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Donnerstag, 26. Dezember 2013

Die schlechtesten Filme des Jahres 2013

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen und somit liegen wieder einmal zwölf Monate hinter uns, in denen die Kinosäle des Landes mit Kassenschlagern, Kleinoden und qualvollen Fehlschlägen erfüllt wurden. Ehe ich mich meinen Höhepunkten des Filmjahres 2013 widmen werde (und dies werde ich, störrisch wie ich bin, erst kommenden Monat machen, weil ich finde, dass es ungalant ist, die besten Filme 2013 zu küren ehe das Jahr überhaupt zu Ende ist), möchte ich meinen Blick auf die letztgenannte qualitative Kategorie richten. Und wie schon in den vergangenen Jahren möchte ich auch an dieser Stelle klar machen, dass dies hier eher die von mir am meisten gehassten Filme des Jahres 2013 sind – und nicht die nach Lehrbuch schlechtesten Machwerke. Denn welchen Sinn hat es schon, auf inhaltslose D-Ware draufzuhauen, die von kaum jemanden gesehen und innerhalb von vier Tagen gedreht wurde? Ist es wirklich aufregend, zu sagen, das Jets – Helden der Lüfte schlechter animiert und ambitionsloser geschrieben wurde als Planes? Und vor allem: Wer will schon meine Meinung diesbezüglich hören? Ich habe bislang nicht einmal Kindsköpfe 2 komplett gesehen!

Nein, hier geht es um die Filme, die besonders aggressiv langweilten oder deren Figuren, Storys, Gags und/oder moralinsauren Aussagen nerven. Es geht um Filme, die mich erzürnen – und nicht um unbedeutenden Schund. Und somit ist diese Liste ganz und gar subjektiv. Mehr noch: Sie ist höchst emotional. Zum Ende des Jahres darf das einfach mal sein.

Platz 10: Schlussmacher (Regie: Matthias Schweighöfer)

Deutsches Massenkino nach dem Schema F: Ein Rüpel lernt Leute kennen, die er zunächst nicht mag, mit denen er sich dann aber langsam anfreundet. Zudem sieht er endlich ein, wie wertvoll die Liebe ist. Das Ganze mit zig Farbfiltern auf einen Pseudo-Hollywood-Look hochgebauscht und fast schon widerlich-zynisch auf ein möglichst großes Publikum abgestimmt: Die schmierige Hauptfigur darf sich in chauvinistischen Geisteshaltungen suhlen, damit der prollige Klischeemann im Publikum in versoffener Stimme „Ey, jo, Respekt, der weiß noch, was abgeht!“ brüllen kann, weil der Protagonist ja so ein geiles Vorbild ist. Daraufhin werden Romantikfloskeln auf Postkartenniveau in die Kamera gesäuselt und in Zeitlupe schmacht-sülzige Arien gesungen, um die Klischeefrauen dahinschmelzen zu lassen. Krasser Vulgärhumor trifft Rosamunde-Pilcher-Schmonzette in einer Billigkopie der einstmal einzigartigen Keinohrhasen-Ästhetik. Das ist weder witzig, noch romantisch, sondern einfach nur nervig. Dass RomCom mit Schweighöfer in der Hauptrolle sehr wohl furios funktionieren kann, bewies vor zwei Jahren noch der ungleich bessere RubbelDieKatz.

Platz 9: G. I. Joe – Die Abrechnung (Regie: Jon Chu)

Allein schon die Tatsache, dass der Action-Schund G. I. Joe – Geheimauftrag Cobra ein Sequel erhielt, während viel ansprechendere, mäßig erfolgreiche Franchiseerstlinge wie John Carter ohne Fortsetzung bleiben, ist traurig. Dass diese 3D-Fortsetzung dann aber zudem noch eine stinklangweilige, mit energieloser Action versetzte, konfus erzählte, inhaltlich dennoch völlig platte Aneinanderreihung alberner Sequenzen ist, in denen nicht eine glaubwürdige Figur herumtappst, ist umso ermüdender.

Platz 8: Der Butler (Regie: Lee Daniels)

Oscar-Bettelei in ihrer reinen und überdreisten Form: Diese Tragikomödie über einen Sklavensohn, der zum geliebten Butler des Weißen Hauses aufwächst und dort mehrere Amtszeiten über treu und würdevoll dient, während sich sein rebellischer Sohn der Black-Power-Bewegung anschließt, ist bis zum Bersten voll mit schmalzigen, bedeutungsschwanger vorgetragenen Dialogen. Diese sind jedoch nahezu durchgehend spürbar unehrlich – Regisseur Lee Daniels und Autor Danny Strong sind sich selbstredend der Bedeutung ihrer Themen bewusst, statt aber eine vom Herzen kommende Parabel über Rassismus, gesellschaftliche Auflehnung und die verschiedenen Formen der Dienerschaft zu erzählen, geben sie hohle Phrasen und forcierte, unecht wirkende erzählerische Versatzstücke von sich. Dadurch geht die dramatische und emotionale Wirkung des Filmstoffs verloren und übrig bleibt ein (auch dank des unfassbaren Overactings) unfreiwillig lachhafter Streifen, der kaum einen Funken Ehrlichkeit in sich trägt.

Platz 7: John Dies at the End (Regie: Don Coscarelli)

Die schwarz-groteske Horrorkomödie John Dies at the End ist einer dieser Filme, die viele allein schon aufgrund ihrer Absurdität verständnislos als mies abtun dürften. Dass bewusst trashige, übertreibende Verschmelzungen von makaberem Humor und blutigen Schauergeschichten allerdings sehr wohl gute, ungewöhnliche Filmkost darstellen können, beweisen solche Genreklassiker wie Tanz der Teufel II, Brain Dead oder Robert Rodriguez' B-Splatter-Hommage Planet Terror. John Dies at the End möchte offensichtlich in eben jene Kerbe schlagen, doch seine Story will für mich einfach nicht zünden: Zwei College-Abbrecher erfahren zufällig von der neuen Trenddroge „Sojasauce“, die ihren Konsumenten albtraumhafte Halluzinationen und prophetische Eingebungen ermöglicht. Das Problem: Viele der Sojajunkies kehren nach ihrem Rausch als unmenschliche, bedrohliche Wesen zurück. So rutschen die beiden Versager in einen abstrusen Horror-Sci-Fi-Komplott, der voller haarsträubender Wendungen ist und in dessen Verlauf die Figuren immer alberner, flacher und überzeichneter werden. Die Darsteller (selbst Gaststar Paul Giamatti) und die Regie treffen bei dieser Tour de Force selten den richtigen Ton: Zu viel Augenzwinkern, um einen spannenden Trip in ein schaurig-konfuses Filmuniversum zu ermöglichen, zu viel Geplotte, um jeder Verrücktheit genügend komödiantischen Raum zu geben und die schäbigen Effekte als Gags zu entschuldigen. John Dies at the End: Für mich die Horrorantwort auf die fehlgeleitete Exploitation-Hommage Bitch Slap.

Platz 6: Runner Runner (Regie: Brad Furman)

Dieser vor schwärmerischer (vollkommen unzureichend ausgenutzter) Kulisse spielende Betrugsthriller hätte das Zeug dazu, bei zahlreichen Film-Jahresfloplisten auf den obersten (äh, untersten?) Rängen mitzuspielen. Und direkt nach meinem Kinobesuch war ich überzeugt, dass ich Runner Runner mindestens in meine Flop 3 parken werde. Jedoch ist dieses Schnarchfest so dröge und dermaßen wenig denkwürdig, dass ich mich einfach nicht zu genügend Abneigung für Brad Furmans Flop aufraffen konnte. Justin Timberlake, Gemma Arterton und Ben Affleck schlafwandeln durch eine von Logiklöchern zerfressene, spannungsbefreite und mit nutzlosen Szenen gestreckte Thrillergeschichte, die dank magerer Dramaturgie, ideenloser Inszenierung und wackeliger Figurenzeichnung zu einem dummen Stück Zeitverschwendung degradiert wurde. Sobald dann der dritte Akt erreicht ist, wird aus der lahmen Erzählung plötzlich eine Ansammlung stümperhafter Entscheidungen: Subplots werden im Off gestartet und beendet, eine Erzählerstimme muss Storylücken schließen und in gewaltigem Tempo lösen sich mit einem Schlag alle Probleme der Hauptfiguren in Luft auf. Es wäre frustrierend und ärgerlich, wäre es nicht dermaßen unbedeutend!

Platz 5: Kokowääh 2 (Regie: Til Schweiger)

Til Schweiger, mal wieder. Viele hassen den deutschen Schauspielstar, der mit seinen Regiearbeiten regelmäßig mehrere Millionen Menschen in die Kinos lockt, allein schon aus Prinzip. Ein Blick auf seine liebevoll mit einem markanten Look versehenen Filme barfuss und Keinohrhasen zeigt aber, dass Schweiger wirklich ein Filmemacher mit einem ganz eigenen, stimmigen Auge für Ästhetik ist. Schade nur, dass er sich immer mehr auf eine unverrückbare Formel versteift, was seine Werke nicht nur schwer erträglich und vorhersehbar macht, sondern sie sogar mittlerweile zu einem Schatten ihrer selbst verkommen lässt. Kokowääh war nach dem feschen Zweiohrküken eine unausgegorene, nervende Patchworkfamily-Story, in der schriller Krawallhumor auf pointenlose „Sind Kinder nicht süß?“-Sequenzen und eine melodramatische Romanze traf. Das Sequel fühlt sich daneben wie ein (besonders) herzloser Cash-In an: Die auserzählte Geschichte wird mittels radikaler Veränderungen in der Charakterisierung mehrerer Figuren, Moralamnesie und Rom-Com-Klischees weitergesponnen, der laute Humor wird noch lauter und die Romanze noch kitschiger. Wenigstens artikuliert sich Emma Schweiger mittlerweile verständlich und Matthias Schweighöfer wirkt wie vom Set eines tausendfach besseren Films entführt: Als manische Karikatur eines erfolgsverwöhnten Schauspielers lässt er in seinem eigenen Subplot jede einzelne Pointe sitzen und macht Lust auf eine makabere, wilde Filmbusiness-Satire von und mit Schweiger & Schweighöfer. Den Film will ich sehen!

Platz 4: Taffe Mädels (Regie: Paul Feig)

Eine dicke, unflätige, kaum gebildete, jedoch bauernschlaue Rüpel-Polizistin ermittelt zusammen mit einer streng nach dem Regelbuch verfahrenen, gestriegelten Spitzen-Polizistin in einem komplizierten, blutigen und persönlichen Fall. Eine Story, wie man sie tausendmal gesehen hat, ohne ironische Brechung, ohne neue Impulse. Bloß ist Sandra Bullocks vorbildlicher Cop unausstehlich prahlerisch und Melissa McCarthy schimpft sich mit einem gepfefferten Vokabular durch die Szenerie. Gags sind hier gleichbedeutend mit Vulgärbegriffen und Charakterentwicklung mit dem Rumreißen an den Klamotten anderer. Wenn dieser Film nicht wegen seiner Formelhaftigkeit langweilt, dann zerrt er aufgrund seiner bemüht krawalligen Dialoge oder der schalen Figurenzeichnung an den Nerven.

Platz 3: Fack Ju Göthe (Regie: Bora Dagtekin)

Ein unhöflicher, kaum gebildeter Prolet und Ex-Knacki will unter der neuen Turnhalle einer Schule an seine versteckte Beute heran. Damit ihm dies gelingt, gibt er sich als Aushilfslehrer aus. In seiner neuen Position pöbelt er unentwegt seine Schüler an, was sich als Wundermittel im Umgang mit den Arschlöchern aus der Problemklasse 10b erweist. Nachdem diese erstmal mit Paintballgewehren angeschossen, mit einem riesigen Arsenal an Schimpfwörtern bombardiert und mit einer riesigen „Fickt euch doch selbst!“-Haltung begrüßt wurden, sind sie plötzlich Ohr für den (überaus beschaulichen) Unterrichtsinhalt des langsam auftauenden Machos. Dies ist zum Teil auch seinem Mauerblümchen von Kollegin zu verdanken, einer gewaltigen Spießerin, die sich in seinen heißen Body verguckt und durch ihn endlich lernt, dass man auch mal unflätig sein muss, um das Leben zu genießen.

