
Alestorm ist zwar nicht gerade eine Band
mit überschaubarer Mannschaftsgeschichte, doch der Kapitän (beziehungsweise Sänger Christopher Bowes) und sein ehrfurchtgebietenes Klangschiff blieben stets die selben. Ebenso blieb Bassist Dani Evans der Band seit er schanghaied und in Alestorms Dienste gestellt wurde der verflucht( gut)en Metal-Piratencrew treu, bloß wanderte er vom Bass ab zur E-Gitarre, während nun ein auf dem Schotten-Schoner gelandeter Ire den Bass zupfen darf.
Was ist sonst so neu, auf der zweiten Langspielplatte der piratigsten Power-, Trash- und Folk-Metal-Band der sieben Weltmeere?
Am markantesten an
Black Sails at Midnight, dem bereits zweiten Album der Rockerpiraten, ist wohl, dass die Truppe zwischen der (enttäuschenden) EP
Leviathan und dem neusten Werk offensichtlich einen Musikinstrumente verschiffenden Handelsfrachter überfielen: Die übliche Auswahl aus E-Gitarre, Keyboard, Schlagzeug und Bass wird jetzt durch eine irische "Tin Whistle", einem Dudelsack, einer Violine und, einer Posaune und zwei Trompeten verstärkt, was den neuen Titeln wahlweise eine folklorische Würze und einen offensichtlicher an große Soundtracks erinnernden Bombast verleiht.
Dadurch (und dank mehr als seefestem Songwriting) vollbringt die Alestorm-Crew mit
Black Sails at Midnight das lobenswerte Kunststück auf der einen Seite ein abwechslungsreiches Album abzuliefern, das nicht einfach vom fantastischen Erstling abkupfert, auf der anderen Seite jedoch ihren Fans genau das liefert, was sie erwarten. Alestorm segelt sozusagen auf den dieser rauen Truppe altbekannten Seewegen, vollführt in den entscheidenden Seeschlachten dafür jedoch so manch neue Kampftechniken und schreckt nicht davor sich zurück die frisch erbeuteten Säbel und Enterhaken mit musikalischem Blut zu beschmutzen. Denn Alestorms Stärke, sich mit sturmerprobt festem Schritt durch die verschiedensten musikalischen Subgenres zu metzeln und alles zu nehmen, was diese Piraten kriegen können, kommt auf diesem Album erneut zum Vorschein:
Black Sails at Midnight vereinigt die Schnelligkeit und Eingängikeit von Power Metal, die Wildheit von Thrash Metal, den charmanten Anachronismus von Folk Metal und hie und da auch rockige Leichtigkeit miteinander und vereint es zu einem melodiösen, harten, piratenstarken und spaßigem Gesamtpaket. Partysongs und atmosphärischere, ernstzunehmendere Stücke, moderne Titel mit Piratenthema und "echte" Piratensongs (die halt rein zufällig auf die Hilfe von Elektrizität zurückgreifen können), wo Alestorm in ihrer Rolle drin sind, sind auf
Black Sails at Midnight gut gegeneinander aufgewogen und werden jeden Alestorm-Fan glücklich stimmen. Und vielleicht gewinnt Alestorm mit dem neuen Album auch wieder einige Fans dazu. Vor allem auf Festivals können die Piraten ab jetzt noch mehr auftrumpfen als noch 2008, schließlich ist ihr ganzes Repertoire jetzt nicht mehr in weniger als einer Stunde runtergespielt.
Die Tracks:1. The QuestWe sail the endless oceans / we sail the raging sea / The quest is neverending / It leads us to destinyMit
The Quest findet Alestorm einen tollen Einstieg in das zweite albumgewordene Seefahrtabenteuer. Ähnlich wie bei den Eröffnungstracks des Debütalbums nehmen die Schotten (und der neu dazugewonnene Ire) ihre Rolle hier ernst und erzählen von ihrer unendlichen Seefahrermission. Zwar reicht
The Quest nicht ganz an den Energie geladenen Bombast von
Over The Seas und
Captain Morgan's Revenge heran, dafür gewinnt der im Aufbau stark an typische lange Titel des Viking Metals erinnernde (nur halt mit Piratenthematik versehene) Eröffnungssong des neuen Albums bei mehrmaligem Hören immer mehr am "Instant Cult"-Faktor. Der klare Aufbau und der eingängige, die Quest sehnsüchtig und zugleich beklagend besingende Refrain verleihen
The Quest eine zeitlose Qualität, die ihn bei Liveauftritten mitunter zu einem Alestorm-Flagschiff machen könnten.
