Mittwoch, 30. November 2011

Happy Feet 2


Pixar verlor bislang nur zweimal den Oscar für den besten Animationsfilm. Die Monster AG verlor gegen Shrek und Cars zog gegen Happy Feet 2 den kürzeren. Nächstes Jahr wird Cars 2 ebenfalls unprämiert bleiben, aber ich bezweifle, dass es dem an den US-Kinokassen scheiternden Happy Feet 2 wesentlich besser ergehen wird.

George Miller, der Autor des genialen Ein Schweinchen namens Babe, will mit Happy Feet 2 auf allen Hochzeiten zugleich tanzen. Klar, die Umweltbotschaft des ersten Teils wird wiederholt, erneut darf bei Miller ein Tier die schreckliche Wahrheit über Fleisch essende Menschen erfahren, außerdem werden Sozialdarwinismus, Individualität, Selbstfindung, verlogene Prediger, die Verbundenheit aller Lebewesen und Gemeinschaftsgefühl angesprochen. Wirklich durdacht ist das alles jedoch nicht - Miller schmeißt uns einfach jede Idee entgegen, die er so hat. Das alles dürfte einigen Kindern zu hoch sein, einigen älteren Zuschauern aber gehörig auf den Keks gehen, da Millers diese Dinge behandelnden Dialoge in Happy Feet 2 mitunter an Zahnschmerzen verursachendes Kinderfernsehen erinnern. Und zwischendurch wird halt noch getanzt, schließlich erwarten das die Kinogänger. Nun auch auf Deutsch, sollte man die Synchronfassung sehen. In dem Fall ist Ohrenbluten vorprogrammiert. Selten schlechtere Popsong-Übersetzungen gehört.

Aber es gibt auch gutes: In irgendeinem Paralleluniversum hat irgendjemand einen großartigen Animationsfilm über Krill produziert. Und aus irgendeinem verrückten Zufall landeten die besten Szenen dieses Films in unserem Happy Feet 2. Hervorragende Charakteranimation ohne übertriebene Verniedlichung dieser kleinen, halbdurchsichtigen Krebstierchen, fantastische, schnelle Kamerafahrten und großartige Gags, die zwischendurch intellektuell, stets aber spritzig und einfallsreich sind. Was das in Happy Feet 2 sucht? Nun, rein thematisch ist die Geschichte eines Krills, der sich die Nahrungskette hochfressen will, irgendwie mit Happy Feet 2 verwand, aber beim Krill ist alles viel ausgereifter.

Naja, wahrscheinlich lag bei Miller das Konzept zu einem genialen Kurzfilm herum. Und dann hat er die Drehbuchseiten unter das Happy Feet 2-Skript gemischt, um die Deadline einhalten zu können. Tja, so ist die Welt um einen tollen Kurzfilm ärmer geworden. Und der sterbenslangweilige, aber immerhin ambitionierte Happy Feet 2 hat irgendwas zu bieten, das mich aus meinem Frust über das kopflose Drehbuch reißen konnte.

Samstag, 26. November 2011

Der Fuehrer's Face

War Micky das "Über-Ich" des ewigen Träumers Walt Disney, lässt sich der vom Pech verfolgte und cholerische Donald Duck als sein "Es" betrachten. Mit seiner unverwechselbaren Art trat er schnell aus dem Schatten der Maus. Diese Artikelserie präsentiert die Cartoons, die Donald auch aus Sicht der Academy of Motion Picture Arts &  Sciences in den Film-Olymp aufsteigen ließen. Dies sind die Kurzfilme, die ihm eine Oscar-Nominierung einbrachten. Dies ist Entengold.

Der vierte Teil dieser Reihe stellt euch den Höhepunkt von Donalds Oscar-Historie vor, sowie seinen wohl größten Erfolg als propagandierender Entertainer. In diesem aufgrund seiner Thematik nunmehr legendären Cartoon sieht Donald, von einem schmissigen sowie frechen Ohrwurm begleitet, direkt in Der Fuehrer's Face und fungierte somit als forsches und fideles Sprachrohr des amerikanischen Zeitgeistes.

Original-Kinoplakat aus dem Jahr 1943

Die für das National Film Board of Canada erstellten Kriegsanleihen-Werbefilme und der unter enormen Zeitdruck für das US-Finanzministerium erstellte Propaganda-Cartoon The New Spirit waren der große Startschuss für eine ganze Reihe an Kurzfilmen, in denen die klassischen Disney-Stars, allen voran Donald, zu Kriegszwecken eingespannt wurden. Und dies auf unterschiedlichste Art und Weise: Mal wiesen sie daraufhin, wie der Erwerb von Kriegsanleihen den Verlauf des Kriegs beschleunigen könnten (etwa in Donald's Decision), in anderen Filmen wurden sie zu Bildungszwecken genutzt. So erklärten Minnie und Pluto in Out of the Frying Pan Into the Firing Line, dass aus gebrauchtem Fett Sprengstoff erstellt werden kann. Andere Cartoons dienten weiterhin der Unterhaltung. Dieser Eskapismus wurde vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs jedoch häufig mit den neuen, alltäglichen Leiden junger Soldaten versetzt. Auch wenn Donald dieses Gebiet nicht für sich allein pachtete (Pluto wurde zu The Army Mascot und letztlich sogar zu Private Pluto, Goofy zeigte derweil in Victory Vehicles wie der Krieg den Komfort der Zivilisten beeinfluste und machte danach die Marine in How to be a Sailor unsicher), so baute er mit einer Fülle an militärischen Cartoons klar seinen Starstatus weiter aus.

Das klassische Duck-Team rund um Carl Barks, Jack Hannah und Jack King hielt sich aus der propagandistischeren Arbeit heraus. Stattdessen verantworteten sie eine Serie an Cartoons, in denen Donald als frisch eingezogener, planloser Soldat an seinen herrischen Ausbilder Kater Karlo gerät. Auch wenn diese Cartoons nicht völlig frei von Patriotismus und Feind-Diffamierung waren (in Jack Kings Commando Duck löscht Donald im Alleingang einen ganzen japanischen Stützpunkt aus), so überspitzen diese Kurzfilme hauptsächlich Situationen, in denen sich auch stürmische Durchschnittssoldaten befanden, die nicht direkt an der Front stationiert waren. Donald nimmt Befehle seiner Vorgsetzten zu wörtlich, würde gerne in die Fliegerstaffel befördert werden, statt Kartoffeln schälen zu müssen und schleicht sich nachts aus der Kaserne, um einen drauf zu machen. Diese Cartoons funktionierten größtenteils auch ohne den Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.

Donald fungierte hier gestärkt als Identifikationsfigur von "Schütze Arsch". Der war eingeladen durch das Lachen über jene Cartoons seinem Frust mit dem gewöhnlicheren Armee-Alltag Luft zu machen. Und der das Militär verachtende Carl Barks nutzte sie, um seinen eigenen Frust über das patriotische und militärische Zeitgefühl auszudrücken. Der von ihm verfasste Liedtext zu The Army Is Not The Army Anymore aus Donald Gets Drafted ist ein einziger Angriff auf die leeren Versprechungen eines schöneren Lebens in Soldatenuniform. Abseits jener Cartoons schuf das Trio außerdem Home Defense, einen typischen "Donald und seine Neffen"-Kurzfilm. Bloß halt für Kriegs-Hintergrund. Des Weiteren arbeiteten Jack Hannah und Carl Barks an ihrem ersten Donald-Duck-Comic, Donald Duck Finds Pirate Gold. Die Resteverwertung der Grundidee zu einem abendfüllenden Kinofilm sollte ein gänzlich anderes Kapitel für den Matrosenhemdenträger starten ...

Das klassische Duck-Team erhielt unterdessen, wenn man es denn so ausdrücken möchte, innerhäusische Konkurrenz. Während des Weltkriegs wurde, nicht zuletzt aufgrund der hohen Resonanz die der Wüterich beim Publikum auslöste, der Prozentsatz an Donald-Produktionen hochgesetzt. Der erfahrene Donald-Zeichner Dick Lundy, der 1939 auch erstmals für den Erpel Regie führte, erhöhte während der Kriegsära seinen Produktionsausstoß und auch die "Good Will Tour" durch Mexiko und Südamerika inspirierte weitere Donald-Werke.

Für die denkwürdigsten, und inhaltlich tragendsten, Propagandafilme trug aber ein anderes Team die Verantwortung: Die Autoren Joe Grant und Dick Huemer.

Die zu einer einzelnen Person verschmolzene Karikatur von Dick Huemer und Joe Grant, ähem, argumentiert subtil über das Ziel der disneyschen Kriegsproduktionen (Quelle: Dispatch From Disney's)

Huemer und Grant waren bereits vital an der Verwirklichung von The New Spirit beteiligt und waren daraufhin auch für die Handlung der Cartoons Reason and Emotion, Chicken Little, Education For Death und nunmal Der Fuehrer's Face federführend. Während andere Teams innerhalb des Disney-Studios reine Lehrfilme verwirklichten, war es für Huemer und Grant unerlässlich, die intendierte Botschaft mit einer unterhaltenden Komponente zu versehen. Die von ihnen getragenen Filme, selbst der sehr ernsthafte und tragische Education For Death, wurden damals als Unterhaltungsfilme gehandelt und dem entsprechend einem Massenpublikum zugänglich gemacht. Zur Verwirklichung von satirischen und trotzdem tragenden Kurzfilmen besinnten sich Grant und Huemer bei der Stoffsuche auf die Grundstärken des Trickmediums. "Keine andere Propagandawaffe kann die Achsenmächte derart lächerlich machen, sie als absurd entblößen, als der Trickfilm", schrieben sie gemeinsam im Bezug auf ihre Propagandafilme.

Wie Grant selbst in einem Interview gegenüber Disney-Historiker Leonard Maltin erklärte, wussten er und Huemer zu Beginn dieser Schaffenszeit im Dienste Uncle Sams nur sehr wenig über die Hintergründe der Militärarbeit und des Zweiten Weltkrieges. Im Rahmen der Recherchearbeiten zu Education For Death, der auf Grundlage eines US-amerikanischen Sachbuchs darüber berichtet, wie das Nazi-Regime die deutsche Bevölkerung mittels allgegenwärtiger Manipulation für sich einnehmen konnte, lernten sie mehr über die Zustände in Munitionsfabriken und in Deutschland allgemein. Dieses neu gewonnene Wissen inspirierte sie zu einem Cartoon, in dem Donald Duck widerwillig als Nazi leben und arbeiten muss. Der Grundgedanke dahinter war, mit diesem Cartoon der noch wenige Monate zuvor kriegsfaulen (und selbst nach Kriegseintritt mitunter zweiflerischen) US-Bevölkerung unmissverständlich klar zu machen, dass ein Eigreifen in den Zweiten Weltkrieg unerlässlich ist:
Wir haben das Gefühl, dass die Sache für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in diesem Land glasklar wird, sobald sich solch eine öffentliche Person wie Donald Duck vor Widerwillen krümmend in den Klauen der Nazis befindet. Donald ist für alle ein Teil der eigenen Familie, und wir garantieren, dass [die Zuschauer] Hitler zwanzig Mal mehr hassen werden, als hätten sie die selbe Tortur mit irgendeinem gelockten Helden durchgemacht, der letzten Endes doch nichts weiteres, als irgendein Schauspieler ist.
(sinngemäß übersetzt nach Laughter Knows How To Fight von Joe Grant und Dick Huemer in Dispatch From Disney's)


Der genaue Handlungsablauf von Der Fuehrer's Face änderte sich im Laufe der Vorproduktion mehrmals. Zwischenzeitlich sollte Donald Adolf Hitler, dem japanischen Kaiser Hirohito sowie Benito Mussolini persönlich gegenübertreten. Die drei Diktatoren wurden in mindestens einer Storyboardfassung des Cartoons schlussendlich zu einem Haufen Staub (plus übrig gebliebenen Chaplin-Bärtchen), einer Schüssel Pasta und einem nickelbebrillten, krummen Gebiss mit Goldzahn verarbeitet. Diese explizite Agression gegenüber den Achsenmächten passte allerdings nicht zum Grundtenor des Cartoons, und so wurden Hirohito und Mussolini zu kurz auftretenden Karikaturen während des Eröffnungssongs degradiert und Hitler, zumindest in persona, komplett aus dem Handlungsverlauf gestrichen.

Wie es bei der Entwicklung von Kurzfilmen und gerade in den perfektionistischen Disney-Studios unvermeintlich ist, selbst während der hektischeren und von Filmknappheit sowie Geldmangel geprägten Kriegsjahren, wurde auch an der Platzierung einzelner Gags geprobt. Donalds Zwangs-Körperertüchtigung, während der er sich hektisch in die Form eines Hakenkreuzes pressen muss, fand beispielsweise in einem Storyboard, das in der Fortune Ausgabe vom August 1942 abgedruckt wurde, noch während seiner Morgenroutine statt. In der am 2. November des selben Jahres veröffentlichten Ausgabe des LIFE Magazines wurde sie hingegen in die darauf folgende Fabriksequenz geschoben, wo sie auch im fertigen Film vorzufinden ist.

