchsetzte – wie beispielsweise die Entscheidung, keinen Arztberuf zu erlernen oder nicht auf die Princeton-Universität zu gehen. Der Lesespaß an diesem Buch offenbart sich hier erneut, denn der Autor mischt die Fakten und den nüchternen beruflichen Werdegang immer wieder mit persönlichen Anekdoten aus dem Leben Eisners. Eisner wurde bei Paramount zu einem großen Namen im Filmgeschäft: Zunächst verantwortete er bei ABC (das damals noch nicht Disney gehörte) Hits wie „Happy Days“ und „Laverne & Shirley“, aber auch von „Taxi“ (Foto). Diese Sitcom sagt mir etwas, weil die großartig unkonventionelle Entertainer-Legende Andy Kaufman in ihr mitspielte; Kaufman selbst hasste seine Rolle darin und das repetitive, formulative Sitcom-Genre generell. Nie hätte ich gedacht, dass Eisner für diese einflussreiche 80er-Sitcom verantwortlich war.

Was mich im ersten Kapitel von „Disney War“ aber am meisten beeindruckte, war Eisners hartnäckige und klare Vorstellung vom Filmgeschäft auf der einen und der Vision auf der anderen Seite. Letztere meinte ich auch, als ich oben von den faszinierten Kinderaugen und den Momenten sprach, für die jeder bei Disney arbeitet. Zunächst aber zu Eisners Vorstellung vom Filmgeschäft: Er stand, wie Stewart es schildert, offenbar wie kein zweiter in Hollywood für die Ertragsmaximierung bei minimalem Einsatz. Eisner hielt nicht viel von Big-Budget-Produktionen, da sie auch viel Geld verpulvern könnten. Heute wäre eine solche Einstellung im Filmgeschäft wohl nicht mehr möglich, auch nicht bei Disney: Megaflops wie „John Carter“ werden von Megahits wie „The Avengers“ mehr als nivelliert; es gilt quasi das Recht des Stärkeren. Frühere Marken wie Touchstone und Miramax, die Ausdruck von Eisners Sparvorstellung war, sind heute nur noch ein Schatten ihrer selbst (Touchstone) oder gehören gar nicht mehr zum Disney-Konzern (Miramax). Der Kontrollzwang Eisners ging damals sogar soweit, dass Regisseure selbst für gesprengte Budgetgrenzen  aufkommen mussten. Heute ist so etwas undenkbar – Stichwort Jerry Bruckheimer, der regelmäßig über die Stränge schlägt und den Disney trotzdem walten lässt, um ihn nicht zu verlieren.

Deutlich wird daran, wie die Strategie des Konzerns sich gegenüber der damaligen Zeit um 180 Grad gewendet hat. In den 80er Jahren aber war Eisners Standpunkt angesagt in Hollywood: Sogar ein von ihm verfasstes Manifest ging umher, das nicht nur seinen literarischen und kulturellen Hintergrund offenbart, sondern auch seine Überzeugung, mit qualitativ hochwertigen Filmen beim Publikum anzukommen: „Wenn wir Geld verdienen wollen, müssen unsere Filme unterhaltsam sein, und wenn wir unterhaltsame Filme machen, dann machen wir auf jeden Fall manchmal auch Geschichte oder Kunst oder wir übergeben eine Botschaft – oder alle drei auf einmal.“ (S. 54) Viel anders hat sich Marcel Reich-Ranicki 2008 auch nicht ausgedrückt, als er im Zuge seiner Fernsehpreis-Ablehnung über die Missstände des deutschen Fernsehens referiert hatte.

Michael Eisner hatte also auch eines: Anspruch. Und diesen forderte er offenbar auch für sein Publikum ein. Finanzielle Gewinne nicht für jeden Preis (und billige Qualität) zu erwirtschaften, sondern mit guten und hochwertigeren Geschichten als bei der Konkurrenz. Deutlich wird dies auch daran, dass Eisner schon bei Paramout die richtige Nase hatte für gute Drehbücher und schlechte – denn letztlich wurden die meisten der Produktionen unter ihm zum Erfolg.  Er hielt sich selbst, wie Walt, für einen „Geschichtenerzähler“ (S. 43). Dies halte ich für eine wichtige Passage im Buch, denn sie verdeutlicht die Einstellung Eisners zu seinem Beruf. Er war nicht nur Manager irgendeines Unternehmens, sondern verstand das Erbe, das er übernahm. Er schaute nicht nur auf die Zahlen, sondern auch auf die Inhalte (diese seien Card Walker, dem vorherigen CEO, relativ egal gewesen – so schildert es das Buch in etwa).

Und deshalb war Michael Eisner – dieser Gedanke kommt mir zumindest bei der Lektüre dieses ersten Kapitels – ein ungeheurer Glücksfall für den Disney-Konzern: Denn Disney hatte sich bereiterklärt, erstmals einen externen Chef zu installieren und keinen internen. Dies war meiner Meinung grundsätzlich auch bitter nötig, da die Strukturen zu festgefahren schienen und der kreative Geist – vor allem in der Filmsparte – abhanden gekommen. Aber das Risiko, das man damit einging, war immens: Schließlich gibt es, wie oben beschrieben, genügend Manager, die nur auf finanzielle Gewinne achten und den Geist des Unternehmens letztlich opfern, beispielsweise für andere Geschäftssegmente oder durch Mitarbeiterentlassungen.

