Samstag, 27. Januar 2024

Mediatheken-Tipps (27. Januar 2024)

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Und hier ist sie, die erste Welle an Mediatheken-Tipps!

Rififi am Karfreitag (Gangster-Thriller, 1980) Rau, spannend und saustark gespielt: Bob Hoskins begeistert als faszinierend-unangenehmer, sich aber um Besserung bemühender Halunke, der kurz davor steht, einen lukrativen Deal einzugehen. Vielleicht könnte der wohlhabende Fiesling bald darauf sogar ehrlich werden - doch genau jetzt kommt es in seinem Revier zu einer Reihe an zunehmend brutaleren Anschlägen. Diese setzen seine Zukunft auf's Spiel, weshalb er zügig handeln muss. John Mackenzie schuf hiermit quasi den schroff-schmutzigen, aus dem Bauch heraus agierenden Vorgänger des kühleren, kopflastigeren A Most Violent Year. Mit explosiven Gewaltspitzen und waschechtem Gänsehaut-Finalakt. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 30. Januar 2024

Die Wahrheit über Lolita (Dokumentation, 2021) Regisseurin Olivia Mokiejewski begibt sich auf Spurensuche im Fall des Skandalstoffs Lolita. Was beeinflusste Vladimir Nabokov zu seinem Roman, wie begründete er seine Entscheidungen, wie wurde er in der zeitgenössischen Kulturkritik aufgenommen und wie formten Jahrzehnte der Fehlinformation (durch Menschen, die den Roman diskutieren, obwohl sie ihn nicht gelesen haben) sein öffentliches Bild? Sehr informativ, niemals spröde, mit Freude daran, eine passionierte, aber auch nuancierte Diskussion anzustacheln. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 8. Februar 2024

See for Me (Thriller, 2021) Seit ihrer plötzlichen Erblindung ist (Ex-)Spitzen-Skifahrerin Sophie demotiviert, schroff und wütend. Ihr wird zwar angeboten, sie für die Winter-Paralympics zu trainieren, jedoch scheint sie sich aufgegeben zu haben. Stattdessen arbeitet sie grantelnd als Haus- und Katzensitterin. Bei ihrem neusten Auftrag passiert Schreckliches: Gewaltbereite Diebe steigen in die Reichen-Villa ein, auf die sie aufpasst... Das nicht-binäre Schauspieltalent Skyler Davenport brilliert in einer forschen, aneckenden, dennoch äußert charismatischen Performance, was im Zusammenspiel mit dem sich zwar an Home-Invasion-Konventionen orientierenden, diese aber immer wieder fesch durchklopfenden Skript für spannend-kurzweiligen Thrill sorgt. ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 21. Februar 2024

Die defekte Katze (Drama, 2018): Pegah Ferydoni spielt die Iranerin Mina, die den aus dem Iran stammenden, mittlerweile in Deutschland lebenden Arzt Kian (Hadi Khanjanpour) heiratet. Regisseurin Susan Gordanshekan schildert in ruhigen, genau beobachtenden Szenen, wie sich Mina schleichend in Deutschland einlebt, das Paar schwankend funktionaler und dysfunktionaler wird, und wie unsere Gesellschaft es Zugezogenen (und insbesondere: zugezogenen Frauen) erschwert, sich zurechtzufinden. Berührende Performance von Ferydoni. Alltäglich-ruhig inszeniert (mit einer Prise Metaphorik). Und etwas spröde. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 3. April 2024

Kiss Me Kosher! (Romantik-Dramödie, 2020) Regisseurin/Autorin Shirel Peleg erzählt mit pochendem Herzen, eloquent abgewandelten Culture-Clash-Konventionen, wärmender Lebensfreude und einem unverkrampft um Diplomatie bemühten Sinn für's Drama von der Liebe zwischen der deutschen Biologin Maria (Luise Wolfram) und der israelischen Barbesitzerin Shira (Moran Rosenblatt). Um Biss ist Peleg nicht bemüht, sondern mehr darum, mit Lebensfreude von den Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung zu erzählen, deren Familienkontext (geschichts-)politisches Konfliktpotential bietet. Diese Schwerpunktlegung auf den individuellen Familien-/Liebesalltag kommt ihr überzeugend von der Hand, ohne weichgespült zu wirken. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 26. April 2024

Wach (Found-Footage-Coming-of-Age-Thrillerdrama, 2018) Es sind Filme wie dieser, weshalb ich die ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel liebe: Regisseur/Autor Kim Frank und Autorin Hannah Sioda hauen mit Wach einen intensiven Mix aus Teilgenerationen-Porträt, dorniger Huldigung des "Ich brauch keinen Schlaf!"- und Nachteulen-Lebensgefühls und Found-Footage-Sexual-Thrillerdrama heraus, der wachrüttelt (höhö, höhö), niederknüppelt und aufscheucht: Jana McKinnion und Alli Neumann sind beste Freundinnen mit instabilem Nervenkostüm und brüchigem Familienhintergrund. Eines Tages beschließen die 17-Jährigen, ihrem Alltag zu entfliehen, indem sie so lang wie möglich wachbleiben. Partylaune, Tiefen, diese Orientierungslosigkeit nach dem Überkommen des wunden Punktes, das Vergessen sämtlicher Sorgen, gefährlicher Wagemut, sexuelle Erkundungslust und durch geschwächtes Verantwortungsgefühl neu erschaffene Sorgen folgen. Die Performances gehen unter die Haut und brennen sich ins Gedächtnis, die ungeschönte Low-Budget-Bildsprache ist im besten Sinne anstrengend. Vital, melancholisch und überreizt! ZDF-Mediathek, Ablaufdatum unbekannt