Solche Detailänderungen sind zwar mitunter interessant zu erfahren, jedoch sind sie, wie erwähnt, nichts besonderes. Etwas ungewöhnlicher sind dagegen die zahlreichen öffentlich gewordenen Umbenennungen des Kurzfilms. Einer der ersten Entwürfe hieß noch Donald in Axis Land. Das im Magazin Fortune abgedruckte Storyboard trug wiederum den spöttischeren Titel Donald Duck in Nutzy Land, ein Wortspiel auf "nuts" (ennglische Umgangssprache für "bescheuert") und "Nazi". Der Titel sollte also "Donald Duck im Land der Bescheuerten / der Nazis" lauten. Dieser Titel wurde in den unterschiedlichsten Schreibweisen durchprobiert (am bekanntesten wurde Donald Duck in Nutzi Land), ehe man letztlich Der Fuehrer's Face wählte. Eine vollkommen bewusste Entscheidung. Denn das vorab veröffentliche, von Oliver Wallace verfasste Eröffnungslied des Cartoons wurde vollkommen unverhofft zu einem nationalen Gassenhauer. Die direkte Assoziation mit diesem musikalischen Phänomen wollte man sich bei Disney nicht entgehen lassen.

Eine Karikatur von Oliver Wallace versucht einem wütenden Nazi klar zu machen, dass der Film ja eigentlich von zwei anderen Kerlen stammt ... (Quelle: Walt Disney Treasures - On The Front Line)

Die Entstehung des Songs ist erstaunlich gut dokumentiert. Grund dafür ist seine ausführliche Thematisierung in der Broschüre Dispatch From Disney's, die an zum Militärdienst eingezogene Mitarbeiter des Studios gesandt wurde, um sie über die jüngsten Ereignisse im Studio zu informieren. Obwohl geplant war, sie regelmäßig zu publizieren, wurde bloß eine Erstausgabe erstellt, deren Kopien unter Disney-Liebhabern und Animations-Historikern nunmehr für hohe dreistellige Summen gehandelt werden.

In eben jener raren Publikation erläutert Oliver Wallace, dass er an einem mauen Tag von Walt die eilige Order erhielt, ein "ernstes Lied, das aber lustig ist" zu komponieren. Es sei für einen Film über Donalds Abenteuer in Naziland. Völlig konfus musste Wallace nachhaken, um Walts Wunsch genauer zu verstehen "Stell dir vor, die Deutschen singen es", erläuterte Disney, "für sie ist es was ernstes. Für uns ist es witzig." Kaum gesagt, ging Walt wieder davon und ließ einen ratlosen wie mürrischen Wallace zurück. Nach Feierabend hatte Wallace keinen Nerv mehr, doch sowohl sein leises Gewissen, als auch seine Frau forderten ihn auf, wieder aufzustehen. Während der darauf folgenden, per Fahrrad bestrittenen Einkaufstour kam dann die Eingebung: Die Musik sollte sich an dem Stil einer deutschen Blaskapelle orientieren (letztlich wurde im Cartoon ein Intro gewählt, das sich sowohl an Wagners Der Meistersinger von Nürnberg, als auch an das Horst-Wessel-Lied anlehnt). Auch das erste Textfragment probte Wallace, zumindest der selbst erzählten Legende zu Folge, sofort an seiner Frau aus: "Ven Der Fuehrer says, 'Ve iss der Master Race,' / Ve Heil! Heil! / Right in Der Fuehrer's Face." Seine Frau lachte und erkundigte sich nach dem Verfasser dieser Zeilen. Wallace klärte sie auf, dass er es sich gerade selbst ausgedacht hatte und schrieb weiter. Für eine Passage des Liedes ließ er sich auch von so genannten "Schnitzelbank"-Liedern inspirieren (dazu weiter unten mehr), womit der Komposition eine weitere Dimension an deutschen Stereotypen hinzugefügt wurde.

Nach einer halben Stunde war der Entwurf fertig - und er überstand auch glorreich je einen Testlauf bei Wallaces beiden jugendlichen Töchtern, die üblicherweise seine schärfsten Kritiker waren.

Am nächsten Tag soll Wallace das Lied, höchst selbstzufrieden, laut im Studio gesungen haben, was Walt zu ihm lockte, der ihn aufforderte, es ihm vorzusingen. Da überkamen Wallace Bedenken an seiner musikalischen Schöpfung. Denn nach jedem "Heil!" folgte der so genannte "Bronx Cheer", ein als vulgär empfundenes Prusten, das ein wenig an Furzgeräusche erinnert. Wallace versuchte, Walt vorzuwarnen, doch dieser beharrte weiter darauf, das Lied hören zu wollen. Als Reaktion erntete Wallace ehrliches Lachen, und somit war das Lied Der Fuehrer's Face abgesegnet.

Wallace führt den "Bronx Cheer" vor (Quelle: LIFE Magazine, 2. November 1942)

Obwohl die Entstehungsgeschichte des Liedes Der Fuehrer's Face festgehalten wurde, scheint unbekannt zu sein, weshalb es rund ein halbes Jahr vor Kinoveröffentlichung des dazugehörigen Kurzfilms außenstehenden Künstlern übergeben wurde. Möglicherweise spielte der von James Petrillo, dem Gewerkschaftsvorsitzenden nordamerikanischer Musiker, initiierte Streik eine Rolle bei dieser Entscheidung. Petrillo vertrat die Ansicht, dass Plattenfirmen den Künstlern Tantiemen zahlen sollten und rief deswegen, entgegen großer Proteste seitens der Presse, Gewerkschaftsmitglieder dazu auf, ab dem 1. August 1942 keine zur kommerziellen Auswertung gedachten Platten aufzunehmen.

Laut Thomas S. Hischak und Mark A. Robinson, den Autoren von The Disney Song Encyclopedia, war es ursprünglich das John Scott Trotter Orchestra, welches Der Fuehrer's Face für eine Plattenauswertung einspielte. Percussionist Lindley Armstrong Jones, besser bekannt als Spike Jones, empfand diese Version allerdings als viel zu handzahm. Deswegen nahm er das Lied mit seiner eigenen Band, den City Slickers, wenige Tage vor der Sperrfrist in einem abgedrehteren Arrangement auf, welches mit verrückten Soundeffekten und eingestreuten Disharmonien auf sich aufmerksam machte. Auf Anfrage der Plattenfirma RCA Victor Records wurde auch eine Version mit einem Posaunen-Ton an Stelle des "Bronx Cheer" erstellt, doch es war schließlich die "riskante" Fassung, die im September 1942 veröffentlicht wurde.

Der Fuehrer's Face wurde mit seiner eingängigen Melodie, seinem spöttischen Humor und Jones wilden Einfällen über Nacht zum Hit, womit die Plattenfirma nicht rechnete und wodurch sie sich gezwungen sah, Eilbestellungen im Presswerk aufzugeben, so dass die ungeheure Nachfrage gestillt werden konnte. Der New Yorker Radiomoderator Martin Block nutzte die Engpässe, um aus der marktwirtschaftlichen Not eine patriotische Tugend zu machen: Er versprach jedem Zuhörer, der Kriegsanleihen für mindestens 50 Dollar erwarb, eine Gratiskopie der begehrten Scheibe. Bereits bis zum 28. September wurden durch Blocks einfallsreiches Angebot Kriegsanleihen im Wert von 60.000 Dollar verkauft, darunter 30.000 Dollar allein an einem einzelnen Abend.  Bis zum Ende des Jahres ging Der Fuehrer's Face eine Milllion Mal über die Ladentische, insgesamt verkauften sich über 1,5 Millionen Kopien der Aufnahme. Auch die Notenbätter zum Song wurden tausendfach verkauft und hielten sich wochenlang in den Verkaufscharts, und wie Variety Ende 1942 meldete, wurde Der Fuehrer's Face erstaunlich oft an den Jukeboxen Amerikas angewählt, erst recht für einen nahezu untanzbaren Song.

Vom Erfolg des Liedes inspiriert schlug der Autor und Illustrator Oskar Lebeck im Dezember 1942 den Disney-Studios vor, ein als Party-Aktivität nutzbares Buch zu veröffentlichen. Es sollte Donald Duck's Schnitzelbank heißen und lehnte sich an die Schnitzelbank-Passagen des Liedes Der Fuehrer's Face an. "Schnitzelbank", in Schweizer Gefilden auch "Bänkelsang", nannten sich simple Reime, mit denen Kindern Deutsch beigebracht wurde. Dazu zeigt jemand auf ein Bild eines Gegenstandes und fragt "Ist das nicht (eine Gabel, eine Kuckucksuhr, der Donald Duck, ... ) ?", woraufhin die anderen antworten "Ja, das ist (eine Gabel, eine Kuckucksuhr, der Donald Duck, ... ) !" Im Lied und Cartoon Der Fuehrer's Face wird dieser während der 40er auch zu spöttischen Zwecken gesungene Reim mit Zeilen wie "Are we not the supermen ? / ja we ist der supermen" verballhornt. Lebeck plante, ein Partybüchlein zu erstellen, in dem Donald auf Karikaturen von Politikern der Achsen-Mächte zeigen und passende Schnitzelbank-Reime abfragen sollte. Das Buch kam allerdings trotz Interesse Disneys nie über die Konzeptphase hinaus.

Dessen ungeachtet war die Titeländerung des Kurzfilms bereits im Oktober 1942 eine beschlossene Sache, und am 1. Januar 1943 wurde er in die US-amerikanischen Kinos entlassen. Inklusive Poster, das auf seine Verbindung mit dem Song aufmerksam machte, sowie angeblich auch einem Hitler-Pappkameraden in einigen Lichtspieltheatern, den die Besucher mit einem "Bronx Cheer" begrüßen konnten.

Nein, so sah der Papp-Hitler gewiss nicht aus!

Auch wenn es bereits sehr früh in der Gestaltung des Films so geplant war, so kam es seinem Publikumserfolg sicherlich entgegen, dass er den Kinogängern gleich zu Beginn mehr von dem gab, was sie verlangten: Der Fuehrer's Face eröffnet mit einer deutschen Blaskapelle, die quer durch das Land zieht und voller Patriotismus Der Fuehrer's Face singt. Mit diesem Lied drücken die Musiker ihren Gehorsam gegenüber dem Regime aus, dass sie der Welt eine neue Ordnung schenken und wie "super-duper-super" die arische Rasse sei. In Mitten des von Hakenkreuzen übersäten Landes schlummert Donald in einer kleinen Adolf-Hitler-Bruchbude. (Es sollte wohl angemerkt werden, dass die "Bronx Cheers" aufgrund des Kontextes letztlich doch in schräge Tuba-Klänge umgewandelt wurden, auch wenn die Wirkung die gleiche bleibt).

Donald überhört geflissentlich seinen Wecker, den nachbarschaftlichen Hahn und seine Kuckucksuhr (die ihn allesamt mit "Heil Hitler!" zu wecken versuchen), doch dann wird der faule "Schweinehund" von der Blaskapelle aus seinem Bett geworfen. Er schmeißt sich in seine Uniform und holt in einem unbeobachteten Moment seine wertvollen Schätze aus seinem Safe: Eine Kaffebohne und eine Flasche voller Rühreier-und-Speck-Aroma. Nach seinem armseligen Frühstück mit trockenem Brot folgt die vorgeschriebene Morgenlektüre von Mein Kampf, bevor Donald von der weiterhin herumwandernden Kapelle in eine Munitionsfabrik geschleppt wird, wo er die glorreiche Ehre hat, für den Führer wie ein Sklave zu arbeiten.

Während der von den Disney-Autoren bewusst an die Chaplin-Klassiker Moderne Zeiten und Der große Diktator angelehnten Fließbandarbeit wird Donald immer wieder von Hitler-Porträts unterbrochen, vor denen es selbstredend zu salutieren gilt. Dadurch fällt es Donald aber noch schwerer, mit der Arbeit nachzukommen, so dass er, ganz er selbst, zu murren beginnt. Doch schon die leiseste, in den nicht vorhandenen Bart genuschelte Beschwerde bringt ihn in Bedrängnis. Glücklicherweise darf Donald seiner Aufmüpfigkeit zum Trotz Urlaub vor einem schäbigen Gemälde der wunderschönen Alpen machen. Danach warten auf Donald allerdings Überstunden, die ihn in den Wahnsinn treiben. Und allerspätestens in der somit eingeläuteten Sequenz macht sich bemerkbar, dass keiner der üblichen Donald-Regisseure diesen Cartoon leitete.

Diese Skizze repräsentiert die Verrücktheit von Donalds Wahnvorstellungen nicht im Ansatz! (Quelle: Walt Disney Treasures - On The Front Line)

Jack King und Dick Lundy vertraten einen bodenständigeren Humor und bevorzugten es zudem, weniger von einer Botschaft belastete Filme zu verwirklichen, weshalb Jack Kinney die Regie übernahm. Kinney stemmte in seiner Disney-Laufbahn zahlreiche How to ...-Cartoons mit Goofy (eine Reihe, die kurz vor dem Krieg etabliert wurde) und gehörte zu den schrulligsten Regisseuren im Studio. Dies zeichnete sich vor Der Fuehrer's Face schon unter anderem im Pluto-Kurzfilm Bone Trouble ab, der zu großen Teilen in einem Spiegelkabinett spielte, und sollte durch Kinneys Beteiligung an Saludos Amigos und Drei Caballeros noch deutlicher unterstrichen werden. Auch wenn Kinney insgesamt wenige Donald-Projekte umsetzte, so zeigt Der Fuehrer's Face, dass er sich mit ihm richtig austobte. Donalds Halluzinationen in der Waffenfabrik können sich mit ihrem Tempo und Wahnwitz direkt neben den Rosa Elefanten aus Dumbo, den abgedrehtesten Passagen aus Drei Caballeros und den besten Szenen von Alice im Wunderland (die Version von 1951, selbstredend) ins Kabinett der surrealistischen Höhepunkte der Disney- und Zeichentrickgeschichte einreihen.

