Dienstag, 31. Januar 2012

Grosse Pointe Blank


Klassentreffen. Geisel der gebildeten Menscheit, oder feierlich willkommener Anlass, vergangene Tage wieder aufleben zu lassen? Zumindest den gelungensten Filmen über dieses Sujet nach zu urteilen, neigen solche Wiedervereinigungen deutlich in die ungewollt traurige und triste Richtung, sind sie doch nahezu geschlossen schwarze Komödien, die sich über das urbane Leben lustig machen und eher die Selbstzweifel, Persönlichkeitskrisen und bei solchen Veranstaltungen aufknospenden Verlierermentalitäten ins Zentrum ihrer Komik rücken. Anstelle der zu zelebrierenden Nostalgie, den ersehnten Treffen alter Bekannter und dem getätigten Fortschritt im eigenen Leben.

Grosse Pointe Blank zeichnet in seinem Subgenre nicht das drögeste Bild einer High-School-Wiedervereinigung, unter anderem mit seinem fantastisch zusammengestellten, nostalgisch verklärten 80er-Indie-Soundtrack feiert auch ein wenig die oh solch gefürchtete Heimkehr, von einem gelösten Fest des Zurückblickens ist diese Produktion dennoch meilenweit entfernt. Schließlich ist Grosse Pointe Blank nicht bloß irgendeine High-School-Reunion-Komödie, sondern in erster Instanz eine einfallsreiche, böse sowie nonchalante Komödie über einen Auftragskiller.

Der Auftragskiller Martin Blank (John Cusack), verliert die Freude an seiner Profession: Andauernd haben seine Kunden schwierige Sonderwünsche und sind unzufrieden, wenn Blank bei seiner Arbeit improvisieren muss. Noch dazu drängelt ihn sein Konkurrent Dan Grocer (Dan Aykroyd) mit der Idee einer Profikiller-Gewerkschaft, mit der Blank nichts zu tun haben will. Auch die Therapie verschafft Blank keine Ruhe. Auf Drängen seiner Sekretärin (eine großartig aufgelegte Joan Cusack) greift er also nach dem letzten Strohhalm für seinen Seelenfrieden: Er fährt zurück in seine Heimatstadt Grosse Pointe, wo nach zehn Jahren das große Abschlussjahrgangs-Wiedersehen seiner High School stattfindet. In Grosse Pointe begegnet er alten Schulkameraden, die mal mehr und mal viel weniger aus sich gemacht haben, aber letztlich geht es Blank eh nur um eine einzige Person: Debi (Minnie Driver), seine Jugendliebe, die er kurz vor dem Abschlussball hat sitzen lassen. Während Blank seine Vergangenheit zu kitten versucht, lauern ihm einige seltsame Gestalten auf, die ihm nach seinem Leben trachten. Und dieser Gewerkschaftsfreak ist auch vor Ort!

Als Produktion des Jahres 1997 muss sich Grosse Pointe Blank natürlich gefallen lassen, dass man bei einer Besprechung irgendwie auf Pulp Fiction hinweist. Stilistisch, inhaltlich und atmosphärisch sind diese Filme zwar grundverschieden, aber George Armitages Regiearbeit profitierte wohl vom Erfolg des Tarantino-Klassikers. "Profikiller in trivialen Situationen" waren danach erst so richtig denkbar im US-Kino, und es ist nur zu auffällig, dass Grosse Pointe Blank zu den seltenen guten Filmen von Hollywood Pictures gehört. Und dies ist ja eines der Erwachsenenlabels des Disney-Konzerns, der auch via Miramax Pulp Fiction auf die Leinwände dieser Welt brachte. Nun, zumindest hat man recht prominent einen Pulp Fiction-Werbeaufsteller im Film untergebracht, also verheimlichen die Macher diesen Trendsetter nicht.

Während Tarantino aber aus von Profikillern ausdiskutierten Nichtigkeiten coole Kultdialoge schuf, lebt Grosse Pointe Blank eher von dem Witz, wie trivial so ein Auftragskiller sein kann (Stichwort: Gewerkschaftsdebatte). Sowie von den zahllosen, unaufgeregten Reaktionen auf Blanks Beruf: "Ich bin Profikiller!" "- Oh. Ist man da krankenversichert?"

Der große Gewinn für Grosse Pointe Blank ist glasklar Hauptdarsteller Cusack: Er macht seine Figur für den Zuschauer sympathisch, hat ein unglaubliches komödiantisches Timing, tänzelt unauffällig zwischen kurioseren und staubtrockenen Gags und macht vor allem auch den Kern der Geschichte glaubwürdig. Ein Killer, der auf einem recht lahmen Klassentreffen seine Seele wiederfindet? Das kann man extrem vermasseln, aber Cusack bringt eine schwarzhumorige und auch augenzwinkernde Melancholie mit, wodurch diese Geschichte greifbar bleibt. Auch seine selbst nach zehn Jahren nicht überkommene Reue wegen Debi wird nachvollziehbar dargestellt. Leider kaufe ich ihm und Minnie Driver die verstaubte Schulromanze nicht ab. Driver hat in ihrer Rolle als Radiomoderatorin eines Lokalsenders zwar einige tolle Monologe, aber die Chemie mit Cusack und die ganze Entwicklung dieser Story hapert hin und wieder. Ich werde jedenfalls nicht emotional oder intellektuell an diesen Handlungsfaden gebunden, sondern folge ihm eher gleichgültig, weil er halt der Motor dieses ansonsten gelungenen Films ist.

Einen weiteren, kleineren Wermutstropfen gibt es dennoch: Mir scheint der Charakterbogen Blanks nach der Reunion eigentlich komplett abgeschlossen, da allerdings noch ein paar andere Fäden beendet werden müssen, geht der Film für einige Minuten weiter, in denen er auch eine eigentlich unnötige, größere Schießerei einbaut. Dadurch, dass Aykroyd in diesem Finale einige der besten Sprüche hat, kann ich aber wenigstens ein Auge zudrücken.

Grosse Pointe Blank gehört für mich zu den besten schwarzen Komödien, die Hollywood in den 90ern fabriziert hat. Cusack & Cusack sind super, aus der Geschichte wird das beste rausgeholt und Blanks Rückkehr in seine Jugendheimat bringt bösen sowie subtilen, und ja, ab und an auch köstlich albernen Humor mit sich.

Siehe auch:

Montag, 30. Januar 2012

Prom


Als Rich Ross die Leitung der Disney-Filmstudios übernahm, versprach er eine in zwei Richtungen divergierende Entwicklung: Mehr Jugendliche und Erwachsene ansprechende Großproduktionen wie Fluch der Karibik auf der einen Seite (wenn möglich allesamt mit Fortsezungsmöglichkeiten), mehr ultrakleine Produktionen auf der anderen. Das Mittelfeld der cineastischen Größenordnung wollte Disney dagegen der Konkurrenz überlassen.

Das erste dieser kleinen Projekte sollte die Jugend-Dramödie Prom sein, die gerade einmal acht Millionen Dollar kostete und im Vorfeld als moderner John-Hughes-Film angepriesen wurde. Ganz im Stil von Der Frühstücksclub oder Das darf man nur als Erwachsener. Und nun haltet euch fest: Dieses Versprechen hält Prom ja mal sowas von nicht ein. Welche Überraschung! Doch es folgt auch eine gute Nachricht: Es ist auch nicht "High School Musical (3) ohne Musik". So würde die Selbstironie ja gar nicht mehr ankommen, und wir hätten einen einzigen Zuckerschock von einem Film. Nein, nein, Prom versucht ganz ehrlich, ein bittersüßes Stück High-School-Film zu sein. Bloß werden Regisseur Joe Nussbaum und Autorin Katie Wech ihren eigenen Ansprüchen bei weitem nicht gerecht.

Prom folgt nicht weniger als einem Dutzend an Figuren auf ihren jugendlich-dramatischen Wegen zum Abschlussball der High School. Nova (Aimee Teegarden) sitzt in so ziemlich jedem Komitee der Schule und stemmte den Löwenanteil der Vorbereitungsarbeiten für die wichtigste Nacht des kollektiven Schullebens, hat allerdings selbst kein in Aussicht stehendes Date. Tyler (De'Vaughn Nixon) und seine Freundin Jordan (Kylie Bunbury) haben beste Chancen, Ballkönigin und Ballkönig zu werden - wäre da nicht ein zunehmender Riss in ihrer Beziehung, die sich durch einen fremden Ohrring in Tylers Auto zur mittelschweren Krise wandelt. Mei (Yin Chang) hat eigentlich die perfekte Beziehung, würde ihr Freund Justin (Jared Kusnitz) nicht fest damit planen, dass beide auf die selbe Universität gehen werden. Denn Mei hat ein besseres Angebot bekommen ...
Der unauffällige Lloyd (Nicholas Braun) bekommt von seiner Stiefschwester Tess (Raini Rodriguez) derweil den Ratschlag, seine letzten Schultage einfach damit zu verbringen, aus seinem Schatten zu springen und jedes nette Mädel um eine Verabredung zu bitten. Was hat er schon zu verlieren? Und der Schulrebell Jesse Richter (Thomas McDonell) wiederum wird dazu verdonnert, die Prom-Vorbereitungen in die Hand zu nehmen ...

Und, und, und ... Das größte Problem an Prom ist, dass der Film unter der Last an Figuren zusammenbricht. Wäre es eine Teenieserie, so könnte man bei dieser Masse an Figuren aus jeglichen Schichten und Klassen des soziokulturellen Subsystems High School eine ganze Staffel an Storys spinnen, die in den wenigen Tagen spielen, die Prom abdecken möchte. In den 104 Minuten, die dieser Kinofilm letztlich in Anspruch nimmt, müssen sämtliche Figuren zu altbekannten, klischeehaften Charakterentwürfen degradiert werden, um für ihre vielen Geschichtchen Platz zu schaffen. Und selbst so steht noch immer zu wenig Zeit zur Verfügung, um den meisten der Handlungsfäden eine angebrachte dramaturgische Entfaltung zu ermöglichen. Viele der Storys bestehen nur aus den rudimentären Stationen einer stringenten Erzählung. Weshalb auf die stereotypischsten aller High-School-Missverständnisse zurückgegriffen werden muss, um alles unter einem Hut zu bringen. Man muss sich nur die Exposition aller Storys ansehen, und weiß schon, wie es weitergeht.