Wäre dies eine weit ausholende Parodie auf Schulfilme, gekreuzt mit intelligenter Gesellschaftssatire, könnte diese Komödie vielleicht annehmbar sein. Stattdessen aber verkauft sich Fack Ju Göthe einfach bloß als reinrassige Blödelkomödie, die ungeliebte Klischees über kulturfremde, unerzogene Rüpelschüler nimmt, sie auf Hunderachtzig hochdreht und es dann als pures Comedygold verkauft, wenn ein türkdeutscher Schüler Sätze mit „Alter!“ beendet oder jede dritte Szene nach ihrer eigentlichen Schlusspointe meint, noch mit Vulgärwörtern einen zweiten Tusch setzen zu müssen. Durch die lächerliche Darstellung der einzigen intelligenten Figur in dem ganzen Wahnsinn (Karolin Herfurths graue Maus) als unattraktive, überkorrekte Langweilerin mutieren die ersten 30 Minuten dieses in quietschigen Neonfarben gehaltenen Kinofilms zur heillosen Zelebrierung des Asozialentums. Die dramaturgisch ausgelutschte Wandlung des harten Hunds zum halbwegs einfühlsamen Mitmenschen macht die restliche Laufzeit zwar erfreulicherweise nicht zu einer Moralstunde, versäumt aber, auch nur irgendwie seine anfängliche Verneigung vor Bildungsignoranz ernsthaft zu revidieren. Stattdessen regieren bis zum Schluss „Witze“, die daraus bestehen, dass Figuren ihr inkorrektes Deutsch geil finden, der vermeintliche Held (dessen begnadeter und ungeheuerlich charismatischer Darsteller Elyas M'Barek tausendfach besseres Material verdient hätte) ohne Unterlass Wörter wie „Arschloch, Wichser, Fotze“ benutzt und Herfurths Figur eine anstrengende Streberin ist.

Unsympathische Figuren, anstrengende Pointen und eine ätzend klischeehafte Storyformel machen Fack Ju Göthe zu einem Paradebeispiel dafür, wie leicht heutzutage in den deutschen Kinos schon etwas als Humor verkauft werden kann. „Die Figur da spricht wie ein dummer Jugendlicher. Es wird zwar nicht im Geringsten von der Realität abgewichen und es gibt auch keinen neuen Kontext, der dieser Abbildung des Assitums eine ironische Brechung verleihen würde oder sie sonstwie gewitzt erscheinen lässt, aber der Film behauptet, er ist eine Comedy, also lach ich mal!“ Assis gehen in den Film, um zu lachen, weil es so geil ist, wie auf der Leinwand ihr Menschenschlag endlich mal mit fast allem durchkommt, Normalos gehen in den Film und lachen sich mit arrogant erhobener Nase darüber schlapp, dass er sich ja vermeintlich über die sie nervenden Personen mokiert. Dabei reicht der Witz dieses Films gerade einmal so weit, festzustellen, dass das Berlin – Tag & Nacht-Klientel nicht gerne lernt und in einem stets angesoffen klingendem Tonfall spricht. Anscheinend ist das mittlerweile schon ein toller Gag – das behaupten jedenfalls die guten Kritiken und die zahllosen Facebook-Fans des Films. Für mich ist es aber bloß lästig, antriebslos und stupide.

Platz 2: Pacific Rim (Regie: Guillermo del Toro)

Roboter hauen Riesenmonstern eins auf die Schnauze. Umwickelt mit einer bemühten, pseudo-tiefsinnigen Mythologie, trockenen Figuren und massenhaft 90er-Jahre-Actionfilmklischees. Keinerlei Originalität, kein Spannungsbogen, kaum gute Gags und unterbelichtete, unübersichtlich fotografierte Action, die sich zu ernst nimmt, um als Camp zu funktionieren, aber zu albern ist, als dass del Toro hiermit einen finsteren Monsteractioner hätte abliefern können.

Platz 1: Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben (Regie: John Moore)

Eine Beleidigung, nicht nur an das Stirb langsam-Franchise, sondern das gesamte Action-Genre: Der knallharte, doch verletzliche und menschliche Polizist John „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ McClane verliert in diesem extrem kurzen, dennoch außerordentlich drögen Actionfilm jeglichen Wortwitz, sein gesamtes Charisma und all seine Menschenkenntnis. Sein zum toughen, starrsinnigen Undercover-Agent herangewachsener Sohn? Ein selbstverliebtes, eiskaltes Arschloch! Die Schurken, welche in den Teilen eins, drei und vier so viel Spaß machten? Die sind in Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben konturlose Pappfiguren. Keiner der Darsteller scheint in diesem fünften Part einer der wichtigsten Actionreihen überhaupt Freude an seinem Job zu haben, die Action ist zu rasant geschnitten, um übersichtlich zu sein, die Stunts aber sind zu klassisch, als dass sie bei dieser Schnittarbeit Energie entwickeln würden. Es gibt zahllose DVD-Premieren, die einen durchdachteren Plot und mehr visuellen Selbstanspruch haben. Ganze Essays ließen sich mit den Fehlleistungen von Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben füllen – doch jedes Wort mehr über diesen Film wäre schon eines zu viel. Am Besten ist es, dieses Schundwerk einfach zu vergessen!

Unehrenhafte Nennungen gibt es noch für Star Trek Into Darkness, dem ich einen Ehrenpreis für den Film mit der am rasantesten zerfallenden Dauerspaß verleihen möchte. Während des Anschauens war ich leidlich unterhalten, schon während des Abspanns machten sich bei mir gewaltige Zweifel an dieser Einschätzung breit und mittlerweile müsste man mich bestechen, damit ich ihn mir nochmal ansehe. Außerdem muss ich natürlich Disneys 53. abendfüllenden Animationsfilm Die Eiskönigin – Völlig unverfroren nennen, ein Film, den ich wegen seiner raren, dafür umso berauschenderen Stärken nicht hassen kann und der mich zwar zwischenzeitlich nervt, den ich als Gesamtwerk aber sehr wohl zu dulden weiß. Und gelangweilt hat er mich keine Sekunde. Ja, es gibt keinen Film, der mich in den vergangenen vier, fünf Jahren mehr frustrierte als dieser – aber darum geht es in dieser Liste nicht. Wären Elsa und ihre zentrale Powerballade nicht so faszinierend, könnte Die Eiskönigin die Krone meiner Filmflops 2013 einheimsen. Doch so? Nein, ich kann den Film nicht wirklich so hart abwerten, als dass er in eine meiner Negativlisten vorkommen würde.

So viel also zum Dreck des Filmjahres. Anfang 2014 blicke ich dann auf die Höhepunkte zurück!

Siehe auch:

Montag, 11. Februar 2013

(Ab)Gebildet Quickie: Kate Beckinsale in Stirb langsam 4.0

Len Wiseman, der Regisseur des Total Recall-Remakes, sorgte vergangenes Jahr auf der San Diego Comic Con für einen kleinen Fan-Aufstand, als er beichtete, dass er Paul Verhoeven anrufen und fragen musste, was das Ende des Originalfilms von 1990 eigentlich bedeutet. Außerdem gab er zu, niemals Metropolis gesehen zu haben, weshalb er in den Augen vieler kein Sci-Fi-Macher sein dürfte.

Nun gut. Er hat also niemals Fritz Langs handwerklichen Meilenstein Metropolis gesehen. Damit hat er die Geringschätzung zahlloser Filmnerds gewiss. Aber wisst er, was Len Wiseman stattdessen mit hübscher Regelmäßigkeit sieht? Kate Beckinsale. Und das obendrein auch nackt. Denn die Underworld-Actionbraut ist Wisemans Gattin. Und Wiseman ist so verschossen in seine Frau, dass er als Regisseur bis dato nicht einen einzigen Kinofilm ohne sie gemacht hat.

Underworld und Underworld: Evolution zeigen Beckinsale bekanntlich in engem Leder (und der Hauptrolle) und Total Recall gibt Beckinsale eine prominente Nebenrolle. Aber was ist mit Stirb langsam 4.0, in dem Film spielt sie überhaupt nicht mit, oder? Nun ... ja. Zu sehen ist sie im Film trotzdem.


Kürzester Cameo der Filmgeschichte?

Das 2007 gestartete Sequel hat mit John McClanes Tochter und der rechten, in asiatischer Martial Arts bewanderten rechten Hand des Schurken keine weibliche Rolle zur Verfügung, die Beckinsale spielen könnte. Dennoch wollte Wiseman seine große Liebe in seiner dritten Kino-Regiearbeit verewigen, weshalb er ein Foto von ihr für die Dauer eines Einzelbildes in den Actioner einschmuggelte. Es ist noch während des Vorspanns zu finden, ungefähr bei Minute 2:06, wenn das erste Haus eines Hackers explodiert und der schwarze Van der Schurken, von Bildstörungen begleitet, davon fährt.

Tyler Durden versteckt Pimmel in Kinofilmen, die Grindhouse-Vorführer entfernen nackte Frauenkörper, Len Wiseman schmuggelt hübsche, überbeleuchtete Fotos seiner Gattin in Filme, die sonst ohne sie auskommen müssten. Wählt euren Favoriten.

Sonntag, 10. Februar 2013

Meine 25 Lieblingsfilme 2012 (Teil I)

2012 war in meinen Augen ein herausragendes Kinojahr. Das war zwar zu weiten Teilen auch einigen Filmen zu verdanken, die 2011 ihre Weltpremiere hatten und erst nach dem Jahreswechsel den Weg in die hiesigen Lichtspielhäuser fanden, dennoch hatte ich im Jahr des Superhelden-Blockbuster-Duells sehr oft enorme Freude an meinen Kinobesuchen. Nie zuvor schmerzte mich das Erstellen der Top Ten so sehr wie dieses Mal, denn es war nicht nur schwer, eine Rangfolge zu finden, sondern auch, überhaupt zu beschließen, welche Filme ich widerwillig der Top Ten verweise. Eine Top Ten mit 15 Filmen wirkt halt etwas unglaubwürdig ...

Gewohntermaßen dauert es allerdings noch, bis wir so weit sind. Los geht es erstmal mit einigen Produktionen, die mich entweder sehr gut unterhielten oder auf inszenatorischer oder intellektueller Ebene überzeugten, und trotzdem nicht das ganz hohe Feuer der Filmleidenenschaft bei mir entfachten.

Und wie immer gilt: Diese Hitliste repräsentiert nicht die 25 Produktionen, die ich in einen filmhistorischen Kanon packen würde oder für die größten cineastischen Errungenschaften des Kinojahres halte. Stattdessen sind es meine 25 Lieblinge, die Filme, die ich nahe an meinem Kinofanherzen trage.

Platz 25: Verblendung (Regie: David Fincher)

Skandinavische Eislandschaften und sterile Großstädte, so eiskalt wie die Seelen der Menschen, die darin leben. Korruption verstopft Politik und Wirtschaft, Frauenfeindlichkeit gehört zu den gepflegten Umgangsformen machtvoller Männer. Wo die schwedische, ins Kino beförderte TV-Verfilmung von Stieg Larssons Bestseller diesen Hintergrund nutzte, um eine klassische Ermittlungsgeschichte in einem jahrzehntealten Mordfall zu erzählen, wendet David Fincher in seinem US-Remake seinen Blick eben dieser kühlen, misanthropischen Kulisse entgegen. Wie das Original hat auch Finchers Verfilmung ein paar Pacingprobleme, aber die Sogwirkung von Regie- und Kameraführung machen dies weitgehend wieder wett. Bleibt nur die Frage, ob Fincher sich noch den Fortsetzungen annimmt …


Platz 24: Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen (Regie: Peter Lord)

Die Aardman Studios schufen mit diesem charismatischen Piratenspaß einen typisch britischen Stop-Motion-Trickfilm voller absurder, verschrobener Figuren und zahlloser Detailgags, die auch ein zweites oder drittes Anschauen rechtfertigen. Die Story des unrühmlichen, netten Piratenkapitäns, der zum Piraten des Jahres gewählt wird und bei der Suche nach fetter Beute Darwin und der Königin von England über den Seeweg läuft, ist sehr lässig erzählt und könnte zwecks Spannung etwas Fokus gebrauchen, doch als Piratenliebhaber kann ich dem Film nicht zu böse sein, dass er sich auf liebevolle Seeräuberkarikaturen versteift.


Platz 23: 50/50 (Regie: Jonathan Levine)

Die autobiographisch beeinflusste Tragikomödie von Drehbuchautor Will Reiser besticht insbesondere durch ihre feinfühlige Mischung aus Kumpelhumor und ehrlicher, nicht auf die Tränendrüse drückender Dramatik sowie ihr tolles Ensemble. Joseph Gordon-Levitt liefert eine facettenreiche, berührende Performance ab, während Anna Kendrick wieder einmal beweist, dass sie viel zu gut für Twilight war und Seth Rogen seiner typischen Kumpelrolle bewusst und effektiv einige anstrengendere Seiten einverleibt.


Platz 22: ParaNorman (Regie:Sam Fell & Chris Butler)

Der zweite Stop-Motion-Film in dieser Jahreshitliste hat wesentlich mehr Punkte für seine Story verdient als Die Piraten: Diese liebenswerte Horror-Hommage begnügt sich nicht bloß damit, ein Genre zu ehren, in dem die jüngeren Zuschauer kaum versiert sein sollten, sondern erzählt auch eine schöne Parabel über das Außenseitertum und wie es mit Missverständnissen zusammenhängt. Dabei schlagen die Macher dieser Trickkomödie nicht in altbekannte Kerben und nehmen Ausgestoßene bedingungslos in Schutz, sondern weisen auch darauf hin, wie sie sich in ihren Schmerz einigeln und selbst ihr Leid vergrößern. Grusel, Humor und eine tolle Aussage. Leider ist ParaNorman visuell nicht auf der Höhe von Laikas Meisterwerk Coraline und das Finale ist mir auch zu ausgedehnt, so dass es für einen Platz in den Top 20 dieser Liste dann doch nicht reichte.