Schlussendlich implodieren Donalds Wahnvorstellungen und das Ganze stellt sich als Albtraum heraus. Schlaftrunken sieht Donald einen Schatten, vor dem er erneut reflexartig den Hitlergruß macht. Er realisiert aber, dass er in seinem geliebten Heim ist, und der Schatten seiner Miniatur der Freihheitsstaute gehört, die er küssend umarmt: "Oh Junge, bin ich glücklich, dass ich Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika bin!" Der Cartoon endet mit einer letzten Reprise des sich über die Nazis mokierenden Ohrwurms, zu dessen Klängen eine Hitler-Karikatur mit einer überreifen Tomate beschmissen wird.


Die am 4. März 1942 abgehaltene, 15. Verleihung der Academy Awards stand, kaum überraschend, vor allem im Zeichen des Zweiten Weltkriegs. Die Kategorie der besten Dokumentationsfilme wurde von kriegsthematischen Filmen dominiert (unter den mehr als zwei Dutzend Produktionen befand sich auch The New Spirit) und auch in den anderen Kategorien, inklusive der für den besten Film, befanden sich zahlreiche den Weltkrieg ansprechende Werke. Dies griff, wie bereits in den Jahren zuvor, auch auf die Trickfilmsparte über. Cartoons mit anderweitigem thematischen Fokus lagen bei diesen Oscars in der Unterzahl.

Neben Der Fuehrer's Face wurde auch Blitz Wolf als bester animierter Kurzfilm nominiert. Unter der Regie der Trickikone Tex Avery wird die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen (gesprochen von Pinto Colvig, auch bekannt als Goofys Ur-Stimme) vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs neu erzählt. Der MGM-Cartoon zeigt den Großen, Bösen Wolf als Adolf-Hitler-Parodie, die das Land Pigmania einnimmt. Die ersten zwei Schweinchen werden in dieser Version als Naivlinge dargestellt, die keine Sicherheitsvorkehrungen gegen das Raubtier treffen, weil sie sich auf ihren Nichtangriffspakt mit dem Wolf verlassen. Das dritte Schweinchen hingegen stattet sein Haus vorausschauend mit militärischer Maschinerie aus. Angesichts dessen, dass man in den Disney-Studios gewillt war, Donald Duck von einem Nazi-Dasein (alb)träumen zu lassen und auch Kurzfilme entwickelte, in denen Donald sogar an vorderster Front gegen die Nazis kämpft, ist es eine kleine Überraschung, dass Disney das Konzept von Blitz Wolf nicht selbst in die Tat umsetzte. Mit seinen eigenen, beliebten Schweinchenfiguren. In dieser Version hätte man wohl wahrscheinlich auf Averys phallische Symbolik und seine typischen Texttafeln (nachdem das erste Haus umgepustet wird, kommentieren zwei Schilder das Geschehen mit "Vom Winde verweht" und "Abgedroschener Gag, oder?") verzichten müssen.

Mit Pigs in Polka wurde eine zweite Abwandlung von Die drei kleinen Schweinchen nominiert, was wohl auch als Testament verstanden werden kann, welchen Eindruck der Disney-Klassiker von 1933 in der Filmwelt hinterließ. Der von Leon Schlesinger produzierte Cartoon parodiert sowohl den Disney-Cartoon, als auch den Animations-Meilenstein Fantasia. Regisseur Fritz Frelengs zweite in Folge für einen Oscar-nominierte Fantasia-Parodie unterlegt die Schweinchen-Parodie mit Passagen aus Brahms Ungarische Tänze. Die Abstimmung von Bild und Ton ist zwar durchaus gelungen (wenngleich natürlich weitab vom Niveau Fantasias), die uneinheitliche Animation und die sehr grobe visuelle Gestaltung lassen mich aber mutmaßen, dass sich die Academy in diesem Fall schlicht von der Ausgangsidee hat blenden lassen. Die zehn Jahre ältere Disney-Vorlage stiehlt seiner Parodie in jeder handwerklichen und künstlerischen Hinsicht die Schau. Dass Parodien im Vergleich zum Original üblicherweise billig aussehen, ist also kein Phänomen der Neuzeit.

Auch der zweite und letzte Cartoon, der den Zweiten Weltkrieg außen vorlässt, beschäftigt sich mit Musik: Von Walts altem "Bekannten" Walter Lantz produziert und von Universal unter der Dachmarke Swing Symphony (was selbstredend keinerlei Erinnerungen an eine bei den Oscars äußerst erfolgreiche Cartoon-Serie weckt) veröffentlicht, erzählt Juke Box Jamboree die Geschichte einer Maus, die von einer Jukebox im benachbarten Café um den Schlaf gebracht wird. Beim Versuch, die Musik zum Schweigen zu bringen, landet sie in einem Cocktail, den sie prompt austrinkt. Vom Zowie (Bananenlikör, Rum und Irish Cream zu je gleichen Teilen, wer würde das nicht in sich reinkippen?) berauscht, befreit sie unwillens die örtlichen, Schabernack treibenden Weingeister.
Es steckt weitaus weniger Dumbo im Kurzfilm, als man nun gewiss vermuten könnte und erinnert eher an weniger storylastige Silly Symphonies, nur mit lateinamerikanisch angehauchter Musik.

In einem zu jener Zeit raren Ausbruch aus dem Zeichentrick-Medium wurde mit Tulips Shall Grow auch ein Stop-Motion-Film nominiert. Die in den Niederlanden angesiedelte Fabel über ein Liebespaar, das durch eine Armee feindlich gesinnter Maschinen in seinem Glück bedroht wird, war mit ihrem Happy End vom ungarisch-stämmigen Trickkünstler George Pal als Durchhaltebotschaft für Europa intendiert. Der Pionier unter den Stop-Motion-Effektkünstlern, Ray Harryhausen, war an Tulips Shall Grow beteiligt  und seit 1997 wird der Film im Rahmen der United States National Film Registry als signifikantes Stück Filmgeschichte präserviert.

All Out for 'V', letztlich, zeigt eine Gruppe von Waldbewohnern, die ihr Scherflein zum Sieg der Alliierten beitragen wollen. Dieser Cartoon ist vor allem deshalb erwähnenswert, da er dem 1929 gegründeten Trickstudio Terrytoons seine erste von vier Oscar-Nominierungen einbrachte. Der unter einem knappen Budget operierende Studio-Gründer Paul Terry selbst bezeichnete Terrytoons als das Woolworth im Trickfilm-Geschäft, während Disney Tiffany's repräsentieren würde.

Selbst wenn ich versuche, alle Donald-Verehrung bei Seite zu legen, ist mein Urteil eindeutig. Trat Good Scouts noch unglücklicherweise gegen den hervorragenden Ferdinand the Bull an, zog Truant Officer Donald zu recht gegen Lend a Paw mit Micky und Pluto den Kürzeren und hatte The New Spirit bei seiner Konkurrenz kaum eine Chance, so kann ich die Academy für ihre Entscheidung bezüglich Der Fuehrer's Face nur gratulieren.

Eine Skizze und ein koloriertes Einzelbild zeigen, wie Donald seine gehütete Kaffeebohne aus der Dose nimmt, um sie kurz ins Wasser zu tunken (Quelle: Milt-Neil-Tribut von yensidtun)

Der Fuehrer's Face hat zahlreiche Argumente, die für ihn sprechen. So ist er auch aus einem rein tricktechnischen Standpunkt einer der stärksten Donald-Cartoons. Obschon das Enten-Trio rund um Barks, Hannah und King abwesend ist und mit Jack Kinney ein Goofy-Regisseur das Sagen übernahm, waren an diesem Kurzfilm sehr viele talentierte und auch erfahrene Donald-Zeichner beteiligt. Darunter befanden sich unter anderem Bob Carlson und Bill Justice, der seinen Einstand im Studio mit Fantasia feierte, die Leitung an Klopfer aus Bambi übernahm und nach Der Fuehrer's Face zu einem der führenden Zeichnern an Donald-Cartoons wurde. Außerdem wirkte einer der unterschätzesten Disney-Künstler, nämlich Milt Neil, am Kurzfilm mit. Neil wird in einiger Disney-Sekundärliteratur übergangen, aber von seinen späteren Schülern groß geschätzt und galt als "The Duck Man", da er trotz Mitarbeit an Schneewittchen und die sieben Zwerge, Pinocchio, Fantasia und Dumbo Donald von seinen Anfangsjahren an treu blieb und im Laufe dieser Zeit einige große Momente des Trickheldens verwirklichte.

Somit fiel Neil auch in Der Fuehrer's Face eine der darstellerisch herausforderndsten Zeichensequenzen zu. Er betreute die in zahllosen Materialien zu diesem Cartoon abgebildete Kaffee-Szene. In dieser werden, nur durch Mimik und Gestik, Donalds Begierde nach vernünftigen Lebensmitteln, seine Ausgehungertheit und seine Sorge um seinen wertvollen Besitz (die einzelne Kaffeebohne) vermittelt, sowie seine Angst davor, vom despotischen Regime erwischt zu werden. Es ist ein kurzer Moment, doch es ist ein Beispiel für die aussdrucksstarke Charakterzeichnung, die mit Donald möglich ist, und zudem erhält der insgesamt sehr aufgedrehte und durchgeknallte Cartoon durch solche Vignetten auch richtiges Gewicht.

Im Fabriksegment wiederum sind insbesondere das perfekte komödiantische Timing sowie die zahlreichen Einfälle prägend. Und dennoch: Die Zustände, unter denen Donald unmenschliche Fließbandarbeit verrichten muss, werden zwar mit einem spritzigen und haarsträubenden Humor gezeigt, ohne dass dahinter der Schrecken seiner Situation verloren geht. Die anschließende Albtraumsequenz ist wiederum vollkommen grotesk und genial. Mehr, als bei den meisten anderen Cartoons mit den klassischen Disney-Figuren, zeigt sich auch die visuelle Gestaltung als überaus einflussreich. Don da Gradis und Andy Engmans Land der unausweichlichen Hakenkreuze ist unangenehm, abstrus und (erst recht aus heutiger Sicht) zum Auflachen zynisch.


Oben: Bleistiftentwurf zum Kurzfilm aus einer zeitgenössischen Publikation über die Musik in Disneys Kriegsproduktionem (Quelle: Toons at War), unten: Hintergrundbild aus dem fertigen Cartoon

Erstaunlich ist allerdings auch, wie verhältnismäßig komplex Der Fuehrer's Face sein zeitgenössisches Publikum mobilisiert; den in blau-weiß-rot getauchten Schlusspatriotismus hin oder her.

Offensichtlich ist es das oberste Ziel von Der Fuehrer's Face, sich über den Feind lustig zu machen. Dies beginnt schon in den ersten Sekunden des Films, immerhin schröpft das Titellied mit beiden Händen aus dem Quell stereotypischer, deutscher Musik. Der lächerliche Akzent, in der Filmfassung des Liedes von Jiminy-Grille-Sprecher Cliff Edwards rübergebracht, trägt ebenfalls sein kaum zu verachtendes Scherflein dazu bei, die Nazis als dämlich darzustellen. Selbiges gilt für die unkontrollierten Marschiererei der Blaskapelle: Kaum in ihre Uniformen passend (entweder sind sie zu groß oder zu klein) rennen sie wiederholt ineinander rein, statt geregelt im Gleichschritt zu marschieren. Am stärksten wird aber Adolf Hitler lächerlich gemacht, dessen Porträt schlichtweg überall auftaucht, selbst als Vogel einer Kuckucksuhr.

Somit wird der Feind in diesem Cartoon greifbarer gemacht, was ihn wiederum besiegbar erscheinen lässt. Der Fuehrer's Face nimmt den Schrecken vor Hitler, jedoch lässt sich aufgrund der diesen Cartoon komplett durchziehenden Elemente des Unangenehmen keinesfalls behaupten, dass Hitler und seine Taten verharmlost werden. Ein gedanklicher Spagat, den die im Jahrestakt aufkreuzenden, "Über Hitler spaßt man nicht!" wimmernden Kulturhüter wohl nie so ganz bewältigen können. Gut gemachter Humor ist fähig, so eine Balance zu halten - sie ist eines der Kernziele dieses Cartoons, schließlich will er die Moral der US-Bürger und -Soldaten stärken. Eine Verharmlosung wäre dazu ebenso ungeeignet, wie eine Porträtierung Hitlers als über- und unmenschliches Monster, gegen das kein Kraut gewachsen ist.

Worin sich Der Fuehrer's Face noch weiter von platterer US-Propaganda der Kriegsjahre abhebt, ist sein satirischer Umgang mit der Doppelzüngigkeit der Achsen-Mächte. So bestätigt ausgerechnet die Karikatur von Hirohito, sie seien alle "aryan pure supermen". Im Text finden sich auch Widersprüche wie die Aussage, das Naziland sei "so gut", dass sie es alle sofort verlassen würden, wenn sie bloß könnten. Des Weiteren schwingt eine offenbar Göring nachempfundende Karikatur sehr feminin ihre breiten Hüften (die der Posaunist an einer Stelle offenbar bewusst mit seinem Instrument anstupst), während sie damenhaft mit den Wimpern klimpert. Was keineswegs den nationalsozialistischen Vorstellungen der männlichen, starken Herrenrasse entsprechen dürfte.


Wie vorhergehend angedeutet, sticht Der Fuehrer's Face zudem durch seine, zumindest für seinen zeitgeschichtlichen Kontext, differenzierte Darstellung von Nazi-Deutschland aus anderen Propagandafilmen hervor. Natürlich lebt er als Satire von Überspitzung, dennoch hat er mit den ebenfalls von Grant & Huemer verfassten Reason and Emotion und Education For Death gemein, dass er zwischen der von der Ideologie überzeugten Parteispitze und dem manipulierten (siehe Education For Death) oder unterdrückten und verängstigten Normalvolk (hier repräsentiert durch Donald) unterscheidet.