Dabei hätte Prom ein recht ansehnliches Teenagerdrama werden können. Ja, Drama. Hätte man die komödiantischeren Subplots rausgeschmissen und den generischen Disney-Fluff eingedämmt, so wäre es eigentlich möglich gewesen, aus den übrigen Geschichten mit etwas Vertiefung der Charaktere wirklich was annehmbares zu formen. Das meiste an Prom ist dastypische, humoristische Füllmaterial von thematisch verbundenen Episodenfilmen, wodurch die das High-School-Dasein (zumindest konzeptionell) realistisch einfangenden Plots erdrückt werden. Diese kleine Produktion scheut sich nämlich, für mich vollkommen unerwartet, nicht davor, manche der Handlungsfäden offen, in mausgrauen Tönen oder sogar ohne Happy End ausklingen zu lassen. Dadurch wäre Prom ein realistisches dennoch charmantes Abbild der ausklingenden Schulzeit.

Allerdings ist er dazu auf dem Weg dorthin viel zu überzeichnet. Wie hier Beziehungskrisen oder Balleinladungen (oder so vieles andere) abgehandelt werden, gehört eher ins High School Musical-Universum, als in die Dramödie, die Prom offenbar gern wäre. Diese (ohne jegliche Ironie) abgehandelten Übertreibungen führen dazu, dass Prom wie ein auf Kinolänge runtergestutzter Zusammenschnitt einer Teenie-Telenovela wirkt.

Prom ist aber keine absolute Katastrophe, weshalb ich ihn auch nicht in meine Kino-Flopliste 2011 aufnahm. Das Newcomer-Ensemble spielt so solide, wie es das Drehbuch halt zulässt, manche der Gags sitzen, und einige der kleineren Subplots sind trotz ihrer Vorhersehbarkeit immer noch süß. Es ist ein sehr schwacher Film, doch einer, in dem ganz tief verborgen ein recht guter Streifen steckt, den die Macher einfach nicht rausholen konnten. Genug andere Produktionen werden entweder mit voller Kraft gegen die Wand gefahren, oder sind von Anfang an zum Scheitern verdammt. Bei Prom hat's einfach nicht sollen sein. Eine unbeabsichtigte, tolle Lehre für alle Teenager: Auch ein verbockter Abschlussball ist nichts zum grämen. Einmal Kopfschütteln und mit was anderem weitermachen ...

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Samstag, 28. Januar 2012

Tea for Two Hundred

War Micky das "Über-Ich" des ewigen Träumers Walt Disney, lässt sich der vom Pech verfolgte und cholerische Donald Duck als sein "Es" betrachten. Mit seiner unverwechselbaren Art trat er schnell aus dem Schatten der Maus. Diese Artikelserie präsentiert die Cartoons, die Donald auch aus Sicht der Academy of Motion Picture Arts &  Sciences in den Film-Olymp aufsteigen ließen. Dies sind die Kurzfilme, die ihm eine Oscar-Nominierung einbrachten. Dies ist Entengold.

Im siebten Teil dieser Reihe zeichnet sich langsam das Schema für Donalds letzte Kinojahre ab. Er zeigt sich wieder verstärkt als Frechdachs, und zugleich brilliert er weiter als Opfer eines ihm feindseligen Umfelds. Diese Auffrischung alter Kurzfilmkonzepte kam so gut an, dass Disneys Vorzeigeerpel drei Jahre hintereinander für den Oscar nominiert wurde. Während der goldenen Mitte dieses Hattricks lädt Donald zum Tea for Two Hundred.


Als Jack Hannah vom Cartoon-Autor zum -Regisseur aufstieg, gab er Donald eine neue Hauptbeschäftigung: Den Kampf gegen kleinere Lebewesen. Dazu kam es zwar auch in den Jahren zuvor immer wieder, aber Hannah machte dies tatkräftig zum Schwerpunkt seiner Donald-Kurzfilme. 1947 wurde die ewige Fehde Donald/Chip & Chap etabliert, im Laufe des Jahres 1948 traf der cholerische Erpel auch erstmals auf die ihm wiederholt Ärger bereitende Biene Spike. Zum Jahresende hin wurde die Größe von Donalds Quälgeistern weiter reduziert: Vom Streifenhörnchen zur Biene, hin zu einer Horde von Ameisen. Diese setzten sich jedoch nicht als neue Erzfeinde durch. Nach dem am 24. Dezember 1948 uraufgeführten Tea for Two Hundred tauchten sie nur noch ein weiteres Mal auf, nämlich knapp dreieinhalb Jahre später in Uncle Donald's Ants.

Während die Ameisen bei ihrer, so manches Stück Animation aus Tea for Two Hundred wieder verwendender, Rückkehr in Donalds Heimat einfallen, überraschen sie ihn im Oscar-nominierten Cartoon beim Picknick. Und erwecken so das Spielkind in Donald: Als eine Gruppe Ameisen Dinge vom x-facher ihrer Größe an ihm vorüberzieht, bemerkt er eine kleinere, dem Rest ihres Stamms hinterherhinkende Ameise. Dieser stellt er, sich dabei köstlich amüsierend, einige Hindernisse in den Weg und packt ihr seinen halben Picknickvorrat auf den Rücken. Als das kleine Tierchen letztlich unter der Last zusammenbricht, bekleckert es sich mit Tortensahne. Von deren Geschmack begeistert, trommelt die Ameise den ganzen Stamm zusammen, der mit vereinten Kräften Donald ausschalten und bestehlen will. Doch dieser versucht sich auf explosive Art zu wehren.

Donald verfolgt wie gebannt jede Begwegung seines kleinen Versuchskanninchens

Es ist nicht das erste Mal, dass Donald vergebens seine Picknickverpflegung vor der Wildnis beschützen will. Beim Betrachten dieses Cartoons werden durchaus grobe Erinnerungen an Beach Picnic aus dem Jahr 1939 und Donald's Vacation von 1940 wach, die ähnliche Situationen nachzeichneten. Was durchaus die Frage nahe legt: Hat das sich nach Barks' Weggang schrittweise etablierte Donald-Autorenduo Bill Berg & Nick George bei diesen früheren Kurzfilmen geklaut? Oder ist Tea for Two Hundred eine eigenständige, humoristische Bearbeitung einer bereits genutzten Ausgangsidee? Es bietet sich nur an, das übliche Format dieser Artikelreihe etwas aufzubrechen und einen Vergleich zwischen dem Oscar-nominierten Cartoon und seinen inoffiziellen Vorgängern anzustellen.

Beach Picnic beginnt mit einem heiter singenden Donald, der sein Strandpicknick aufbaut und dann mit einem Gummi-Seepferdchen ins Meer springt. Da er von seinem Badeutensil runterstürzt, zetert er erstmal herum, bevor er auf die Idee kommt, den am Strand schummernden Pluto damit zu ärgern. Von seiner Aktion als Störenfried abgelenkt, lässt Donald sein reichhaltiges Picknickbuffet unüberwacht, was die Aufmerksamkeit von einem Ameisenstamm auf sich zieht. Dieser fällt auf das Essen ein, treibt seinen Schabernack damit und wird letztlich von einem tobenden Donald in die Flucht geschlagen. Das sicherheitshalber aufgebaute Fliegenpapier führt dann aber zu Chaos mit dem neugierigen Pluto, während weder die Ameisen, noch das Gummi-Reittier erneute Erwähnung finden.

Der Kurzfilm von Clyde Geronomi, der im Cartoon-Sektor vornehmlich bei Pluto-Produktionen Regie führte, weißt tatsächlich ein paar Parallelen mit dem neun Jahre später folgenden Tea for Two Hundred auf. So werden die Ameisen als ein Stamm von stereotypischen Ureinwohnern dargestellt, inklusive musikalischer Anspielungen an Film-Indianer und Marotten wie rituellem Trommeln oder ähnlichem. In beiden Filmen betätigt sich Donald zudem als Störenfried, sei es in Tea for Two Hundred gegenüber der schwächsten Ameise oder in Beach Picnic gegenüber Pluto. Das ist insofern nennenswert, als dass es aufzeigt, dass sich unter Jack Hannahs Regie Donald in den späten 40ern wieder ein wenig zurückorientierte. Anfangs wurde er regelmäßig als kleiner Tunichtgut dargestellt, ganz prominent etwa in Mickys erstem Farbcartoon The Band Concert von 1935, in dem Donald mit der geflöteten Volksweise Turkey in the Straw (die erste Melodie, die der Weltöffentlichkeit aus Mickys pfeifendem Mund präsentiert wurde) ein Konzert der Willhelm Tell-Overtüre unterbrach. Während der 40er verlief sich dieses Naturell Donalds allerdings ein wenig.

Auf ein paar Sekunden wiederverwendeter, neu kolorierter Animation konnte man offenbarnicht verzichten (oben: Beach Picnic, unten: Tea for Two Hundred)

In Cartoons wie Trombone Trouble aus dem Jahr 1944 ist es sogar er, der sich von seinem Umfeld genervt fühlt (in diesem Fall von einem mies Posaune spielenden Kater Karlo). Ganz zu schweigen von all den Cartoons mit Tick, Trick und Track, in denen er das Opfer von Streichen jeglicher Größenordnung wird. Tea for Two Hundred sollte im Jahr 1948 wohlgemerkt keine kurzfristige Rückbesinnung auf Donalds schwer bezwingbare (und teils kuriose Triebe schlagende) Neugier sein. Auch in einigen der Kurzfilme mit Chip und Chap ließen die Autoren Donald wieder auf mitunter recht fiese Weise seine Gegenspieler zu Reaktionen provozieren. In ihrem ersten gemeinsamen Auftritt dagegen wollte Donald bloß Feuerholz sammeln, von seinem manchmal gemeinen Spieltrieb war dort nichts zu spüren.

Die Parallelen von Tea for Two Hundred und Beach Picnic sind allerdings rarer als die Unterschiede zwischen diesen Cartoons. Zu diesen zählt selbst die Gestaltung der Ameisen. In der älteren Produktion floss eher wenig Gedankenspiel in die visuelle Umsetzung der kleinen Tierchen: Sie sind simple, gezeichnete Versionen echter Ameisen, mit einem relativ akkuraten Körper, aber einem schlichten Cartoon-Gesicht mit den typischen Disney-Augen und keinem wirklich auffallendem Mund. Es ist die Gesichtsbemalung und die Musikbegleitung, die sie zu Indianern macht. Für Tea for Two Hundred entwarf Yale Gracey einen individuellen Look der Ameisen, die von den Zeichnern mit einem ganz eigenen Bewegungsschema ausgestattet wurden. Gracey, bestimmte das Gesicht der Nachkriegs-Donald-Cartoons entscheidend mit, ehe Walt Disney den erfinderischen Künstler aus den Trickstudios "abwarb" und die verschiedensten Effekten in Disneyland austüfteln ließ. Zu den legendärsten Arbeiten Graceys sollten die Geisterillusionen in der Haunted Mansion sowie der erstaunliche Nachthimmel in Pirates of the Caribbean zählen.