2. LeviathanHis eyes shine like the raye of morning / His mouth is a burning flameLeviathan ist einer von zwei Songs, die Alestorm von der Anfang des Jahres erschienenden EP übernommen haben. Die EP gefiel mir ja nicht so wirklich, weshalb ich sicher auch ganz gut ohne diesen Song und
Wolves of the Sea ausgekommen wäre, allerdings ist ein Album mit zwei Schwachpunkten unter zehn Songs noch immer sehr stark - und auf
Captain Morgan's Revenge habe ich ja auch nicht alle Lieder gleich gemocht.
Mittlerweile kann ich mich zwar etwas besser mit diese Song abfinden, jedoch ist das fast sechsminütige Lied über das gefürchtete Seemonster weiterhin eine der meiner Meinung nach schwächeren Alestorm-Nummern. Zu wenig Energie, zu viel "dunkle Stimmung"-Gemache, dunkles Gemurmel statt piratig-rauem, aber weiterhin wohlklingendem Gesang.
3. That Famous Ol' Spiced
A beverage to rival the Huntmaster's draught / The mere smell of which, the Gods would entice / And them that know call it that Famous Ol' SpiceWenn sich Freibeuter gerade nicht auf hoher See befinden, dann saufen sie in einer kleinen Spelunke. Kein Wunder also, dass ein gewisser
Promillesatz Prozentsatz von Alestorm-Songs Kneipen und/oder Alkohol gewidmet sein müssen, darunter
That Famous Ol' Spice. Statt der gemütlich-heiteren Kneipenstimmung der Saufsongs auf dem letzten Album schleudert uns die Schottische Metalmannschaft hier allerdings ein knüppeldickes Stück mit bombastischen Synthieklängen und agressiv hyperaktivem Schlagzeugeinsatz entgegen, das nur im Saufabend kompatiblem, mitgröhlbarem und vor allem zum Alkohol herbeigröhlen geeignetem Refrain und dem angetrunkenen Finale nicht wie ein Kampflied, sondern nach Kneipensong klingt. Die trunkene Aggressivität mit spaßigem Mitgröhl-Refrain von
That Famous Ol'Spice braucht ein paar Eingewöhnungssekunden, vor allem weil die Melodieführung außerhalb des Refrains recht komplex ist, aber danach verwandelt es sich zu einem der stärksten Vertreter dieses Albums. Eine ungewöhnliche Mischung aus spritzig und reindonnernd. So, wie ein guter Schuss vom berühmten Ol'Spiced...
4. KeelhauledMake that bastard walk the plank / With a bottle of rum and a yo ho hoMit
Keelhauled erreicht das Album selbstironische Gewässer: Der Song handelt davon, dass der Kapitän einen Verräter in seiner Crew ausfindig gemacht hat, der es verdient hat erschossen zu werden. Da der Kapitän allerdings kein grausamer Mann ist, wird die Mannschaft erstmal etwas Spaß mit der stinkenden Qualle haben...
Keelhauled ist ein rasantes, spaßiges Stück das sehr starke Verweise auf Folk Metal inne hat und eine Violine zwischen die ganzen harten Männerinstrumente packt, dabei jedoch das Tempo im Laufe des Songs enorm anschraubt und zum wilden rumpogen (mjam... Rum...), wild durch-die-Gegend-zappeln oder einfach nur laut mitgröhlen einlädt. Eine Instrumentaleinlage kurz vor Schluss, die erst sehr folkloristisch und langsam beginnt und dann nochmal ordentlich aufdreht rundet das Lied perfekt ab und schon haben wir den idealen Song zur beliebten Bestrafungsmethode.
5. To the End of our DaysIt seems I'Ve found a reason to live / As I stare at my graveUngewohnt melancholische Klänge und komplexe Töne schlägt Alestorm in dieser Piraten-Metal-Ballade an, die einen weniger spaßigen oder abenteuerlichen Blick auf das Seefahrerleben wirft. Dank des schwermütig-männlichen Refrains wird
To the End ouf our Days sicherlich einen Stammplatz gegen Ende einer zünftigen Piratenmetalparty finden.
6. Black Sails at MidnightOut of the darkness they came / With cannons a raging and torches aflame / Slaying all poseurs who stand in their wayAuf dem Debütalbum zeigten mit
Death before the Mast und
Terror on the High Seas zwei Songs besonders starke
Thrash Metal-Einflüsse. Sie waren schneller und wilder als die episch-melodischen, härter und offensiver als die Party-Saufsongs der Band. Auf dem neuen Album ist der Titelsong eine solche Nummer, allerdings ist der Song über eine mörderische Crew eines Schiffs mit schwarzen Segeln stärker "in character" als die etwas anachronistischen Thrash-Songs auf der letzten Langplatte. Außerdem ist
Black Sails at Midnight etwas komplexer Geschrieben und bringt verschiedene musikalische Ideen in seinen 3 Minuten 30 Sekunden unter, als die zwei Songs vom Debütalbum. Das macht ihn nicht unbedingt besser, da so etwas von der willkommenen Einfachheit und der simplen Energie von
Death before the Mast und
Terror on the High Seas fehlt, schlechter ist er allerdings dank seiner vollgepackten, kraftvollen Art auch nicht.