Es muss wohl nicht gesondert erwähnt werden, dass jüngere Filme, die einen größeren geschichtlichen Abstand sowie einen besseren Überblick über das Geschehen haben, mitunter eine facettenreichere Skizzierung des Lebens in Nazi-Deutschland erreichen. Vor allem, wenn sie einen weniger humoristischen Anspruch verfolgen und obendrein eine längere Laufzeit aufweisen, und somit breiteren Raum zur Abbildung unterschiedlicher Menschengruppen und Einstellungen haben.Trotzdem weist Der Fuehrer's Face mit Donalds Misslage, etwa seiner berechtigten ständigen Angst oder der Lebensmittelknappheit, auf die Misere hin, in der sich Normalbürger in den von Nazis beherrschten Ländern befanden. 

Der Fuehrer's Face sollte nicht nur die Nazis lächerlich machen, sowie weiteren Hass auf Hitler schüren, sondern mittels der Identifikationsfigur Donald tatsächlich auch ein Pflichtgefühl gegenüber den von Nazis unterdrückten Menschen in Europa wecken. Für einen Propagandafilm der frühen 40er-Jahre durchaus bemerkenswert. Dies ist laut Disney-Historiker Paul F. Anderson auch Mitgrund, weshalb der Cartoon in nahezu sämtliche europäischen Sprachen übersetzt wurde: Er sollte die noch unbesetzten Länder im Kampf gegen Hitler einen. 

Wie Richard J. Leskosky in einem Essay über Disneys Propaganda-Kurzfilme aus dem Zweiten Weltkrieg entschlüsselt, motivierte Der Fuehrer's Face sein Publikum zu guter Letzt noch auf einer anderen Ebene: Mittlerweile mussten sich auch US-Bürger angesichts des Krieges mit Lebensmittelrationen begnügen und insbesondere in der Industrie an Überstunden gewöhnen. Mit einer Prise Ironie (vielleicht sogar Selbstkritik?) wurde dies verarbeitet und unmissverständlich in ein anderes Verhältnis gesetzt. Als Amerikaner hatten sie es noch immer besser und waren weiterhin frei, weshalb sie sich, wie Donald zum Schluss des Cartoons, in ihrer Haut glücklich schätzen sollten. Sie sollten Vater Staat weiter unterstützen, selbst wenn sich mit Kriegseintritt der Lebensstandard verschlechterte.

Damit mögen wir die Analyse der Botschaft von Der Fuehrer's Face an dieser Stelle auch beenden, denn eine vollständige Entschlüsselung dieses Propaganda-Kurzfilms dürfte ausreichend Material für Abschlussarbeiten in allerlei Fachgebieten liefern.

Das an Pressholz erinnernde Weißbrot ist nicht bloß ein cartoonhafter Gag über schlechte Lebensmittel, sondern auch eine Anspielung darauf, dass bei knapper Mehlversorgung Brot mit Sägespänen gestreckt wurde

Der Öffentlichkeit wurden nie genaue Zahlen genannt, wahrscheinlich existieren nicht einmal grobe Daten, also muss folgendes mit Vorsicht genossen werden: Einige Animationshistoriker und ehemalige Disney-Mitarbeiter bezeichnen den Cartoon Der Fuehrer's Face als Disneys erfolgreichste Produktion aus den Kriegsjahren. Nicht bloß künstlerisch, sondern auch kommerziell. So sagte beispielsweise Dick Huemer über The New Spirit, dass er mit Der Fuehrer's Face von einem "echten Blockbuster" gefolgt wurde.

Vollkommen gleich, ob Donalds Oscar-Erfolg nun von ein paar Millionen US-Kinobesuchern mehr oder weniger gesehen wurde, als sein Aufruf zum pünktlichen Steuernzahlen: Der ihn nach Deutschland verfrachtende Albtraum zog definitiv weite Kreise. Viele Historiker sagen, dieser und ähnliche Filme hätten einen unverzichtbaren Teil dazu beigetragen, die Moral im Land und unter den Truppen zu stärken. Es ist sogar verbrieft, dass sich die Soldaten im Radio mehr Der Fuehrer's Face und vergleichbare Musik wünschten, und weniger der von einigen Vorgesetzten bevorzugten, romantisierten und patriostischen "sirupartigen Symphonien". Der in den 40ern zweifach mit dem Oscar für den Besten Song ausgezeichnete Texter und Theater-Regisseur Oscar Hammerstein II nannte ihn "den großen, psychologischen Song des Krieges" und unzählige Texter betätigten sich in der höchsten Form der Verehrung: Sie imitierten Oliver Wallaces Komposition und Spike Jones' Aufnahme schamlos. Andere Künstler, darunter auch der Brite Tommy Trinder, nahmen dagegen Coverversionen auf.

Disneyintern erhielt Der Fuehrer's Face die Ehre, das Titelmotiv für die 1943 gedruckte, erste (und letztlich auch letzte) Ausgabe von Dispatch From Disney's zu zieren. Außerdem wurde der Cartoon in gleich zwei Artikeln behandelt. Wer trotz des mangelnden Kleingeldes Interesse an diesem Stück Disney-Geschichte hat, in welchem außerdem Briefe dienender Disney-Mitarbeiter, Artikel über Victory Through Air Power und Saludos Amigos, sowie Aktzeichnungen aus der Feder Fred Moores und auch etwas studiointerner Tratsch abgedruckt wurden, findet im Animation Archive Scans des hoch interessanten Zeitdokuments.

Ebenfalls 1943 erschien ein Zeitungscomic, der zugleich für Kriegsanleihen, als auch für Der Fuehrer's Face die Werbetrommel rührte: Im Comic Right In Der Fuehrer's Face erwirbt Donald, sehr zum Schrecken seiner Neffen, ein Hitler-Porträt. Donalds Vorhaben mit dem Bild: Je schneller Familie Duck Kriegsanleihen kauft und sie über das Bild klebt, desto eher sind sie von diesem Anblick befreit (ein Scan des Comics findet sich bei Toons at War). Beachtlich, dass der Strip noch im November 1943 Werbung für den Cartoon und den gleichnamigen Song machte.

Donald stieg nach der Veröffentlichung von Der Fuehrer's Face zu einem nationalen Sprachrohr auf. Am 7. Februar 1943 schrieb der Journalist, Filmkritiker und Drehbuchautor Theodore Strauss in der New York Times in einem Aufsatz namens "Donald Duck's Disney":
Wer hätte gedacht, dass Donald Duck eines Tages Herrn Doktor Goebbels perfekt Kontra geben würde? [...] Donald, der zuvor schlicht ein lärmender Jedermann war, wurde durch irgendeine kuriose Schicksalswende zu einer Art Höchsten Botschafters, zu einem Vertreter für den American Way. [...] Er wurde einer der Nummer-Eins-Propagandisten dieses Landes.
Nur konsequent erscheinen dadurch Walt Disneys Pläne, Donald in seinen aufwändigsten Propaganda-Film einzuarbeiten: Victory Through Air Power. Noch konsequenter war nur, diesen Gedanken wieder fallen zu lassen, sollte dieser gewichtige Langfilm doch dazu dienen, Politiker und die Massen mittels der präsentierten Fakten vom Kriegseinsatz von Langstreckenflugzeugen zu überzeugen.


Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm Walt Disney zunehmend Abstand von den meisten seiner Militärs- und Propagandafilmen. Die Distanzierung von diesen Cartoons geschah jedoch nicht über Nacht:

Kurz nach Kriegsende suchte das Disney-Studio eine bessere Beziehung zur Sowjetunion. Roy und Walt konnten einen Vertrag über den Vertrieb von Bambi sowie mehreren Kurzfilmen abschließen, worunter sogar Der Fuehrer's Face gehörte. Ein russischer Repräsentant flog nach Burbank, um das Geschäft abzuklären, und forderte bei der Synchronisierung des Cartoons, dass die Verballhornungen Mussolinis und Hirohitos geschnitten werden, weil sich Russland derzeit mit Japan und Italien gut stellen wollte. Da sich die sowjetischen Vertragspartner des Disney-Studios nicht an die üblichen Vereinbarungen hielten und die Filmkopien nach Ablauf der abgemachten Nutzungszeit zurückschickten, blieben Bambi, Der Fuehrer's Face und eine Riege weiterer Cartoons vorerst die letzten offiziell in die Sowjetunion exportierten Disney-Produktionen.

Mit der Zeit kehrte Disney Der Fuehrer's Face aber unter den Teppich. In der Disneyland-Fernsehfolge A Day in the Life of Donald Duck feierte die "Schnitzelbank-Melodie" aus Oliver Wallaces Gassenhauer noch einen musikalischen Gastauftritt im Lied Quack Quack Quack, Donald Duck,  Jimmie Dodds internationaler Liebeserklärung an Donald. Ja, selbstredend wurde sie für das deutsche Segment verwendet, der Ursprung dieser Melodie wurde jedoch verschwiegen.

Ansonsten lebte Der Fuehrer's Face für viele Jahrzehnte nur noch in Krieg thematisierenden Medien weiter. Der Historiker und Autor von Fantasy- und "Alternate History"-Romanen Harry Turtledove wandelte das Titellied in einem seiner Romane ab, es wird in einer Episode von M*A*S*H gesungen, es kommt im Bruce-Willis-Film Das Tribunal vor und spielt sogar eine größere Rolle im literarischen Kriegsschinken War and Remembrance, während es nach der Jahrtausendwende einer völlig neuen Generation im Buffy-Comic Spike vs. Dracula # 3 vorgestellt wurde. Die Disney Company selbst erkannte die Existenz von Der Fuehrer's Face lange Zeit nur noch in Fachbüchern an. Die Fernsehspecials Donald Duck's 50th Birthday und Zoff in Entenhausen zeigten ebenfalls kurze Clips, in letzterem brauchte es aber die Pausenfunktion und einen guten Fernseher, um auf den herunter regendenden Donalds aus der Albtraumsequenz das (nicht wegretuschierte) Hakenkreuz zu erkennen. Viel direkter war da der von Jerry Bruckheimer produzierte und unter Touchstone Pictures veröffentlichte Pearl Harbor, in dem sich die Hauptfiguren Der Fuehrer's Face im Kino ansehen.

Die Scheu gegenüber Der Fuehrer's Face sollte niemanden verwundern. Die Thematik ist zu sehr an ihre Zeit gebunden, und die (zeitweise) Darstellung Donalds als Nazi muss im gesamten Kontext betrachtet werden, um Fehlschlüssen vorzubeugen. Deswegen wundert es durchaus, dass Disney gegenüber Internetvideos über "Nazi Donald!" nicht rigoroser durchgeht.

Die restlichen Cartoons aus Donalds Militärjahren hatten es mit ihrer etwas unbelasteteren Natur besser: Wenn auch nicht allgegenwärtig, so wurden sie gelegentlich in Fernsehspecials aufgegriffen (brenzligere Szenen konnten bei dieser Gelegenheit ja ohne größere Umstände entfernt werden). Und mysteriöserweise schaffte es Commando Duck sogar ungeschnitten auf eine deutsche Video-Veröffentlichung.

Der viele Jahre nur als Raubkopie erhältliche Der Fuehrer's Face hingegen wurde erst 2004 legal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Interessierte konnten zuvor bereits offizielle Nachdrucke des Kinoposters kaufen). Obwohl auf der DVD-Box Walt Disney Treasures: On The Front Lines der zum Verständnis notwendige Kontext gegeben wird und Leonard Maltin in einem unüberspringbarem Vorwort die Absichten hinter Der Fuehrer's Face einordnet, wurden in der Planungsphase der Veröffentlichung deutsche sowie japanische Stellvertreter eingeladen, um ihren Segen einzuholen. Diese bestätigten geschlossen, dass die enthaltenen Vorstellungen Deutscher und Japaner eine Geschichtsfrage und somit unbedenklich seien.

Donald als Anführer der Freiwilligenarmee

Historiker haben Donald seinen "Dienst" an Kunst und Vaterland keineswegs vergessen. Das TIME Magazine wählte Spike Jonzes Platte im Oktober dieses Jahres zu einem der 100 großartigsten und bedeutungvollsten Pop-Songs. Der Fuehrer's Face wurde 1994 von 1.000 Animations-Experten auf Platz 22 der 50 besten Cartoons aller Zeiten gewählt. Und bereits 1984 wurde Donald, während der Feierlichkeiten seines 50. Geburtstages, von der US Army für seine Verdienste zum Buck Sergeant ernannt. Während der selben, groß aufgezogenen Zeremonie wurde Donald auch in den ehrevollen Militärruhestand versetzt. Naja, fast. Wie Jim Hill dieses Jahr erfuhr, wurde Donalds Militärstatus damals lediglich von "aktiv" auf "inaktiv" gesetzt, so dass er im Notfall wieder in den Dienst berufen werden kann. Was hoffentlich niemals nötig wird.

Wenngleich Donalds Militärzeit offiziell erst 43 Jahre nach seinem Einzug in die Armee beendet wurde, endeten seine Kriegsbemühungen schon am 2. Juni 1944. Mit der Premiere von Commando Duck hat Donald sein Größtmögliches getan. Daraufhin hatte er zwar noch mit der kriegsbedingten Metallknappheit zu kämpfen, ansonsten kehrte aber wieder Alltag für ihn ein. Dazu gehört auch die für ihn so kennzeichnende Flaute im Geldbeutel. Wie sich ein kühner Kriegsveteran dennoch eine spaßige Nacht ermöglicht, und welche Folgen dies haben kann, erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe von Entengold.

Freitag, 25. November 2011

Was ich an DVDs hasse ...