Platz 21: Cosmopolis (Regie David Cronenberg)

Robert Pattinson als blutleerer, gefühlskalter Lackaffe, der sich selbst für den Größten hält? Welch perfekter Besetzungscoup! Nun, da der offensichtliche Gag aus dem Weg ist: Die Figuren in Don DeLillos wirtschaftskritischem Roman reden wie gedruckt – und das überträgt David Cronenberg in seiner Adaption ohne jede Rücksicht und ohne jegliche Verluste auch auf die Leinwand. Dies ist die ärgste Schwäche an Cosmopolis, da Cronenberg über das Ziel hinausschießt, so dass nicht nur die Künstlichkeit der Monologe übermittelt, sondern der Zuschauer teils vollkommen gegen die Wand geredet wird. Aber auch ohne hilfreiche, kurze Atempausen entwickelt die sterile Charakterdystopie eine erstaunliche Sogwirkung, da sämtliche Darsteller allein schon über den Sprachduktus das Wesen ihrer Rollen auszudrücken vermögen. Der unrealistische New-York-Trip nimmt eine geniale Wende, sobald Pattinsons Kapitalist einem ähnlich manischen Opfer der Wirtschaftslage begegnet und Arthouse-Liebling Paul Giamatti eine herrlich theatralische Darbietung abgibt.


Platz 20: Looper (Regie: Rian Johnson)

Zeitreisefilme rennen nahezu naturgemäß in Ansammlungen von Paradoxien, die entweder faszinierende Handlungselemente oder störende Logiklöcher sein können. Autorenfilmer Rian Johnson entwarf mit Looper einen Sci-Fi-Neo-noir-Thriller, der eine in sich plausible, dreckige, urbane Zukunft entwirft, in der Zeitreisen verboten sind und allein von Auftragskillern genutzt werden. Diese zahlen jedoch einen großen Preis dafür. Johnsons Herangehensweise ist in sich schlüssig und seine zahlreichen Verweise auf frühere cineastische Werke sind unaufdringlich und fügen sich wundervoll in die karge Grundatmosphäre ein. Bruce Willis und Joseph Gordon-Levitt spielen hervorragend auf, auch Emily Blunt spielt einmal mehr mehrschichtig und auf simple Art einvernehmend. Mein Problem mit Looper sind die übernatürlichen Non-Sci-Fi-Elemente, die mir zu sehr in den Fokus rückten und zudem auch mit zu viel Tamtam inszeniert sind, was sich für mich nicht ins Gesamtwerk einfügen wollte. Generell hätte der Film straffer sein dürfen.

Siehe auch:

Dienstag, 4. September 2012

The Expendables 2


Als Sylvester Stallone vor zwei Jahren einige seiner Kumpel und früheren Konkurrenten um den Thron der harten, hohlen Actionwelt um sich versammelte, zählte ich mich zu den Spielverderbern, die die Augen verdrehten: The Expendables begeisterte einige alteingesessene Genreliebhaber mit seinem Aufeinandertreffen der Kämpferopas (mit so manchem Jungstar wie Jason Statham an deren Seite), mich ödete er durch seine Ideenlosigkeit an. Aus dieser Zusammenkunft hätte man etwas einmaliges machen können, doch stattdessen war es einfach nur ein neuer Stallone-Filme im Stile seiner 80er-Kracher, bloß dass neben ihm noch einige andere bekannte Gesichter rumballerten. Hinzu kam eine träge Dramaturgie, die The Expendables für mich zu einem urtypischen Beispiel für gut gemeintes, jedoch fehlgezündetes Krawallkino.

Dennoch wagte ich einen Blick auf The Expendables 2, schließlich wurden größere Rollen für Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis versprochen sowie ein Auftritt von Kultprügler Chuck Norris. Vor allem jedoch änderte sich hinter der Kamera einiges: Teil 1 wurde von Stallone geschrieben, produziert und inszeniert, bei der Fortsetzung trat er den Regieposten an Simon West ab, der mit Con Air einen meiner liebsten "Hirn aus, Zerstörung an!"-Blockbuster geschaffen hat, was mich hoffen ließ, mit The Expendables 2 statt eines konventionellen Stallone B-Movies (mit namenhafterem Cast) einen spektakuläreren Actionstreifen zu bekommen. Und tatsächlich: Der zweite Auftritt der Austauschbaren ist zwar noch immer nicht so denkwürdig, wie er sein sollte, aber er ist um ein gutes Stück sehenswerter als der verzichtbare Vorgänger.

Herausgezögert wird die Action in The Expendables 2 kein Stück: Direkt zu Beginn schmeißt West seine Zuschauer in ein blutiges, keinerlei Erklärungen bereithaltendes Munitionsfeuerwerk. Die Söldnertruppe rund um Barney Ross (Stallone) nimmt einen Militärstutzpunkt in Nepal ein, wo ein chinesischer Milliardär und ein alter Kollege gefangen genommen wurden. Es wird wild geschossen, Köpfe zerplatzen, Panzer rammen Wände ein. So explosiv der Einstieg in diese Fortsetzung sein mag, mich haut er nicht vom Hocker: Der Anfang ist brutal, schnell und zerstörerisch, doch weder kommt Spannung auf, noch ist die Action besonders, eingangs gibt es schlicht nur langweiliges Dauerfeuer. Außerdem fehlt die Fallhöhe. Es hat schon seinen Grund, dass einige der besten Actionfilme aller Zeiten einen riesigen Vorlauf vor der Action haben, denn nur so gewinnt die Mission an Wert. Im Prolog überzeugen nur zwei Dinge: Arnold Schwarzeneggers Sprüche und Jet Li, der eine toll choreographierte Actionszene hinlegt, die nicht im Schnittgewitter untergeht und auch Humor mitbringt.

Nach dem Prolog nimmt The Expendables 2 dann konstant Fahrt auf: Der Neuling in der Gruppe (Liam Hemsworth) erzählt davon, dass er nach Ende des Monats aussteigen möchte. Diese letzten Tage werden jedoch nicht gerade erholsam, denn Mr. Church (Bruce Willis) hat für sie einen neuen Auftrag, der als Entschädigung für die Aktion im Vorläuferfilm dienlich sein soll. Er verlangt, das den Inhalt eines Tresors aus einem Flugzeugwrack in Albanien borgen. Dazu bräuchten sie aufgrund des computergesteuerten Zeitschlosses des Tresors weibliche Unterstützung in Form der toughen Computerspezialistin Maggie (Yu Nan), was Barney nur mit großem Widerwillen hinnimmt. Als dann kurz nach der Bergung das begehrte Objekt (der Lageplan eines Plutoniumlagers) in die Hände des Terroristen Jean Vilain (Jean-Claude Van Damme) gelangt, beginnt für die Expandables der gewichtigste Einsatz ihrer Geschichte ...

Die Handlung ist selbstredend nicht viel mehr als eine Ausflucht, um die Riege an gealterten A- und B-Actionstars in verschiedenste Kämpfe zu verwickeln, und mehr muss sie in solch einem Streifen auch nicht sein. Rummäkeln muss ich trotzdem, da auch ein dummer, lauter, harter Actionfilm gerne überraschend sein darf. Was passiert, wer wann seinen Überraschungsauftritt hinlegt oder das Zeitliche segnet, ist hier dagegen durchweg vorhersehbar, zumeist sogar mit großen Vorlauf, ohne dass dies selbstironisch gebrochen wird.  Das dramatische Beklagen eines verlorenen Weggefährten der Expandables fällt aufgrund dessen flach und raubt nur Zeit, die für temporeiche Action genutzt werden könnte. Sobald die Söldner um Stallone, Statham und Lundgren aber erstmals ihrem Widersacher begegnet sind und es sich geschworen haben, ihm das Handwerk zu legen, kommt The Expandables 2 auf Hochtouren. Das Team folgt den schurkischen Ganoven nach Bulgarien, wo es zunächst auf einem ehemaligen sowjetischen Stützpunkt unterkommt, der einem Straßenviertel New Yorks nachempfunden ist (im Film sorgt es für leicht verschrobene, tolle Bilder, produktionstechnisch wurde so einfach nur Geld gespart, indem man ein vorhandenes Set gewaltsam in die Handlung geschrieben hat). Mit dieser Szene gewinnt The Expendables 2 nicht nur an dem leicht süffisanten Humor, der mir im Vorgänger zu kurz kam, auch die Actionszenen sind in ihrer chaotischen Zerstörungswut besser koordiniert und deswegen mitreißender.

Zu den humoristischen Topmomenten gehören ein pseudophilosophisches Gespräch über die Wahl einer idealen Henkersmahlzeit sowie später Dolph Lundgrens kleiner MacGyver-Moment, in dem er eine Bombe improvisiert. Doch nichts schlägt Chuck Norris, der in bester selbstironischer Manier überzelebriert wird, knapp dahinter landet das Finale, in dem die größten Stars dieses Films einen gesamten Flughafen zerlegen und die Absurdität des Moments und sich gegenseitig durch den Kakao ziehen. Einige der anonymen Handlanger Vilains dürfen in der zweiten Filmhälfte auch auf makaber-pointierte Weise ins Gras beißen, was ebenfalls hilft, diese Fortsetzung über den kargen Vorgänger zu heben.

In Sachen "Krachbumm!" verfolgt Simon West nicht bloß die Maxime "größer, schneller, weiter", sondern auch darauf, endlich den ausgefeilten Fanservice zu bieten, den bereits der erste The Expendables-Teil hätte auftischen müssen. Bestand dieser weitestgehend aus Ballereinerlei und würzte diese nur mit sehr kurzen, individuellen Kampfeinlagen für Jet Li und Lundgren, so spielt The Expendables 2 die Kampfpersönlichkeiten seines Ensembles zwar nicht thematisch aus, nutzt sie aber immerhin für große Abwechslung im Laufe des langen Actionfeuerwerks. So bekommt Jason Statham einen wundervoll theatralisch inszenierten, selbstverliebt-agilen Faust- und Messerkampf spendiert, Arnold Schwarzenegger schießt mit schierer Wucht, Van Damme überschlägt sich und verteilt dabei schnelle Tritte, Stallone versucht ihm mit harten Schlägen beizukommen, Chuck Norris verfügt über absurde Munitionsgewalt und so weiter und so fort. Dieses Auge für Persönlichkeit überträgt sich sogar auf Massenschießereien: Schwarzenegger, Willis und Stallone ballern sich in einem Moment Schulter an Schulter durch die Truppen ihres Gegner. Während Stallone gelassen (doch mit monotoner Grummel-Miene) zwei Revolver in den Händen hält, trägt Schwarzenegger ein Monstrum von einem Maschienengewehr vor sich her und Willis hat ein etwas schlankeres, taktischeres Modell im Anschlag. Auf die Szene hat es leider keinen Einfluss, aber es ist ein liebevolles Detail, das man schätzen können sollte. Viel mehr "Liebe" bekommt man in diesem FSK-18er-Streifen nämlich nicht geboten. Wäre ja noch schöner.

The Expendables 2 zieht sich in den Charaktermomenten recht stark, zumal viele von ihnen einem von Jahr zu Jahr mehr versteinernden Stallone zukommen und Mickey Rourke (die Seele des ersten Films) nicht mit an Bord ist. Überraschungen gibt es auch keine, dafür zeigt sich jeder der Action-Stars von seiner charakteristischen Seite. Ein wahres Bonbon für alle Fans sowie für jene, die Teile des Casts nur beiläufig kennen, aber variantenreiche Kampfszenen zu schätzen wissen. Hinzu kommt ein furios aufspielender, sich in seiner Boshaftigkeit aalender Van Damme, und The Expendables 2 konnte mich, als harschen Kritiker des Originals, für über 100 Minuten gut unterhalten.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Moonrise Kingdom


Fünf Jahre sind ins Land gezogen, seit der meisterliche Autor und mit einer durchweg individuellen Bildästhetik glänzende Regisseur Wes Anderson mit Darjeeling Limited zuletzt einen Realfilm in die Kinos brachte. 2009 startete noch der Trickfilm Der fantastische Mr. Fox, der Andersons typischen Inszenierungsstil mit der fransigen Optik früherer Stop-Motion-Fernsehproduktionen verband und verdientes, in seiner Beständigkeit meiner Ansicht nach allerdings auch etwas zu euphorisches Kritikerlob erhielt. Der fantastische Mr. Fox war zwar clever, dennoch kam er nicht an die spröde Quirligkeit von Andersons besten Realfilmen heran.