Den Ameisen in Tea for Two Hundred verlieh Gracey eine klare Persönlichkeit und ein humoristischeres Aussehen, als ihren Artverwandten aus Beach Picnic. Mit ihrem Körperschmuck und Pinto Colvigs unverständlichen Gebrabbel wurden sie zu Karikaturen stereotyper Kannibalen, die zum Standardrepertoire damaliger Abenteuerfilme zählten. Diese deutlich auffälligere und somit denkwürdigere Umsetzung des Gedanken "Wilde Ameisen, haha, machen wir daraus einen Stamm Wilder!" wurde Tea for Two Hundred Jahrzehnte später aber vielleicht sogar zum Verhängnis: In der Kurzfilm-Sammlung The Chronological Donald, Vol. 3 wurde dieser Cartoon aufgrund seines potentiell kontroversen Inhalts in die Sektion From the Vault verbannt, wo Filmhistoriker Leonard Maltin Eltern von diese DVD möglicherweise einlegenden Kindern warnt, dass der Humor in den 40er-Jahren noch deutlich unsensibler war. Beach Picnic konnte dagegen mit seinen Standard-Indianerameisen einem Warnhinweis entgehen, während Donald's Vacation allein für das Einspielen indianischer Musik beim Anblick eines an Häuptlingsschmuck erinnernden Anhängsels wieder den ermahnenden Zeigefinger angepappt bekam.

Das oberste Bild ist Disneys Ansichten nach zu urteilen das am wenigsten rassistische (von oben nach unten: Beach Picnic, Donald's Vacation, Tea for Two Hundred)

Die restlichen Unterschiede zwischen diesen beiden "Donald vs. Ameisen"-Filmen lassen sich direkt im Zusammenhang mit dem offenbar äußerst rassistischen Donald's Vacation aufzeigen. Dieser Cartoon hat mit Tea for Two Hundred nur die Idee gemeinsam, dass Donalds beinahe lächerlich großes Picknick-Schlemmerbuffet kettenartig von Waldtieren weggerollt wird. In diesem Fall sind es übrigens Streifenhörnchen, die Donald zur Last fallen, sieben Jahre bevor er zwei ganz ausgefuchste Vertreter dieser Art kennen lernt. Der Rest des Cartoons zeigt, wie Beach Picnic, einen heiter, melodisch dahinquackenden Donald und dann erstmal seine Probleme, einen Liegestuhl aufzubauen. Zum Schluss eskaliert die Situation durch das Eintreffen eines gewaltigen Bären.

Unter diesen drei Cartoons fällt Donald's Vacation insofern etwas aus dem Rahmen, als dass unser schnatternder Alltagsheld in diesem von Barks/Hannah entworfenen Film deutlich mehr rumzetert und auch einiges an sehr komödiantischen Text in den Schnabel gelegt bekommt. In Tea for Two Hundred dagegen hat er nahezu gar nichts zu sagen.

Den beiden älteren Cartoons ist unterdessen gemein, dass sie rund zwei Minuten länger sind als Tea for Two Hundred. Dieser verzichtet unter anderem darauf, Donalds Genuss an seinem freien Tag durch comichaften Gesang darzustellen, wodurch schon einige Zeit gespart wird. Es ist aber nicht nur eine Zeitsparmaßnahme, sondern obendrein auch ein Zeichen dafür, wie sich innerhalb von weniger als zehn Jahren der Humor änderte. Das schrille Singen von Disney-Cartoonhelden war noch ein Überbleibsel aus den sehr musikalischen Anfängen des animierten Kurzfilms, welches in einigen frühen Produktionen wie Mickey's Grand Opera sogar den ganz großen Aufhänger bildeten. Aber der Humor des Publikums änderte sich, so wurde etwa das Interesse an cartoonigen Verfolgungsjagden größer, und in Disney-Cartoons wurde mit der Zeit immer seltener schrill gesungen. Zu den raren Ausnahmen zählt etwa Zip-A-Dee-Doo-Dah aus dem Disney-Kinoerfolg Onkel Remus' Wunderland, welches Donald 1948 in Soup's On anstimmt. Dies lässt sich aber auch als disneyinterne Anspielung verbuchen und ist zudem deutlich knapper, als sein Geträller in den Cartoons der 30er und frühen 40er.

Tea for Two Hundred ist mit seiner kürzeren Laufzeit zudem geradliniger. Bereits nach wenigen Sekunden werden die Ameisen eingeführt, die Donald zunächst neckt, wodurch er sich dann aber den Kleinkrieg mit ihnen einbrockt, der sich bis zum Gebrauch von Dynamit steigert. Beach Picnic und Donald's Vacation lassen sich hingegen nicht als Cartoons beschreiben, deren Fokus darauf liegt, dass Donald sich mit Tierchen anlegt, sondern folgen eher der Leitfrage "Donald will seine Freizeit genießen, was kann dabei alles schief gehen?" Vergleicht man diese zwei Kurzfilme miteinander, wird einem auch bewusst, weshalb sich in den Disney-Studios üblicherweise feste Gruppen für die einzelnen Cartoonreihen durchsetzten. Geronimis Beach Picnic zerfällt in seine Segmente, vereinzelte Gags treffen zwar, komplett betrachtet ist er allerdings eher zähflüssig.

Jack Kings ein Jahr später gestarteter Donald's Vacation ist zwar ebenfalls ein Sammelsurium an Einfällen, doch ihm gelingt es, sie durch Donalds launenhafte Natur und einem stimmigen Tempo zu vereinen. Natürlich gibt es im riesigen Fundus an Disney-Filmen Beispiele für gelungene "Gastregie" (etwa den an dieser Stelle bereits besprochenen Der Fuehrer's Face), trotzdem erweist sich die Einteilung der Gagschreiber und Cartoon-Regisseure (sowie deren gezeichneten Stars) in feste Gemeinschaften als schlüssiges, fruchtendes System. Eines, aus dem Jack King bei Veröffentlichung von Tea for Two Hundred ausschied: 1948 kamen seine drei letzten Regiearbeiten in die Kinos. Sie alle zeigen Donald in für ihn typischen, tückischen Situationen, die vom Humor her trotzdem ganz anders sind, als die nicht minder zu dieser Figur passenden Jack-Hannah-Filme.


Die späteren Cartoons unterscheiden sich unter anderem auch durch die mit satteren Farben umgesetzten Hintergrundgemälde (etwa von Thelma Witmer) von den frühen Anfängen (oben: Beach Picnic, unten: Tea for Two Hundred)

Wie schon im Jahr zuvor, wurden 1949 bei den 21. Academy Awards gleich zwei Disney-Produktionen als bester animierter Kurzfilm nominiert. Neben Tea for Two Hundred wurde mit Mickey and the Seal diese Ehre auch erstmals nach dem 1941 produzierten Oscar-Gewinner wieder einem Micky-Kurzfilm zu Teil.

Es war zudem das erste Jahr nach der Blütezeit des Stummfilms, in dem ein Darsteller ohne Text mit dem Oscar prämiert wurde. Tja, die Filmgeschichte läuft in Zyklen ab.

In der Kategorie "Bester animierter Kurzfilm" wurde außerdem Robin Hoodlum nominiert, ein Cartoon aus der Screen-Gems-Kurzfilmreihe über eine Krähe und einen Fuchs. Dieser Eintrag in ihre Filmserie ist ein ganz besonderer, da das übliche Schema "Die Krähe ist der Held und muss sich gegen den Fuchs wehren" auf den Kopf gestellt wurde, indem die Krähe als Sherrif engagiert wird und die Zuschauer nun auf der Seite des Fuchs stehen sollen, der vor der übereifrigen Krähe fliehen muss. Mit The Little Orphan wurde zudem ein weiteres Mal ein Tom & Jerry-Cartoon nominiert, der letztlich auch den Oscar gewann und dem Katz-und-Maus-Duo so seinen fünften Goldjungen einbrachte. In diesem Film nimmt Jerry über Thanksgiving ein außerordentlich verfesssenes Mäusewaisenkind unter seine Fittiche und muss deshalb nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Teilzeitschützling gegen Kater Tom verteidigen.

Zu guter letzt wurde auch der Looney Tunes-Kurzfilm Mouse Wreckers von Charles M. Jones nominiert. Dieser hatte das nunmehr größtenteils vergessene, selbst einigen Looney-Fans unbekannte Mäuse-Duo Hubie & Bertie als Star, die in den Jahren zuvor Jones schnelleren Humor etablierten und mit Mouse Wreckes in Form des Katers Claude Cat einen neuen Erzfeind erhielten. Die beiden Mäuse wollen sich in diesem Cartoon ein einladendes Haus zur neuen Heimat machen, müssen dazu jedoch unter Verwendung von Slapstick-Gewalt erstmal die Hauskatze verjagen.

In dieser Artikelreihe bin ich ja bemüht, die Oscar-nominierten Donald-Cartoons historisch einzuorten, wozu auch ab und an ein Blick auf die Qualität gehört. Diese Betrachtungen laufen selbstredend eher Gefahr, vom Objektiven ins Subjektive zu driften. Erwähnt werden sollte er meines Erachtens nach trotzdem: Auch wenn Tea for Two Hundred dank der einprägsameren und vor allem auch mühevollen Animation der Ameisen und einem zu Hochform auflaufenden Oliver Wallace, der den gesamten Cartoon mit wandelbaren Melodien untermalt, es vollauf verdient hat, neben der oben genannten Konkurrenz nominiert zu werden, so zieht er im internen Wettstreit der 1948 veröffentlichen Donald-Kurzfilme leicht den Kürzeren. Jack Kings Drip Drippy Donald lässt einen übermüdeten Donald mit einem enervierenden, tropfenden Wasserhahn aneinander rasseln und lässt Disneys Sound Department mit diesem Konzept freien Lauf, so dass ein Stück Tonfilmgeschichte entsteht. Donald's Dream Voice parodiert gekonnt die Sprachprobleme seines Titelhelden, mit dem Gerichtsdramen originell parodierenden The Trial of Donald Duck verabschiedete sich Jack King mit einem ungewöhnlicheren Cartoon in den Ruhestand, und Jack Hannah fand mit Three for Breakfast die Kernformel für einen schmissigen "Donald vs. Chip & Chap"-Cartoon.

Mein persönlicher Favorit dieses Jahres ist aber Soup's On, Jack Hannahs wild gewordene Variante der "Donald und seine Neffen"-Filme, die er als Autor zusammen mit Carl Barks prägte. Sie alle hätten eine Oscar-Nominierung mindestens genauso sehr verdient, wie Tea for Two Hundred. Neben dem Cartoon mit den Frühstück ruinierenden Chip und Chap passt dieser aber am besten ins damalige Beuteschema dieser Oscar-Kategorie – und damit überlasse ich das restliche Diskussionsfeld euren eigenen Köpfen. Ganz gleich, ob ihr zustimmt oder widerstrebt.