Eisner war nicht so, obwohl er mit Disney in der Kindheit laut eigener Aussage nie in Berührung gekommen war. Aber er war zur richtigen Zeit der richtige Mann im Jahr 1984, dem Jahr am Scheideweg. Und er war „committed“ zu Disney, also verschrieb sich voll dem Geist des Unternehmens. Nicht zuletzt machte er deswegen sein Gehalt vom Konzerngewinn abhängig und ließ sich bei Vertragsbeginn 510.000 Aktien-Bezugsrechte sichern – Eisner war somit nicht nur Disney zum Erfolg verpflichtet, sondern auch seiner ganzen persönlichen Zukunft. Letztlich gewann Eisner die entscheidenden Mitglieder des Board of Directors mit einer eindrucksvollen visionären Rede für sich, die unter anderem die folgende Passage enthielt: „Trotzdem muss man in diesem kreativen Geschäft bereit sein, Risiken einzugehen und manchmal sogar zu scheitern, denn sonst passiert nie etwas Innovatives. Wenn man sich damit zufriedengibt, ein Unternehmen nach Zahlen zu betreiben, dann verstehe ich das. Aber dann darf man sich nicht auf ein kreativ geprägtes Unternehmen wie Disney einlassen.“ Jeder Disney-Fan, auch ich, dürfte dieses Statement wohl sofort unterschreiben. Was ich mich nach der Lektüre dieses ersten „DisneyWar“-Kapitels aber gefragt habe: Wie konnte es dazu kommen, dass dieser Mann Michael Eisner offenbar so mit seinen einstigen Idealen brach und letztlich ähnlich gelähmt agierte wie die Männer, die er und sein frisches Team im Jahr 1984 ersetzt hatten? Was passierte in diesen zwanzig Jahren? Es wird eine spannende (Lese)Reise.


Wenn ihr das Buch „DisneyWar“ zuhause habt und ebenfalls lesen wollt, würde ich mich über eure Leseerfahrungen zu den jeweiligen Kapiteln in den Kommentaren freuen. In einem Monat bespreche ich dann die Kapitel zwei bis vier (S. 89-192).

Das Geheimnis der Feenflügel


Die TinkerBell-Filmreihe befindet sich von Beginn an in einer bedauerlichen Abwärtsspirale. Der 2008 auf DVD veröffentlichte erste Teil erstaunte nach seinen schwerwiegenden Produktionsproblemen mit einer süßen, herzlichen Geschichte und solider bis guter Computeranimation. Dafür, dass es nur ein von John Lasseter feingeschliffenes Überbleibsel der vorherigen Studioleitung war, die nur auf den schnellen Dollar aus war, hatte TinkerBell wunderlich viel ehrliche Ambition zu bieten. Die Fortsetzung hingegen hatte bereits ein paar deutlichere Macken aufzuweisen und der dritte Film der TinkerBell-Saga stammte mit seinen steifen Animationen, haltlosen Klischees und einer unerträglichen Dosis Kitsch schlussendlich direkt aus der Direct-to-Video-Hölle.

Zwei Jahre sind seit der Seelenfolter namens TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer vergangen, womit dieses Franchise sein ursprüngliches Ziel, jährlich einen neuen Teil zu veröffentlichen, versäumt hat. Es sei denn, man zählt das letztjährige TV-Special Die großen Feenspiele, welches aus Wunsch der Produzenten von einem abendfüllenden DVD-Film zu einerm TV-Dreißigminüter degradiert wurde, als gleichwertigen Film. In der Zwischenzeit erntete Joe McNeely, der Stammkomponist der TinkerBell-Filme, neue Anerkennung für seine Leistung als Komponist und Arrangeur der Musik vom Disneyland-Lichterspektakel Disney Dreams!, der fünfte Langfilm der Reihe wurde erst für 2014 angekündigt und Rapunzel scheiterte daran, eine Oscar-Nominierung für den besten Animationsfilm zu erhalten. Letzteres geschah in einem Jahr, in dem nur drei Filme nominiert wurden, weil das für eine Erweiterung dieser Kategorie nötige Minimum an Kinostarts nicht erreicht wurde. Disneys Schuld ist es derweil nicht: In der Hoffnung, dadurch den Pool an Oscar-qualifizierten Filmen zu vergrößern und so mehr Filmen eine Nominierung zu ermöglichen, hält Disney seit einigen Jahren in den USA Alibi-Kinostarts seiner DVD-Produktionen ab.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängerfilmen findet Das Geheimnis der Feenflügel jedoch in zahlreichen Ländern den Weg in die Kinos, so auch in Deutschland. Außerdem unterscheidet sich dieses winterliche Abenteuer der kurzberockten Fee von seinen Vorläufern dadurch, dass interessierte Feenfreunde es auch in 3D bestaunen können. Doch in einem anderen Aspekt unterscheidet sich Das Geheimnis der Feenflügel kein bisschen von den anderen TinkerBell-Produktionen: Komponist Josh McNeely ist ein weiteres Mal über jeden Zweifel erhaben und ist mit seiner irisch-folkloristisch angehauchten, beschwingten Hintergrundmusik für das stärkste Element des Films verantwortlich. Neben belebtem Folklore-Gefidel und schwelgerischen Melodien im Stil der ersten drei Filme mischt McNeely in diesem Teil, dem Inhalt entsprechend, auch einige winterliche Klänge unter, die sich nahtlos ins bisherige akustische TinkerBell-Gesamtbild einfügen. Und ebenso wie bei den bislang veröffentlichten Filmen wird McNeelys traumhafter Score durch ätzend-kitschigen Zuckerpopsongs unterbrochen, die sich in einer eintönigen Tonlage in die Gehörgänge quietschen. Und leider auch auf CD: Selbstredend erhält auch Das Geheimnis der Feenflügel ein Soundtrackalbum, welches wie die altbekannten Alben dem kindlich-dauerglücklichen Gesang den Vorrang gegenüber McNeelys Musik gibt.

Eine gute Botschaft ist derweil, dass mit der dritten TinkerBell-Fortsetzung tatsächlich der konstante qualitative Abwärtstrend der Reihe gebrochen wird. Zwar ist Das Geheimnis der Feenflügel noch immer ein spürbarer Abstieg gegenüber dem liebenswerten Erstling der Reihe, jedoch ist diese Wintergeschichte immerhin solide Kinderunterhaltung, die das ältere Publikum wenigstens achtet und ihre eigene Mythologie kreativ weiterspinnt.