Wes Anderson genießt die überaus rare Ehre, ein produktiver Regisseur zu sein, dessen Werk nahezu komplett in die prestigeträchtige Criterion Collection aufgenommen wurde. Angesichts dessen, dass der talentierte Tragikomödien-Schöpfer zu den individuellsten Stimmen Hollywoods gehört und es versteht, auf einem gehobenen, ausdifferenzierten Niveau zu unterhalten, überrascht dies nur wenig. Mit Moonrise Kingdom eröffnete dieses Jahr nun sein neustes Werk auch die 65. Filmfestspiele in Cannes – außerdem ist es im Gegensatz zu manch anderen Eröffnungsfilmen auch Teil des hoch angesehenen Wettbewerbs. An Respekt unter den intellektuellen Filmliebhabern mangelt es Wes Anderson also keinesfalls, und dass sich diese Ausnahmeerscheinung diese Anerkennung vollauf verdient hat, stellt der Texaner mit Moonrise Kingdom eindrucksvoll unter Beweis. Und mit diesem filmgewordenen, durch Wes Andersons Weltsicht gefilterten Jugendbuch könnte er sich auch einige neue Fans sichern.

Eine Story, wie aus einem seltsam erwachsenen Kinder-Abenteuerbuch
Es ist der Sommer des Jahres 1965: In drei Tagen wird ein Sturm von historischer Macht die Inseln an der Küste Neuenglands heimsuchen. Doch davon ahnen die Anwohner das Island of New Penzance bislang nicht das geringste. Trubel äußert sich bei ihnen derzeit ganz anders: Der desorientierte, aber passionierte Oberpfadfinder Ward (Edward Norton) muss beim morgendlichen Appell feststellen, dass über Nacht der zwölfjährige Sam Shakusky (Jared Gilman) aus dem Trupp der Kahki Scouts getürmt ist. Seine Pfadfindergruppe nimmt sofort die Verfolgung auf, um den Fahnenflüchtling und Außenseiter wieder an seinen geordneten Platz zu zerren, doch vorsichtshalber informiert der Truppenführer auch den Inselpolizisten Captain Sharp (Bruce Willis). Dem gutmütigen, aber auch etwas einfältigen Polizisten wird alsbald eine weitere Aufgabe zugeteilt: Suzy (Kara Hayward), die älteste Tochter der exzentrischen Anwälte Mr. und Mrs. Bishop (Bill Murray und Frances McDormand) ist aus dem alten, prachtvollen Familienanwesen verschwunden. Mit ihr eine Handvoll Bücher und der geliebte Plattenspieler eines ihrer Brüder. 

Es beginnt eine abenteuerliche, mit skurrilen Situationen gespickte Suche nach den entfleuchten Kindern, die an der nasskalten, doch irgendwie auch romantischen Küste Neuenglands einen denkwürdigen Spätsommer erleben. Alles, während sich derunaufhaltsame Sturm zusammenbraut ...


Neue Facetten in Wes Andersons Welt
Moonrise Kingdom enthält all jene Zutaten, die in ihrer perfektionistischen Umsetzung bereits Wes Andersons andere Regiearbeiten ausmachten und vom Autorenfilmer mit großer, unverfälschter Hingabe für eine authentische Charakteristik seiner Werke sorgen. Kinder, die sich wie Erwachsene verhalten, Erwachsene, die sich wie Kinder aufführen. Extreme Weitwinkelaufnahmen von akkurat vollgestopften Sets mit zentral und frontal zur Kamera ausgerichteten Darstellern, weshalb es so erscheinet, als spiele der Film in einer Setzkastenwelt. Präzise geplante Kamerafahrten in Zeitlupe und ein melancholisch-optimistischer Soundtrack. Aber Wes Anderson setzt nicht auf diesen überdeutlichen Stil, um über mangelnde Originalität oder gar schwachen Inhalt hinwegzutäuschen. Die in seinen Filmen ruhenden Gefühle resonieren auf einer sehr persönlich-emotionalen Ebene mit dem intellektuellen Gewand, in dem sie gekleidet sind, wodurch sie alle auch ihre Eigenheiten haben. Moonrise Kingdom raut Wes Andersons Puppenhausaufbauten mit spröder Natur auf. Ganz gemäß des Settings eines Sechziger-Jahre-Sommercamps. Es ist ein spießiges Bild der Wildnis, wie von Pfadfindern in einem militärisch anmutenden Sommerlager wohl zu erwarten ist, doch gerade durch diese bürgerliche Borniertheit bestechen die sommerliche Abenteuerromantik dieses Films und der gebotene Witz umso mehr.

Moonrise Kingdom ist humoristisch und atmosphärisch, selbst für Wes Anderson, ein wirklich absonderlicher Film: Mehrere ausführliche Szenen sprühen vor einer genialen Skurrilität, die aber stets mit einem distinguiertem Understatement rübergebracht wird. Wes Anderson schreckt nicht davor zurück, herumzublödeln, und dennoch behält der Film stets eine intellektuelle Aura. Der Film hat eine sehr naive, unschuldige Sicht vieler Dinge, bettet sie aber in einen reifen, in den Kernszenen nahezu poetischen Kontext ein. Weniger begabte Regisseure würden ihren Film bei diesem tonalen Spreizakt zerbrechen lassen, doch unter dem versierten, mit fester Hand inszenierenden Wes Anderson entfaltet Moonrise Kingdom gerade deshalb eine atemberaubende Wirkung. Moonrise Kingdom fühlt sich zeitlos an, die 16mm-Fotografie sorgt mit einer ausgewaschenen Farbästhetik für einen in seiner Ungepflegtheit so vortrefflich vielsagenden Look. Die Handlung wird von Anderson und Co-Autor Roman Coppola mit feinem Sinn auf einer leicht magischen, und dennoch weiterhin weltnahen Art und Weise erzählt. Moonrise Kingdom ist kein realistischer, sondern ein naturalistischer Film, der zwar seine Absurditäten stets mit einem Hauch Ironie versieht, seine wahren Gefühle aber niemals verhehlt. Die erwachsenen Schauspieler gehen in ihren liebevoll umrissenen Karikaturen auf und die beiden zentralen Jungschauspieler sind wahrlich beeindruckend. Und Alexandre Desplat untermalt ihre Leistungen mit einem vor Persönlichkeit trotzenden, unwiderstehlich eigenartigen Score, der vorrangig die Klangwelt Benjamin Brittens adaptiert, in dessen Schaffenswerk Wes Anderson für Moonrise Kingdom genüsslich plünderte.

An den von mir so sehr geliebten The Royal Tenenbaums reicht Wes Andersons jüngstes Werk für mich nicht ganz heran, zumindest nicht nach einmaliger Sichtung. Aber ich spüre, dass mit Moonrise Kingdom ein neuer Klassiker geboren ist, und er liegt in meiner Gunst auch nur hauchdünn hinter der Geschichte der dysfunktionalen Tenenbaums. Moonrise Kingdom verläuft durch deutlicher humoresque Einlagen lange Zeit klar leichtfüßiger, hat auch eine stärkere in sich brodelnde Gefühlswelt, aber in den Tenenbaum-Charakteren steckte mehr Unerwartetes und in der verkopften Weltsicht des Films eine verschrobene Attraktivität, die ich in dieser Intensität in Moonrise Kingdom nicht ausgemacht habe. Aber dies ist Haarspalterei, die niemanden nur halbwegs Interessierten von einem Kinobesuch abhalten sollte.

Dienstag, 9. August 2011

Meine liebsten Tarantino/Rodriguez-Filme - Vol. 3

Die Abenteuer von Sharkboy und Lavagirl in 3-D (Rodriguez, 2005)
Der schüchterne und verträumte Max liest in der Schule einen ausschweifenden Aufsatz vor, in welchem er davon erzählt, wie er im vergangenen Sommer den von Haien aufgezogenen, superstarken Jungen Sharkboy und das nicht minder erstaunliche, außerirdische Mädel Lavagirl kennenlernte. Damit macht sich Max, der schon zuvor ein Außenseiter war, zum Gespött seiner Mitschüler. Einer seiner Klassenkameraden stiehlt sogar Max' Traumtagebuch und kritzelt darin herum. Kurz bevor die Situation im Klassenraum des überforderten Mr. Electricidad zu eskalieren droht, kommt ein Tornado herbeigestürmt (höhö, höhö...), der sich letztlich als die in höchster Eile befindlichen Sharkboy und Lavagirl herausstellt. Sie bitten Max, ihnen dabei zu helfen, den bedrohten Planeten Schleck vor Mr. Electric, dem korrumpierten, einstigen Beschützer dieser Welt, zu schützen. Eine Kette skurrilster und traumartiger Ereignisse beginnt...
Robert Rodriguez, passionierter Hai-Beobachter und abseits seiner Tätigkeit als Schöpfer höchst familienunfreundlicher Gewalt-Unterhaltung zudem ein totaler Familienmensch, war nach der Fertigstellung von Spy Kids 3-D: Game Over (aka Mission 3D) vollkommen überarbeitet. Die nichtmal im Ansatz an die zwei Vorgänger reichende Fortsetzung in nur fünf Monaten aus dem Boden zu stampfen hat selbst diese hartknäckige Ein-Mann-Filmcrew erschöpft. Doch im Hause Weinstein war man vom kommerziellen Erfolg so erstaunt, dass man einen weiteren 3D-Kinderfilm von Robert Rodriguez erbettelte. Der gerade ausgebrannte Rodriguez griff nach der einzigen Idee, die sich ihm anbot: Hey, er könnte die verrückten Spinnereien seines Sohns Racer Rodriguez (ja, das ist sein richtiger Name...) verfilmen! Gesagt, getan. Die professionellen Filmkritiker waren von der traumartigen Logik und den cartoonartigen Effekten nicht sonderlich angetan. Rodriguez verteidigte seinen damaligen Lieblingsfilm aus dem eigenen Schaffenswerk: Es ist ein kindlicher, fantasiegetränkter Film, der die Kraft des Vorstellungsvermögens besingt, ein neunzigminütiger Ausflug in den unschuldigen, übersprühenden Verstand eines kreativen Kindes.
Ach... netter Versuch, Robert. Netter Versuch, diesen mit absolut unsympatischen Figuren bevölkerten Schund zu verteidigen, dessen Effekte einen vor lauter Fremdscham in die Fötusstellung zurückzwängen und der scheinbar unfähig ist, die Unterscheidung zwischen von Traumlogik bestimmter, kindlicher Fantasie und inkohärentem Schwachsinn zu treffen. Filme dürfen von Traumlogik beherrscht werden, Filme dürfen sich kindlicher Vorstellungskraft anpassen und dabei die erwachsene, bemühte Erdung wegfegen. Diese Filme können erwachsenen Zuschauern ungebrochen Freude bereiten. Allerdings muss der Regisseur/Autor dabei sehr bedachtvoll entscheiden, welchen aus dem Nichts kommenden Wahnsinn er denn nun auf den Zuschauer loslässt. Und in welcher Reihenfolge. Nur weil ein Film vermeintlich den Aufbau eines Gedankenstroms hat, heißt das nicht, dass die Verantwortlichen des Films sich zurücklehnen und darauf bauen können, dass sich der Film von selbst fertigstellt, da man alles, was einem in den Sinn kommt, ungefiltert einbringen kann. Nicht grundlos werden gelungene Projekte mit Traumlogik als herausragende Kunstwerke gefeiert; sie sind besondere Herausforderungen an ihre Schaffenden. Robert Rodriguez hat diesen Fakt in einem Anflug übertriebener Vaterliebe ignoriert. Was seine Kinder sagten, war Gesetz, und so wurde eine saudämliche Kinder-Fantasiegeschichte einfach auf die Leinwand geschmissen, vollkommen gleich, wie kinountauglich sie denn nun war. Es gibt keine Spannung, keine Emotionen, keine überraschenden oder das Kind im Betrachter weckende Momente. Nur lahme Wortspiele /visuelle Gags auf dem Niveau eines lahmen Schenkelklopfers und eine der schlimmsten Seuchen, die Kinderfilme je befiel: Diese dauernden, viel zu nahen und schrillen Close-Ups. Nur eins muss man Rodriguez lassen: Er hat schon vor James Camerons Avatar das geleistet, was andere 3D-Regisseure jetzt lernen müssen. Rodriguez weiß, wie er eine Einstellung zu wählen hat, damit das meiste aus der 3D-Illusion geschröpft wird. Da der Film dem Normalsterblichen nur in anaglyphem 3D vorliegt, bringt das zwar nicht viel, aber irgendeine optimistisch stimmende Sache muss es ja am bald startenden Spy Kids 4D geben...

Das war die unerenhafte Sondernennung! Nach einem Blick auf den bis dato schlechtsten Film, den es aus dem Regie-Universum von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zu bestaunen gibt, geht es nun weiter mit höchst löblicher Wertarbeit.

