Robert Rodriguez' Filme sorgen seit Jahren dafür, dass die Gerüchteküche nicht zur Ruhe kommt. "Nächstes Jahr kommt Sin City 2!" ... "Johnny Depp und Angelina Jolie spielen in Sin City 2 mit!" ... "Rodriguez dreht Grindhouse 2!" ... "Rose McGowans und Rodriguez' Red Sonja ist abgedreht!" ... "Nächstes Jahr kommt Sin City 2!" ... Doch vor wenigen Wochen kam ein Gerücht auf, und verendete sofort: Eine texanische Seite meldete, Lady Gaga am Set von Machete Kills gesehen zu haben. Während sonstige News zum Film schnell die Runde machten, blieb diese Meldung stehen. Wieso sollte man das auch glauben? Gaga ist der momentan größte Popact des Planeten und Rodriguez' dreht alle Jahre wieder günstige Filmchen mit ein paar Kumpeln aus der Branche und 'ner Pulle Bier zur Hand ...
Doch via Twitter nahm sich Rodriguez' dieser Meldung wieder an. So eben habe er die letzte Szene mit Gaga gedreht. Und ein Poster hat er auch schon:
Entweder macht sich Rodriguez über ein Gerücht lustig, das eh niemand geglaubt hat, oder er bestätigt es somit. Nun, da Rodriguez über Twitter gerne unerwartete Ankündigungen macht und wir letztlich über Lady Gaga reden, die, naja, gaga ist und in ihren Videos bereits Anspielungen auf Tarantino und Co. machte, und in Machete Kills eh alles mitspielt, was bei drei nicht auf den Bäumen ist ... Hm. Coole Sache!
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Donnerstag, 26. Juli 2012
Dienstag, 7. Februar 2012
Bald ist es soweit: Machete Kills!
Machete setzte die Kinokassen dieser Welt nicht gerade in Flammen, aber bei einem Budget von 10,5 Millionen Dollar sind weltweite Einnahmen in der Höhe von 44 Millionen auch kein Zuckerschlecken. Jedenfalls warf der Film genug Profit ab, um Rodriguez darin zu bestätigen, die angekündigten Machete-Fortsetzungen auch tatsächlich in die Tat umzusetzen. Und mit sonderlich viel Arbeit sind diese gewollten Trash-Rachestreifen eh nicht verbunden ...
Während wir also wie gebannt darauf warten, dass die Ein-Mann-Filmcrew Sin City 2, Feuer und Eis sowie Heavy Metal verwirklicht, schmeißt der lässige Kumpel Tarantinos noch einmal die Kamera an und lässt Danny Trejo Menschen abmetzeln. "Jaja, Rodriguez verspricht vieles!", sagt ihr? Nun, der Drehtermin ist schon abgemachte Sache. Das ist schon mehr, als wir bei Sin City 2 je bekamen: Wie Deadline erfuhr, soll im April die erste Klappe für Machete Kills fallen, und Rodriguez sei darum bemüht, alle Darsteller des ersten Teils (dere Figuren nicht das Zeitliche segneten) wiederzuvereinen.
Beim Skript erhält Rodriguez Unterstützung von Kyle Ward, der russische Produzent Alexander Rodnyansky (Die neunte Kompanie) übernimmt die finanzielle Hauptverantwortung für das Sequel. Und dieses scheint die Richtung für Teil 3 anzugeben. Proklamierte Rodriguez im Abspann des Originals noch, Teil 3 Machete Kills Again zu nennen, liebäugelte er in einigen Presseinterviews mit Machete ... IN ... SPACE! Tja, und wie liest sich die Inhaltsangabe für Machete Kills?
"Machete wird von der US-Regierung rekrutiert, um eine für jeden Normalsterblichen unmöglich zu bewältigende Mission in Angriff zu nehmen: Er muss sich durch Mexiko kämpfen, um einen durchgeknallten Kartellführer und einen exzentrischen, milliardenschweren Waffenhändler aufzuhalten. Diese planen, die gesamte Welt mittels einer im Weltraum stationierten Waffe in einen Krieg zu stürzen."
Rodriguez verspricht: "Machete Kills wird größer und ambitionierter als der erste Teil", dessen Rezeption bei den Fans ihn umgeworfen hätte. Nun, mit so einer abgedrehten Story und einem hoffentlich motivierten Rodriguez (sowie den Andeutungen, es könnte einen Space-Oper-Trilogieabschluss geben), kann ich nicht anders, als vorfreudig im Dreieck zu hüpfen. Fuck Yeah!