Der Wintereinbruch steht bevor, weshalb die Feen der warmen Jahreszeiten schwer mit Auftragsarbeiten für die Winterfeen beschäftigt sind. Sie helfen zum Beispiel Hasen dabei, Schneehasen zu werden und stellen Körbe für die Feen aus der verschneiten Winterwelt her. Als die neugierige Tinkerbell von einer ihrer Freundinnen belehrt wird, dass es den Feen aus der warmen Welt verboten ist, ins Winterreich zu schreiten, ist ihre Neugier geweckt. Kaum übertritt sie, von der Schönheit des kalten Lands magisch angezogen, die Grenze zwischen den Jahreszeiten, beginnen ihre Flügel zu leuchten und zu glitzern. Davon erstaunt macht sie sich auf, mehr über dieses Phänomen in Erfahrung zu bringen. Letztlich kann aber nur eine Expedition ins Winterreich ihren Wissensdurst stillen. Dort lernt sie die Fee Perriwinkle kennen, mit der sie sich sofort inniglich verbunden fühlt. Allerdings ist es nicht ohne Grund verboten, die Jahreszeitengrenze zu übertreten, denn Feen der warmen Welt sind nicht für die Kälte geschaffen und umgekehrt ...

Im Gegensatz zur üblichen Disney-Trickware fürs Kino ist Das Geheimnis der Feenflügel nicht an ein möglichst weites, sondern eindeutig an ein sehr junges (und vorwiegend weibliches) Publikum gerichtet. Dies merkt man insbesondere daran, wie sehr die Story der Autoren Bobs Gannaway, Peggy Holmes, Ryan Rowe und Tom Rogers bemüht ist, die Spannungsschraube nie zu fest zu drehen. Die Konflikte sind über weite Strecken des Films recht banal: Tinkerbell will ins Winterreich, darf dies nicht, tut es aber dennoch und wird dort sehr freundlich empfangen. Widerspruch gibt es nur von der Feenkönig und dem Lord des Winterreichs, wobei diese nicht despotisch gezeichnet werden, sondern bloß als übervorsorgliche Autoritätsfiguren, die es zu überzeugen gilt. Wenn es für Tinkerbell und Perriwinkle brenzlig wird, kommt die Rettung schnell daher, erst, nachdem der Zufall aus einer kleinen, genialen Erfindung einen Unglücksbringer macht, steht viel auf dem Spiel. Die Inszenierung dürfte es für die Zielgruppe für die wenigen Minuten dieses Klimax spannend gestalten, während für das erwachsene Publikum die Lösung offensichtlich auf der Hand liegt. Zuschauer im zweistelligen Alter werden deshalb wohl kaum von der Handlung eingenommen, jedoch sind die Einzelszenen charmant genug, dass man als großer Disney- oder Feenfan oder als interessiertes älteres Familienmitglied in Begleitung der Zielgruppe immerhin etwas Kurzweil verspürt, selbst wenn die Spannungskurve außerordentlich beschaulich geriet.

Regie führten Roberts Gannaway, zuvor unter anderem für Mickys Clubhaus verantwortlich, und Peggy Holmes (Arielle, die Meerjungfrau: Wie alles begann), denen es in diesem Feenabenteuer gelingt, die feine Linie zwischen unentwegtem Staunen einerseits und dennoch zielgerichtetem Erzählen gehen. Obwohl Tinkerbells Entdeckung der Winterwelt episodisch verläuft, fühlt sie sich nie orientierungslos oder auf Kinolänge gezerrt an. Sofern man sich als älterer Zuschauer darauf einlässt, dass es bloß darum geht, zusammen mit Tinkerbell das magische Feenreich weiter zu erkunden, nehmen einen Gannaway und Holmes durch ihre vielen kleinen, putzigen Ideen erfolgreich an der Hand. Dazu gehört etwa, wem Feen die Organisation ihrer Bibliothek anvertrauen, wie die Kommunikation zwischen beiden Reichen funktioniert oder auch die Erkenntnis, dass es auch in Pixie Hollow verpeilte Snowboarder gibt.

Die Charakterisierung ist unter dem Niveau, was man im Kino von Disney erwartet, doch besser als in den bisherigen TinkerBell-Fortsetzungen oder in zahllosen anderen Direct-to-Video-Filmen: Tinkerbell ist als Protagonistin die ausgereifteste Figur, voller kindlicher Neugier, aber auch erfinderisch und ungestüm. Die anderen Figuren sind dagegen einseitig, während aber die Sprecher gerade der oberen Feen ihren Rollen einen Hauch Gravitas verleihen, ist Perriwinkle als groß eingeführtes Wintergegenstück Tinkerbells sehr flach geraten, auch wenn sie liebevoll animiert und gestaltet ist.

Tricktechnisch ist Das Geheimnis der Feenflügel ansprechend gelungen: Die Hintergründe sind selbstredend nicht auf dem Niveau einer Vorreiterproduktion wie Pixars Merida, trotzdem sind sie sehr detailliert und gut beleuchtet (gerade dies haben DVD-Produktionen ja selten raus), Tinkerbell, Perriwinkle, die oberen Feen sind ausdrucksstark, Tinkerbells Freundinnen dagegen gucken doch öfters starr  aus der Wäsche. Trotzdem erhalten sie in ihrer Animation genügend Charakter, dass die figurenbasierten Momente das Zuschauerinteresse halten können.

Als Filmreihe ist TinkerBell in einer schwierigen Grauzone angekommen: Teil 1 und 4 sind gut genug, dass man sich nicht dringend ein Ende herbeisehnen muss, 2 und 3 wiederum erstickten jeglichen Enthusiasmus für die Feenfilme. Künstlerisch könnte Disney nach dem 2014 anstehenden fünften Teil gut und gerne Schluss machen. Auf dem Merchandisingmarkt spürt man auch nicht die volle Macht, die etwa Cars oder die Prinzessinnen ausmachen. Trotzdem bringen die Feen wohl noch immer sichere Kohle in die Kassen Burbanks. Insofern wird ein endgültiges Finale wohl noch in weiter Ferne liegen ...

Siehe auch:

Dienstag, 13. November 2012

Disney adaptiert "Big Thunder Mountain"


Lange, lange wurde es erwartet, nun geschieht es also tatsächlich: Nach Pirates of the Caribbean und Haunted Mansion beziehungsweise Phantom Manor findet ein weiterer Fanliebling aus den Disney-Themenparks den Pfad in die Welt des bewegten Bildes. Nun trifft es die Urmutter aller Wildwest-Achterbahnen, den vor Atmosphäre und Charakter nur so sprühenden Big Thunder Mountain!