Und nun zu unserem Hauptprogramm...
Platz 4: Sin City (Rodriguez, 2005)
Willkommen in der verrottenden Großstadt Basin City. Korruption zerfraß schon vor einiger Zeit den langen Arm des Gesetzes und die verbliebenen idealistischen Cops werden einer nach dem anderen von ihren verräterischen Kollegen ausgeschaltet. Die Bars sind hier versifft und die Kellnerinnen mögen zwar heiß sein, aber wehe, du kommst ihnen schief. Prostitution ist in diesem Loch ein im wahrsten Sinne des Wortes pulsierendes Geschäft, aber lüsterne Freier sollten unbedingt auf der Hut sein, denn während dir geprellte Kellnerinnen vielleicht ihren durchtrainierten Ex-Macker auf den Hals setzen, wissen sich diese scharfen Mädels kaltblütig selbst zu wehren. Basin City, die stadtgewordene Verkörperung von Sex and Crime; wo die Frauen perfekt gebaut sind und es faustdick hinter den Ohren haben. Wer hier als Mann überleben will, darf nicht aufgben, muss aus Granit gebaut sein. Basin City: Ein Südenpfuhl, der seinesgleichen sucht.
Obendrein ist Sin City ein so überdeutlicher Beweis für das künstlerische Engagement von Robert Rodriguez, wie es kaum einen zweiten gibt. Da Frank Miller aufgrund von RoboCop 3 dem Hollywood-Apparat den Rücken zukehrte, bat Robert Rodriguez die Schauspieler Josh Hartnett und Marley Shelton zu sich ins Studio, um die dreiseitige Kurzgeschichte The Customer is Always Right zu drehen. Das fertige Material führte Rodriguez als "Proof of Concept" Frank Miller vor, in der Hoffnung, es könne ihn überzeugen, dass eine seiner Vorlage gerecht werdende Kinoadaption möglich sei. Wie wir alle wissen, war Miller begeistert und willigte in die Zusammenarbeit ein. Moment, sagte ich "Adaption"? Nun, laut Rodriguez ist der Kinofilm Sin City viel eher eine "Übersetzung" der Sin City-Geschichten, von der Comicsprache in die Sprache des Films. Betrachtet man die Segmente für sich, so stimme ich Rodriguez liebend gerne zu. Ganze Webseiten beschäftigten sich bereits damit, einzelne Filmbilder zu nehmen und sie mit Comic-Panels zu vergleichen. Oft genug lassen sich Einstellungen finden, die exakt gleich sind. Dennoch ist Sin City, der Film, kein "Shot-for-Shot"-Remake der Comics, Rodriguez und der als Berater tätige und im Abspann schließlich zum Co-Regisseur beförderte Frank Miller leisteten für die Kinofassung mehr als genug Eigenarbeit, vor der man den Hut ziehen muss. Man merkt dies im Vergleich zu 300, der ebenfalls passagenweise die Comicbilder sher akkurat rekreiert. Zack Snyders Miller-Verfilmung ist klasse, aber Sin City ist um Längen besser. Denn beim "Abfilmen" der Comic-Panels muss ein filmtaugliches Timing erreicht werden. Schauspieler sind keine Comicfiguren, die man sich zurechtzeichnen kann, es muss also auf die Darstellung geachtet werden. Während Millers Comics nur aus Kontrasten bestehen (weshalb ich sie, ganz ehrlich gesagt, sehr schwer zu lesen finde), ist Sin City als Kinofilm plötzlich mit filigraneren Details, Texturen und ähnlichem gesegnet, etwas, um das sich gekümmert werden muss, damit es im stylischen Schwarz-Weiß auch gut aussieht und dem Comic zur Ehre gereicht. Ein Film bietet im Gegensatz zum Comic Musik, für die in diesem Fall drei Komponisten zuständig waren. Graeme Revell (From Dusk Till Dawn) leitete The Hard Goodbye, John Debney (Ein Königreich für ein Lama) übernahm die Federführung bei The Big Fat Kill, Robert Rodriguez kümmerte sich um das Titelthema, die Abspannmusik, That Yellow Bastard und kooperierte mit Debney und Revell bei mehreren Tracks ihrer Segmente. Dadurch wurde eine klangliche Selbstständigkeit der einzelnen Geschichten gewährleistet, die aber dank gemeinsamer Stilmittel genug Vereinheitlichung bietet, um Sin City auch musikalisch als kohärentes Werk zu erkennen.
Betrachtet man Sin City als Gesamtprojekt, muss ich Rodriguez aber widersprechen. Es ist eine Leinwandadaption der Comics. Allein schon deshalb, weil Rodriguez keine Fernsehserie mit einzelnen Episoden drehte, sondern mehrere Geschichten nahm, sie aneinanderreihte und sie miteinander verwebte, hat er ihnen ein neues Gesicht gegeben, einen neuen Rahmen. Einen Rahmen, der ihnen meiner Meinung nach nur gut tut. Die kurze Sequenz mit Hartnett und Shelton steht nun nicht weiter für sich, sondern dient als clevere thematisch-atmosphärische Exposition. Inhaltlich hat dieser Moment keinerlei wirkliche Relevanz für die folgenden Geschichten, aber er führt den ahnungslosen Erstzuschauer perfekt in die ihn erwartende Welt ein. Diese kurze Passage enthält alles, was man über Sin City wissen muss. Der einzigartige visuelle Stil, die ins Extreme gezerrte (ja, fast sogar verführerisch pervertierte) Film-noir-Romantik, die Ruchlosigkeit der Menschen in Basin City, diese Melancholie, die unter all der Gewaltbereitschaft und Derbheit brodelt...
Sin City ist einfach ein absolutes Meisterwerk. Es ist Robert Rodriguez' (und Frank Millers) Antwort auf Tarantinos Pulp Fiction. Inklusive Regie-Cameo des Oscar-tauglicheren Kumpels des saucoolen Tex-Mex-Regisseurs. Sin City spielt wie Pulp Fiction in einer gewaltbereiten, von Kriminalität beherrschten Welt, ebenso wie bei Tarantino wird die Brutalität durch lakonischen Humor ergänzt. Das ist meines Erachtens nach auch eine Leistung von Rodriguez, denn durch seine Inszenierung gewinnen Millers Geschichten und Texte einen sich ihrer selbst bewussten Sarkasmus, der für mich einen hohen Teil des Vergnügens an Sin City ausmacht. Sin City gefällt mir deshalb ganz klar um einiges besser als Pulp Fiction: Das Universum ist interessanter, die Figuren einprägsamer, der Humor sitzt noch fester im Sattel. Die Optik ist unwiderstehlich und die einzelnen Episoden finde ich auch spannender.
Mit einer vergnüglichen Verächtlichkeit schaffte Rodriguez ein malerisches Kunstwerk im Bereich des knallharten Gewaltfilms. Und irgendwas sagt mir, dass er nie näher an einer Oscar-Nominierung war. Aber das ist vielleicht bloß Einbildung meinerseits. Wie auch immer, seit 2005 warte ich auf die Fortsetzung. Wie so viele andere...

Platz 3: Grindhouse (Rodriguez/Tarantino, 2007)
It was called... The Grindhouse. Theatres that played back-to-back movies featuring uncensored sexuality and HARDCORE THRILLS!
From the directors of Reservoir Dogs, Desperado, Pulp Fiction, From Dusk Till Dawn, Once Upon a Time in Mexico, Kill Bill and Sin City... Tarantino and Rodriguez are back! Only this time... they're BACK-TO-BACK... with a double feature that will tear you in two! First... Robert Rodriguez's PLANET TERROR! Plus... Quentin Tarantino's DEATH PROOF! Two no holds barred, feature-length motion pictures... for the price of one! Only... at the GRINDHOUSE!

Den Schauspielern kauft man nichts ab. Die Dialoge sind saublöd. Die Handlung hat weder Hand, noch Fuß. Schlechte Filme, sie gibt es wie Sand am Meer. Meistens sind sie langweilig, ab und an richtig qualvoll. Aber manchmal, da findet man dieses Juwel der Schrecklichkeit. Einen Film, der so schlecht ist, dass er wieder gut ist. Einen ungewollt unterhaltsamen cineastischen Unfall. Solche Produktionen sind reine Glückssache. Es gibt keine Faustregel, wonach ein misslungener Film zum unbeabsichtigten Vergnügen werden kann. Entweder fallen alle Puzzleteile an ihren Platz, oder nicht.
Einen solchen Zufall zu rekreieren, ist eine wahrhaftige Kunstform. Den (nicht vorhandenen) solcher geglückten Missgeschicke nachzuahmen, haben bereits viele versucht, seit 2007 wohl mehr denn je zuvor. Aber die Herausforderung, absichtlich so schlecht zu sein, dass man wieder gut wird, die meistern nur die wenigsten. Gezielt "unfreiwillig" komisch rüberzukommen, das erfordert erstaunliche Fachkenntnisse, denn viel zu leicht verzockt man sich, und ist einfach nur peinlich. Statt etwa genial daneben. Man vergleiche nur den schlechte Witze erzählenden Bären Fozzie aus der Muppet Show-Truppe mit der 1Live-Nulpe Jimmy Breuer. Der eine ist dadurch, dass er nicht witzig ist, unglaublich komisch. Der andere Jimmy Breuer.
Absichtlich schlechte Filme, die durch ihre gewollten Mängel eine absurde Meta-Qualität erhalten und so wieder zu guten Streifen werden, dürfte sicherlich nochmal um einiges komplizierter sein, als durch schlechte Witze lustig sein zu wollen. Und während man den meisten dieser Experimente entgegenschreien möchte: "Ja, ich habe kapiert, dass du schlecht sein willst, aber das macht dich noch lange nicht gut!", gehört Grindhouse meiner Meinung nach ins Pflichtprogramm jeder filmischen Erziehung. Die meisten werden mit abgegriffenen Klassikern an die Filmanalyse herangeführt, wo die Interpretation der verfilmten Vorlage von den filmischen Stilmitteln und dem Ineinandergreifen von Form und Inhalt ablenkt. Grindhouse hingegen ist perfekt für eine Feuerprobe, denn hier gibt es dank der absichtlich eingefügten Filmfehler, den technischen Unreinheiten und dem ganzen anderen Kram so viele an der Oberfläche erkennbare Stilmittel, dass man unweigerlich wenigstens irgendwas erkennen muss. Etwa wenn die "Filmrolle" ganz offensichtlich zerschnitten wurde. Zufälligerweise genau an der Stelle, wo die Figuren eine Schnittbewegung mit der Hand machen.
Grindhouse ist auch deshalb so ergiebig für Filmanalysen, weil er auf mehreren Ebenen arbeitet. Man hat die Handlungsebene und dann, wie bei jedem anderen Film auch, die normale handwerkliche Ebene. Es lässt sich also untersuchen, wieso X unbedingt A macht, und genauso kann man überlegen, warum das in einer Halbtotalen gezeigt wird. Doch dann kommt die Exploitation-Ebene hinzu, man kann auf die künstlerischen Schnitzer deuten - und sich darüber klar machen, warum sich das nicht gehört. Hinzu kommt außerdem die Schundkino-Ebene: Zerfledderte Filmrollen, Schmutzpartikel, fehlende Sequenzen. All dies mündet in die Grindhouse-Ebene: Wieso hat Tarantino gerade hier einen Tonaussetzer hingepflanzt, und wieso kann Robert Rodriguez in einer Actionszene absoluten Müll machen und dadurch wie ein Genie aussehen, während Uwe Boll ein Stümper bleibt. An der Absichtlichkeit alleine liegt es nicht. Bitch Slap! ist genauso wie Grindhouse gezielt mies, doch während Grindhouse reichhaltig ist, ist Bitch Slap! niveaulose Unterhaltung... mit leichtem Augenzwinkern. Es sollten ganze Abhandlungen, Doktorarbeiten und filmwissenschaftliche Manifeste über Grindhouse verfasst werden, denn für ein strunzdummes Schundepos von über 3 Stunden Spielzeit hat es diese Kooperation zwischen Tarantino, Rodriguez und den Gastregisseuren Edgar Wright (Hot Fuzz, Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) und Eli Roth (Hostel) gewaltig hinter den Ohren. Die Mechanik, die Wissenschaft, die Kunst, die dahinter steckt, gehört bis ins kleinste Detail ergründet sowie erläutert.