Ich bin ja ein notorischer DVD-Konsument, und über die Jahre haben sich in meiner Sammlung zahllose Scheiben aus den unterschiedlichsten Studios zusammengehäuft. Disney ist, natürlich, der Vorreiter in der Sammlung, und mir nicht nur wegen der Filme am liebsten. Man kann viel darüber heulen, wenn Disney mal wieder einen Film lieblos behandelt, doch vor dem Aufkommen der Blu-ray gab es oft viel gutes Bonusmaterial und stets die Möglichkeit, mit simplem Tastendruck zum Hauptmenü zu springen. Dann kam zwischendurch dieses dämliche Fast Play und mittlerweile kümmert sich Disney nur noch um die Blu-rays, welche aber wiederum üblicherweise besser bepackt sind, als die anderer Studios. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Etwas lästiger sind mir da die DVDs von Warner Bros. Das ist sicher für viele ein Kinkerlitzchen, aber es nervt mich, dass Warner für sein Ländermenü die Alias-Schriftart benutzt. Und dass das Menü so groß ist, dass es mehrere Seiten in Anspruch nimmt. Viel schlimmer finde ich aber folgendes: Wenn man einmal so dumm ist, einen Film auf einer Warner-DVD komplett zu Ende zu gucken, bis selbst der Abspann vorbei ist, dann lässt die DVD auf den hilflosen Zuschauer eine Heerschar von Rechtshinweisen in Dutzenden von Sprachen los. Man kann die Tafeln weder vorspulen, noch überspringen, noch mittels Tastendruck ins Menü zurückkehren. Alle Länder, von "A" wie "Ach, du Scheiße ..." bis "Z" wie "Zum Donnerwetter, wann hört das endlich auf?" werden bedient. Was aber, wenn ich mir nach dem Film ein Extra ansehen will und keine Lust hat, alle Rechtshinweise auszusitzen? Die einzige Möglichkeit, die Hinweise zu umgehen, wäre es, die DVD neu zu starten. Aber dann muss man wieder ein Land auswählen und sich durch alle Trailer spulen.

Die schlimmsten DVDs von großen Studios sind aber die von Universal. Wieso? Weil man jedesmal das verfluchte, komplette Universal-Logo angucken muss. Kein Vorspulen, kein Kapitel-Sprung, kein "Direkt zum Hauptmenü". Auf Dauer wird das ungeheuerlich lästig.

Das findet auch Bill Bailey, der eine originelle, beneidenswerte Lösung parat hat:



Will auch!

Übrigens: Wer Bill Bailey noch nicht kennt, sollte diese Wissenslücke unbedingt schließen. Der Mann macht richtig gelungene Stand-Up-Comedy zum Thema Musik. Mit einem Orchester! Es ist "Orchesterkonzert trifft britischen Stand Up"! Das muss man einfach toll finden!

Der Prinz von Ägypten


Ich muss zugeben, ich bin auf den Geschmack gekommen. Nach meiner Gottschalk-Retrospektive und dem anlässlich Halloweens veranstalteten Scream-Rückblicks habe ich Lust auf eine weitere zusammenhängende Reihe an Filmkritiken. Deshalb möchte ich, während der Deutschlandstart von Der gestiefelte Kater näher rückt, auf die Zeichentrickfilme des ewigen Disney-Konkurrenten DreamWorks Animation zurückblicken. So kommt dieser Blog wieder zu ein paar neuen Animationsfilm-Rezensionen und obendrein kann ich mich auf das schnurrende CGI-Abenteuer einstimmen.

Die Produktionsvorgeschichte: Kampf um die Zeichentrick-Krone
Auch wenn Der Prinz von Ägypten kein Disney-Film ist, so ist seine Entstehung eng mit der Disney-Historie verknüpft. Als am 3. April 1994 Frank Wells, damaliger Präsident der Walt Disney Company, bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, wurde Jeffrey Katzenberg die Übernahme Wells Position verweigert. Zwischen Katzenberg, der den Studio-Output überwachte und insbesondere den Wiederaufschwung der Trickstudios mitverantwortete, und Eisner kam es so zu einer folgenschweren Auseinandersetzung, nach der Katzenberg das Studio verließ und mit Spielberg sowie Plattenboss David Geffen DreamWorks gründete.

Dort wollte es Katzenberg seinem einstigen Arbeitgeber gehörig zeigen, indem er einen der größten Zeichentrickfilme aller Zeiten schafft. Außerdem visierte er weiter das Ziel an, dass ihm in den Sinn kam, als Die Schöne und das Biest eine Oscar-Nominierung als bester Film erhielt: Mit einem dramatischen Zeichentrickfilm wollte er dem Zeichentrickmedium seinen ersten Sieg in dieser Kategorie einbringen. Vor seinem Weggang von Disney bereitete er bereits Pocahontas dem entsprechend vor, indem er den Komödienanteil stark reduzierte und die Romanze sowie Dramatik stärker in den Fokus rückte.

Katzenbergs erster DreamWorks-Zeichentrickfilm sollte anspruchsvoller und ernster als Pocahontas werden. Zu diesem Zweck nahm sich Katzenberg, mit Unterstützung von Steven Spielberg, einen Stoff vor, den er bei Disney nie anpacken durfte: Die Bibel. Genauer gesagt die Geschichte von Moses, die von zwei Spielberg-Schützlingen und der mit Katzenberg zu DreamWorks gewanderten Branda Chapman in ein Trickepos umgewandelt wurde.

Die Handlung: Bruderschaft, Verantwortung, Gerechtigkeit und Glauben
Der Pharao Sethos I. ordnet die Ermordung sämtlicher neu geborenen Jungen unter seinen Sklaven an, welche hauptsächlich aus dem Volk Israel besteht. Yocheved, mit ihrer Tochter Miriam und Sohn Aaron bereits zweifache Mutter, bringt mit Moses ein weiteres Kind zur Welt, welches sie zu dessen Schutz in einem Weidekorb auf dem Nil aussetzt. Der Korb wird von der Frau des Pharaos entdeckt, die Moses aufnimmt und wie ihr eigenes Kind aufzieht. Der Film springt in Moses Jugendzeit: Er entwickelte sich zu einem sorglosen, Trubel veranstaltenden Jugendlichen, der mit seinem Bruder Ramses Wagenrennen fährt und den Hohepriestern Streiche spielt. Er ist der wildere im Brüdergespann und zieht seinen älteren Bruder und den voraussichtlichen Thronfolger Ramses häufig in Ärger hinein - trotzdem verstehen sie sich wunderbar. Als Ramses zum Prinzregenten ernannt wird, schenkt dieser Moses die von den Hohepriestern entführte Midianterin Zippora als Konkubine. Diese kann ihren Wächter überwältigen, woraufhin Moses ihr zur Flucht verhilft. In der selben Nacht begegnet er seinen Geschwistern Miriam und Aaron, von denen erstere ihn mit seiner Herkunft konfrontiert. Als Moses auf einer Baustelle das Elend der Sklaven mitansehen muss, greift er ein und tötet dabei ungewollt einen der Sklavenaufseher. Ramses verspricht Moses zwar Nachsicht, er selbst kann mit seiner Tat jedoch nicht Leben und flieht in die Wüste, wo er nach langen Tagen auf Zippora trifft, deren jüngere Geschwister von Räubern angegriffen werden. Moses schreitet ein und wird daraufhin eingeladen, sich dem Nomadenstamm Zipporas anzuschließen. Vom Familienvater Jitora lernt Moses, welches die wahren Dinge von Belang im Leben sind.

Einige Jahre später scheint der nun mit Zippora verheiratete Hirte Moses ein neues Leben begonnen zu haben, als er einen brennenden Dornenbusch auffindet. Gott spricht durch den Busch zu ihm und fordert ihn auf, nach Ägypten zurückzukehren und das Volk Israel aus der Sklaverei zu befreien. In Ägypten angekommen wird Moses, durchaus erfreut, von seinem Bruder Ramses empfangen, der mittlerweile zum Pharao wurde. Moses' Demonstration der Macht Gottes wird von den Tricks der Hohepriester untergraben, weshalb Ramses sich widerwillig zeigt, die Sklaven zu befreien. Gott entfesselt darauf zehn Plagen und nach der letzten, der Tötung sämtlicher Erstgeborenen Ägyptens, gibt Ramses nach. Doch kurz bevor Moses und sein Volk das Rote Meer erreichen, werden sie vom ägyptischen Heer eingeholt: Der wütende, um seinen der Plage zum Opfer gefallenden Sohn trauernde Ramses hat sein Wort gebrochen. Moses teilt das Rote Meer, um ihm und seinen Leuten die Flucht vor den Ägyptern zu ermöglichen.

Der Film endet damit, dass Moses mit den Zehn Geboten den Berg Sinai hinab schreitet. Somit überlässt Der Prinz von Ägypten unter anderem die ganze "das Anbeten eines falschen Gottes in Form einer goldenen Kuh"-Geschichte anderen Filmen. Wie etwa Dogma!

Konnte Katzenberg sein Ziel erreichen?
Bekanntlich hat es mit dem Zeichentrickfilm der reinen Superlative nicht geklappt. Weder erhielt Der Prinz von Ägypten eine Oscar-Nominierung als bester Film, noch konnte DreamWorks der Disney-Konkurrenz Mulan an den Kinokassen ein Schnippchen schlagen: In den USA stand es 120 Millionen Dollar gegen 101 Millionen, weltweit konnte Disney den Abstan klar vergrößern und hatte mit 304 Millionen die Nase vorn, während das biblische Trickepos 218 Millionen einnahm.

Allerdings schlug Der Prinz von Ägypten Disney in seiner damaligen Paradedisziplin: Stephen Schwartz gewann für seinen Song When You Believe einen Oscar, während Mulan nichtmal eine Nominierung ergatterte. In der Kategorie "Beste Filmmusik (Komödie oder Musical)" standen sich die zwei großen Zeichentrickfilme des Jahres hingegen direkt gegenüber, auch Das große Krabbeln von Pixar spielte mit ... und verloren gemeinsam mit Patch Adams gegen Shakespeare in Love.

An den Kinokassen stieg Der Prinz von Ägypten immerhin zum erfolgreichsten Nicht-Disney-Animationsfilm aller Zeiten auf, eine Position, die er bis zur Veröffentlichung von Chicken Run im Jahr 2000 behielt. Den Titel des erfolgreichsten Zeichentrickfilms außerhalb des Hause Disney konnte er sich bis zum Start von Die Simpsons - Der Film sichern.

Doch lassen wir all die Zahlen ruhen und konzentrieren uns darauf, wie mir denn eigentlich so der Film gefällt.
Mit den ersten rund dreißig Minuten von Der Prinz von Ägypten tu ich mich recht schwer. Es fängt bereits mir dem Eröffnungslied an, welches wie alle anderen von Stephen Schwartz sowohl getextet, als auch komponiert wurde. Ihm gelingt es zwar, sowohl den stillen, gefühlvollen Charakter dieses Films zu vermitteln, als auch bereits zu Beginn seine biblischen Ausmaße (man verzeihe mir diesen Scherz) zu verdeutlichen, aber ich habe sowohl im englischen Original, als auch in der deutschen Version richtig Probleme, den Text zu verstehen. Als hätte jemand bei der Tonabmischung den falschen Hebel nach oben geschoben. Übertrieben finde ich auch, wie Miriam dem Korb von Baby Moses scheinbar ungehindert den gesamten, dramatischen und turbulenten Weg des Weidekorbs folgt. Das ist in etwa so plausibel, als würde ein kleiner Baby-Dinosaurier dem Ei aus dem Intro von Dinosaurier überall hinfolgen.

In den ersten Filmminuten finden sich auch die einzigen Ausfälle in Sachen Figurendesign. Normalerweise wäre sowas Haarspalterei, doch in diesem Fall reißen sie mich einfach aus dem Film heraus. Baby Moses sieht meiner Meinung nach in diesem eher winklig gehaltenen Film mit seinen dicken, roten Backen und dem kugeligen Gesicht und der schmalzigen Haarsträhne einfach lächerlich aus. Und seine Ziehmutter finde ich mit ihrem Schwanenhals auch eher albern.

Gugu, gaga, gugu ... ich bin ein Baby!

Wie vielleicht rausklingt, bin ich mit der restlichen visuellen Gestaltung dieses Films überaus zufrieden: Die Figuren sind weder bewusst "undisneyhaft" gezeichnet, noch ahmt man faulerweise den bekannten Disney-Stil nach (*keuch* Anastasia *hust*). Der Prinz von Ägypten findet einen eigenen, ansehnlichen Zeichenstil, auch wenn ich die Figuren längst nicht so imposant finde, wie ihr drumherum: Landschaftsaufnahmen, seien es das prachtvolle Ägypten oder die erdrückende Wüste, sind wirklich wunderbar gelungen und auch die vielen, vielen Effekte dieses Films sind zum Großteil makellos. Toll etwa, dass sich auch Menschenmassen im Hintergrund stets bewegen und die Figuren in keiner windlosen Welt leben, in der es einen theatralischen Moment braucht, damit sich auch mal die Haare oder Kleidung bewegen. Am eindrucksvollsten sind der Effektcrew die Eingriffe Gottes in die hiesige Welt gelungen. Der brennende Busch ist sowohl sehr durchdacht konzipiert, als auch makellos umgesetzt. Er brennt zwar, doch in dieser Erscheinung des Feuers sind Charakteristika des Elements Wasser eingebettet, so dass es übernatürlich und somit göttlich wirkt. Und die letzte Plage ist mit einem wabernden, intelligent erscheinenden Ballen weißen Lichts grandios umgesetzt. Die komplette Szene, bis auf wenige Soundeffekte stumm gehalten sowie in gedämpften Farben zu sehen, ist inhaltlich dramatisch, wie auch animationstechnisch denkwürdig.