Jedoch kommt der Gold beherbergende Felsen mit der rasanten Minenbahn nicht ins Kino. Dort zieht bekanntlich The Lone Ranger unter der Leitung von Gore Verbinski und Jerry Bruckheimer ins Feld, um dem Westerngenre mit einem Knall zu neuen kommerziellen Höhen zu verhelfen. Stattdessen kehrt Disney zu den Wurzeln seines televisionären Dauererfolges zurück und plant eine aufwändige Westernserie auf dem US-Network ABC. Yiiiiehhaaaa!

Den wildeste Ritt der westlichen Wildnis wird laut The Hollywood Reporter Drehbuchautor Jason Fuchs (Ice Age 4: Voll verschoben) in ein TV-Skript transformieren, Chris Morgan (Wanted, Fast & Furious Five) wird die Serie übersehen und als ausführender Produzent beteiligt sein. Statt einer komödiantischen Form wie beim Eddie-Murphy-Vehikel The Haunted Mansion schwebt Disney hier eine dramatische Adaption vor.

Big Thunder Mountain ist ein idealer Kandidat für eine Film- oder Serienadaption, da die Achterbahn eine intensive Backgroundstory aufweist, die sich rund um den Goldrausch im späten 19. Jahrhundert dreht. Insbesondere die Pariser Version der Bahn hat eine bewegte fiktive Hintergrundgeschichte, die sich schließlich auf den gesamten Westernbereich des Parks, das Frontierland, erstreckt. Eine Zusammenfassung der von Hoffnung und Tragik durchzogenen Erzählung des fiktiven Goldgräberstädtchens Thunder Mesa findet hier hier.

Was glaubt ihr? Wird das massive Potential dieser Serie genutzt oder erwartet uns eine austauschbare Wildwestserie mit ikonischem Titel?

Jerry Bruckheimer kehrt in die Finsternis zurück


Jerry Bruckheimer verlagerte seine Energien auf dem Kinobereich seit dem Jahrtausendwechsel zunehmend auf den sämtliche Publikumsgruppen anvisierenden Ultra-Budget-Abenteuerfilm. Ob die Pirates of the Caribbean-Saga, Prince of Persia oder die Vermächtnis-Filme, der frühere, kernige Jerry Bruckheimer ist etwas zahmer geworden. Nur etwas, wohlgemerkt, immerhin legt sich Mr. Blockbuster noch immer erfolgreich mit Disney an, wenn es darum geht, Budgets explodieren zu lassen.

Dennoch, der letzte wirklich harte Bruckheimer-Film ist so einige Zeit her, ich würden die letzte Old-School-Produktion Bruckheimers auf 2003 datieren, als Bad Boys II mindestens doppelt so viel Kram in die Luft jagte als eigentlich nötig gewesen war. (Andernfalls kann man auch Déjà Vu von 2006 als bisherigen Schlussstein setzen.)

Nun aber hat sich Bruckheimers Produktionsfirma wieder einmal ein Projekt unter den Nagel gerissen, das weniger in das neue Disney-Portfolio passt: Wie Variety meldet, plant der Megaproduzent einen übernatürlichen Polizeithriller namens Beware the Night, bei dem Eric Bana als Hauptdarsteller vorgesehen ist. In dem Thriller dreht sich alles um einen New Yorker Cop, der nachts neben seiner eigentlichen Arbeit auch okkulte Fälle rund um Dämonen und Exorzismus annimmt. Sinister-Regisseur Scott Derrickson soll das Projekt inszenieren und wirkte bereits am Drehbuch mit, welches seit Jahren ausgetüftelt wurde, nun aber zur Produktion bereit wäre.

Am Vertrieb ist laut Variety am stärksten Horror-Stammhaus Screen Gems interessiert.

Samstag, 10. November 2012

Die Quellen der Disneyfilme: Bambi

 
Von Legenden zu historischen Ereignissen, von Märchen bis zu klassischer Literatur - die Zauberkünstler von Disney haben sich der vielfältigsten Quellen bedient, um Stoff für ihre Filme zu finden. Gemein haben sie jedoch alle, dass das Ursprungsmaterial nicht ohne Veränderung in den Disney-Kanon eingeflossen ist.

 

Diese Reihe von Im Schatten der Maus befasst sich mit dem Entstehungsprozess einiger dieser Meisterwerke:
Die Quellen der Disneyfilme

Felix Salten veröffentlichte 1923 mit „Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ ein poetisches Werk über Natur und Tiere, in dem - durch die Augen des jungen Rehbocks Bambi - der Wald, seine Bewohner und seine ständig drohenden Gefahren zum Leben erweckt werden.
Wenn es der Name Bambi schon bald geschafft hat, als Synonym für niedliche Fellknäule und große Tieraugen in die Geschichte einzugehen, so tut das Saltens Werk Unrecht. In Wirklichkeit ist die Intensität des Buches durchaus vergleichbar mit Werken wie Unten am Fluss oder Füchse unter sich, Büchern also, die absolut nicht als Kinderbücher einzuschätzen sind. Mehr noch als in der Verfilmung wird im Buch Bambis gesamtes Leben immer wieder überschattet von der allgegenwärtigen Gefahr des Menschen, oder wie ihn die Tiere nennen, schlicht Er. Die Tatsache, dass Salten selbst ein passionierter Jäger war, lässt seine kritische Darstellung des menschlichen Eingriffes in die Natur dabei nur noch beeindruckender erscheinen.