Die tänzelnde Wurstschlange, ein vergessener Klassiker des Disney-Humors (oben: Beach Picnic, unten: Tea for Two Hundred)

1948 war nicht bloß das Jahr, in dem sich Jack King in den Ruhestand verabschiedete und eine kunterbunte Mischung aus atypischen Donald-Cartoons sowie ausgezeichneten Ausformungen klassischer Donald-Formeln in die Kinos kam, sondern auch das Jahr, in dem der gefiederte Disney-Star wieder vermehrt Wutanfälle an den Tag legen durfte. Filme mit den für ihn so markanten Temperamentsausbrüchen waren in den Jahren zuvor noch deutlich in der Unterzahl, irgendwie war Donalds Charakter in den Kriegs- und Nachkriegsjahren etwas besonnener. Aber nun lässt sich langsam erkennen, dass die Donald-Filmreihe wieder einen bestimmten Weg anschlägt: Donald sollte in vielen Cartoons dieser Ära sein Umfeld necken und durchdrehen, sobald seine Einfälle übermäßige Reaktionen auslösen. Donald, der emotionsgeladene Frechdachs, der sich gleichzeitig auch in der Opferrolle befindet.

Dieses Bild zeigte 1948 neben Tea for Two Hundred auch Three for Breakfast, in welchem er Chip und Chap nicht einfach vom Frühstückstisch verjagt, sondern mit Gummi-Pfannkuchen in die Irre führt oder auch entnervt in den Toaster steckt. Was so nonchalant runter geschrieben viel brutaler klingt, als es ist. Denn parallel dazu sollte man als Zuschauer auch Verständnis für Donald haben, der einfach in Ruhe frühstücken will. Andere Cartoonreihen hatten zu dieser Zeit scharf umrissene "Sympathieträger / Antipathieträger"-Grenzen. So wollten die Macher von Sylvester und Tweety angeblich, dass sich das Publikum moralisch mit Tweety verbündet, während ab 1949 beim Road Runner und dem Kojoten die Sympathie dem Jäger gelten sollte.

Wie bereits erwähnt, war Tea for Two Hundred der erste von nur zwei Auftritten der karikaturhaften Ameisen. Für weitere Verwendungen waren sie auch einfach nicht flexibel genug. Chip und Chap hingegen boten sich sehr wohl für etwas Abwechslung an, und so kamen 1949 bereits drei Cartoons mit ihnen heraus. Der andersartigste von ihnen erhielt schließlich auch eine Oscar-Nominierung, und deshalb werden wir den Nagern im nächsten Entengold auch wieder begegnen.

Freitag, 27. Januar 2012

Miss Piggy zu Gast bei neoParadise

Wer Joko und Klaas nicht mag, der hat entweder einen sehr "ernsten" Humor oder immer nur die falschen Ausschnitte aus MTV Home gesehen. Klar, nicht jede ihrer Aktionen ist ein Bringer, aber sie vereinen das Freche eines frühen Stefan Raabs mit der Anarchie eines lustvollen Harald Schmidt und der Idiotie von Simon & Elton. Manchmal schleicht sich sogar ein Hauch des satirischen Anspruchs in ihre Auftritte. So auch bei ihrer ZDFneo-Show neoParadise. Nicht alles läuft dort rund, aber die Gespräche mit den Gästen sind stets sehr unterhaltsam.

Gestern wurde wohl ein neuer Höhepunkt in der Karriere dieser zwei Berufs-Flitzpiepen erreicht. Joko interviewte einen der berühmt-berüchtigsten noch aktiven Filmstars, während Klaas vergnügt grinsend daneben saß. Miss Piggy war zu Besuch, und was dabei rauskam, könnt ihr euch hier ansehen:



Die Muppets ist seit letzter Woche in den deutschen Kinos zu sehen und ein absoluter Pflichtpunkt in eurem diesjährigen Kinoprogramm (selbst wenn ihr daran zweifelt, glaubt mir einfach)! neoParadise läuft jeden Donnerstag ab ca. 22.40 Uhr auf ZDFneo und ist auch jederzeit in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Donnerstag, 26. Januar 2012

The Artist


Mit den Oscar-nominerten Filmen Avatar und Hugo Cabret hat das moderne 3D den Film-Olymp erreicht. Trotzdem wird diese Technologie den Ruf nicht los, nur Augenwischerei zu sein, die keine künstlerische Relevanz hat. Das Kino kam jahrzehntelang ohne 3D aus, wieso sollte man plötzlich damit neue Wege finden, Geschichten zu erzählen?

3D hat allerdings auch seine Verteidiger. Einige von ihnen, darunter Martin Scorsese, vergleichen 3D mit Farbe: Man kann Farbe verwenden, einfach nur, weil es Standard wurde, weil es realistischer aussieht, als schwarz-weiß. Doch man Farbe auch verwenden, um den Prozess des Geschichtenerzählens voranzutreiben.
The Artist schlägt derweil in die komplett andere Richtung aus. Während Martin Scorsese mittels 3D früheren Kinozeiten gedenkt, erinnert Regisseur Michel Hazanavicius daran, dass nicht 3D, nicht Farbe, sondern auch der Ton schierer Luxus ist. Er versetzt uns zurück in eine Zeit, als der Stummfilm noch zur Tagesordnung gehörte, und erzählt die Geschichte eines Stummfilmstars, der sich dem modernen Hokuspokus des Tonfilms verweigert. Und dadurch in ein Karrieretief fällt. Erzählt wird diese Geschichte ... ohne Ton. Prätentiöse Kunst, die sich über moderne Techniken echauffiert? Nein! The Artist ist kein snobistisches Produkt eines der Moderne überdrüssigen Zynikers, sondern eine liebevolle und engagierende Hommage an eine verloren gegangene Filmkunst. Und wie kann man Menschen besser für vergessene Künste begeistern, als sie zum Lachen und zum Mitfiebern zu bringen?

The Artist ist eine wunderbare Vereinigung von Kunst und Unterhaltung. Sich technisch und handwerklich bewusst einzugrenzen und mit einer scheinbaren Leichtigkeit eine Hohelied auf den Stummfilm und Künstlerseelen zu singen, erfordert ungeheures künstlerisches Geschick. Doch zugleich ist The Artist im diesjährigen Oscar-Rennen auch der vergnüglichste Anwärter auf die Goldstatuette für den besten Film. Man lacht und leidet mit den Hauptfiguren, man strahlt über den unschuldigen Witz, den der Filmhund Uggie mitbringt, man summt beinahe schon die vergnügliche Filmmusik mit und man wundert sich letztlich, wieso in Filmen eigentlich so viel gelabert wird. The Artist verzaubert und begeistert ohne große Worte. Das ist Unterhaltungskino wie aus den 20er-Jahren, dank sehr feiner Ironie aufbereitet für ein Publikum des neuen Jahrtausends. Und es ist letztlich auch große Kunst - ohne die Arroganz, vieler anderer großer Kunstfilme.

Dienstag, 24. Januar 2012

Oscar 2012: Prognosenauswertung, die Nominierungen, Kommentare


 Eine ausführliche Betrachtung der Oscar-Nominierungen findet ihr hier, an dieser Stelle folgen hingegen nur die Fakten, meine Prognosen-Auswertung und schnelle, kurze Reaktionen zu den einzelnen Kategorien.

Bester Film
- «The Artist»
- «The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten»
- «Extrem laut und unglaublich nah»
- «The Help»
- «Hugo Cabret»
- «Midnight in Paris»
- «Moneyball»
- «The Tree of Life»
- «Gefährten - War Horse»

Treffer: 7/9
Kommentar: Immer wieder wiegelte ich in Gesprächen und den Kommentaren hier im Blog die Möglichkeit einer Nominierung für Tree of Life ab. Ich gebe stolz zu, dass ich mich geirrt habe. Warum hätte ich ihn auch auf dem Schirm haben sollen, wo er doch einfach kein klassisches Oscar-Material ist? Auch wenn ich ihm einen Oscar-Sieg nicht wünsche (meine Filmkritik zu Malicks Magnum Opus folgt irgendwann zwischen übermorgen und dem St. Nimmerleinstag), so bin ich doch sehr froh über seine Nominierung. Extrem laut und unglaublich nah hingegen gehört für mich in die Kategorie von Der Vorleser. *Alten Hass wieder aufkommen lass*

Bester Hauptdarsteller
- Demián Bichir für «A Better Life»
- George Clooney für «The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten»
- Jean Dujardin für «The Artist»
- Gary Oldman für «Dame, König, As, Spion»
- Brad Pitt für «Moneyball»

Treffer: 3/5
Kommentar: Mich freut's ungemein, dass Gary Oldman mir meine Prognose versaut hat. Über Bichir kann ich noch nichts sagen und ich bin mir auch im Unklaren, ob ich irgendwann Lust habe, daran was zu ändern.

Bester Nebendarsteller
- Kenneth Branagh für «My Week with Marilyn»
- Jonah Hill für «Moneyball»
- Nick Nolte für «Warrior»
- Christopher Plummer für «Beginners»
- Max von Sydow für «Extrem laut und unglaublich nah»

Treffer: 3/5
Kommentar: 5 von 5 hätte ich hier eh niemals bekommen, meine "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt"-Prognose mit Serkis war ja eine Verzweiflungstat. Und ich hätte mich unter den ernsthaften Tipps niemals für Nolte entschieden. Passt also. Von Sydow hätte ich vorhersagen können, aber dafür war mir Brooks eine zu sichere Wahl.

Beste Hauptdarstellerin
- Glenn Close für «Albert Nobbs»
- Viola Davis für «The Help»
- Rooney Mara für «Verblendung»
- Meryl Streep für «Die eiserne Lady»
- Michelle Williams für «My Week with Marilyn»

Treffer: 4/5
Kommentar: Dass Mara drin ist, ist für mich (obwohl ich es vorhergesagt habe) eine ebenso große Überraschung, wie das Fehlen von Tilda Swinton. Mich freut's jedoch enorm für Mara. Nächster Schritt: Vollkommen unerwarteter Oscar-Sieg!

Beste Nebendarstellerin
- Bérénice Bejo für «The Artist»
- Jessica Chastain für «The Help»
- Melissa McCarthy für «Brautalarm»
- Janet McTeer für «Albert Nobbs»
- Octavia Spencer für «The Help»

Treffer: 4/5
Kommenar: Hier war ich zu sehr davon überzeugt, dass die Academy alle Klischees erfüllt. Glückwunsch an McCarthy: Für so eine verdiente wie atypische Nominierung opfere ich gerne meinen Prognosenschnitt!