Bis sich irgendjemand, dessen Knowhow das meinige übersteigt, dessen freie Forschungszeit geräumiger ist als meine und der anerkannt genug ist, um seine Erkenntisse weiter zu tragen, als ich meine jemals könnte... bis dahin muss ich wohl die Lücke füllen. Und deswegenhalben präsentiere ich nun als Artikel-im-Artikel die Top 37 der besten Gründe, wiesoweswegenweshalbwarum Grindhouse saumegageile Scheiße ist:

1) Der Machete-Fake-Trailer, der das Wesen der Rache-Exploitation gekonnt auf's Korn nimmt, ohne sich über sie zu mokieren.
2) Robert Rodriguez' Musikstück Grindhouse (Main Titles), welches das sexy Saxophon-Riff aus Sin City entführt und in eine siffigere, vorantreibendere neue Umgebung packt. Dieses amüsiert verruchte, die augenzwinkernde Frivolität. Das ist in Musik gepacktes Exploitation-Kino.
3) Die kleinen Zwischentitel, die die Trailer und den Hauptfilm ankündigen, uns über die Jugendfreigabe der Hauptfilme informieren und einfach nur so wundervolle nostalgische Fundstücke sind.
#4: Das ganze verfluchte Intro zu Planet Terror, das es vollbringt, gleichzeitig purer Exploitation-Fanservice sowie der feuchte Traum eines Filmanalysten zu sein. Es beginnt schon mit dem umgemodelten Dimension Films-Logo (während dem richtig schönes Projektor-Knattern zu hören ist) sowie dem extra für diesen Film ersponnenen Rodriguez International Pictures-Logo, woraufhin wir die Kopfüber in die Funktion von Grindhouse als Schundkino-Hommage getaucht werden. Rodriguez' Credit wird über schmelzendem Film gezeigt (unmöglich und somit ein Fehler in der Darstellung von Fehlern...), bevor der Titel Grindhouse mühevoll an uns vorbeizieht (den Film gucken wir ja auch wirklich). Los geht's mit Rose McGowans verdammt heißen Go-Go-Tanz, während dem Dutzende Staubpartikel das Bild beschmutzen (denn der Film Grindhouse handelt ja im Grunde davon, dass wir in einem schlecht gewarteten Kino sitzen und zwei miese Filme zu vergünstigtem Eintrittspreis gucken). Nur sind die "technischen" Probleme in unserem Grindhouse kleine, witzige Geniestreiche. Kaum erblicken wir Rose McGowan, streckt sie uns schon ihre in einem knappen Lederoberteil gepressten Brüste entgegen, und erneut schmilzt uns das Zelluloid davon. Als es so scheint, als gebe sie jemandem einen Zungenkuss, vibriert die gesamte Leinwand, Flammen schlagen fast schon dem Zuschauer entgegen. Oh, und ein paar Frames fehlen, denn in der Realität des Films Grindhouse (nicht in der Realität von Planet Terror und Death Proof) hat sich der Projektionist mal wieder die heißesten Einstellungen rausgeschnitten und sie mit nach Hause genommen. Und so kann man die gesamten Filme, aber insbesondere die pickepackevolle Introsequenz durchhecheln. Oder sich einfach an dem toll choreographierten und engergiegeladenen Tanz erfreuen. Oder sich über die Dreistigkeit der Vorspann-Titel erfreuen. Da wird der Credit "the Crazy Babysitter Twins" tatsächlich von einer Nahaufnahme der Brüste McGowans begleitet. Gemeint sind aber Rodriguez' Nichten, denen er eine Minirolle schrieb.
5: Sie zicken sich an, treten sich mit ihren blanken Füßen (hallo, Quentin) auf die in enge Tops gesteckten Brüste, zicken sich weiter an und benehmen sich wie wilde Zombies im Randale-Modus. Aber sie sind keine Zombies. Sie sind einfach nur mies gelaunt.
6) In Planet Terror ist ein Kamerakran zu sehen, der da nicht reingehört. Rodriguez wollte ihn wegretuschieren lassen, dann fiel ihm ein, welchen Film er gerade dreht.
7( In Planet Terror gehen Dinge in Flammen auf. Weil... äh... Actionszene!
8. Die Darsteller sind einfach alle saugut drauf.
#11 Die Gesamtheit von Death Proof und das ganze Metakonzept. Kann man sich bei der Planet Terror-Introsequenz zu Tode analysieren, kann die Struktur von Death Proof die Köpfe zum Rauchen bringen. Klar, man kann sich zurücklehnen und einen etwas seltsamen Tarantino-Film genießen, der erst einen auf miesen Slasher macht, dann zu einer riesig langen Retro-Verfolgungsjagd wird und zwischendurch schlicht cool ist. Aber wenn man sich auf das Grindhouse-Konzept einlässt... Was ist dieser Film-im-Film, dieser Streifen den wir uns im versifften und vollgerotzten (ich hoffe, das ist Rotze... riecht jedenfalls nach Ananas...) Kino ansehen? Mittendrin wechseln sowohl das Filmmaterial, als auch der Stil radikal. Zu Beginn erkennt man sehr kurz, dass der Vorspann einen Film namens Thunderbolt gehört, dessen Titel aber sehr stümperhaft rausgeschnitten und durch Death Proof ersetzt wurde. Nun, begibt man sich in die Welt der Filme, die sich The Cinema Snob so gerne ansieht, dann ist fast keine Sauerei der Verleihfirmen undenkbar. Ist Thunderbolt irgendein ambitionierter Thriller, dem irgendwann das Geld ausging, und das Studio hat ihn mit einem anderen Regisseur und Autor zu Ende gedreht? Daher die verkorkste Charakterisierung? Sehen wir gerade Thunderbolt und Thunderbolt 2 (größer, schneller, lauter, mehr Action... äh... Charakterisierung... öh... oh, guck mal, neue Muschis!), aus irgendwelchen rechtlichen Gründen zu einem einzelnen Film zusammengeschnipselt?! Zwei Filme, die nichts gemeinsam haben, bis auf den Hauptdarsteller mit markanter Narbe? WHAT THE HELL, MOVIE!? :-D
9) Das Ende von Death Proof. Man muss es mit gut gelauntem, jugendlichem Publikum in ausverkauftem Hause erlebt haben... Super.
10) Ich bin nunmal jemand, der sich über eine intelligent eingesetzte Meta-Referenz freuen kann. Grindhouse ist Meta - Der Film.
#15: Die Faketrailer in der Mitte. Lachmuskelkrampf, das hatte ich nach dem ersten Mal ansehen.
47: Dafür werden mir manche afrotragende Liebhaber von Big Kahuna Burger sicher böse sein, aber ich finde den Mädchentratsch in Death Proof tatsächlich insgesamt interessanter und spannender, als die Dialoge in Pulp Fiction. Ja, kein Austausch reicht an die legendäre "Fast Food in Europa"-Ansprache heran, doch all das Gegeeke über altmodische Stunts ist für mich mindestens genauso gut wie die Fußmassage-Philosophiererei und der Rest spricht mich ebenfalls an. Nicht, dass Pulp Fiction öde Dialoge hat, aber so skurril-interessant sie sein mögen, Death Proof ist für mich fast durchgehend ein Quentchen... interessanter. Nicht besser geschrieben, aber interessanter. Ihr High-Five-Muschis.
22) Super-Duper-Soundtrack. Das ganze Grindhouse-Teil.
23) Kurt Russel glüht geradezu vor Spielfreude. Wie er als Stuntman Mike über alte Zeiten quatscht, flirtet und mit einem kurzen, verschmitzten Blick die vierte Wand durchbricht, bevor er sein todsicheres Auto wegbrettern lässt ist John Travolta in Pulp Fiction ebenbürtig.
25) Endlich wieder eine reale, dreckige und scheppernde Auto-Verfolgungsjagd.
27)  Die Zombie-Abschlachterei in Planet Terror macht richtig schön Spaß. Weil Rodriguez Dynamik reinbringt und den ganzen Splatter mit Tribut zollender Selbstironie würzt. Es ist wie die Action in From Dusk Till Dawn, nur peppiger.
26: Quentin Tarantinos beste Gastrolle.
33) Während die Effekte in Rodriguez' Kinderfilmen eher... reden wir nicht drüber... sind die in Planet Terror richtig gut. Da, wo sie's sein sollen...

Sagte ich, dass Sin City ein malerisches Kunstwerk im Bereich des knallharten Gewaltfilms sei? Nun, Sin City ist dann wie diese schönen alten Gemälde, die sich viele Leute Problemlos als Nachdruck an die Wohnzimmerwand hängen würden. Grindhouse ist dagegen die Art von Kunst, die im Museum hängt, Leute zum Anhalten und Kopf kratzen bewegt. Einige werden staunen und sich über Künstler und Werk informieren und sich dann mit Freuden ein sehr, sehr großes Poster von Grindhouse online bestellen, mit Begleitbuch und allem. Andere gehen nach ihrer Kopfkratzpause unberührt weiter und nehmen sich im Geschenkeshop am Ausgang lieber ein Poster von Sin City mit. Beides legitim.

Platz 2: Kill Bill (Tarantino, 2003 & 2004)
Nagut, jetzt da ihr eh alle ahnt, dass The Faculty überraschend auf Platz 1 dieser Hitliste steht, kann ich ja endlich ganz frei über Tarantino schreiben: Bevor Inglourious Basterds erschien, kannte ich nur drei Arten von Leuten. Jene, die Pulp Fiction für Tarantinos besten Film halten; jene, die Kill Bill am besten finden und jene, die unbedingt über diesen Kultregisseur aufgeklärt werden müssen. Abhängig vom Alter dieser dritten Gruppe fühlte man sich auch genötigt zu fragen, wo sie denn bitte aufgewachsen sind. Wenigstens gehört muss man doch von dem Kerl haben... (Wo bitte? Ahso, in Gummi-Glen, natürlich, wo denn auch sonst...)
Nun, wie dem auch sei, wenn wir diesen riesigen Schrank mit drei Schubladen wirklich aufmachen wollen, so bin ich ganz klar ein Kill Bill-Typ.
Pulp Fiction ist sehr viel heiße Luft um nahezu gar nichts. Diese heiße Luft wird uns von Tarantino äußerst denkwürdig verkauft, und es fällt schwer, nicht seinen Spaß an dieser postmodernen Ansammlung von Schund zu haben. Doch wie ich bereits in meinem Kommentar zu Pulp Fiction schrieb: Ich kann diesen Sack heißer Luft nicht ewig meinen Film-Olymp aufsteigen lassen. Irgendwann ist die Grenze erreicht, wo ich nach was anderem verlange. Pulp Fiction ist ein postmodernes Stück (Neo?-)Neo-Noir, Gewalt regiert denn Alltag unserer Anti-Helden. Aber haben sie Motivation, entsteht eine emotionale Bindung zum Betrachter, gibt es in Pulp Fiction irgendetwas, worauf es hinzufiebern gilt? Nicht wirklich, finde ich. Pulp Fiction ist die Art Film, bei die ich beim ersten Mal erstaunt bin, was (nicht) passiert und ab der zweiten Sichtung warte ich auf meine Lieblingsmomente. Das ist keinesfalls schlecht, aber bei Kill Bill wird diese überdeutliche Handschrift Tarantinos, dieses genussvolle Balancieren zwischen Schund und Kunst dazu verwendet, mehr als nur Kritzeleien auf's Papier zu bringen. In Kill Bill erzählt Tarantino eine echte Geschichte, mit Kopf, Hand und Fuß, mit Motivationen und Gefühlen. Die Braut gehört zu den beeindruckendsten Filmheldinnen, die je von männlicher Autorenhand geschaffen wurden, ohne uns aufdringlich ihre inneren Konflikten, Ängsten und Wünschen entgegenzuschleudern, schaffen Regisseur/Autor Tarantino und Uma Thurman in der Rolle ihres Lebens eine differenziert ausgearbeitete Killerin, die nach persönlicher Rache sinnt. Rache-Erzählungen sind ganz archetypische Geschichten - und sie sind seit jeher eine zweischneidige Sache. Ohne die nötige Gewalt erscheinen sie häufig unbefriedigend, doch die von Gewalt getränkten Rache-Erzählungen sind dafür meistens auf narrativer Ebene so nachlässig, dass sie enttäuschen. So kommt es, dass Rache oftmals nur das Motiv einer Figur ist, die Geschichte aber eigentlich von etwas anderem handelt.
Dieses Epos ist ganz anders. Kill Bill nimmt sich seine Zeit. Wir lernen die Rächerin kennen, machen ihre blutgetränkte Odyssee mit, überstehen Tiefen und erreichen Höhepunkte, es ist eine wahre Tortur. Eine die sich auszahlt. Denn nicht nur die Braut ist denkwürdig, auch David Carradines Bill ist eine ikonische Filmfigur. Ominös - und uns dennoch bekannt. Eloquent, ein Gentleman, verrucht, abscheulich. Eine komplexe Persönlichkeit, die mit jeder einzelnen ihrer Szenen zu begeistern weiß.
Es stimmt natürlich, dass Kill Bill deutlich abhängiger von anderen Filmen ist, als Tarantinos vorhergegangenen Regiearbeiten. Während Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Jackie Brown ein paar direkte (jedoch obskure) Anspielungen enthielten, insgesamt aber eher ein Tarantino-Konzentrat aus all dem darstellten, was er im Gangstergenre sah und wünschte, ist Kill Bill wesentlich mehr, als "nur" eine Abwandlung all jener Stilelemente, die Tarantino in Racheepen entdeckt und lieben gelernt hat. In Kill Bill ist Quentin Tarantino nicht mehr der Komponist einer eigenen Symphonie, die als Revolution einer etablierten Traditionsreihe gedeutet werden kann. Er wird zum experimentierfreudigen DJ, der sich eines schier unendlichen Fundus an Material bedient und gelegentlich ein paar eigene Noten dazwischenfriemelt, um die Übergänge flüssiger zu gestalten. Also ja, wenn Leute Kill Bill aufgrund mangelnder kreativer Eigenständigkeit herunterwerten, ist es sicherlich ihr gutes recht. Aber bloß weil sich Tarantino von ungezählten Schundfilmchen, vom billigen Samurai-Rachefilm hin zum Softcoreporno, inspirieren lässt, heißt es nicht, dass er keine Eigenleistung vollbringt. Er schafft es ein Pastiche zu kreieren, für dessen Verständnis und Genuss keinerlei Vorkenntnisse nötig sind, Tarantino gelingt es, aus stillosen Ideen etwas wertvolles zu machen. Wenn ein DJ es schafft, aus 47 Songs, die ich allesamt dämlich finde, einen besonders langen Remix zu erstellen, der über Notenfolgen seine ganz eigene Geschichte erzählt und mich wahrlich umhaut, dann hat dieser DJ mindestens so viel harte, künstlerische Arbeit vollbracht, wie die 47 als Muse dienenden Originalkünstler.