In Gestalt der Jäger stellt der Mensch das ganze Buch hindurch eine ständige Präsenz dar, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Bambi muss schon früh erleben, wie ein junger Rehbock vor seinen Augen erschossen wird, und immer wieder hört er die Ängste und besorgten Vermutungen der anderen Tiere mit an. Somit bleibt der Mensch im Buch kein ungesehener, namenloser Schrecken, sondern wird durch die ständigen Gespräche nur allzu real, ohne dabei jedoch etwas von seiner grausigen Macht zu verlieren.
Bambis Cousin Gobo, der von einigen Jägern gefunden, gezähmt und schließlich wieder in die Natur entlassen wird, vertritt eine durchaus andere Meinung zu den Menschen und er scheint das schreckenerfüllte Bild der Tiere zumindest eine Zeit lang zu relativieren - allerdings nur, bis er durch sein neuerworbenes Zutrauen die Gefahr des Jägers unterschätzt und ihm so direkt in sein Gewehr läuft. Auch andere Fähigkeiten der Menschen werden durch die misstrauischen Augen der Rehe gezeigt:  Die Idee, den Ruf der Rehe nachzuahmen, die Gefahr der Fangschlingen und das rücksichtslose Fällen der Bäume zeugen allesamt von einer List des Menschen, die die Tiere in verständnislose Angst und Schrecken versetzt.



Aber neben diesen teilweise recht kontroversen Inhalten stellt den wichtigsten Aspekt des Buches die ungeheuer poetische Sprache dar, in der Salten die ruhige und gleichzeitig so harte Welt des Waldes beschreibt. Das Buch, dessen reiner Inhalt sich wohl auf ein Zehntel des Raumes beschränken ließe, lebt vor allem durch die Naturbeobachtungen, die leisen Töne, und man könnte beim unbedarften Lesen gut denken, es sei unmöglich, diese Stimmung erfolgreich auf einen Film zu übertragen. Allerdings konnte das Walt Disney offensichtlich nicht daran hindern, diese Herausforderung anzunehmen - und das mit einem wahrlich beachtlichen Erfolg.
Der Film von 1942 verlässt sich durchaus nicht auf seine Wortgewalt; er kommt mit insgesamt rund eintausend gesprochenen Worten aus. In direkter Folge liegt eine Hauptverantwortung des Werkes auf den als Hintergrund fungierenden Liedern und generell der Musik, die mit ihrem Fantasia-inspirierten klassischen Klang perfekt in die ruhige Waldszenerie passt. Um die Welt des Buches wiederzugeben, greift der Film auf eine einmalige Klang- und Bildsprache zurück, nachsteht.
Auch die Liebesszene zwischen Bambi und Faline, die Unterbrechung durch seinen Rivalen und der wütende Kampf sind Beispiele dafür, wie verschiedene Medien ideal genutzt werden können, um eine vergleichbare Wirkung zu erzielen. Das gesamte Lied „Ich singe ein Lied“ mit seiner poetischen Bildgewalt ist die Umsetzung einer einzigen Zeile des Buches: „Sie gingen miteinander fort und waren sehr glücklich.“
Die eine Szene, in der der Film durch seine Möglichkeiten der Stimmung des Buches weit voraus ist, ist die Todesszene von Bambis Mutter. Saltens Beschreibung der großen winterlichen Jagd, die den gesamten Wald in lähmende Furcht versetzt, ist beeindruckend, doch der ruhige Schrecken der ungeschützten Lichtung und die darauf folgende Flucht hat nicht umsonst Filmgeschichte geschrieben. Und auch der etwas erzwungen scheinende Stimmungsumschwung, der den Zuschauer mit Gewalt aus seiner Trauer reißen soll, ist bereits im Buch mit beinahe der gleichen Schroffheit spürbar.



Welche Mühe man sich gemacht hat, den Ton des Buches wiederzugeben, wird auch dadurch deutlich, dass es Pläne gab, ein selbst im Rahmen des Buches durch seine Poesie hervorstechende Kapitel filmisch wiederzugeben, in dem die zwei letzten Blätter des Winters über ihren Tod sinnieren. Allerdings ergaben frühe Tests, dass sprechende Blätter auch für Disney-Verhältnisse nur schwer filmisch darzustellen sind, ohne an eine Monty-Python-artige Grenze des Absurden zu stoßen.

Was die Unterschiede zwischen Buch und Film angeht, so ist der offensichtlichste und bekannteste wohl der, dass aus dem europäischen Rehbock bei Disney ein nordamerikanischer Weißwedelhirsch mit beeindruckendem Geweih wurde - ein Umstand, der für eine andauernde Sprachverwirrung im deutschen Raum führt. Auch im Buch kommen Hirsche vor, doch diese „großen Verwandten“ werden von den Rehen gefürchtet und haben nur eine Randposition in der Geschichte inne. Auch ansonsten hat man nicht gezögert, sich für die Verfilmung disneytypische Freiheiten zu nehmen. Die nur am Rande in Erscheinung tretenden Herren Waldkauz und Hase waren Vorbild für die mürrische Eule und den jungen Klopfer, der gemeinsam mit Blume als Bambis Freund einen nun unverzichtbaren Teil des Films darstellt.
Doch neben all diesen Kleinigkeiten ist es vor allem das Ende, das charakterlich verändert wurde. Im Film folgt auf das glückliche Zusammenkommen von Bambi und Faline schnell ein actionreiches Finale, in dem die Tiere erst vor den Jägern und ihren Hunden fliehen müssen, ehe durch die Schuld des Menschen der ganze Wald in einem riesigen Feuerbrand aufgeht. Das Buch dagegen lässt die Geschichte sehr viel langsamer und behutsamer ausklingen. In den letzten Kapiteln wird eine längere Zeitspanne beschrieben, die der erwachsene Bambi unter der Anleitung des Alten Fürstes verbringt, nachdem dieser seinen angeschossenen Sohn vor den Jägern gerettet hat.
Das heißt nicht, dass der Mensch im Buch ohne Konsequenzen für seine Taten zurückbleibt: In einem beeindruckenden Kapitel zu Ende des Buches erhält der Alte die Gelegenheit, Bambi den erschossenen Körper eines Wilddiebes zu zeigen und er erklärt, dass auch die Menschen sterblich sind und sich gleich den Tieren Gottes Macht unterwerfen müssen.