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Dienstag, 9. August 2011
Meine liebsten Tarantino/Rodriguez-Filme - Vol. 3
Die Abenteuer von Sharkboy und Lavagirl in 3-D (Rodriguez, 2005)
Der schüchterne und verträumte Max liest in der Schule einen ausschweifenden Aufsatz vor, in welchem er davon erzählt, wie er im vergangenen Sommer den von Haien aufgezogenen, superstarken Jungen Sharkboy und das nicht minder erstaunliche, außerirdische Mädel Lavagirl kennenlernte. Damit macht sich Max, der schon zuvor ein Außenseiter war, zum Gespött seiner Mitschüler. Einer seiner Klassenkameraden stiehlt sogar Max' Traumtagebuch und kritzelt darin herum. Kurz bevor die Situation im Klassenraum des überforderten Mr. Electricidad zu eskalieren droht, kommt ein Tornado herbeigestürmt (höhö, höhö...), der sich letztlich als die in höchster Eile befindlichen Sharkboy und Lavagirl herausstellt. Sie bitten Max, ihnen dabei zu helfen, den bedrohten Planeten Schleck vor Mr. Electric, dem korrumpierten, einstigen Beschützer dieser Welt, zu schützen. Eine Kette skurrilster und traumartiger Ereignisse beginnt...
Robert Rodriguez, passionierter Hai-Beobachter und abseits seiner Tätigkeit als Schöpfer höchst familienunfreundlicher Gewalt-Unterhaltung zudem ein totaler Familienmensch, war nach der Fertigstellung von Spy Kids 3-D: Game Over (aka Mission 3D) vollkommen überarbeitet. Die nichtmal im Ansatz an die zwei Vorgänger reichende Fortsetzung in nur fünf Monaten aus dem Boden zu stampfen hat selbst diese hartknäckige Ein-Mann-Filmcrew erschöpft. Doch im Hause Weinstein war man vom kommerziellen Erfolg so erstaunt, dass man einen weiteren 3D-Kinderfilm von Robert Rodriguez erbettelte. Der gerade ausgebrannte Rodriguez griff nach der einzigen Idee, die sich ihm anbot: Hey, er könnte die verrückten Spinnereien seines Sohns Racer Rodriguez (ja, das ist sein richtiger Name...) verfilmen! Gesagt, getan. Die professionellen Filmkritiker waren von der traumartigen Logik und den cartoonartigen Effekten nicht sonderlich angetan. Rodriguez verteidigte seinen damaligen Lieblingsfilm aus dem eigenen Schaffenswerk: Es ist ein kindlicher, fantasiegetränkter Film, der die Kraft des Vorstellungsvermögens besingt, ein neunzigminütiger Ausflug in den unschuldigen, übersprühenden Verstand eines kreativen Kindes.
Ach... netter Versuch, Robert. Netter Versuch, diesen mit absolut unsympatischen Figuren bevölkerten Schund zu verteidigen, dessen Effekte einen vor lauter Fremdscham in die Fötusstellung zurückzwängen und der scheinbar unfähig ist, die Unterscheidung zwischen von Traumlogik bestimmter, kindlicher Fantasie und inkohärentem Schwachsinn zu treffen. Filme dürfen von Traumlogik beherrscht werden, Filme dürfen sich kindlicher Vorstellungskraft anpassen und dabei die erwachsene, bemühte Erdung wegfegen. Diese Filme können erwachsenen Zuschauern ungebrochen Freude bereiten. Allerdings muss der Regisseur/Autor dabei sehr bedachtvoll entscheiden, welchen aus dem Nichts kommenden Wahnsinn er denn nun auf den Zuschauer loslässt. Und in welcher Reihenfolge. Nur weil ein Film vermeintlich den Aufbau eines Gedankenstroms hat, heißt das nicht, dass die Verantwortlichen des Films sich zurücklehnen und darauf bauen können, dass sich der Film von selbst fertigstellt, da man alles, was einem in den Sinn kommt, ungefiltert einbringen kann. Nicht grundlos werden gelungene Projekte mit Traumlogik als herausragende Kunstwerke gefeiert; sie sind besondere Herausforderungen an ihre Schaffenden. Robert Rodriguez hat diesen Fakt in einem Anflug übertriebener Vaterliebe ignoriert. Was seine Kinder sagten, war Gesetz, und so wurde eine saudämliche Kinder-Fantasiegeschichte einfach auf die Leinwand geschmissen, vollkommen gleich, wie kinountauglich sie denn nun war. Es gibt keine Spannung, keine Emotionen, keine überraschenden oder das Kind im Betrachter weckende Momente. Nur lahme Wortspiele /visuelle Gags auf dem Niveau eines lahmen Schenkelklopfers und eine der schlimmsten Seuchen, die Kinderfilme je befiel: Diese dauernden, viel zu nahen und schrillen Close-Ups. Nur eins muss man Rodriguez lassen: Er hat schon vor James Camerons Avatar das geleistet, was andere 3D-Regisseure jetzt lernen müssen. Rodriguez weiß, wie er eine Einstellung zu wählen hat, damit das meiste aus der 3D-Illusion geschröpft wird. Da der Film dem Normalsterblichen nur in anaglyphem 3D vorliegt, bringt das zwar nicht viel, aber irgendeine optimistisch stimmende Sache muss es ja am bald startenden Spy Kids 4D geben...