Platz 1: Inglourious Basterds (Tarantino, 2009)
Es fällt mir schwer, etwas über Inglourious Basterds zu schreiben, ohne mich zu wiederholen. Wenn zum Schluss in die Kamera genuschelt wird "This might be my masterpiece" und darauf ein selbstgefälliges Grinsen folgt, dann fällt es schwer, nicht Quentin Tarantino vor sich zu sehen, der über sein neustes Werk sinniert. Tarantino lässt seine Figuren seit Anbeginn seiner Karriere aussprechen, was er denkt, und während wir von einer verspielten Marschmusik aus der Feder Ennio Morricones in den Abspann von Inglourious Basterds begleitet werden, dann endet diese faszinierende Kriegs- und Rachegeschichte auf einem glühenden Moment der Selbstgewissheit. Diese Energie ist ansteckend.
Inglourious Basterds, nach rund einem Jahrzehnt Skriptarbeit fand dieser Film 2009 endlich den Weg ins Kino. Der hektisch fertiggestellte Cannes-Schnitt wurde für die endgültige Kinoveröffentlichung perfektioniert, die Rezensionen nach Cannes waren deutlich euphorischer. Dadurch zeigte sich die Macht, die eine gute Cutterin haben kann. Leider sollte es Sally Menkes letzte Arbeit mit Tarantino werden.
Acht Oscar-, vier Golden-Globe und sechs BAFTA-Nomminierungen sprechen eine deutliche Sprache: Tarantino fand mit Inglourious Basterds den Weg zurück, vom umfeierten Kultregisseur zum (mit finanzieller Unterstützung großer Studios arbeitenden) Star des Arthouses. Über 40 Auszeichnungen gingen in der Award-Saison 09/10 an den Film, und ich hätte ihm noch mehr als das Doppelte gegönnt. Denn in Inglourious Basterds nimmt Tarantino alles, was ihn ausmacht, um seine bis dato komplexeste und packendste Geschichte zu erzählen. Bereits in Kill Bill wuchsen die markanten Tarantino-Dialoge über sich heraus, aus dem lockeren und faszinierenden Geplapper wurden Wortgefechte, an denen auch Emotionen hingen. In Inglourious Basterds werden Auseinandersetzungen nur im Ausnahmefall mit Waffen geklärt, stattdessen sind es Worte, mit denen Regisseur und Autor Tarantino spannende Duelle austrägt. Sprachfertigkeiten entscheiden über Leben und Tod - das nimmt aufgrund des hervorragenden Ensembles (allen vorran der begnadete Christoph Waltz, an dessen Lippen man förmlich kleben bleibt) und dem scharf geschriebenen Drehbuch nicht nur erstaunlich involvierende Züge an, sondern zeigt sich unter der kernig grinsenden Oberfläche auch äußerst tiefsinnig. Inglourious Basterds lässt sich als comichafte Weltkriegs-Spinnerei mit Spaghetti-Western-Anleihen betrachten, allein über Brad Pitt kann man sich schieflachen, doch Tarantinos Meisterwerk ist noch so viel mehr. Es ist ein filmisch-fiktives Essay über die Macht der Kommunikation, eine vulgäre Dekonstruktion der gekünstelt-mitleidigen Holocaust- und Kriegsdramen und zugleich in seiner Emotionalität so viel stärker und ehrlicher, als die meisten Filme, denen Inglourious Basterds die lange Nase zeigt. Anspruchsvoller war Schund-Unterhaltung noch nie - und exakt diese Divergenz zwischen schalem Schein und erstaunlichem Sein ist es, die mich am meisten an Tarantino fasziniert. Da ist es nur angemessen, dass mir sein intelligentester "Drecksfilm" auch am besten gefällt.

Bevor jemand fragt: The Faculty von Robert Rodriguez klebt direkt hinter Jackie Brown, der dritte Spy Kids-Film ist eine Fingerbreit besser als Die Abenteuer von Sharkboy und Lava-Girl. Jetzt liegt es am wieder einmal massenhaft Filme ankündigenden Rodriguez und am Django loskettenden Tarantino, diese Hitliste wieder völlig auf den Kopf zu stellen.

The author has finished his countdown, and all is right in the blog.

Weiterführende Artikel:

Montag, 25. Juli 2011

Meine liebsten Tarantino/Rodriguez-Filme - Vol. 2

Sah nach einem abrupten Ende aus, oder? Dem war aber nicht so. Als ich auf die Idee kam, über Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zu schreiben, steigerte ich mich in einen, wie es in der Werbung so schön heißt, höchst subjektiven Salmon cineastischen Geschwurbels hinein. Ich subjektifizierte und schwurbelte und ich war damit bereits verflucht noch eins zufrieden. Ich habe eine Menge Leute verwirrt und einige Filme genannt, um bis an diesen Punkt zu gelangen. Aber ich habe noch ein paar Filme vor mir. Die, auf welche ich genau jetzt hinleite. Nur rund zwei Cartoonhände voll sind übrig. Und wenn ich mein Ziel erreicht habe, dann habe ich sie alle genannt, meine liebsten Tarantino/Rodriguez-Filme.

Platz 8: Machete (Rodriguez, 2010)
Sowohl Tarantino, als auch Rodriguez tragen ihre Ideen mitunter sehr lange mit sich. Wenn also ein Film wie Machete vorbeikommt, und mit Fug und Recht behaupten kann, dass er zu den Ideen gehört, die eine der längsten Anlaufzeiten sämtlicher Projekte dieser beiden Kultfilmer in Anspruch nahm, dann will das was heißen. Schon als Rodriguez und Trejo im Vorfeld der Produktion von Desperado Bekanntschaft machten, merkte der Regisseur an, dass Danny Trejo ein mexikanischer Jean-Claude Van Damme werden sollte - oder Rachefilme wie Charles Bronson machen müsste. Für ihn stand fest, dass man mit Danny Trejo die klaffende Lücke der Latino-Gewaltfilme schließen sollte. Amerikansiche Schund-Liebhaber nahmen asiatische Exploitation und Blaxploitation in ihre verdorbenen Herzen auf, doch einen nennenswerten Mexploitation-Streifen gab es nicht. Schon 1993 soll Rodriguez einen ersten Drehbuchentwurf zusammengekritzelt haben, in dem Danny Trejo als Machete der Mann für's Grobe war, die billige Aushilfskraft der US-Geheimbehörden, wenn es ihnen zu schmutzig wurde. Als er letztlich zusammen mit Tarantino Grindhouse verwirklichte, drehte er einige Machete-Sequenzen, um sie als Fake-Trailer in das Projekt zu integrieren. Die Fan-Reaktionen waren überwältigend, und so versprach Rodriguez, aus dem bereits fertigen Material und einigen neu gedrehten Szenen einen eigenständigen Kinofilm zu machen. Und wer weiß, vielleicht wird direkt eine ganze Trilogie daraus...
Als Machete letztes Jahr dann endlich das Licht der schmuddeligen Filmwelt erblickte, sah das fertige Projekt etwas anders aus, als von einigen Fans erwartet. Es war keine derart übertriebene, mit mehrfach gestaffelter Meta-Ebene versehene Schundkino-Parodie wie Planet Terror, sondern eine (vergleichsweise) bodenständigere Exploitation-Hommage. Insofern liegt Machete relativ nahe an Jackie Brown: Wie Tarantino nahm sich Robert Rodriguez der Exploitation-Welt des Rachekomplotts an und würzte sie mit einer Kunstfertigkeit, die sie selten zu sehen bekommt.


Ähm... Auf... Rodriguez-Art.

Ja, Machete ist flach, vulgär und voller exzessiver Gewalt. Und dennoch in seiner comichaften Übertreibung so zurückhaltend, dass man manchmal nicht so genau weiß, ob Rodriguez (mit seinem Co-Regisseur Ethan Maniquis) einen echten Schundfilm drehen wollte, oder doch eher eine parodistische Schund-Hommage. Aber man muss auch bejahen: Rodriguez ist ein ungeheuerlich versierter Regisseur, der etwa einem rücksichtlosen Gemetzel in einer Kirche etwas poetisches abgewinnen kann (siehe dazu auch meine Kinokritik) oder den Zuschauer sämtliche Zweifel über Bord werfen lässt, dass Danny Trejo der mexikanische Chuck Norris ist. Machete kann alles, kriegt alles, schafft alles. Und dennoch wird der Film nicht langweilig. Dies liegt nicht zuletzt am tollen Ensemble. Michelle Rodriguez, Jeff Fahey und Danny Trejo eben ihre Rollen, Robert DeNiro glüht vor Spaß an der Freude und Lindsay Lohan... naja, sie spielt sich selbst, was kann da schon schiefgehen. Steven Seagal ist kurzweilig, ebenso die Cameos einiger Rodriguez-Stammfreunde. Nur Frau Alba ist manchmal was zu zurückhaltend. Die Gewaltsequenzen sind mit Genuss inszeniert, häufig genug pointiert und der Soundtrack rockt sowieso. Ebenso wie die Titelsequenz.
Was mich allerdings etwas an Machete stört, ist, dass er irgendwie zwischen den Stühlen steht. Er nimmt sich "ernster" als Planet Terror, ist gleichzeitig aber noch immer selbstironisch-schundhafter als Rodriguez' andere Tex-Mex-Produktionen. Durch Trejos Charisma und einiger Randgags, die ich nach mehrmaligem Ansehen schlicht zu genial finde, hat sich Machete in meiner Gunst mittlerweile etwas weiter nach oben gearbeitet, doch er hat klar seinen Zenit erreicht. Ein paar kultige Sprüche mehr, dafür etwas weniger Exposition, dann wäre noch mehr drin. Oh, und ich finde es schade, dass der schrille Cameo von Rose McGowan rausflog. Allerdings wäre der Film dann gewollt alberner, und das hätte wiederum die Fans der "echten" Exploitation geärgert. Seht ihr... Machete ist einer dieser Filme, die sich in eine Zwickmühle dirigiert haben. Trotzdem... ist ja schon ein geiles Ding...

Platz 7: From Dusk Till Dawn (Rodriguez, 1996)
Auch wenn Machete und From Dusk Till Dawn in dieser Rangliste Nachbarn sind, klafft zwischen ihnen in meiner subjektiven Wahrnehmung eine gewaltige Lücke. Machete ist ganz cool, ein gelungener Rodriguez-Film. Aber mit From Dusk Till Dawn erreichen wir bereits die höheren Sphären meines Filmgenusses. Von nun an sind wir in der Pflichtzone angelangt, hier folgen die Filme, bei denen ich richtig ins Schwärmen geraten kann.
From Dusk Till Dawn manifestierte die Kollegialität zwischen Quentin Tarantino und Robert Rodriguez. Tarantino schrieb das Drehbuch auf Anregung des Make-Up-Künstlers Robert Kurtzman, gewissermaßen als Entlohnung für seine hervorragende Leistung an der Folterszene in Reservoir Dogs. Nach kurzen anfänglichen Überlegungen verzichtete Tarantino allerdings auf den Regieposten und gab ihn an seinen Kumpel Robert Rodriguez weiter. Das Ergebnis ist die vielleicht beste stilistische Ehe dieser beiden Kultfilmer, die man sich denken kann (siehe auch meine Filmkritik). From Dusk Till Dawn ist zu gewissem Grade sein eigenes, kleines Grindhouse, nur mit einem strikteren, durchgehenden roten Faden. Wir eröffnen mit der Tarantino-Hälfte, dem kernigen Gangsterfilm, in dem sich Seth Gecko (George Clooney) mit seinem psychopathischen Bruder (Quentin Tarantino) rumschlagen muss, sowie mit einer bockigen Geisel (Harvey Keitel als vom Glauben abgefallener, besonnener Priester mit zwei Kindern). Im berühmt-berüchtigten Titty Twister angekommen, wird die Stimmung ungezwungener und WHAM, Rodriguez haut den ironischen Splatter raus.
Wieso, weshalb und warum die BPjM From Dusk Till Dawn indiziert hat, werde ich nie nachvollziehen können. From Duk Till Dawn ist zwar nicht gerade zimperlich, doch weder ist die Gewalt in diesem Film menschenverachtend, noch wird sie glorifiziert. Einer der faszinierendsten Aspekte an From Dusk Till Dawn ist schließlich sogar, wie Rodriguez und Tarantino ganz heimlich ihrem Publikum einen subversiven Kommntar bezüglich medialer Gewalt und deren Rezeption unterjubeln. Wie sie sich über Fernsehnachrichten, die sich an Amokläufen oder Massakern aufgeilen, lustig machen, ist kaum zu übersehen. Aber wie eine besonders abscheuliche Tat zwar angedeutet und kommentiert wird, deren Abbildung aber auf ein kurzes, die Neugier schürendes Aufflackern reduziert wird - das scheint den Moralaposteln entgagen zu sein. Tarantino und Rodriguez führen den Gewaltdurst des Publikums vor, nur um rund eine halbe Stunde später mehr (und albernere) Gewalt auf den Zuschauer loszulassen, als ihm zuvor lieb war.
From Dusk Till Dawn ist ein saucooler Film, er enthält alle Elemente, die für einen lässigen Kultfilm nötig sind. Lockere Sprüche, einen einprägsamen Soundtrack, eine absurde Grundidee, eine Prise Erotik und natürlich den selbstbewussten Trash-Faktor. Doch irgendwo darin versteckt sich auch ein erstaunlich solider Kandidat für's Programmkino - sei es beabsichtigt oder nicht. Und da kann ich nur sagen: (Texas-)Hut ab!