Diese moralische Sicht steht beinahe im Gegensatz zu der körperlosen Erscheinung, die der Mensch im Zeichentrickfilm innehat. Erste Konzepte sahen vor, den Tod der Jäger durch das Feuer deutlich zu machen, doch in der jetzigen Form stehen sie in ihrer Gefahr und Körperlosigkeit quasi auf einer Stufe mit den Naturgewalten.
Im Original wird Faline zum Schluss nur mehr kurz als alterndes Reh beschrieben, während Bambi nach dem Vorbild seines Vaters zum geachteten Einzelgänger aufsteigt. Nach dem Tod des Alten nimmt Bambi dessen Position als Fürst des Waldes so selbstverständlich ein, dass die anderen Tiere den Wechsel nicht einmal wahrzunehmen scheinen und er selbst schließt den Kreis, indem er seine eigenen Kinder mit den gleichen Worten ermahnt, die der Alte einst zu ihm gesprochen hatte.
Dieses Bild des ewigen Kreises findet sich in sehr ähnlicher Form auch im Film, wenn nach der Geburt der neuen Prinzen das letzte Bild Bambi und den Fürsten zeigt, der schließlich seinem Sohn den Platz freiwillig räumt.



Abgesehen von der dramaturgischen Abwandlung des Finales - eine Verstärkung, die für den Film wohl notwendig schien - handelt es sich bei dem Disneyfilm um eine durchaus getreue Umsetzung des Buches. Die schwierige Aufgabe, das von Salten so poetisch dargestellte Waldklima für die Leinwand umzusetzen, wurde mit Bravour gemeistert, und auch wenn das Buch noch eine stärkere Betonung auf die Gefahren und den jederzeit drohenden Tod der Tiere legt, gibt sich der Film für sein Zielpublikum wohl düster genug. Für Generationen von Kinogängern stellte der Tod von Bambis Mutter ein Kindheitstrauma dar, dass seine Stellung wohl erst durch den König der Löwen eingebüßt hat. Insgesamt scheint es geradezu ironisch, dass die beiden wichtigsten Assoziationen zu dem Film aus dieser Schreckensszene und dem generellen Kuschelfaktor der Tierkinder bestehen - eine Kombination, die in ihrer Vielseitigkeit andererseits geeignet scheint, die Essenz der gesamten Geschichte auszudrücken. Jugend, Liebe und Tod - eben eine wahre „Lebensgeschichte aus dem Walde“.


Mehr von mir gibt es auf www.AnankeRo.com.

Disney-Sci-Fi-Update: "Star Wars - Episode VII" bekommt Oscar-Autor, "1952" Oscar-Schauspieler

"Und dann kam der Tag, an dem ich all meine Freunde bei Pixar angelogen und behauptet habe, ich wüsste nichts von einer neuen Star Wars-Trilogie ..."

Seit Disneys Übernahme von Lucasfilm und der zeitgleich getätigten Ankündigung einer neuen Star Wars-Trilogie brodelt die Gerüchteküche. Matthew Vaughn, Colin Trevorrow, der Weihnachtsmann ... für wenige Sekunden galt jeder, der in Hollywood schonmal Kaffee bestellt hat, irgendwelchen Insidern nach zu urteilen als der "ganz heiße Kandidat" auf den Regiestuhl. Und auch ein Autor wurde von der Gerüchteküche vorgeschlagen: Michael Arndt. 

Das Geile daran, ist die Wahrheit darin: Dieses Gerücht wurde nunmehr von Disney bestätigt. Womit Star Wars - Episode VII den besten Autoren der Geschichte dieses Franchises aufzeigen kann. Arndt gewann für Little Miss Sunshine einen Oscar und wurde für Toy Story 3 für den Goldjungen nominiert. Und so ganz nebenher hat er mit dem Film Millionen von gestandenen Männern zum Heulen gebracht. Außerdem ist Arndt seither ein fester Teil der Pixar-Clique, tüftelt am Pixar-Dinosaurier-Film mit und schreibt zudem für den Phineas & Ferb-Kinofilm.

Arndt schreibt nicht nur das Skript zur 7. Episode, er verfasste auch Treatments für den Rest der Trilogie. Jedis aller Galaxien, haltet eure Tempos bereit!

Auch 1952, Brad Birds kommender Disney-Sci-Fi-Film, bleibt in den Nachrichten: George Clooney befindet sich in Verhandlungen für die Hauptrolle. Mehr weiß man zwar noch immer nicht über den Film, aber da Clooneys Peinlichkeitstage gezählt sind, kann es nur eine gute Neuigkeit sein.

Tja, und es gab mal Zeiten, in denen Disney herbe Probleme hatte, Oscar-Talente an seine Realfilme zu binden. Herrlich, wie die Welt sich drehen kann.

Donnerstag, 8. November 2012

Die Disney-Prinzessinnen begrüßen ihren neusten Zuwachs

Kaum jemand, der was auf sein Fanherzen hält, und es nicht mitbekommen hat: Die Disney-Familie hat stattlichen Zuwachs bekommen, und da darf die entsprechende Begrüßung nicht fehlen. Die Disney-Anti-Helden können Han Solo zu sich zählen, die Disney-Schurken Darth Vader und die eingeschworene Teegesellschaft der Disney-Prinzessinnen Leia! Klar, das gerade die singenden Grazien sich besondere Mühe geben, ihre neue Kollegin willkommen zu heißen:



Und für alle, die nun wie ein Baum vor ihrem Computer sitzen (seit wann können Bäume sitzen?), hier der Vorläufer-Clip ... Disney Hipster Princesses:



(Quelle: Clipnation)

Solltet ihr mit realen Disney-Prinzessinnen nichts anfangen können, so seid unbesorgt. Auch in gezeichneter Form reagierten die adeligen Damen auf die Disney/Lucasfilm-Übernahme.
 
(Quelle: My Junk Drawer)

Dienstag, 6. November 2012

11 Regisseure für "Star Wars: Episode VII"


Der Disney/Star Wars-Deal setzte vergangene Woche das Internet in Flammen. Neben großer Verwunderung gab es auch zahllose schockierte, erboste Reaktionen von Star Wars-Fans und Gelegenheitspessimisten, die Star Wars nun ins Kinderspielparadies umziehen sehen. Dass ich widerspreche, sollte niemanden überraschen, und weshalb genau ich Disney als eine annehmbare Heimat für Luke, Leia, Darth Vader und Co. halte, könnt ihr hier nachlesen.