Aber ich springe voran, schließlich steht noch aus, weshalb mich das erste Drittel des Films so kalt lässt: Vornehmlich ist meine Gleichgültigkeit der Darstellung Moses anzurechnen. Die Autoren hinter Der Prinz von Ägypten sponnen diese Jugendjahre aus dramatischen Gründen hauptsächlich allein zusammen, was auch vollkommen verständlich ist. Man segnete die Geschichte des Films, aus Angst vor Protesten religiöser Gruppen, sogar mit Vertretern des Christentums, Judentums und Islams ab. Mich stört nicht der Fakt, dass man längere Zeit mit dem jungen Moses verbringt, mir ist diese Figur zu Beginn bloß vollkommen egal. Moses wird als kleiner Rebell, als chaotischer Teenie skizziert, der beim Wagenrennen sogar das Leben seines Bruders aufs Spiel setzt. Mir ist natürlich klar, was mit diesem ersten Akt bezweckt wird: Man will sich von der langweiligen Charakterisierung eines perfekten Heiligen verabschieden und auch Mitleid für den unter Moses manchmal leidenden Ramses erzeugen. Aber mir geht der Film in der "Unsympatisierung" Mose einfach zu weit. Was mir ein wiederkehrendes Problem von Disneys Konkurrenzstudios zu sein scheint.

Möglicherweise bin ich schlicht zu sehr an die Disneyroute gewöhnt, vielleicht hat es auch vollkommen andere Gründe ... Dennoch war es bereits bei den Looney Tunes so, dass mich Bugs Bunny und Co. zwar amüsieren, ich aber in einer fiktiven Welt à la Roger Rabbit nie auf die Idee käme "Wow, mir der Figur würde ich einfach gerne mal einen trinken gehen." Ähnlich mit DreamWorks: Ich kann über die besseren Shrek-Filme lachen, doch die Figuren gehen mir am Allerwertesten vorbei. Auch die Hauptfiguren aus der Magagascar-Reihe oder Antz sind mir egal. Es musste erst Kung Fu Panda kommen, um einen DreamWorks-Star zu finden, den ich wirklich mochte, und erst Dean DeBlois und Chris Sanders zeigten in Drachenzähmen leicht gemacht, dass ich eine DreamWorks-Figur in mein Herz schließen kann.
Bei Moses ist dieses Problem, zu Beginn, nunmal leider ebenfalls zu bemerken. Wissend, was folgt, muss man zwar auf seiner Seite sein, doch das Band ist erst geknüpft, sobald er von Jitora aufgenommen wird. Und bis dahin ist Moses nichtmal eine besonders unterhaltsame Figur, da (zum Glück!) nur sehr, sehr wenig Comedy in diesem Film zu finden ist. Der alleinige für mich nennenswerte Moment der ersten Filmhälfte bleibt deshalb Moses Albtraum, der stilistisch ägyptischen Wandgemälden nachempfunden und einfallsreich animiert wurde.


In der Wüste angekommen steigert sich DreamWorks erster von bislang vier Zeichentrickfilmen jedoch enorm. Der ältere Moses, der unversehens in die Rolle eines Anführers stolpert, ist als Protagonist wesentlich ansprechender, und der Brüderkonflikt wird sehr gut behandelt. Ramses ist in dieser Version eine mehrdimensionale Figur, mit großem Herzen für seinen Bruder und einer grundlegenden Menschlichkeit. Er ist verletzbar, und allein durch die Erziehung seines Vaters so erpicht darauf, weiter stattliche Monumente zu bauen. Der Prinz von Ägypten ist deswegen zu weiten Teilen auch als Drama über die Entzweiung eines Brüderpaars zu sehen, und nicht bloß als Bibel-Epos. Da die Regisseure auch nie die große missionarische "Gott ist mächtig, Gott ist toll, geht in die Kirche!"-Keule schwingen, fühlt sich diese Trickadaption auch nie gezwungen an. Die Action steht nie im Vordergrund, dennoch nutzen die Filmemacher jede Gelegenheit, um ihre ausgezeichnete Effektarbeit zu zeigen - Drama und Schauwert halten sich also wunderbar die Waage.

Die Songs im Film sind, von meinen Verständlichkeitsproblemen bei Deliver us bzw. Erlöse uns abgesehen, effektiv. Durch ihre eingängigen Melodien erhöhen sie den Unterhaltungsgrad des Films, sie bringen jedoch auch die Geschichte voran und vertiefen die Gefühle der Figuren. Dies gilt vor allem für den Song, der acht der neun Plagen zusammenfasst und dafür sorgt, dass der emotionale Kern bei einem brüderlichen Drama bleibt, statt zu einer Erzählung über einen rachevollen Gott umzuschwenken. Für die Lieder in Der Prinz von Ägypten gilt jedoch: Ohne den Kontext des Films finde ich sie nichtmal halb so gut. Auch das Plagen-Lied profitiert auch enorm vom visuellen Element, das besonders in dieser Szene auch von einer superben Farbgestaltung getragen wird. Etwas zu lang finde ich derweil das Lied der zaubernden und hochstapelnden Hohepriester, welches zwar seine erzählerische Funktion hat, aber für seine Länge weder pfiffig genug ist, noch zur Umsetzung seiner Funktion so ausführlich sein müsste. Da hat es mir Hans Zimmers Musik schon deutlich mehr angetan, die eine gute Balance zwischen achtungsvoll und groß angelegten Gefühlen findet. Das für Gott bzw. Wunder verwendete Leitmotiv war ursprünglich viel choraler angelegt, was die Regisseure jedoch abgegriffen fanden, weshalb Zimmer ein etwas esoterischer angelegtes Stück schrieb, welches sowohl ansprechend, als auch leicht befremdlich, da zum Rest der Filmmusik deutlich anders klingend ist. Ein nettes, kleines Stück, das ich zwar nicht zu den absoluten Höhepunkten des Schaffens von Hans Zimmer zähle, dennoch jedem empfehle, der bei Hans Zimmer immer noch denkt "Was, der Lärmbolzen? Was haben alle mit dem?"

Alles in allem ist Der Prinz von Ägypten ein Film der Kategorie "Ich habe Respekt vor der künstlerischen und handwerklichen Leistung, ich genoss es, ihn zu sehen, doch ich bin keineswegs verrückt nach ihm". Ich würde ihn definitiv über die Shrek-Filme stellen, und wohl knapp über Kung Fu Panda, der bei wiederholter Sichtung leider nachlässt. An Drachenzähmen leicht gemacht kann er sich keineswegs messen. Vor allem ist aber schade, dass Katzenberg nach Der Prinz von Ägypten sein Streben nach dem Schöpfen einer Nische für dramatische Trickfilme einstellte. Dieser Film ging zweifelsohne den richtigen Weg und ich hätte DreamWorks einen längeren Atem diesbezüglich gegönnt.

 Siehe auch:

Donnerstag, 24. November 2011

Der Disney-Kanon wir umbenannt

(gefunden auf Disney Weirdness)

Zur Erläuterung: Dieser studiointerne Rundbrief markiert einen der relativ seltenen Fälle, in denen ein Streich eines Disney-Mitarbeiters zu einem heißen Thema der Filmbranche wurde.

Im Frühjahr 1986 beschloss die Geschäftsleitung, den anstehenden Kinofilm Basil of Baker Street in The Great Mouse Detective (dt. Titel: Basil, der große Mäusedetektiv) umzubenennen, weil dieser Titel konkreter und somit marktfähiger schien. Die Künstler hinter diesem Film von Burny Mattinson, David Michener und Ron Clements & John Musker waren äußerst unzufrieden mit dieser Entscheidung, weshalb der Zeichner Ed Gombert ein Memo verfasste, in welchem er sich als Peter Schneider ausgab. Im Namen des damaligen Präsidenten der Walt Disney Animation Studios (damals noch Walt Disney Feature Animation) gab er eine rekursiv wirkende Umbenennung nahezu sämtlicher Langfilme des Studios bekannt. Das Rundschreiben erreichte den Schneider vorgesetzten Jeffrey Katzenberg, der ihn daraufhin (verständlicherweise) erzürnt aufsuchte und eine Erklärung für solch einen dämlichen, weitreichenden und zudem nicht abgesprochenen Beschluss forderte. Schneider selbst soll der Legende nach von diesem Memo noch gar nichts gehört haben, und hatte arge Probleme, den Sachverhalt aufzuklären.

Der Rundbrief erreichte letztlich sogar die Redaktion der LA Times, die es daraufhin in der Öffentlichkeit breit trat und somit den neuen Filmtitel von Basil of Baker Street zum gespräch von Hollywood machte, wenngleich aus von Disney gänzlich unbeabsichtigten Gründen.

Mit dieser manchen Leserinnen und Lesern vielleicht unbekannten Anekdote aus den Disney-Studios möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich die letzten Tage so still war. Manchmal kommt man halt nicht mit dem hinterher, was man sich vorgenommen hat. Samstag gibt's ja die nächste Ausgabe von Entengold, die euch hoffentlich entschädigt.

Dienstag, 22. November 2011

Fehlt den Oscars eine Comedy-Kategorie?


Die Werke des Autors, Regisseurs und kreativ einflussreichen Produzenten Judd Apatows sind sicherlich nicht jedermanns Sache. Schließlich sind derbe Dialoge und tabuarmes Abzielen unter die Gürtellinie Teil seines markanten Stils. Allerdings steht er, zumindest im Normalfall, auch für herzliche, mehrschichtige Hauptfiguren und ehrliche, gefühlvolle Storys. Judd Apatow könnte man wohl als eine Art "massentauglicher Kevin Smith" bezeichnen, nahmen seine Filme Jungfrau (40), männlich, sucht ..., Beim ersten Mal, Nie wieder Sex mit der Ex, Wie das Leben so spielt und Brautalarm doch haufenweise Geld ein und waren auch mehrfach Diskussionsobjekt in der Award-Saison.

An einen Oscar konnte Judd Apatow bislang jedoch nicht Hand anlegen. Im Gespräch mit der LA Times thematisierte Apatow nun die regelmäßig kritisierte Distanz, die die Academy gegenüber Komödien einnimmt, und schlägt eine vermeintlich eindeutige Lösung vor:

There should be a comedy category at the Oscars because why not? Comedy's not included ever. It's been like five times in a zillion years that [a comedy] has won Best Picture]. It doesn't seem like it's screwing up 'Schindler's List' for 'The Hangover' to have its own category."

Ich stehe diesem Vorschlag zwiegespalten gegenüber, tendiere aber letztlich zu einem Contra. Ob Komödienmacher diese Idee befürworten sollen, liegt aber letztlich daran, was ihnen wichtiger ist: Eine Anerkennung in der Hauptkategorie, oder eine jährliche Berücksichtigung in einer eigenen Sparte.

Man kann wohl die Animationsfilme sehr gut als Beispiel heranziehen. Sie haben ihre eigene Kategorie, dürfen aber seit jeher in der Hauptkategorie nominiert werden. Als erstes gelang dies Die Schöne und das Biest, und zwar Jahre vor Einführung des Trickfilm-Oscars. Nachdem dieser eingeführt wurde, erblickten mit Findet Nemo, Ratatouille und WALL•E einige der besten Animationsfilme der Geschichte das Licht der Leinwand. Doch erst 2010 wurde mit Oben zum zweiten Mal ein Trickfilm in der Kategorie "Bester Film" berücksichtigt - zeitgleich mit der Erweiterung des Nominiertenfeldes von fünf auf zehn Produktionen. Gewonnen haben Trickfilme bislang noch nie, und das werden sie wohl auch niemals. (Hoffen wir, dass ich irre.)

Dass Trickfilme eine eigene Sparte haben, gereicht ihnen zum Vor- und Nachteil. Einerseits sichert ihnen die jährliche Verleihung eines Trick-Oscars eine traditionelle Ehrung im Pantheon der größten Hollywood-Leistungen. Durch die eigene Kategorie werden Jahr für Jahr Animationsfilme in den Medien erneut diskutiert und branchenintern genauer beäugt. Die Nominierungen werden sogar zusammen mit der Hauptkategorie, den Drehbuch-Kategorien und den Darstellern präsentiert, während andere Sparten bloß durch eine Pressemitteilung veröffentlicht werden.

Andererseits ist die Trickfilm-Kategorie eine Bremse: Wer einen Animationsfilm ehren will, kann sich auf seine eigene Kategorie verlassen. Zudem hat diese Sonderkategorie einen gewissen Beigeschmack. Da drüben die kleinen Trickfilme, da die Dokumentationsfilme, die halt einen ganz anderen Anspruch erheben, und dann gibt's noch die "RICHTIGEN" Filme.

Komödien werden von der Academy tatsächlich weniger ausgiebig berücksichtigt, als es bei Dramen der Fall ist. Doch sie werden wenigstens gelegentlich nominiert und alle Jubeljahre auch mal prämiert. Wenn die Oscars nun die selbe Route gehen, wie die Golden Globes, dann wird dies ein Ding der Unmöglichkeit. Auf einer selben Stufe werden Komödie und Drama jedoch auch nicht stehen. Bei den Globes wird ja auch jährlich der Drama-Preis als finaler Höhepunkt verliehen.

Dass die Globes zwischen beiden Genres unterscheiden, hat mittlerweile Tradition. Dass dort Komödien-Darsteller geehrt werden, ist löblich. Doch es ist ein "kleinerer" Filmpreis, und irgendwie befürchte ich für Komödien einen Prestigeverlust, wenn DER Award schlechthin eine eigene Kategorie für Komödien aufmacht.