7. No QuarterSollten Walt Disney Pictures und Jerry Bruckheimer mit dem Soundtrackalbum von
Pirates of the Caribbean 4 verstärkt Metalfans ansprechen wollen, so hat Alestorm mit
No Quarter die perfekte Referenz, um sich für einen Bonustrack zu bewerben. Mit simplerem Arrangement und weniger übereinander gelegten Melodien spielte die Ur-Fassung von Alestorm dieses instrumentale Stück bereits unter dem Namen Battleheart und jetzt gibt es mit aufgedrehter Energie und aufwändigerem, besserem Arrangement das ganze nochmal zu hören, sozusagen ind er Luxusvariante.
No Quarter ist das energiereiche, megaschnelle Kind von Power Metal und Filmsoundtrack, inklusive geschickt eingearbeitetem, sehr rockigem Metalcover von
He's a Pirate.
So haben Cover und Remixes des
Fluch der Karibik-Erkennungsthemas auszusehen, lieber Herr DJ Tiesto!
(Dass No Quarter mein absoluter Lieblingstrack des Albums ist, muss ich in dem Zusammenhang wohl kaum betonen, oder?)
8. Pirate SongThose memories were brought with the lives of good men / A price that I paid without scrupleIm simpel betitelten
Pirate Song nimmt uns Alestorm mit auf die abenteuerliche und abwechslungsreiche Seereise eines auf sein Piratenleben zurückblickenden, nichts bereuenden Seebären. Der nur 4 Minuten laufende Song besticht mit seiner sehr abwechslungsreichen Melodieführung. Es gibt einen sehr einfach aus Seemannsgarn gestrickten Underliner, der die sehr unterschiedlichen Strophen, den Refrain, die Bridges und die Instrumentalstellen miteinander verbindet und zu einem kompakten, in sich stimmigen Paket aus Piratenmemoiren und Metal-Subgenres verbindet. Sozusagen das musikalische Gesamtangebot von Alestorm in einem einzigen, kleinen Dingi. Großartig!
9. Chronicles of Vengeance Sold out, betrayed / Attacked, besieged / Outcast, accused / Honour, refusedChronicles of Vengeance erzählt im an den Titelsong des Debütalbums erinnernden Stilmix aus Metal und epischem Soundtrack ein weiteres Seemannsgarn, hier über einen auf See nach Rache dürstendem Piraten. Erneut ist das eine ganze Geschichte erzählende Stück das längste des Albums, was vor allem den bombastischen Instrumentalstellen zu verdanken ist. Die Gesangsparts sind textlich und melodisch (dem Rachethema angemessen) am Anfang düsterer als beim "Vorbild"
Captain Morgan's Revenge, gegen Ende des Songs nimmt dagegen die abenteuerliche, an Swashbuckler-Soundtracks angelehnte Farbnote überhand. Ein wirklich sehr gutes Monstrum an Piratenmetal.
10. Wolves of the SeaWith a hii hii hoo and a hii hii hey!Ich find's
noch immer so lala.

Fans, die gerne etwas mehr ausgeben wollen, können sich übrigens auch das limitierte Digipack holen, dem eine DVD mit Alestorms Liveauftritt auf dem Wacken Open Air 2008 beiliegt (sowie, wenn man direkt beim Publisher bestellt, eine Alestorm-Flagge).
Da ich allerdings das Cover der Single-Edition besser finde und es sich besser ind die anderen Alestorm-Titelbilder einfügt, habe ich auf den Kauf verzichtet. Die Songs habe ich ja schon auf CD, und Alestorm hat ja nicht gerade eine besonders aufwändige Bühnenshow... Da hol ich mir lieber die Version mit hübscherem Cover.
Fazit:Alestorm hat mit
Black Sails at Midnight wirklich alles richtig gemacht. Die Band blieb sich beim zweiten Album treu und schaffte es dennoch ein abwechslungsreiches, dem fantastischen Erstling ebenbürtiges Nachfolgealbum zusammenzustellen. Von den zwei von der EP bekannten Ausrutschern abgesehen (von denen
Leviathan ja eigentlich ganz nett ist, nur halt nicht so stark, wie es bei seiner Länge sein sollte) ist das Album proppevoll mit ins Ohr gehenden, Partystimmung, Fernweh und piratiger Abenteuerlust weckenden Krachertiteln.
So kann's weitergehen, Alestorm! Arr...
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