Bester Animationsfilm:
- «A Cat in Paris»
- «Chico & Rita»
- «Kung Fu Panda 2»
- «Der gestiefelte Kater»
- «Rango»

Treffer: 3/5
Kommenar: Wow! Die Academy würdigt zwei europäische Independent-Zeichentrickfilme, die keinen solch großen Hype erlebten, wie L' Illusioniste letztes Jahr. Eine positive Überraschung! Und: Fuck Yeah, das seelenlose, kameratechnisch aber beachtenswerte Abenteuerchen Tim & Struppi hat es nicht geschafft! Und wer mir als nächstes sagt, dass die Academy Pixar für jeden Müll würdigt, bekommt die diesjährigen Oscarnominierungen von mir höchstpersönlich in die Schnauze gerammt. *Kopfkino*


Bestes Szenenbild:
- Laurence Bennett für «The Artist»
- Stuart Craig für «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2»
- Dante Ferretti für «Hugo Cabret»
- Anne Seibel für «Midnight in Paris»
- Rick Carter für «Gefährten - War Horse»

Treffer: 3/5
Kommentar: Mich freut's ungemein für Midnight in Paris, auch Gefährten gönne ich es. Dennoch hätte ich auch meine Favoriten gerne hier gesehen. *Dämliche Begrenzung auf fünf Nominierungen!*

Beste Kamera
- Guillaume Schiffman für «The Artist»
- Jeff Cronenweth für «Verblendung»
- Robert Richardson für «Hugo Cabret»
- Emmanuel Lubezki für «The Tree of Life»
- Janusz Kaminski für «Gefährten - War Horse»

Treffer: 5/5
Kommentar: Ich kenne halt meine visuellen Pappenheimer. Jetzt zwingt mich aber bitte nicht, einen eigenen und einen Oscar-Favoriten zu wählen ...

Bestes Kostümdesign
- Lisy Christl für «Anonymous»
- Mark Bridges für «The Artist»
- Sandy Powell für «Hugo Cabret»
- Michael O’Connor für «Jane Eyre»
- Adrianne Phillips für «W.E.»

Treffer: 3/5
Kommentar: Sandy Powell wird nicht gewinnen, da sie ja nur dann einen Oscar erhält, wenn Colleen Atwood ebenfalls nominiert ist.

Bester Regisseur
- Michael Hazanavicius für «The Artist»
- Alexander Payne für «The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten»
- Martin Scorsese für «Hugo Cabret»
- Woody Allen für «Midnight in Paris»
- Terrence Malick für «The Tree of Life»

Treffer: 4/5
Kommentar: Wo kommt denn der Herr Malick plötzlich her, und wieso kann er nicht Payne statt Spielberg aus dem Rennen kegeln?

Bester Dokumentarfilm
- «Hell and Back Again»
- «If a Tree Falls: A Store of the Earth Liberation Front»
- «Paradise Lost 3: Purgatory»
- «Pina
- «Undefeated»

Treffer: 1/5
Kommentar: Ich habe schlecht geraten.

Bester Kurz-Dokumentarfilm
- «The Barber of Birmingham: Foot Soldier of the Civil Rights Movement»
- «God is he Bigger Elvis»
- «Incident in New Baghdad»
- «Saving Face»
- «The Tsunami and the Cherry Blossom»

Treffer: 4/5
Kommentar: Ich habe gut geraten und habe nun Lust auf einen neuen Kurzfilmtag im Blog. Dann aber bitte mit mehr Rückmeldung, denn zu hören, wie die mir zusagenden Kurzfilme bei euch ankommen, war überhaupt erst der Anlass, sowas zu machen ...

Bester Schnitt
- Ann-Sophie Bion und Michel Hazanavicius für «The Artist»
- Kevin Tent für «The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten»
- Kirk Baxter und Angus Wall für «Verblendung»
- Thelma Schoonmaker für «Hugo Cabret»
- Christopher Tellefsen für «Moneyball»

Treffer: 3/5
Kommentar: Ich gönne Verblendung ja seine Anerkennung, aber den Schnitt hätte ich nun wahrlich nicht nominiert. Dann eher Midnight in Paris, der viel abgerundeter wirkt ...

Bester ausländischer Spielfilm
- «Bullhead» (Belgien)
- «Footnote» (Israel)
- «In Darkness» (Polen)
- «Monsieur Lazhar» (Kanada)
- «Nader und Simin - eine Trennung» (Iran)

Treffer: 3/5
Kommentar: Pina wird in der für mich "falschen" Kategorie berücksichtigt ...

Bestes Make-Up
- Martial Corneville, Lynn Johnston und Matthew W. Mungle für «Albert Nobbs»
- Nick Dudman, Amanda Knight und Lisa Tomblin für «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2»
- Mark Coulier und J. Roy Helland für «Die eiserne Lady»

Treffer: 2/3
Kommentar: Da habe ich The Artist ausnahmsweise überschätzt ...

Beste Filmmusik:
- John Williams für «Die Abenteuer von Tim und Struppi»
- Ludovic Bource für «The Artist»
- Howard Shore für «Hugo Cabret»
- Alberto Iglesias für «Dame, König, As, Spion»
- John Williams für «Gefährten - War Horse»

Treffer: 3/5
Kommentar: Zweimal Williams? Ich lege mich jetzt lieber nicht mit seinen Fans an, aber ich fand die Musik in Tim & Struppi zwar schmissig, aber nicht preiswürdig.

Bester Song
- „Man or Muppet“ von Bret McKenzie aus «Die Muppets»
- „Real in Rio“ von Sergio Mendes und Carlinhos Brown aus «Rio»

Treffer: 1/4 (da ich zwei Leerstellen mehr hätte erahnen sollen)
Kommentar: Needs more Muppet!

Bester animierte Kurzfilm
- «Dimanche/Sunday»
- «The Fantastic Flying Books of Mr. Morris Lessmore»
- «La Luna» (Pixar!)
- «A Morning Stroll»
- «Wild Life»

Treffer: 3/5
Kommentar: Ein bisschen Pixar muss halt sein! :-)

Bester Kurzfilm
- «Pentecost»
- «Raju»
- «The Shore»
- «Time Freak»
- «Tuba Atlantic»

Treffer: 1/5
Kommentar: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen ...

Bester Tonschnitt
- Lon Bender und Victor Ray Ennis für «Drive»
- Ren Klyce für «Verblendung»
- Philip Stockton und Eugene Gearty für «Hugo Cabret»
- Ethan Van der Ryn und Erik Aadahl für «Transformers 3»
- Richard Hymns und Gary Rydstrom für «Gefährten - War Horse»

Treffer: 2/5
Kommentar: Ich wünsch's Verblendung.

Bester Ton
- David Parker, Michael Semanick, Ren Klyce und Bo Persson für «Verblendung»
- Tom Fleischmann und John Midgley für «Hugo Cabret»
- Deb Adair, Ron Bocar, Dave Giammarco und Ed Novick für «Moneyball»
- Greg P. Russel, Gary Summers, Jeffrey J. Haboush und Peter J. Devlin für «Transformers 3»
- Gary Rydstrom, Andy Nelson, Tom Johnson und Stuart Wilson für «Gefährten - War Horse»

Treffer: 3/5
Kommentar: Dito.

Beste visuelle Effekte
- Tim Burke, David Vickery, Greg Butler und John Richardson für «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2»
- Rob Legato, Joss Williams, Ben Grossman und Alex Henning für «Hugo Cabret»
- Erik Nash, John Rosengrant, Dan Taylor und Swen Hillberg für «Real Steel»
- Joe Letteri, Dan Lemmon, R. Christopher White und Daniel Barrett für «Planet der Affen - Prevolution»
- Scott Farrar, Scott BRenza, Matthew Butler und John Frazier für «Transformers 3»

Treffer: 3/5
Kommentar: Real Steel? Echt jetzt?

Bestes adaptiertes Drehbuch
- Alexander Payne, Nat Faxon und Jim Rash für «The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten»
- John Logan für «Hugo Cabret»
- George Clooney, Grant Heslov und Beau Willimon für «The Ides of March – Tage des Verrats»
- Steven Zaillian und Aaron Sorkin für «Moneyball»
- Bridget O’Connor und Peter Straughan für «Dame, König, As, Spion»

Treffer: 4/5
Kommentar: Dass The Help fehlt, überrascht mich. Ides of March ist nun auch nicht so schlecht, wie ich ihn manchmal wirken lasse, dennoch bin ich mir unschlüssig, ob ich ihn in dieser Kategorie dulden mag.

Bestes Original-Drehbuch
- Michael Hazanavicius für «The Artist»
- Annie Mumolo und Kristen Wiig für «Brautalarm»
- J. C. Chandor für «Der große Crash»
- Woody Allen für «Midnight in Paris»
- Asghar Farhadi für «Nader und Simin - eine Trennung»

Treffer: 3/5
Kommentar: Ich hätte es echt niemals gedacht, dass Brautalarm nominiert wird, nachdem schon Hangover an dieser Hürde scheiterte. Wow ...

Insgesamt: 75/119

Naja, eher so im dunkelgrünen Bereich. Besonders bedauerlich ist die eiskalte Schulter, die Super 8 erhielt, und ich hätte mich natürlich für ein paar Nennungen der verfluchten Karibik-Piraten gefreut. Aber da war ja eigentlich eh nicht viel zu erwarten.

Montag, 23. Januar 2012

Die Muppets

"Die Muppets finden durch eine Gruppe treuer Fans zu ihren Ursprüngen zurück." Damit lässt sich die Story des neuen Muppet-Kinofilms ebenso zusammenfassen, wie die Produktionsgeschichte. Aber gut, holen wir mal etwas ausführlicher aus:

Die ungleichen Brüder Gary und Walter wachsen in der beschaulichen Stadt Smalltown auf, irgendwo mitten in den USA. Der (puppenhafte) Walter wird aufgrund seiner kleinen Statur häufig gehänselt, findet aber stets Rückhalt bei seinem warmherzigen (menschlichen) Bruder, sowie im gutmütigen, durchgeknallten Humor der Muppets. Auch lange, nachdem die Muppets ihren Zenit überschritten haben, sind Gary und Walter riesige Muppet-Fans. Walters Lebenstraum ist es, einmal die Muppet-Studios zu besuchen und der verrückte Truppe in persona zu begegnen. Gary, die treue Seele, lädt Walter deshalb auch mit nach Los Angeles ein, wo er zur Feier des zehnjährigen Jubiläums seiner Beziehung mit der Grundschullehrerin Mary hinfährt. Diese wünscht sich zwar, Gary würde sich endlich von seinem kindlichen Bruder emanzipieren, schluckt ihren Ärger aber (bemüht verständnisvoll) herunter. In Los Angeles angekommen muss Walter dann der Wahrheit ins Gesicht sehen: Die Muppet-Studios sind zerfallen, die Truppe getrennt, und die schäbigen, einen Schatten der alten Glanzzeit darstellenden Studios stehen zum Verkauf. Noch dazu an einen raffgierigen Ölbaron, der diese muppethistorische Stätte dem Erdboden gleichmachen will. Um das Studio zu retten, müssten die Muppets wieder zusammenfinden und eine Show auf die Beine stellen ... Jetzt liegt es an Walter, die Muppets zusammenzutrommeln und für ein Comeback zu motivieren. In einer Zeit, in der nur noch zynischer, weltverdrossener Humor und das Publikum verblödende Haudrauf-Unterhaltung zieht ...