Aber das ist nur meine Meinung. Vielleicht wäre es eine gute Sache für die Komödienkultur. Problematisch dürfte dann aber die Unterscheidung zwischen Komödie und Drama sein. Beim Globe und den Emmys ist das bereits öfters ein Streitpunkt - brauchen die Oscars wirklich einen weiteren Reizpunkt?

Samstag, 19. November 2011

Ted Sears


Another Nine widmet sich, in Anlehnung an Walt Disneys Nine Old Men, den über viele Jahrzehnte prägenden Trickfilmern des Studios, neun großartigen Künstlern, deren Einfluss bisher nur unzureichend erkannt und gewürdigt wurde. Vorgestellt werden Menschen, die ihre kreative Arbeit in völlig verschiedenen Bereichen verrichtet haben – Im Schatten der Maus.


Der vierte Teil dieser Serie widmet sich einem Mann, der Trickfilmgeschichte(n) schrieb: Ted Sears


Ted Sears am Schreibtisch (Quelle: michaelbarrier.com)


Wenn ein Künstler der Disney-Studios vorgestellt wird, sind wunderbare Skizzen, Model Sheets oder Cels stets Teil der Bildergalerie, die das geschriebene Wort begleiten. Dabei wird oft vergessen, dass der Zauber der Filme Walt Disneys nicht nur in der perfekten Animation begründet ist, sondern vor allem in der erzählten Geschichte. Wir vergessen diesen Aspekt mitunter, wenn wir den Szenen eines Films folgen und meinen manchmal sogar, dass es wohl keines großen Talents bedürfe, eine fantastische literarische Vorlage in ein filmreifes Drehbuch zu verwandeln, beruhen doch so viele Meisterwerke Disneys auf einer ebensolchen. Dass dies ein Irrtum ist, lässt sich leicht belegen, genügt dazu doch ein Blick auf Walts Verhältnis zu den Autoren seines Studios, wie Webb Smith, Bill Cottrell oder Perce Pearce, denen er viel Vertrauen schenkte. Mehr noch als das, tiefe Freundschaft und Verehrung, brachte er nur einem Mann gegenüber, für den er sich „ein Bein ausriss“, wie es Dick Huemer später formulieren sollte, einem Künstler, dem Winston Hibler zuschreiben sollte, er sei der „liebenswürdigste Mensch“ gewesen, den er je gekannt habe: Ted Sears.

Karikatur von Ted Sears, gezeichnete von T. Hee (Quelle: t-hee.com)

Ted Sears wurde am 13. März 1900 in Massachusetts geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend aber in New York City. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und begann bereits früh, seine Eltern und die vier Schwester durch Gelegenheitsarbeiten finanziell zu unterstützen. Er war zwar sehr an Kunst und dem Zeichnen interessiert, glaubte aber nicht, dass sein Talent ausreichend sein würde, um eines Tages tatsächlich in diesem Gebiet Fuß zu fassen. Daher entschloss er sich etwa 1915, einen Kompromiss einzugehen und eine Berufsschule zu besuchen, die ihn auf eine Zukunft als Schildermaler vorbereiten sollte. Während dieser Zeit hangelte er sich weiter durch die Berufswelt und malte und zeichnete sowohl Werbeanzeigen, als auch Filmkulissen, nutzte seine in der Schule erworbenen Kenntnisse im Lettern und fertigte Zwischentafeln für Stummfilme an, gleichzeitig übte er sich in Trickfotografie. Im Studio von Charles Bowers werkelte Sears an allem, was anstand – und konfrontierte den Studiobesitzer mit seinen Ideen und Gags für unfertige Skripte, die er sich durchgelesen hatte. Bowers war von Sears Begabung so beeindruckt, dass er den 16-jährigen kurzerhand als Autor anstellte, damit er für ihn an den Mutt and Jeff-Cartoons arbeiten konnte, für deren Entwicklung Bowers eine Lizenz erworben hatte.

1916 schlossen sich Raoul Barré und Charles Bowers zusammen. Barré hatte zusammen mit seinem Partner, Bill Nolan, 1914 das erste reine Trickfilmstudio der Welt gegründet (andere sehen das zur gleichen Zeit entstandene Bray Studio in dieser Position), war aber zwei Jahre später von Medienmogul William Randolph Hearst „leergekauft“ worden – Hearst hatte einfach alle Angestellten, inklusive Bill Nolan, abgeworben, um sein eigenes Unternehmen, den International Film Service, zu gründen. Barré stand mit einem leeren Trickfilmtempel vor dem nichts, während Bowers Filmstudio, ob des gewaltigen Erfolgs der Mutt and Jeff-Filme, aus allen Nähten platzte – ein Deal bot sich also an, der dann rasch unter dem Namen Barré-Bowers Studio (eigentlich Bud Fisher Film Corporation, nach Bud Fisher, dem Schöpfer von Mutt and Jeff) umgesetzt wurde. So entdeckte Ted Sears nicht nur seine Leidenschaft für das Schreiben, sondern auch seine Liebe zum Trickfilm, betätigte er sich doch auch als Trickfilmzeichner. Die einfach gezeichneten Figuren sagten ihm zu, die aus den zusammengesetzten Cels animierten Filme faszinierten ihn. Er hatte, daran bestand für ihn gar kein Zweifel, etwas gefunden, dass seinen Ansprüchen an Abwechslungsreichtum und Kreativität genügte – und ihn und seine Familie ernähren konnte.

Ted Sears schüttelt den Staub von seinen Händen, 1941, Südamerika (Quelle: LIFE Magazine)

Ted Sears war einer der jüngsten Künstler im Studio, hatte aber keinesfalls die Rolle des Kükens inne. Treffend beschrieb ihn Dick Huemer als „unseren ganz eigenen Till Eulenspiegel“ und wieß damit darauf hin, dass Ted Sears Humor nicht nur in Gesprächen und auf dem Papier als wirkungsvolles Mittel betrachtete, sondern seinen Kollegen auch ganz reale Streiche spielte. Einem sehr auf seine Ernährung achtenden Kollegen stahl er den gesunden Pausensnack, um ihn zu präperieren. Er nahm die gefüllten Datteln, kratzte sie aus, drückte eine gute Portion Bull Durham-Tabak in jede der kleinen Früchte und bedeckte die Köstlichkeiten wieder vorsichtig, damit sein Streich dem Verzehrenden verborgen blieb. Voller diebischer Vorfreude wartete er zusammen mit seinem Freund Huemer darauf, dass der Kollege zum mitgebrachten Essen greifen würde – was er auch tat und dabei, wie üblich, einen abfälligen Blick auf das gemeine Volk warf, das die mitgebrachten Sandwiches verdrückte. Die eigentliche Überraschung erlebte jedoch nicht das Opfer, sondern das Duo Sears und Huemer, die zu ihrer Verwunderung keinerlei Reaktion beobachten konnte, während der Mann genüsslich eine Wüstenfrucht nach der anderen aß. Die Tatsache, dass er weder etwas vom Tabak zu schmecken schien, noch mit später eintretenden Verdaungsproblemen auf sich aufmerksam machte, verminderte jedoch nicht die Schadenfreude der beiden, sondern ließ sie allenfalls daran glauben, dass das die Wirkung vorbildlicher Ernährung auf einem Placebo-Effekt beruhen müsse.

Sears komödiantisches Talent speiste sich nicht aus Witzen, sondern war in seinem großen Sprachwitz und seiner schier unerschütterlich guten Laune begründet. Er war, egal ob privat oder im Studio, unentwegt damit beschäftigt, das Geschehen in seiner Umgebung zu kommentieren. Dick Huemer, der ihm bei Barré-Bowers gegenübersaß, schrieb später, das sein Arbeitsplatz besser gewesen sei, als ein Stuhl in der ersten Reihe des besten Theaters der Stadt. Am außergewöhnlichsten war vielleicht die Tatsache, dass sein Humor – man möchte fast sagen „Unterhaltungswert“ – nicht etwa dafür sorgte, dass er sich bei weiten Teilen der Belegschaft unbeliebt machte, sondern ihm, ganz im Gegenteil, alle Sympathien zuflogen. Er hatte nicht nur ein gutes Verhältnis zu Studiochef Charles Bowers sondern auch zu Kollegen wie Albert Hurter, der zwar wegen seines hohen künstlerischen Niveaus zunächst respektiert, später aber beneidet wurde und in der Zeit des 1. Weltkriegs als „Deutscher“ mit starkem Akzent von vielen Kollegen gemieden wurde (tatsächlich war Hurter Schweizer, ein Unterschied, der sich nur wenigen zu erschließen schien). Zu Sears, der nur halb so alt wie er selbst war, entwickelte Hurter ein tiefes, freundschaftliches Verhältnis. Obgleich Hurter das Studio 1918 verließ, hielten beide weiter Kontakt, als auch der Schweizer nach Kalifornien ging. 1931 sollte es dann Sears sein, der Hurter dazu bewegen konnte, sein Können bei Walt Disney einzubringen.

Zu den Kollegen, die er später dazu brachte, bei Disney anzufangen, gehörte auch Grim Natwick, der in New York City zu den besten Freunden Sears zählte. 1988 erzählte der damals 97-jährige vergnügt vom allfreitagabendlichen Vergnügen, dem er mit Sears nachgegangen war. Mit ein wenig Gehalt in den Taschen zogen sie zu einem großen Gebäude der Amerikanischen Legion, einer Veteranenorganisation, die Freitagnacht Amateurboxkämpfe veranstaltete und sahen dabei zu, wie sich andere gegenseitig in Gesichtschirugie übten. 1935 stand Natwick vor der Entscheidung, ob er zu Ub Iwerks wechseln oder Walt Disney den Vorzug geben sollte – wobei Iwerks ihn regelrecht anflehte und mit Begünstigungen überschütten wollte. Jedoch hatte Natwick gehört, dass Disney an seinem ersten abendfüllenden Spielfilm arbeitete und wollte unbedingt daran beteiligt sein, konnte sich aber, sollte er Disneys Angebot annehmen, nicht sicher sein, ob er dem Projekt auch wirklich zugewiesen werden würde und dachte daher darüber nach, doch Iwerks den Vorzug zu geben. Allerdings war ihm zu Ohren gekommen, dass Disney Künstlern, die ein Angebot ausschlugen, keine zweite Chance geben würde und fragte daher Sears, ob er bei Walt Disney ein gutes Wort für ihn einlegen könne. Ted Sears sagte ihm das zu und arrangierte ein Treffen zwischen Natwick und Disney, damit er die Möglichkeit hatte, seinen Wunsch dem Studiogründer selbst näher zu bringen – am Ende sagte Walt Disney ihm nicht nur zu, dass er an Schneewittchen und die sieben Zwerge arbeiten würde, sondern übergab ihm sogar die künstlerische Verantwortung für den Prinzen.

Ted Sears, Südamerika, 1941 (Quelle: Walt Disney)

Ted Sears Karriere bei Barré-Bowers nahm ein Ende, als das Studio dank finanzieller Misswirtschaft in den Ruin getrieben wurde. Bowers selbst hatte das zu verantworten, da seine Buchführung – man hatte ihm ebendiese bei der Zusammenführung der Studios zugewiesen – in grobem Maße fahrlässig war. Er wurde 1919 entlassen, wieder eingestellt, 1921 erneut entlassen und musste 1923 zusehen, wie das Studio endgültig bankrott ging. Ted Sears hielt ihm dennoch die Treue, war es doch schließlich Bowers gewesen, dem er seine sichere Anstellung zu verdanken gehabt hatte. Charles Bowers entschloss sich, einen Neustart zu wagen und die Bowers Comedy Corporation zu gründen, um komödiantische Kurzfilme mit ihm selbst in der Hauptrolle zu drehen. Die Drehbücher der Filme wurden von Ted Sears verfasst, der damit sein Talent viel freier entfalten konnte, als es noch bei den Mutt and Jeff-Cartoons der Fall gewesen war. Die Filme sind noch heute als außergewöhnlich zu betrachten, voller Surrealismus, mit revolutionärer Tricktechnik umgesetzt und absurden Handlungen versehen.

So wird in Now You Tell One von 1926 von einer Gruppe edler Herren erzählt, die sich gegenseitig mit ihren Wundertaten beeindrucken wollen. Der eine erzählt, er habe vor kurzem Mussolini im Capitol getroffen und ihm zu Ehren 47 Elefanten hineingebeten, die er zuvor von der Maul-und-Klauen-Seuche befreit hätte. Begleitet wird die Geschichte von Bildern voranschreitender Elefanten, die die Stufen des Capitols erklimmen. Der nächste kontert mit einer Durchquerung des Ärmelkanals – auf dem Rücken eines Fahrradfahrers. In There It Is von 1928 schreibt Charles Bowers verzweifelt dem Scotland Yard, man solle doch einen Detektiv vorbeischicken, um das Rätsel der Anwesenheit eines Phantoms in seinem Hause zu klären. Der Brief erreicht die Adressaten per Fahrradkurier, die Zentrale des Scotland Yard wird als umzäuntes Gatter im menschenleeren Nirgendwo dargestellt, in dem sich ein halbes Dutzend Detektive im Schottenrock, über ihre Lupen gebeugt, hin und her bewegen. Der Anführer sitzt an einem erhöhten Pult und entscheidet mithilfe eines Abzählreims, wer dem Fall nachzukommen hat. Mit nach Amerika nimmt der Auserwählte nicht nur seinen Dudelsack, sondern auch eine wetterfeste Vesperbox und seinen kleinen Kameraden MacGregor, der in einer Streichholzschachtel lebt (und per Stop-motion-Technik zum Leben erwirkt wird). Bedauernswerterweise sind nicht alle Film Bowers erhalten, die existierenden zeugen jedoch von beeindruckender Kreativität und warten nur auf einer Wiederentdeckung durch ein größeres Publikum.