Statt rumzuflennen, dass Disney Star Wars runinieren wird, sollten wir lieber unsere Energien darauf verwenden, über die möglichen Regisseure von Star Wars: Episode VII zu spekulieren. Das macht wesentlich mehr Spaß, ist erbaulicher und sorgt für einen amüsierten Aufruhr, wenn der tatsächliche Regisseur bekannt gegeben wird.

Meine Top 11 beschränkt sich auf Regisseure, die ich für wahrscheinlich halte. Joss Whedon etwa fällt, so sehr man ihn sich auch wünschen mag, raus, da Whedons The Avengers 2 genauso wie der neue Star Wars-Film für 2015 angekündigt ist, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass Whedon beide Filme umsetzen wird. Doch die Auswahl bleibt groß genug ...

Duncan Jones
David Bowies regieführender Sohn brachte bislang zwei Filme ins Kino, und beide zählen zum Sci-Fi-Fach. Zwar ist weder Moon, noch Source Code sonderlich popcorntauglich, allerdings wäre Jones nicht der erste, der vom eher ernsten Fach ins Blockbusterkino springt. Jones zeigte im fantastischen Moon, dass er Maschinen toll vermenschlichen kann (wichtig für Star Wars), während der meiner Ansicht nach überschätzte Source Code bereits solide Action-Anteile aufwies. Vor allem ist Jones aber ein ambitionierter, junger Filmschaffender, der eine eigene Vision mitbringen kann, jedoch keine derart strenge eigene Handschrift hat, dass sie sich mit der ursprünglichen Star Wars-Welt beißen würde. Hollywood traut ihm große Stoffe bereist zu: Er war lang im Rennen, das Superman-Reboot und den neuen Wolverine-Film zu tragen. Derzeit arbeitet er angeblich an einem Ian-Flemming-Biopic. Aber der Film kann gewiss warten ...


Kenneth Branagh
Der nordirische, Oscar-nominierte Schauspieler und Regisseur verantwortete Thor und hat sich somit bereits als fähiger Strippenzieher hinter theatralisch-bunter Sci-Fi-Fantasy bewiesen. Mir war Asgard etwas zu klinisch, vielen anderen Kinogängern hat Branaghs Umsetzung der Marvel-Interpretation des nordischen Götterkosmos sehr gut gefallen. Und auch wenn ich optisch weiterhin nicht vollauf von Thor überzeugt bin, hat mich der Film tonal für sich eingenommen. Branaghs Wurzeln als Shakespeare-Spezialist merkte man bereits seinem Marvel-Hit an, und eine Spur Groschenroman-Shakespeare steckt auch in den besseren Star Wars-Filmen. Das darf sehr gerne auch bei der siebten Episode durchschimmern. Aktuell dreht er den 2013 anstehenden Actionthriller Jack Ryan, danach wäre er wieder zu haben ...

Sam Raimi
Wenn wir Glück haben, bekommen wir eine Art Spider-Man 2 für das Star Wars-Franchise: Blockbuster-Tiefgang über das Heldensein, cartoonigen, doch nicht überzogenen Humor, gute Spezialeffekte und einen fantastischen Schurken. Mit noch mehr Glück bringt Raimi auch eine Prise seines originellen Horrorkönnens mit. Möglicherweise aber weigert er sich nach dem Spider-Man 3-Debakel, erneut ein Franchise weiterzuspinnen.

Sam Mendes
Wir wollen einen Regisseur, der ein Franchise über den zuletzt gesehenen Kinofilm hinaushebt und nach umstrittenen Modernisierungsversuchen aktuell und zeitgemäß bleibt, trotzdem fähig ist, wieder etwas klassisches Flair zu erzeugen? Wieso nicht Sam Mendes? Sein Qualifikationsschreiben? Ein Wort: Skyfall!

Joe Johnston
Für Joe Johnston spricht seine Arbeit an Captain America: Der Werdegang eines bemitleidenswerten Jedermanns zu einem Superhelden, die Vermischung aus Popcorn-Emotion und einer bunten, dynamischen eigenen Mythologie, der grundlegende Tonfall, all das erinnert durchaus an Star Wars. Der Look des Films ist super und zwar computergestützt, allerdings auch viel handwerklicher und echter als bei den mitunter klinisch-künstlichen Star Wars-Prequels. Johnston hat zudem eine gesunde Vergangenheit mit Disney, die unter anderem den coolen und bald mit einem Reboot aufwartenden Rocketeer umfasst, und ist großer Star Wars-Fan, der seit einiger Zeit Lucasfilm anbettelt, einen Boba-Fett-Film drehen zu dürfen. Klingt perfekt, oder?

Joseph Kosinski
Der studierte Architekt hat aufgrund seiner Vergangenheit als Regisseur von mit Computergrafiken gespickten Werbespots bereits einiges an Erfahrung hinsichtlich einiger der grundlegenden technischen Herausforderungen für einen Star Wars-Regisseur sammeln können. Sein inoffizielles Bewerbungsschreiben war jedoch sein Regiedebüt Tron: Legacy, das Disneys 80er-Kultfilm Tron nahm und visuell wie atmosphärisch in die Gegenwart überführte. Zwar ist sich das "Geektum" nicht gänzlich einig, wie gut oder schlecht der Film war, wenn ich aber mein eigenes Wort auf die Goldwaage schmeißen darf, so war Tron: Legacy ein audiovisuelles Fest mit dichter Atmosphäre, originellen Setpieces und leichten Defiziten im zwischenmenschlichen Sektor, welche allerdings eher dem Skript als der Inszenierung zuzuschreiben sind. Kosinski drehte Tron: Legacy als Achterbahnfahrt durch eine popkulturelle Kunstinstallation, und wenn Kosinski etwas knalligerem Humor mitbringt, dürfte er mit diesem Stil einen sehr interessanten Star Wars-Film erschaffen. Vor allem schaffte es Kosinski, aus seinen Darstellern unterschiedlichste, dem Film zuträglich kommende Performances rauszukitzeln, wie sie auch im Lucas-Universum willkommen wären. Wenn Oblivion kommendes Jahr nicht völlig durchfällt, sollte Kosinski sich auf einigen Wunschlisten zu finden sein. Wäre bloß schade, dass Tron 3 dann länger auf sich warten ließe ...