Das war die unerenhafte Sondernennung! Nach einem Blick auf den bis dato schlechtsten Film, den es aus dem Regie-Universum von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zu bestaunen gibt, geht es nun weiter mit höchst löblicher Wertarbeit.
Willkommen in der verrottenden Großstadt Basin City. Korruption zerfraß schon vor einiger Zeit den langen Arm des Gesetzes und die verbliebenen idealistischen Cops werden einer nach dem anderen von ihren verräterischen Kollegen ausgeschaltet. Die Bars sind hier versifft und die Kellnerinnen mögen zwar heiß sein, aber wehe, du kommst ihnen schief. Prostitution ist in diesem Loch ein im wahrsten Sinne des Wortes pulsierendes Geschäft, aber lüsterne Freier sollten unbedingt auf der Hut sein, denn während dir geprellte Kellnerinnen vielleicht ihren durchtrainierten Ex-Macker auf den Hals setzen, wissen sich diese scharfen Mädels kaltblütig selbst zu wehren. Basin City, die stadtgewordene Verkörperung von Sex and Crime; wo die Frauen perfekt gebaut sind und es faustdick hinter den Ohren haben. Wer hier als Mann überleben will, darf nicht aufgben, muss aus Granit gebaut sein. Basin City: Ein Südenpfuhl, der seinesgleichen sucht.
Obendrein ist Sin City ein so überdeutlicher Beweis für das künstlerische Engagement von Robert Rodriguez, wie es kaum einen zweiten gibt. Da Frank Miller aufgrund von RoboCop 3 dem Hollywood-Apparat den Rücken zukehrte, bat Robert Rodriguez die Schauspieler Josh Hartnett und Marley Shelton zu sich ins Studio, um die dreiseitige Kurzgeschichte The Customer is Always Right zu drehen. Das fertige Material führte Rodriguez als "Proof of Concept" Frank Miller vor, in der Hoffnung, es könne ihn überzeugen, dass eine seiner Vorlage gerecht werdende Kinoadaption möglich sei. Wie wir alle wissen, war Miller begeistert und willigte in die Zusammenarbeit ein. Moment, sagte ich "Adaption"? Nun, laut Rodriguez ist der Kinofilm Sin City viel eher eine "Übersetzung" der Sin City-Geschichten, von der Comicsprache in die Sprache des Films. Betrachtet man die Segmente für sich, so stimme ich Rodriguez liebend gerne zu. Ganze Webseiten beschäftigten sich bereits damit, einzelne Filmbilder zu nehmen und sie mit Comic-Panels zu vergleichen. Oft genug lassen sich Einstellungen finden, die exakt gleich sind. Dennoch ist Sin City, der Film, kein "Shot-for-Shot"-Remake der Comics, Rodriguez und der als Berater tätige und im Abspann schließlich zum Co-Regisseur beförderte Frank Miller leisteten für die Kinofassung mehr als genug Eigenarbeit, vor der man den Hut ziehen muss. Man merkt dies im Vergleich zu 300, der ebenfalls passagenweise die Comicbilder sher akkurat rekreiert. Zack Snyders Miller-Verfilmung ist klasse, aber Sin City ist um Längen besser. Denn beim "Abfilmen" der Comic-Panels muss ein filmtaugliches Timing erreicht werden. Schauspieler sind keine Comicfiguren, die man sich zurechtzeichnen kann, es muss also auf die Darstellung geachtet werden. Während Millers Comics nur aus Kontrasten bestehen (weshalb ich sie, ganz ehrlich gesagt, sehr schwer zu lesen finde), ist Sin City als Kinofilm plötzlich mit filigraneren Details, Texturen und ähnlichem gesegnet, etwas, um das sich gekümmert werden muss, damit es im stylischen Schwarz-Weiß auch gut aussieht und dem Comic zur Ehre gereicht. Ein Film bietet im Gegensatz zum Comic Musik, für die in diesem Fall drei Komponisten zuständig waren. Graeme Revell (From Dusk Till Dawn) leitete The Hard Goodbye, John Debney (Ein Königreich für ein Lama) übernahm die Federführung bei The Big Fat Kill, Robert Rodriguez kümmerte sich um das Titelthema, die Abspannmusik, That Yellow Bastard und kooperierte mit Debney und Revell bei mehreren Tracks ihrer Segmente. Dadurch wurde eine klangliche Selbstständigkeit der einzelnen Geschichten gewährleistet, die aber dank gemeinsamer Stilmittel genug Vereinheitlichung bietet, um Sin City auch musikalisch als kohärentes Werk zu erkennen.