Merkt man, dass nicht ein Standard-Muppetautor das Drehbuch zu Die Muppets geschrieben hat, sondern zwei gewaltige Muppet-Fans, die ihre Idole wieder auf der großen Leinwand sehen wollen? Die Muppets ist im Grunde ein glorifiziertes, offiziell abgesegnetes Fanfic. In meiner Zusammenfassung scheint der "Bitte, bitte, nehmt die Muppets wieder wahr!"-Ansatz zugegebenermaßen zu stark durch, der Film bettelt weniger um Aufmerksamkeit (oder schimpft das Publikum für seine Muppetverdrossenheit aus), als dass er eigentlich recht ehrlich mit der Lage der Muppets umgeht. Neben dieser ungewohnt ehrlichen Reflektion dessen, dass die Muppets eigentlich längst aus der Mode sind, flossen auch ein paar Seitenhiebe auf Disney ein. In mehreren Presseinterviews erzählte Jason Segel, dass er während der Zusammenarbeit mit den Jim Henson Studios (die im Rahmen von Nie wieder Sex mit der Ex stattfand), dass er gerne die Muppets sehen würde. Und als ihm erklärt wurde, dass sowohl die Rechte an den Muppets, als auch die tatsächlichen Puppen bei Disney liegen, habe er diese traurige Vorstellung der verlassenen Muppet-Heimat vor Augen gehabt.

Man merkt dem Film immer wieder an, wie Segel zunächst von Disneys Übernahme der Muppets dachte. Die Heimat der Muppets ist verlassen und vergammelt. Ein raffgieriger Konzernbonzen will die Rechte an den Muppets an sich reißen und auf ihrem Vermächtnis herumtrampeln. Neeeein, das hat nichts mit Disney zu tun ...

Tja, und dann ist Die Muppets zu guter letzt auch Jason Segels selbst erfüllter Wunsch, einfach mal eine Episode der Muppet Show zu schreiben. Das bedeutet natürlich, dass der Plot des Films ungeheuerlich simpel ist. Mehr noch, als der anderer Muppet-Filme. Und gewisse Parallelen zu It's a Very Merry Muppet Christmas Movie sind auch nicht zu leugnen. Um ehrlich zu sein: Mir ist das völlig schnuppe. Soll der eigentliche Plot doch so dünn sein, wie ein Blatt Papier. Er wird sehr ansprechend umgesetzt und mit einigen gut ausgearbeiteten Zwischentönen versetzt. Zudem: Wir alle wollten die Muppets wohl endlich mal wieder als sie selbst erleben, statt als wandelnde Weihnachts-Grußkarte oder ungewöhnliche Darsteller in einer Literaturverfilmung. Die Muppets haben sich in ihrer eigentlichen Form schon kennengelernt, ein Broadwaymusical auf die Bühne gebracht und einen Diamantenraub aufgeklärt - dann lasst sie doch im Kino endlich mal eine Fernsehshow machen. Sofern es bei diesem einen Mal bleibt, gehe ich damit völlig d'accord!

Kommen wir nun aber zur eigentlichen Filmkritk. Ihr konntet ja bereits andernorts nachlesen, dass mir der Film sehr gefiel. Um euch hier im Blog etwas mehr bieten zu können, als einen bloßen Hinweis auf diese Kritik, wollte ich mit meiner "Bonuskritik" an dieser Stelle warten, bis ich den Film nochmal "privat" und mit einem Freund sehen konnte. Um vor diesem Hintergrund neu über den Film berichten zu können und vielleicht auch ein paar persönliche, höchst subjektive Lieblingsstellen aufzuzeigen. Und um den Artikel nicht noch weiter in die Länge zu ziehen und uns allen Zeit zu sparen, mache ich das stichwortartig! *Muppet-mäßiger Metagag, hey!*

Das Disney-Feeling
Okay, für manche andere ist es sicher auch ein nostalgisches, Herzen erwärmendes Muppet-Kinofilm-Feeling. Aber da mich die Musik aus den Non-Disney-Muppet-Filmen niemals so richtig packte, sondern bestenfalls amüsierte, nenne ich es an dieser Stelle halt Disney-Feeling. Was so falsch auch nicht ist, denn allen Seitenhieben zum Trotz ist Die Muppets auch ganz klar ein Disney-Streifen. Die Hauptstraße von Smalltown sieht aus wie die Main Street U.S.A. (nur mit maroderem Asphalt *g*), es gibt einen gigantischen "Hidden Mickey", und die ganze Botschaft von Freundschaft und Lebensoptimismus ist halt nicht nur etwas, das aus den klassischen Muppetfilmen entsprungen sein könnte, sondern sich auch ideal in die Disney-Filmgeschichte fügt.

Ein wohliger Schauer erfüllte mich ja im letzten Abschnitt der ersten Musicaleinlage Life's a Happy Song: Dutzende von Tänzern, ein sonniger Schauplatz, eine lebensfrohe Melodie, der kleine Muppet Walter wird keck lächelnd auf einem Koffer ins Bild gefahren und das Orchester schwillt nochmal richtig an. Das versprüht die Stimmung der tollen, früheren Disney-Realfilmmusicals wie Mary Poppins (oder auch früherer Judy-Garland- und Mickey-Rooney-Filme, aber das vermiest mir wieder die Unterüberschrift). Aber auch später im Film kommt immer wieder dieses glückselige, unbesorgte Gefühl auf, einen Film zu sehen, der sein Publikum einfach nur beglücken will. Klasse.

Amy Adams und Jason Segel
Wirklich gefordert werden die beiden wahrlich nicht in diesem Film, das stimmt. Da hatten Tim Curry (Muppets - Die Schatzinsel) und Michael Caine (Die Muppets-Weihnachtsgeschichte) neben den Muppets mehr Gelegenheit, sich zu beweisen. Auch hätte ich mir gewünscht, dass die Zerrissenheit von Jason Segels Gary, zwischen unbekümmerter, ewiger Jugend in einer Welt des Muppet- und Disney-Kitsch, und einer "echten" Beziehung mit Mary besser ausgelotet wird. Der Konflikt wird immer wieder angedeutet, ich habe ihn lieber halbgar im Film drin, als komplett draußen (da er der Geschichte etwas Erdung gibt sowie die Chance für eine tolle Gesangseinlage), dennoch wünsche ich mir mit Blick auf dessen, was Pixar vermagt, irgendwie mehr Tiefe. Wenn Jason Segel aber dazu kommt, seine Rolle richtig auszuspielen, macht er das sehr charmant und nachfühlbar. Zugleich ist er aber in einigen gemeinsamen Szenen mit den Muppets sowie in vielen Momenten des bereits genannten Life's a Happy Song wirklich denkbar kurz davor, in einen Freudentaumel auszubrechen, tatsächlich mit den Muppets drehen zu dürfen. "Gutes Schauspiel" ist das nun nicht, jedoch spielt er ja zum Glück einen Muppet-Fan (womit man sich sein kindliches Grinsen auch werkimmanent erklären kann) - und Segel ist mir auch enorm sympathisch, weshalb ich darüber hinwegsehen kann. Wer Segel (weshalb auch immer) nicht leiden kann, könnte sich aber ab und zu an ihm stoßen, befürchte ich.

Amy Adams hat darstellerisch noch weniger zu tun, ist allerdings genauso grundsympathisch und kann im Gegensatz zu Jason Segel ihre wahre Freude über ihre Rolle insofern verbergen, als dass sie nie davor ist, die Illusion zu brechen. Zugleich spürt man aber natürlich auch ihr an, wie sehr sie die Arbeit an diesem Film genießt. Und diese Spielfreude ist sehr viel wert - eigentlich ist Mary keine nennenswerte Figur. Sie hält Gary etwas auf dem Boden der Tatsachen, ist jedoch keine "Antagonistin" und somit öfter Mittel zum Zweck. Doch sie ist sooo sympathisch, und Adams kann hervorragend singen und tanzen. Segel und Adams sind somit die Multiplikatoren der Filmwirkung: Die Muppets machen einen in diesem Streifen wieder richtig glücklich, und die Dynamik dieser beiden verstärkt alles nochmal.

Der Humor
Die Muppets wurden nicht weichgespült. Es gibt versteckte Zweideutigkeiten, eine kurze Drogenanspielung und humoresque Gewalt. Wie in guten, alten Zeiten, als die Muppet-Macher Janice von ihrer Einstellung zu Nacktfotos erzählen ließ und Sketche, die keinen Schlusspunkt finden wollen, damit beendet haben, alle darin vorkommenden Muppets in die Luft zu jagen. Die Muppets werden in diesem Film allerdings auch nicht verdorben. Manche der jüngeren Muppet-Werke jagten Fans der ersten Stunde ja richtige Schrecken ein, hier hingegen zeigen sie wieder ihren grundauf positiven Humor. Sie sind albern, durchgeknallt, bescheuert ... und niemals böswillig. Es gibt saudämliche Wortwitze, cleveren Meta-Humor und sowohl Dinge, wo man denkt "Nee, das machen die jetzt doch nicht?!", als auch wirklich fantasievolle Einlagen. Mir ganz persönlich fehlte nur eine würdige Repräsentation der surrealen Seite der Muppet Show. Es fanden zwei skurrile Gesangsnummern den Weg in den Film, in denen die Muppets auf ihre eigene Art Chartmusik coverten, was eigentlich auch vollauf amüsant ist. Nur hätte es für mich noch eine dieser künstlerisch-abgehobenen Stücke geben dürfen. Naja, vielleicht an anderes Mal.

Dennoch: Franz Oz äußerte sich ja negativ über den Eindruck, den ihm das Marketing vermittelte. Die Muppets hätten ihr Niveau verloren. Nein. Sie fanden es wieder!

Die Muppets
Die Muppets sind eine so große Gruppe an Figuren, dass es nahezu unmöglich ist, jeden Muppet-Fan bezüglich der Aufmerksamkeit, die einzelnen Persönlichkeiten zu Teil kommt, vollauf zufriedenstellen kann. Dieser Film stellt zum Beispiel Gonzo wieder etwas weiter zurück. Da er in den letzten drei Kinofilmen eine sehr prominente Rolle hatte, ist das vollkommen verständlich, ja, fast sogar fair. Richtig glücklich bin ich auch, dass Miss Piggy nicht überreizt wird. Natürlich hat sie ihre große Szenen, ihr kommt mehr Aufmerksamkeit zu Teil als Gonzo oder auch Fozzie, ihre vielen Fans werden also sicherlich nicht zu kurz kommen. Jedoch kann Piggy schnell auch übermächtig werden, und ich selbst war nie ein großer Anhänger von ihr, so dass es mich stets doppelt nervte, wenn ihr Diva-Gehabe, das ständige Rumbaggern und das Verprügeln von Co-Stars völlig aus dem Ruder lief. Der große Muppet-Krimi etwa leidet in meinen Augen sehr unter dem Rumgenöle Piggys. In Die Muppets dagegen wird sie genau richtig eingesetzt.