Guy Ritchie
Mit Sci-Fi oder Fantasy hat Ritchie bislang keine Erfahrung, jedoch dürfte der britische Underground-Filmer seit Sherlock Holmes 1 & 2 einiges an Blockbustervertrauen genießen. Seine Mischung aus Spannung, Action, figurengesteuerten Momenten und Witz könnte einen spritzigen Star Wars-Film versprechen. Und irgendwie glaube ich, dass man mit einem Gastauftritt von Robert Downey Junior rechnen müsste. Oder von Jason Statham. Beides nicht übel.

David Fincher
Ja, richtig gelesen. Fincher ist, trotz seiner schlechten Erfahrungen im Sci-Fi-Sektor und seiner Tendenz zu düsteren Stoffen, ein gar nicht mal so unwahrscheinlicher Kandidat. Er begann seine Karriere bei Lucasfilm und befindet sich seit einigen Monaten in Verhandlungen mit Disney, um einen 20.000 Meilen unter dem Meer-Film zu verwirklichen, der laut Branchenkennern eine Art "düsteres Star Wars trifft Jules Verne" darstellt. Fincher kann gut mit Disney-Produktionschef Sean Bailey und ist großer Star Wars-Liebhaber. Aber würde er sich tatsächlich erneut an ein bereits etabliertes Franchise herantrauen wollen?

Andrew Stanton
Der beste Grund, weshalb Andrew Stanton Star Wars: Episode VII übernehmen sollte: Uns bliebe dann (vorerst?) Findet Nemo 2 erspart. Doch auch sonst wäre Andrew Stanton eine gute Wahl: John Carter erlitt an den Kinokassen zwar Schiffbruch, künstlerisch gelang Stanton aber ein ambitioniertes Stück Sci-Fi-Fantasy, das altbekannten Stilmitteln etwas neues abgewann und, wie er selbst sagt, in die Kategorie "Groschenroman-Shakespeare" passt. Die Romanvorlage war eine der vielen Star Wars-Inspirationen und im (visuell wie charakterlich) farbenfroheren Universum der Jedi und Sith könnte ein neues Stanton-Epos vielleicht auch jene überzeugen, denen John Carter zu karg war. Und nachdem Stanton mit Star Wars die Milliarden-Dollar-Grenze nahm, schreibt, produziert und co-inszeniert er John Carter 2 & 3, während er für Pixar originelle Stoffe verwirklicht. Hm, jupp, diese potentielle Zukunft gefällt mir!

Brad Bird
Abhängig davon, wie lange 1952 bis zur Verwirklichung benötigt und ob Bird danach endlich seinen Wunschfilm 1906 drehen darf, könnte er für Star Wars: Episode VII nicht zur Verfügung stehen. Doch wenn 1952 zügig vorwärts kommmt und 1906 dann sozusagen nach Star Wars: Episode VII den "Belohnungsfilm" abgibt, dann haben wir alle guten Grund zum Jubeln. Mission: Impossible - Phantom Protokoll hat trotz gewisser Tom-Cruise-Müdigkeit beim Otto Normaldurchschnittskinogänger sämtliche Vorgängerfilme an den Kinokassen hinter sich gelassen, und das sogar mit Recht! Große Spannung, gekonnte Action-Kernmomente, die einen in den Kinosessel pressen sowie eine herrliche Prise Humor machten das Rezept von Birds visuell aufregendem Realfilmdebüt aus, welches sich gerne bei Star Wars wiederholen darf. Darüber hinaus bewies Bird mit Die Unglaublichen, dass er thematisch interessante Action versteht, die zwar familientauglich ist, sich wohl aber nicht um dieses Prädikat schert. Und, selbst wenn es seit der Disney-Übernahme heftiger denn je bestritten wird: Star Wars war stets familientauglich, ohne als Familienfilm konzipiert zu sein. Zumindest auf der großen Leinwand. Brad Bird hat ein Auge für ernste Zwischentöne (die gerne in der neuen Trilogie aufkommen können), das Inszenieren neuer und bekannter Figuren, einprägende Bilder und gute, der Story dienlicher Action. Was braucht's sonst?

Robert Rodriguez
Eigentlich hatte ich den Killer-Mariachi unter den Hollywood-Regisseuren nicht auf der Rechnung. Zu wild, zu blutig seine (guten) Filme. Dann aber reagierte die Filmbranche auf die Disney/Star Wars-Meldung, und eine Stimme stach auffällig heraus. Autoren und Regisseure äußerten sich in einem authentischen, spontanen Tonfall über diese Neuigkeit, waren überrascht, perplex, aufgeregt, optimistisch oder auf diplomatische Weise schockiert. Bloß ein Mann tanzte aus der Reihe und gab ein Lob in bestem PR-Vokabular von sich, und zwar ... Robert Rodriguez???! Ja, der coole, kumpelhafte Gringo sprach nicht von einer "verfickt scharfen Sache", sondern gab folgendes Statement: "George Lucas hat eine aufregende Welt, ein aufregendes Erbe erschaffen — eines, das fähige Hände benötigt, in denen es weiter verweilen kann. Ich finde, dass Disney das bestmögliche Studio für diese Aufgabe ist und der Fakt, dass sie Kathleen Kennedy dazugeholt haben? Ich kann mir kein idealeres Szenario vorstellen. 2015 kann nicht schnell genug eintreffen."
Äh ... und das aus dem Mund von Robert Rodriguez? So spricht doch kaum jemand, ohne zuvor mit seinen Anwälten oder Geschäftspartnern gesprochen zu haben, insbesondere nicht wenn er Robert freakin' Rodriguez ist! Leute, da ist was im Busch, und wenn es sich dabei um einen Tequilla flavoured Tex-Mex-Scheiß von einem Star Wars-Film handelt, so bin ich Cowboyhut-schwingend am Starttag im Kino mit dabei!