Platz 6: Desperado & Irgendwann in Mexiko (Rodriguez, 1995 & 2003)
Auf Platz 6 meiner liebsten Regiearbeiten von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino befinden sich, wie unschwer zu erkennen ist, gleich zwei Filme. Obwohl man sicherlich das Argument machen könnte, dass es eigentlich drei Filme sind. Denn als Robert Rodriguez sich aufmachte, Irgendwann in Mexiko zu verwirklichen, beschloss er, den Film als das epochale Finale einer Trilogie aufzuziehen. Jedoch nicht als das große Finale der mit El Mariachi gestarteten Trilogie, sondern als den gigantischen Abschluss der non-existenten Desperado-Trilogie rund um Antonio Banderas' Mariachi-Figur.
Und so enthält Irgendwann in Mexiko Rückblenden auf den niemals gedrehten zweiten Teil. Beziehungsweise auf den niemals gedrehten dritten Teil der El Mariachi-Filmreihe. Robert Rodriguez hat es also gewissermaßen geschafft eine Trilogie mit nur zwei Filmen zu drehen. Oder ist es letztlich doch eine vier Filme umfassende Trilogie?
Jedenfalls behandelt Robert Rodriguez in Desperado und Irgendwann in Mexiko sehr intensiv das Thema der Legendenbildung. Allein schon durch die (mangelnde) Kontinuität der Trilogie... Quadrologie... des Double-Features... ähm, ist ja auch egal. Desperado mit Antonio Banderas und Salma Hayek ist gleichzeitig Remake, als auch Fortsetzung von El Mariachi. Die Darsteller wurden ausgetauscht, Details in der Geschichte des sagenumwobenen, einen Gitarrenkoffer mitschleppenden Killers abgewandelt. Die kleinere, bodenständigere Geschichte ist praktisch die "wahre" Geschichte des Mariachis, mit Desperado betreten wir bereits mythisch überhöhten Grund und Boden. Größer, härter, verwegener. Es ist die Hollywood-Version einer wahren Geschichte - und sie wird bis zum letzten Tropfen gemolken. Aus einer kleinen Verwechslung, die einen armen Musiker zwang, zum abgebrühten Revolverhelden zu werden, wird eine nicht enden wollende Sage eines legendären, unschlagbaren, mexikanischen Motherfuckers.
Und, oh die Ironie, selbst Desperado, die übertriebene Nach- und Weitererzählung von El Mariachi, beginnt damit, wie ein runtergekommener Loser (der wie immer begnadete Steve Buscemi) in eine Bar kommt und Geschichten dieses Mariachis erzählt. Er macht den Leuten in dieser Bar mit seinen Übertreibungen Angst, während der Zuschauer aus dem Grinsen nicht herauskommt - denn Buscemis Erzählung verliert jegliche Bodenhaftung.
Das ist es auch, was letztlich Irgendwann in Mexiko ausmacht. Im Original auf Anraten Tarantinos Once Upon a Time in Mexico betitelt, nimmt die Legende des Mariachis verworren komplexe sowie politische Züge an, sie entückt mit den weit vorausgeplanten Schachzügen seiner Handlungsträger und den fast übermenschlichen Fähigkeiten der Schlüsselfiguren vollends der Realität von El Mariachi.
Man könnte es als einen "Jumping the Shark"-Moment in abendfüllender Spielfilmlänge betrachten, doch Rodriguez bedient sich einer Kameraarbeit, die viel Gravitas versprüht, verwendet einen solch "epochal" klingenden Soundtrack und macht sich in gesunden Dosen ausreichend über sich selbst lustig, dass Irgendwann in Mexiko meiner Ansicht nach eben kein Totalausfall, sondern ein konsequenter Abschluss dieser Filmreihe wird. Außerdem hat Rodriguez durch den Film dafür gesorgt, dass das überaus köstliche Fleischgericht Puerco Pibil bekannt wird. Muss man ja auch loben. Und, jaaa, Johnny Depp bringt auch ein paar Pluspunkte. Genug, damit ich die von mir verhasste Eva Mendes gepflegt vergessen kann. Weitere Pluspnkte gibt es für die Kackendreistigkeit, mit der Robert Rodriguez das Studio über's Ohr haute: Er schwörte, dass das Drehbuch zu Irgendwann in Mexiko fertig sei und dass das Skript nach dem Wochenende den entsprechenden Entschaidungsträgern vorliegen könnte. Nach diesem Telefonat fing er mit der Skriptarbeit an. Und um seine schnell an den Haaren herbeigezogenen Notizen auf Spielfilmlänge zu strecken, hat er einfach das Drehbuch zu einem Kurzfilm über einen Banküberfall wahllos dazwischen gelegt. Als dieses Drehbuch genehmigt wurde ("Nur, Robert... also, dieser Subplot mit dem Banküberfall... der sollte raus!"), fing Rodriguez mit der richtigen Schreibarbeit an. Gewiss, man merkt Irgendwann in Mexiko an, dass er nicht über Jahrzehnte entwickelt wurde, so wie Tarantino es mit manchen Drehbüchern pflegt, aber ich glaube nicht, dass durch eine längere Vorbereitungsphase was kohärenteres bei rumgekommen wäre.

Platz 5: Pulp Fiction (Tarantino, 1994)
Pulp Fiction ist immens populär. Er vereint sowohl Cineasten auf seiner Seite, als auch den sich ach-so-cool haltenden, rumgammelnden Schüler, der einen Arthouse-Film normalwerise selbst dann nicht gut fände, wenn er ihm ein Bier ausgibt. Pulp Fiction ist sowohl was für die besoffenen, lärmenden Typen aus der Studentenverbindung, als auch für die verschnupften Intelektuellen. Pulp Fiction-Poster verkaufen sich wie geschnitten Brot, die Dialoge sind längst nicht mehr aus der Popkultur wegzudenken und seinem Soundtrack allein wird für die Wiederbelebung des Surfrocks zugeschrieben. Man wähle einen Song aus Pulp Fiction, lass ihn irgendwo laufen, und genügend Leute werden aufschreien: "Moment, der ist doch aus Pulp Fiction!"
Tarantinos Überraschungshit sorgte 1994 im Disney-Konzern für vergrößertes Vertrauen in die frisch eingekaufte Independent-Schmiede Miramax, prägte die gesamte Indie-Kultur, beeinflusste Filmstudenten rund um den Globus und dürfte bis heute den Protoypen des postmodernen Kinos darstellen. Und so ganz nebenher ist Pulp Fiction auch der Grund, weshalb es hier im Blog diese Hitliste zu lesen gibt. Denn als ich vor ein paar Wochen andere Fälle präsentierte, wo ich bezüglich des Schaffens eines Regisseurs oder den Teilen einer Kinoreihe nicht mit der Mehrheit übereinstimme, war schlichtweg kein Platz mehr für meinen Kommentar in Sachen Tarantino.
Denn diese Situation könnte sich als etwas komplex herausstellen. Ich finde nämlich nicht, dass Pulp Fiction überschätzt ist. Ich gönne diesem Streifen jedes Stückchen Anerkennung, das es erhält - und sogar noch mehr. Die Leser der Cinema wählten ihn beispielsweise zum zweitbesten Film aller Zeiten. Ich bin mit dieser Wahl vollauf zufrieden und werde kaum ins Zetern geraten. Pulp Fiction erhielt fantastische sieben Oscar-Nominierungen, obgleich er wirklich überhaupt nicht in das übliche Aufgebot der Academy Awards passt, und Quentin Tarantino & Roger Avary gewannen immerhin einen der begehrten Goldjungen. Und zwar für das beste Original-Drehbuch. Ohne nachgezählt zu haben, bin ich mir sicher: Mehr "fucks" gab es bis heute in keinem Oscar-prämierten Drehbuch. Und, wenn ich was zu sagen hätte, so hätte Pulp Fiction gerne mehr als nur diesen einen Oscar gewinnen dürfen.
Wäre ich in einem Komitee, das einen Filmkanon erstellen soll, der darüber entscheidet, welche Produktionen für die Nachwelt auf jeden Fall erhalten bleiben sollen, und ich dürfte aus einem mir unerklärlichen Grund nur einen Tarantino-Film auf die Liste setzen, so fiele meine Wahl (nach ausreichendem Protest, da Tarantino mindestens zweimal vertreten sein müsste) auf Pulp Fiction. Es ist ein pop- und filmkulturelles Testament mit einer solchen Aussagekraft über unser Medienverhalten und einem so weitreichenden Einfluss, dass ich guten Gewissens schlichtweg nicht anders entscheiden könnte.
Es ist Tarantinos wichtigster Film. Hinischtlich der Frage, ob es sein bester Film ist, darüber könnte man schon viel einfacher mit mir in eine hitzige Diskussion geraten. Tarantinos bester Film ist für mich viel eher auch der bestplatzierte auf dieser Liste - doch ich lasse sehr wohl mit mir reden, dass Pulp Fiction "besser" ist als die anderen drei Filme, die euch noch in meiner Hitliste erwarten. Vielleicht.
Und dennoch ist Pulp Fiction nur mein fünftliebster Streifen des kultigen Duos Tarantino/Rodriguez. Verwirrend, hm? Ich sagte ja, es könnte kompliziert werden. Wenn ich jeglichen filmjournalistischen Anspruch in mir ausschalte, und mich schlichtweg frage, welcher Film mir mehr Genuss gab, jedes Mal wenn ich ihn sah, und auf welchen ich häufiger nochmal Lust habe, dann steht Pulp Fiction halt unter manch anderen Tarantino-Regiearbeiten. Ich liebe Pulp Fiction. John Travolta und Samuel L. Jackson sind großartig (Jackson war niemals besser als hier), Uma Thurman ist klasse, Harvey Keitel gefällt mir in seiner Mini-Rolle besser als in der Gesamtheit von Reservoir Dogs. Christopher Walken, zu guter Letzt, erwischte in Pulp Fiction einen seiner Tage, an dem man ihn auch ernsthaft gut finden kann. Bruce Willis ist ebenfalls sehr gut in seinem Segment, allerdings finde ich diese Geschichte etwas zäh erzählt. Obwohl... das ist nicht ganz das richtige Wort. Sie ist eigentlich solide erzählt, vom sadistischen Höhepunkt im Keller des Pfandhauses ist sie jedoch längst nicht so ikonisch wie der Rest des Films, wodurch sie sich so anfühlt, als bremse sie den kultig-genialen Irrsinn aus. Es hat halt schon seinen Grund, weshalb bei Pulp Fiction alle zunächst an Travolta, Jackson und Thurman denken. Ich liebe auch die verschachtelte Erzählweise Tarantinos, mit der er uns ein (anti?)klimatisches Ende zaubert, tja, und die Dialoge sind eh über alle Zweifel erhaben. Nie waren pseudo-philosophische Gedanken wie die über kulturelle Unterschiede zwischen den USA und Europa (beobachtet an den französischen und niederländischen Fast-Food-Gewohnheiten) oder die tiefere emotionale Bedeutung einer Fußmassage einprägsamer.
Aber dennoch ist mir Pulp Fiction dann ganz persönlich weniger lieb als das, was auf dieser Liste noch folgt. Mal ganz davon abgesehen, dass Pulp Fiction ja trotzdem in meinem cineastischen Olymp ruht und es deshalb eigentlich unnötig ist, eine all zu ausschweifende "Verteidigungsrede" abzuhalten: Es geht eigentlich viel weniger darum, was Pulp Fiction nicht hat, sondern darum, was mir die noch ausstehenden Rodriguez/Tarantino-Filme mehr bieten. Ich werte Pulp Fiction nicht ab, ich werte den Rest bloß auf. Vielleicht dürfte das ja schon manche besänftigen. Ansonsten kann ich mich ja noch um weitere Argumente bemühen:


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