Schade finde ich hingegen, dass Honigtau Bunsenbrenner und Beaker nicht in ihrem wissenschaftlich-chaotischen Element gezeigt wurden. Und auch Rolf, der mit in diesem Film wohl endgültig wieder in der ersten Reihe der Muppet-Riege zurückkehrt, hätte gerne noch mehr von sich zeigen dürfen. Der Muppet-Fernsehmarathon im Film scheint fast nur aus Gesang zu bestehen - ein Tierklinik-Sketch hätte da noch sehr gerne mit hineingedurft. Vielleicht hätte man so auch Walters Rolle noch etwas weiter aufbauen können, etwa, indem ihm eine Rolle im Sketch angeboten wird, und er ablehnt oder in letzter Sekunde etwas umorganisiert werden muss.
Ich finde auch, dass Dr. Goldzahn und die Band noch ihren Musikstil mehr hätten ausleben sollen. Dafür stört es mich nicht so sehr, dass Statler und Waldorf so wenig vorkamen. Sie hatten in den Muppet-Filmen nie viel zu tun, und (ohne nachgemessen zu haben) mir scheint, dass sie in diesem mehr kommentieren, als je zuvor in den Kinofilmen. Das reicht mir schon. Dafür fand jeder andere, mit dem ich Die Muppets sah, den Mangel an den Meckeropas bedauerlich ...


Sonstige Gedanken
Als ich Die Muppets das erste Mal sah, fand ich die Wiedereinführung Rolfs, trotz ihrer humorigen Note, richtig rührend. Ich glaub, ich war sogar ganz kur davor, ein kleines Tränchen zu verdrücken. Jim Hensons liebster Muppet, der mangels eines hinnehmbaren Ersatz für Henson nach seinem Tod an den Rand gedrängt wurde, findet nun wieder im Kern der Muppet-Gruppe Platz. Und er hat all die Zeit über nur geruht ... Fast schon poetisch. Gleichzeitig ist es aber auch enorm witzig, wie Rolf seine Zeit ohne die Muppets verbracht hat, und das kam beim zweiten Mal besser rüber. Die Stimmung im Saal war viel lockerer, es wurde viel lauter über kleinere Gags gelacht, und *zack* war diese Stelle einfach nur urkomisch.
Das nervigste am Film war übrigens das digital eingefügte Cars 2-Poster, das in gleich zwei Szenen dämlich grinsend über das Geschehen wacht. Und da stimmt übrigens mein Kumpel mit mir überein, der Cars 2 nicht gesehen hat, also muss es nicht allein an meinem Hass für Pixars Kreativflop liegen. Wenn in vierzig Jahren nur noch Pixar-Fans von diesem Film wissen, und Die Muppets ein Musical- und Familienklassiker ist, wird man sich wegen dieser Crosspromotion noch in den Allerwertesten beißen.

Weiterführende Artikel:

Oscar 2012: Meine vollständige Prognose der Nominierungen

Morgen ist es wieder so weit: Die Nominierungen für den Academy Award werden bekannt gegeben. Viele, wie ich finde spannende, Fragen werden dann endlich beantwortet: Schafft es Pixar mit seinem mit Abstand schlechtesten Film nominiert zu werden? Werden die Muppets bei den Oscars berücksichtigt? Wieviele Oscar-Nominierungen erhält The Artist? Und wieviele Filme werden überhaupt als "Bester Film" nominiert?

Bevor es bald die endgültigen Antworten gibt, möchte ich meine Spekulationen loswerden. Damit ich sie morgen wieder vergessen kann. Oder mich feiern lasse. Je nachdem ...

Bester Animationsfilm:
  • Rango
  • Die Abenteuer von Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn
  • Arthur Weihnachtsmann
  • Kung Fu Panda 2
  • Der gestiefelte Kater
Seit meiner letzten Prognose in dieser Kategorie habe ich erneut meine Meinung geändert und Winnie Puuh rausgeschmissen. Schweren Herzens, fand ich ihn doch berückend charmant. Aber mit den ebenfalls sehr warm aufgenommenen und zudem etwas breitere Aufmerksamkeit erlangenden Filmen Rango, Tim & Struppi, Arthur Weihnachtsmann, Kung Fu Panda 2 und Der gestiefelte Kater ist die Konkurrenz zu groß. Eigentlich mutmaßte ich ja, dass es keine zwei DreamWorks-Produktionen zu einer Nominierung schaffen werden, doch ich sah mich einfach gezwungen Winnie Puuh rauszunehmen. Zumal ich bisher völlig vergaß die Annie-Nominierungen zu berücksichtigen. Und da glänzt der dumme, alte Bär mit Abwesenheit in der Hauptkategorie ...

Beste Spezialeffekte:
  • Captain America: The First Avenger
  • Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2 
  • Hugo Cabret
  • Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten
  • Planet der Affen - Prevolution 
Anfang des Monats veröffentlichte die Academy eine Liste von zehn Filmen, aus denen letztlich die fünf Nominierungen für die Effektekategorie gewählt werden. Wenige Tage später gab die Visual Effects Society die Nominierungen für ihre alljährliche Ehrung der besten Spezialeffekte bekannt, und von den zehn möglichen Oscar-nominierten Filmen wurden sechs in den beiden Hauptkategorien "Beste Effekte in einem effektgeladenen Kinofilm" und "Beste unterstützende Effekte in einem Kinofilm" mit einer Nennung bedacht: Captain America, Harry Potter 7.2., Hugo Cabret, Fremde Gezeiten, Planet der Affen - Prevolution und Transformers 3. Da liegt der Verdacht nahe, dass einer dieser sechs Filme rausfällt und der Rest dann die Oscar-Nominierungen darstellt. Transformers 2 wurde damals nicht für den Oscar nominiert, und Transformers 3 wurde bislang für unerwartet wenig andere Indikatorpreise nominiert. Also wage ich mich etwas aus meinem Fenster und tippe darauf, dass sich der mit Neuerungen (nach oben fließendes Wasser, Meerjungfrauen) aufwartende vierte Piraten-Film gegen Transformers 3 durchsetzt, der ja im Grunde nur mehr vom alten bietet. Zudem scheint man bei der Academy generell eher eine schwache Ader für PotC als für Transformers zu haben. Ein riskanter Tipp von mir, aber ich würde mich mehr ärgern, wenn ich Fremde Gezeiten nicht vorhergesagt habe (er aber nominiert wird), als wenn ich meine Statistik wegen einer falschen Nennung von Transformers 3 versaubeutle.

Bestes Make-up:
  • Albert Nobbs
  • The Artist
  • Die eiserne Lady
Hier bleibe ich stur bei meiner letzten Prognose.

Beste Kostüme:
  • Hugo Cabret
  • Jane Eyre
  • My Week With Marilyn
  • The Artist
  • The Help
Am liebsten würde ich hier noch auf Captain America setzen,  die comichafte Version der 40er ist wirklich atemberaubend und Anna B. Shephard ist eine zweifach Oscar-nominierte Kostümschneiderin, die sicher noch weitere Nominierungen sammeln wird ... Aber ich habe "Angst" auch nur irgendeinen der oben genannten Filme rauszukicken.

Bestes Szenenbild:
  • Hugo Cabret
  • The Artist
  • Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2 
  • The Help
  • Captain America: The First Avenger
Es schmerzt mich sehr, Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten nicht in meine Liste aufzunehmen. John Myhre wurde bereits zweimal mit einem Oscar ausgezeichnet, beide Male für seine Zusammenarbeit mit Rob Marshall, und auch für Nine wurde er nominiert. Fremde Gezeiten hat auch einige sehr imposante Sets zu bieten, etwa den Palast des Königs und Blackbeards Kajüte. Doch Disney hat sich dieses Jahr wenig Mühe in der Kampagnenphase gemacht, und es können nunmal nicht alle für die Gewerkschaftspreise nominierten Filme ins Oscar-Rennen drängeln ...

Beste Kamera:
  • Gefährten
  • The Artist
  • Tree of Life
  • Hugo Cabret
  • Verblendung
Das sieht sicher so aus, als würde ich von den Oscar-Experten abschreiben. Aber es hat schon seinen Grund, dass nahezu alle mit einem Hauch von Ahnung auf diesen Fünferpack setzen. Alle fünf Filme sind visuelle Glanzleistungen und auf ihre eigene Art herausragend. Dass hinter den meisten von ihnen zudem ein alteingesessener, hoch angesehener Kameramann sitzt, hilft natürlich auch ...

Bester Schnitt:
  • Moneyball
  • Hugo Cabret
  • Gefährten
  • The Artist
  • Midnight in Paris
Der Schnitt ist eine der von den meisten Kinogängern am sträflichsten übersehene Leistungen, und eigentlich kann man diese Kategorie von allen technischen am ehesten noch zusammen mit Regie, Drehbuch und Darstellung zu den Hauptkategorien zählen. Denn hier mischen sich Action und Thrill mit den "Bester Film"-Kandidaten. Midnight in Paris könnte also jederzeit gegen Verblendung oder The Descendants eingetauscht werden. Aber da ich mich zwischen diesen drei Filmen eh nicht entscheiden konnte, vertraue ich einfach blauäugig darauf, dass der poetische Rhythmus von Midnight in Paris entlohnt wird ...

Bester Ton:
  • Super 8
  • Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten
  • Gefährten
  • Hugo Cabret
  • Moneyball
Bis auf Gefährten sind die oben genannten Filme für die Auszeichnung der Cinema Audio Society nominiert, und Gefährten scheint mir audiovisuell zu imposant, als dass er völlig übergangen werden könnte. Beim CAS Award wird dieses Jahr übrigens Fremde Gezeiten-Regisseur Rob Marshall mit einem Ehrenpreis gewürdigt. Das steigert mein Vertrauen in eine Oscar-Nominierung für Fremde Gezeiten, den ich aufgrund der Rezeption eigentlich nur noch bedingt auf meiner Rechnung hatte.


SoundWorks Collection: The Sound of The Muppets from Michael Coleman on Vimeo.