Tatsächlich erlangte Charles Bowers gegen Ende der 1920er-Jahre einen Bekanntheitsgrad, der dem von Chaplin, Keaton und Co. in wenig nachstand. Mit dem Tonfilm ging sein Stern jedoch unter, er verschwand in der Bedeutungslosigkeit und Ted Sears war gezwungen, sich anderweitig umzusehen.

Ted Sears entspannt im Hotel, Südamerika, 1941 (2. v. r., Quelle: LIFE Magazine)

Er entschied sich dafür, bei Max und Dave Fleischer einen Neustart im Zeichentrickfilm zu wagen und arbeitete etwa drei Jahre als Zeichner, unter anderem an Betty Boop. Er steuerte auch weiterhin Beiträge als Autor bei, konnte sich im Fleischer Studio jedoch nicht durchsetzen. Es kam für ihn dennoch nicht in Frage, den Film zu verlassen, um sich anderweitig auszuprobieren. Gelegenheit hatte er dazu reichlich – er lehnte jedoch stets ab. So wollte der Chefredakteur der renommierten Tageszeitung New York World (die Zeitung, die 1914 das erste Kreuzworträtsel der Welt abgedruckt hatte und zeitweise mehr als eine Million Exemplare am Tag verkaufte) Sears unbedingt für seine Reaktion gewinnen, nachdem er über den Journalisten Milt Gross Bekanntschaft mit ihm gemacht hatte. Tatsächlich machte er Sears ein Angebot, das nur wenige Angehörige der schreibenden Zunft abgelehnt hätten: eine eigene, tägliche Kolumne, die er, völlig frei von inhaltlichen oder stilistischen Vorgaben, gestalten hätte können. Sears lehnte ab und ließ sich von niemandem überzeugen, das Angebot weiter in Betracht zu ziehen.

Auch ohne eine regelmäßige Kolumne schreiben zu müssen, blieb ihm kaum Zeit, allem nachzukommen, das ihn begeisterte. Gerne zimmerte und bemalte er Kulissen für die Theaterstücke, die seine Tochter in der Schule aufführte und tüftelte viele Monate im Jahr an Trickfotografien, insbesondere seinen berühmten Weihnachtsgrußkarten, die die Familie Sears jahrelang an über 300 Freunde und Bekannte versandte – jede einzelne liebevoll kalligrafiert und mit persönlichem Text für den Empfänger versehen. Die Gestaltung der Karten ist schlicht beeindruckend – die Leser dieses Blogs dürfen sich in einem Spezialbeitrag vor Weihnachten noch selbst davon überzeugen. Auf vielen Karten setzte Sears sich und seine Frau Vee in Szene, später auch die gemeinsame Tochter. Diese schwärmte auch Jahrzehnte nach dem Tod ihres Vaters vom innigen Verhältnis ihrer Eltern, deren inneres Leiden allgegenwärtig gewesen sei, waren sie für längere Zeit gezwungen, sich voneinander zu trennen. Vee Sears hatte, wie ihre Schwester Irene, zunächst als Krankenschwester gearbeitet, wurde aber später Flugbegleiterin. Das sehr persönliche Verhältnis der Familien Disney und Sears – erstere war, wie auch viele Disney-Künstler, unter den Hochzeitsgästen von Vee und Ted – wurde noch gefestigt durch die Anstellung Irenes als persönliche Krankenschwester der Disneys. In dieser Funktion umsorgte sie auch die von Walt verehrte Mutter Flora, die 1938 unter tragischen Umständen verstarb.

Die Mitarbeiter des Walt Disney Studios, nachdem Micky Maus einen Ehrenoscar erhalten hat, 1932 (1. R. st., 3. v. l., Quelle: Walt Disney)

Im Jahr 1931 wurde Ted Sears von Walt Disney für sein Studio in Kalifornien abgeworben. Disney erschuf das Story Department, ernannte ihn zu dessen Leiter und gab ihm das zweitgrößte Büro des ganzen Studios (nur sein eigenes war größer), inklusive Vorzimmer mit Sekretärin und einem eigenen, gekühlten Wasserspender. In den folgenden 27 Jahren sollte sich wenig an dieser Situation ändern, sieht man vom Umzug des Studios in den 1940er-Jahren ab. Es sollte sich für Walt Disney bezahlt machen, soviel Vertrauen in Ted Sears gesetzt zu haben. Wahrscheinlich war Sears der einzige Mitarbeiter des Studios, der auf quasi jeden Zeichentrickfilm kreativen Einfluss nahm, sieht man von Walt Disney selbst ab. Ganz nebenbei revolutionierte er das gesamte Medium, für das er arbeitete, als er im Zuge seiner Arbeit für Walt Disney eine alte Idee, die im Fleischer-Studio auf wenig Gegenliebe gestoßen war, wieder aufleben ließ und später perfektionierte: das Storyboard.

Oftmals wird die Erfindung dieser wahrhaft revolutionären Pinnwand Webb Smith zugeschrieben, der mit Sears begonnen hatte, im Story Department Disneys zu arbeiten und zunächst dessen Assistent war. Dick Huemer hingegen schrieb später, sich selbst als „unbestechliche Quelle“ bezeichnend, dass er beschwören könne, es sei Sears Idee gewesen. Die Theorie, die Smith als Urheber sieht, sagt, er habe das Storyboard bei Disney entwickelt, wohingegen Huemer berichtet, Sears habe die Idee bereits Ende der 1920er-Jahre bei Fleischer gehabt. Da Huemer zur selben Zeit für Fleischer arbeitete, darf seiner Darstellung durchaus Glauben geschenkt werden. Webb Smith starb bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg und wurde selbst nie dazu befragt, ähnliches gilt für Ted Sears, der auch kein großes Interesse daran hatte, in irgendeiner Art und Weise herausgestellt zu werden. Geht man davon aus, dass Ted Sears der Schöpfer des Storyboards war, ist das nur bezeichnend für seinen großen Einfluss, den er als erster reiner Gagman des Studios hatte.

Ted Sears und Ilene Woods, Stimme von Cinderella, betrachten Storyboards, etwa 1949 (Quelle: Walt Disney)

Allerdings wollte Ted Sears nicht nur Gags, Charaktere und Handlungen ausarbeiten, so dass er sich entschloss, auch Liedtexte für die Filme zu schreiben. Schon die ersten Zeilen, die er verfasste, sollten binnen kurzer Zeit zu amerikanischem Kulturgut werden: „I built my house of straw, I built my house of hay, I toot my flute, I don’t give a hoot and play around all day …“ Sein Text zu Who's Afraid of the Big Bad Wolf?, Titelsong der Drei kleinen Schweinchen, muss 1933 vielen Kinobesuchern noch tagelang im Kopf herumgespukt sein. Zwar wurde der Text von Ann Ronell überarbeitet, bevor er auf Schallplatte veröffentlicht und so zum Hit wurde, dennoch ist dieser Einstand in die Welt der Musik mehr als nur erwähnenswert. Es sollten noch viele Zeilen aus der Feder Ted Sears das musikalische Repertoire der abendfüllenden Filme von Walt Disney erweitern, darunter We'll Smoke the Blighter Out und Old Father William für Alice im Wunderland und I Wonder für Dornröschen. Am erinnerungswürdigsten ist sicher sein wunderbarer Text zu Following the Leader, der 1953 als musikalische Untermalung von Peter Pan erschien.

Seine aus menschlicher Sicht vielleicht größte Leistung bestand darin, sich nie über seine Kollegen zu erheben, die faktisch weniger verdienten, weniger bedeutendes leisteten, weniger Einfluss besaßen – und auf die Walt Disney nicht hörte, im Gegensatz zu Sears, was, das ist jedem bewusst, der von den Charakterzügen des Studiogründers weiß, eine Sache war, die nur wenige von sich behaupten konnten. Ted Sears war Walt Disneys kreative Stütze, ihr Lebensweg war ein sehr ähnlicher gewesen. Beide in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hatten sie sich früh gelöst, zum richtigen Zeitpunkt das nötige Glück genossen und waren stets ihrer Leidenschaft gefolgt, anstatt sich groß um finanzielle Fragen zu kümmern. Aber Ted Sears war Walt Disney in einem voraus: er war offen für jede kritische Meinung und bereit, seine eigenen Ansichten zu ändern, wenn ihm die Argumente eines anderen vernünftig erschienen. Als Walt Disney in gewisser Weise versuchte, Ted Sears dazu zu bringen, sich seinen Mitarbeitern gegenüber autoritärer zu verhalten, machte dieser seinem Freund behutsam klar, dass er nicht bereit war, einen solchen Führungsstil zu vertreten. Und Walt Disney tat, was er sonst nie tat: er gab sich einfach damit zufrieden. Um zu beschreiben, wie er von anderen wahrgenommen wurde, bietet es sich an, große Worte niederzuschreiben. Warum aber das tun, wenn Winston Hibler bereits genau das formuliert hat:

„Möglicherweise bestand Teds größtes Talent in seiner ganz eigenen Art von Humor. Es war ein herzlicher, freundlicher Humor, der ohne Spott auskam. Und das war der Schlüssel zu Teds ganzer Persönlichkeit. Er war der liebenswürdigste Mensch, den ich je kannte. Er lebte mit einem Lachen auf den Lippen und ohne jede Arglist. Er war in allen Dingen wohlwollend. Seine Begabung war jederzeit bereit – es gab keine Aufgabe, die zu klein und keine, die zu groß gewesen wäre. Das zeigte sich in seinen Fähigkeiten und persönlichen Tugenden. Ted war in der Lage, zwei Ziele zu erreichen, die er sich im Leben gesetzt hatte: er schuf gute Filme und er schuf gute Freundschaften.“

Wer nun aber glaubt, Ted Sears hätte mit höherem Alter und als wichtigster Autor von Zeichentrickfilmen aufgehört, Kollegen Streiche zu spielen, der irrt. Überliefert ist seine freundschaftliche Fehde mit Cy Young, dem ersten Leiter des Effects Department, das, im Gegensatz zu Sears Abteilung, allerdings nur aus zwei Mitgliedern bestand. Young setzte sich dafür ein, dass die Trickfilmzeichner die Dienste seines Departments in Anspruch nahmen und Schneefall, Nebel oder Regenschauer ihm überließen, anstatt diese Effekte selbst auf die Cels zu zeichnen, wie sie es zuvor gewohnt waren. Cy Young war zwar sehr gebildet und sprach perfektes Englisch, hatte aber einen starken Akzent und war sehr exzentrisch, was ihn zur perfekten Zielscheibe für Sears Humor machte. In regelmäßigen Abständen, genauer gesagt immer dann, wenn ein neues Projekt umgesetzt werden sollte, verfasste er im Namen Youngs kurze Botschaften, die er anschließend im Studio verteilte. Der Inhalt war in schlechtem Englisch verfasst, erweckte den Eindruck, als habe der Autor die Handlung des neuen Werks nicht wirklich verstanden und konzentrierte sich darauf, welche Figuren und Szenen eines neuen Films unbedingt im Effect Department umgesetzt werden sollten. Zwar ist Cy Youngs Meinung dazu nicht überliefert, es darf aber davon ausgegangen werden, dass er sich zumindest nicht aktiv dagegen wehrte.

Ted Sears und die Disney-Crew auf südamerikanischem Boden, 1941 (3. v. l., Quelle: Walt Disney)

Die Zahl der Filme, für deren Handlung Ted Sears verantwortlich war, ist so lang, dass allenfalls die Auswahl der abenfüllenden Meisterwerke noch überschaubar ist: Von Schneewittchen und die sieben Zwerge über Pinocchio, Fantasia, Dumbo und Bambi, Saludos Amigos und Cinderella bis Alice im Wunderland, Peter Pan, Susi und Strolch und Dornröschen, war er an allem beteiligt, was im Disney-Studio über die Zeichentische ging. Er schrieb auch, zusammen mit Winston Hibler, die Texte für viele Naturfilme Walt Disneys und entwarf später viele Ausgaben seiner Fernsehshow.

Natürlich versuchte sich Ted Sears auch in anderen Bereichen – etwa als Synchronsprecher, wenn auch nur vertretungsweise. Er lieh seine Stimme Pinocchio, bevor der junge Dick Jones die Rolle nachsprach. Eine weitaus interessantere Reise als die ins Synchrongewerbe unternahm er 1941, als er Walt Disney auf dessen Goodwill tour durch Südamerika begleitete, um sich für Saludos Amigos inspirieren zu lassen. Ted Sears befand sich in seinem Element und verewigte zahllose Zeichnungen, vor allem von Donald Duck, die beweisen, dass das Einzige, das er sich selbst nie zutraute, dennoch zu seinen Talenten zählte. Sears war fasziniert von den Farben Rio de Janeiros und dem kulturellen Schauspiel um ihn herum.

Ted Sears und Frank Thomas am Strand, Südamerika, 1941 (Quelle: Walt Disney)

Zu keinem Zeitpunkt wurde Ted Sears Position als Leiter des Story Departments in Frage gestellt. Körperlich durchleidete er ab Mitte der 1950er-Jahre einen Rückschlag nach dem anderen und magerte stark ab, bis er kaum mehr in der Lage war, seiner täglichen Arbeit nachzukommen. Auch Walt Disney belastete die Situation – so tat er alles in seiner Macht stehende, um Ted Sears dennoch bei guter Laune zu halten und verbreitete Optimismus, nicht gewillt, seinen besten Mitarbeiter einfach so aufzugeben. Am 22. August 1958 verlor Ted Sears seinen letzten Kampf.