Betrachtet man Sin City als Gesamtprojekt, muss ich Rodriguez aber widersprechen. Es ist eine Leinwandadaption der Comics. Allein schon deshalb, weil Rodriguez keine Fernsehserie mit einzelnen Episoden drehte, sondern mehrere Geschichten nahm, sie aneinanderreihte und sie miteinander verwebte, hat er ihnen ein neues Gesicht gegeben, einen neuen Rahmen. Einen Rahmen, der ihnen meiner Meinung nach nur gut tut. Die kurze Sequenz mit Hartnett und Shelton steht nun nicht weiter für sich, sondern dient als clevere thematisch-atmosphärische Exposition. Inhaltlich hat dieser Moment keinerlei wirkliche Relevanz für die folgenden Geschichten, aber er führt den ahnungslosen Erstzuschauer perfekt in die ihn erwartende Welt ein. Diese kurze Passage enthält alles, was man über Sin City wissen muss. Der einzigartige visuelle Stil, die ins Extreme gezerrte (ja, fast sogar verführerisch pervertierte) Film-noir-Romantik, die Ruchlosigkeit der Menschen in Basin City, diese Melancholie, die unter all der Gewaltbereitschaft und Derbheit brodelt...
Sin City ist einfach ein absolutes Meisterwerk. Es ist Robert Rodriguez' (und Frank Millers) Antwort auf Tarantinos Pulp Fiction. Inklusive Regie-Cameo des Oscar-tauglicheren Kumpels des saucoolen Tex-Mex-Regisseurs. Sin City spielt wie Pulp Fiction in einer gewaltbereiten, von Kriminalität beherrschten Welt, ebenso wie bei Tarantino wird die Brutalität durch lakonischen Humor ergänzt. Das ist meines Erachtens nach auch eine Leistung von Rodriguez, denn durch seine Inszenierung gewinnen Millers Geschichten und Texte einen sich ihrer selbst bewussten Sarkasmus, der für mich einen hohen Teil des Vergnügens an Sin City ausmacht. Sin City gefällt mir deshalb ganz klar um einiges besser als Pulp Fiction: Das Universum ist interessanter, die Figuren einprägsamer, der Humor sitzt noch fester im Sattel. Die Optik ist unwiderstehlich und die einzelnen Episoden finde ich auch spannender.
Mit einer vergnüglichen Verächtlichkeit schaffte Rodriguez ein malerisches Kunstwerk im Bereich des knallharten Gewaltfilms. Und irgendwas sagt mir, dass er nie näher an einer Oscar-Nominierung war. Aber das ist vielleicht bloß Einbildung meinerseits. Wie auch immer, seit 2005 warte ich auf die Fortsetzung. Wie so viele andere...
Platz 3: Grindhouse (Rodriguez/Tarantino, 2007)
It was called... The Grindhouse. Theatres that played back-to-back movies featuring uncensored sexuality and HARDCORE THRILLS!