Bester Tonschnitt:
  • Verblendung
  • Planet der Affen - Prevolution
  • Super 8
  • Hugo Cabret
  • Die Muppets
Die Gewerkschaftspreise der Toncutter sind wesentlich unübersichtlicher und umfassender als die für die Tonmischer, was eine Vorhersage deutlich erschwert. Im Grunde kann man sagen: Action und Musicals, das zieht in dieser Kategorie. Gerne werden auch mal Trickfilme nominiert, da ja die komplette akustische Umgebung erschaffen werden muss. Dieses Jahr wette ich auf eine Nominierung von Die Muppets, denn dieser Film erfüllt nicht nur die Musical-Sparte, sondern ist eine wahre tontechnische Herausforderung: Jedes Geräuschfitzelchen der Muppet-Spieler muss weggefiltert werden (von der Stimme abgesehen), zugleich muss man die Schritte der Muppets künstlich einfügen. Und das alles dann noch mit Musik, Geräuschkulisse und Dialog abstimmen. Verblendung muss ebenfalls einfach in einer Ton-Kategorie nominiert werden!

Bestes Original-Drehbuch:
  • Midnight in Paris
  • Young Adult
  • The Artist
  • Der große Crash - Margin Call
  • 50/50
Seit meiner letzten Prognose konnte ich Young Adult sehen (Kritik folgt zum Kinostart, weil ... muss so), was meine Zweifel an einer Nominierung in Luft auflöste. Dafür habe ich 50/50 an Stelle von Win Win genommen, weil ersterer, so wie es mir scheint, etwas mehr Hype um sich versammeln konnte.

Bestes adaptiertes Drehbuch:
  • Moneyball
  • The Descandents
  • The Help
  • Hugo Cabret
  • Dame, König, As Spion
Die ersten vier scheinen mir selbstredend, schwer ist es, sich für den letzten Eintrag zu entscheiden. Ides of March? Dame, König, As, Spion? Verblendung? Nach den BAFTA-Nominierungen bin ich in einer Spion-Laune ...

Bester fremdsprachiger Film:
  • Pina
  • Nader und Simin – Eine Trennung
  • In Darkness
  • Footnote
  • Omar Killed Me
Neun Filme sind im Rennen, fünf werden nominiert. Genug Raum, um sehr gut zu raten, oder sich völlig zu blamieren ...

Beste Dokumentation:
  • Project Nim
  • Bill Cunningham New York
  • Semper Fi: Always Faithful
  • Undefeated
  • The Loving Story
Ich gebe zu: Ich rate ...


Bester animierter Kurzfilm:
  • La Luna
  • The Fantastic Flying Books of Mr. Morris Lessmore
  • Wild Life
  • Luminaris
  • Specky Four-Eyes
Von Pixars La Luna abgesehen kann ich nur raten, was bei der Academy Chancen hat ...

Bester Kurzfilm:
  • Je Pourrais Être Votre Grand-Mère (I Could Be Your Grandmother)
  • Love at First Sight
  • The Road Home
  • Sailcloth
  • Time Freak
Euer Tipp ist so gut wie meiner ...

Beste Kurz-Dokumentation:
  • Incident in New Baghdad
  • Pipe Dreams
  • The Barber of Birmingham
  • The Tsunami and the Cherry Blossom
  • God is the Bigger Elvis
Es gibt nur acht mögliche Nominierungen, also kann man ja schonmal nicht total daneben liegen. Nur peinlich daneben!

Beste Nebendarstellerin:
  • Jessica Chastain - The Help
  • Berenice Bejo - The Artist
  • Octavia Spencer - The Help
  • Shailene Woodley- The Descendants
  • Janet McTeer - Albert Nobbs
Immer wieder taucht, auch auf seriösen Oscar-Blogs, Melissa McCarthy für Brautalarm auf, was für mich jedoch zu den größten Überraschungen gehören würde, sollte dies tatsächlich passieren. Eine dicke, sexhungrige Dame, die mit Delfinen kommuniziert, in ein Waschbecken kackt und haarigen Kerlen ein Sandwich vom nicht ganz durchtrainierten Bauch mampft - das schreit nicht gerade "Oscar". So witzig und (was so niedergeschrieben kaum zu glauben ist) "würdevoll" McCarthy dies auch gelang. Sie hat in Brautalarm keine verschachtelte Rolle a la Downey junior in Tropic Thunder, und wenn man als Komikerin nichtmal beim Globe nominiert wird, wie soll das beim Oscar hinhauen? Ich würde mir ja noch wünschen, dass Emma Stone an Stelle von McTeer tritt, um The Help in die Riege der dreifach in dieser Kategorie nominierten Filme zu hieven. Doch Stone wurde die gesamte Saison über ignoriert, wieso also sollte sie plötzlich mit im Rennen sein?

Bester Nebendarsteller:
  • Christopher Plummer - Beginners
  • Albert Brooks - Drive
  • Kenneth Branagh - My Week with Marilyn
  • Jonah Hill - Moneyball
  • Andy Serkis - Planet der Affen: Prevolution
Okay, okay. Ich sehe Serkis nicht wirklich im Rennen. Doch ich kann mich für den fünften Rang nicht zwischen Nick Nolte (Warrior), Patton Oswalt (Young Adult), Viggo Mortensen (A Dangerous Method) und Corey Stoll (Midnight in Paris) entscheiden. Also tippe ich auf Serkis, um gegebenenfalls einen mächtigen Prognosen-Triumph zu feiern, statt mit gut Glück vielleicht richtig zu liegen. Oder halt daneben.


Beste Hauptdarstellerin:
  • Viola Davis - The Help
  • Meryl Streep - Die eiserne Lady
  • Michelle Williams - My Week With Marilyn
  • Tilda Swinton - We Need To Talk About Kevin
  • Rooney Mara - Verblendung
Ich habe ein bisschen Angst, dass Mara rausfliegt. Glenn Close (Albert Nobbs) pocht nämlich ebenfalls auf eine Nominierung, 


Bester Hauptdarsteller:
  • George Clooney - The Descendants
  • Jean Dujardin - The Artist
  • Brad Pitt - Moneyball
  • Michael Fassbender - Shame
  • Leonardo DiCaptio - J. Edgar
Alternative: Michael Shanno für Take Shelter.


Beste Regie:
  • Woody Allen - Midnight in Paris
  • Martin Scorsese - Hugo Cabret
  • Michel Hazanavicius - The Artist
  • Alexander Payne - The Descendants
  • Steven Spielberg - Gefährten
Genauso gut könnte man David Fincher für Verblendung nennen (DGA-nominiert, aber zu düsteres Werk für eine typische Nominierung), Terence Malick (Tree of Life hat seine innigen Fans ... und ist für Gelegenheits-Nominierungen zu verkopft), Tate Taylor für The Help (bekommt schnell ein paar Stimmen seitens der Schauspieler) oder Nicolas Winding Refn für Drive (der Überraschungs-Kandidat) nennen. So viele "Bester Film"-Anwärter, so wenig Regie-Slots, die man füllen darf ...


Beste Musik:
  • Ludovic Bource - The Artist
  • Howard Shore - Hugo Cabret
  • John Williams - Gefährten
  • Trent Reznor & Atticus Ross - Verblendung
  • Michael Giacchino - Super 8
Mehr zu dieser Kategorie habe ich bereits hier geschrieben. Von meinen Favoriten kann es irgendwie jeden treffen, also heißt's "Augen zu und durch".


Bester Song:
  • Life's a Happy Song aus Die Muppets
  • Man or Muppet aus Die Muppets
  • The Living Proof aus The Help
  • The Keeper aus Machine Gun Preacher
Auch wenn Die Muppets bei den Globes ignoriert wurde, bin ich weiterhin davon überzeugt, dass sie bei den Oscars Anerkennung finden. Durch die dämliche, wegen Verwünscht eingeführten Regel, dass nur zwei Lieder pro Film nominiert werden dürfen (was zum Teufel hat Alan Menken der Academy getan?), stellt sich nur die Frage, welche der Muppet-Songs auf den Oscar hoffen dürfen. Drei Stück haben sich qualifiziert: Kermits nostalgische, zerbrochene Freundschaften besingende Ballade Pictures in My Head, die klassische, frohgemute Musical-Eröffnungsnummer Life's a Happy Song und der kraftvolle Selbstfindungssong Man or Muppet. Wie ihr seht, entschied ich mir für Life's a Happy Song, weil er auch eine imposante, im positiven Sinne altmodische Tanzsequenz spendiert bekam, sowie eine Reprise. Kommt immer gut und erinnert an frühere Glanzzeiten des Filmmusicals. Außerdem erhielt dieses Lied bereits ein par Auszeichnungen. Von den anderen beiden habe ich recht knapp Man or Muppet den Vorzug gegeben, weil es den Plot etwas mehr vorantreibt und zudem eine straffere Dramaturgie hat. Pictures in My Head ist als Lied genauso gut, aber irgendwie muss ich mich ja entscheiden, und wer weiß, vielleicht lenken die eingestreuten Muppet-Einzeiler die Jury vom emotionalen Kern des Liedes ab? *mutmaß*

Der Rest ist mir dieses Jahr eigentlich völlig schnuppe. Madonna wird nach ihrem Globe-Sieg, denke ich, nicht nominiert. Am kollektiven Raunen, dass sie gewonnen hat, konnte man ablesen, dass viele sie nichtmal nominiert hätten. Von den Globe-Songs schien mir The Help die meiste Anerkennung bekommen zu haben, und da ich dem Film eh bei den Oscars was zutraue ... The Keeper klingt für mich wie diese öden Western-Balladen, die neuerdings bei der Academy ziehen, und wisst ihr was: Da diese Kategorie in den letzten Jahren eh gemacht hat, was sie will, sage ich vorher, dass es bei vier Nominierungen bleibt. So! (Und hier findet ihr alle qualifizierten Titel)



Bester Film:
Ich halte den Filmen, die ich zuletzt vorhergesagt habe die Treue. Nur bei der Rangfolge bekomme ich kalte Füße. Es kann fünf bis zehn Nominierungen geben, und aufgrund cleverer Tricks eines Filmjournalisten kursiert der Gedanke, dass es schlussendlich acht Nominierungen werden. Dem schließe ich mich an, dennoch möchte ich hier das komplette mögliche Spektrum abdecken. Deswegen folgen nun zehn Filme, von "Sind bei fünf Filmen dabei" runter auf "Wenn's zehn werden, hat der letzte Glück": 

  • The Artist
  • The Descendants
  • Gefährten
  • The Help
  • Midnight in Paris
  • Hugo Cabret
  • Moneyball
  • Verblendung
  • Drive
  • Ides of March
Schon bald sind wir klüger. Dann werden Haare gerauft, Korken geknallt und Langeweile ausgesprochen. Ich freu mich wahnsinnig. Andere nennen den Karneval ihre fünfte Jahreszeit, für mich ist's die Oscar-Saison. *Albernes Papphütchen aufsetz und besoffen schlechte (Oscar-)Lieder sing*

Ähm, ja ... ihr merkt vielleicht: Ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Artikel beenden soll. Also wünsch ich euch viel Spaß bei eurem eigenen Oscar-Tipp und vertröste euch schonmal auf die morgige Auswertung der Nominierungen.