From the directors of Reservoir Dogs, Desperado, Pulp Fiction, From Dusk Till Dawn, Once Upon a Time in Mexico, Kill Bill and Sin City... Tarantino and Rodriguez are back! Only this time... they're BACK-TO-BACK... with a double feature that will tear you in two! First... Robert Rodriguez's PLANET TERROR! Plus... Quentin Tarantino's DEATH PROOF! Two no holds barred, feature-length motion pictures... for the price of one! Only... at the GRINDHOUSE!
Den Schauspielern kauft man nichts ab. Die Dialoge sind saublöd. Die Handlung hat weder Hand, noch Fuß. Schlechte Filme, sie gibt es wie Sand am Meer. Meistens sind sie langweilig, ab und an richtig qualvoll. Aber manchmal, da findet man dieses Juwel der Schrecklichkeit. Einen Film, der so schlecht ist, dass er wieder gut ist. Einen ungewollt unterhaltsamen cineastischen Unfall. Solche Produktionen sind reine Glückssache. Es gibt keine Faustregel, wonach ein misslungener Film zum unbeabsichtigten Vergnügen werden kann. Entweder fallen alle Puzzleteile an ihren Platz, oder nicht.
Einen solchen Zufall zu rekreieren, ist eine wahrhaftige Kunstform. Den (nicht vorhandenen) solcher geglückten Missgeschicke nachzuahmen, haben bereits viele versucht, seit 2007 wohl mehr denn je zuvor. Aber die Herausforderung, absichtlich so schlecht zu sein, dass man wieder gut wird, die meistern nur die wenigsten. Gezielt "unfreiwillig" komisch rüberzukommen, das erfordert erstaunliche Fachkenntnisse, denn viel zu leicht verzockt man sich, und ist einfach nur peinlich. Statt etwa genial daneben. Man vergleiche nur den schlechte Witze erzählenden Bären Fozzie aus der Muppet Show-Truppe mit der 1Live-Nulpe Jimmy Breuer. Der eine ist dadurch, dass er nicht witzig ist, unglaublich komisch. Der andere Jimmy Breuer.
Absichtlich schlechte Filme, die durch ihre gewollten Mängel eine absurde Meta-Qualität erhalten und so wieder zu guten Streifen werden, dürfte sicherlich nochmal um einiges komplizierter sein, als durch schlechte Witze lustig sein zu wollen. Und während man den meisten dieser Experimente entgegenschreien möchte: "Ja, ich habe kapiert, dass du schlecht sein willst, aber das macht dich noch lange nicht gut!", gehört Grindhouse meiner Meinung nach ins Pflichtprogramm jeder filmischen Erziehung. Die meisten werden mit abgegriffenen Klassikern an die Filmanalyse herangeführt, wo die Interpretation der verfilmten Vorlage von den filmischen Stilmitteln und dem Ineinandergreifen von Form und Inhalt ablenkt. Grindhouse hingegen ist perfekt für eine Feuerprobe, denn hier gibt es dank der absichtlich eingefügten Filmfehler, den technischen Unreinheiten und dem ganzen anderen Kram so viele an der Oberfläche erkennbare Stilmittel, dass man unweigerlich wenigstens irgendwas erkennen muss. Etwa wenn die "Filmrolle" ganz offensichtlich zerschnitten wurde. Zufälligerweise genau an der Stelle, wo die Figuren eine Schnittbewegung mit der Hand machen.
Grindhouse ist auch deshalb so ergiebig für Filmanalysen, weil er auf mehreren Ebenen arbeitet. Man hat die Handlungsebene und dann, wie bei jedem anderen Film auch, die normale handwerkliche Ebene. Es lässt sich also untersuchen, wieso X unbedingt A macht, und genauso kann man überlegen, warum das in einer Halbtotalen gezeigt wird. Doch dann kommt die Exploitation-Ebene hinzu, man kann auf die künstlerischen Schnitzer deuten - und sich darüber klar machen, warum sich das nicht gehört. Hinzu kommt außerdem die Schundkino-Ebene: Zerfledderte Filmrollen, Schmutzpartikel, fehlende Sequenzen. All dies mündet in die Grindhouse-Ebene: Wieso hat Tarantino gerade hier einen Tonaussetzer hingepflanzt, und wieso kann Robert Rodriguez in einer Actionszene absoluten Müll machen und dadurch wie ein Genie aussehen, während Uwe Boll ein Stümper bleibt. An der Absichtlichkeit alleine liegt es nicht. Bitch Slap! ist genauso wie Grindhouse gezielt mies, doch während Grindhouse reichhaltig ist, ist Bitch Slap! niveaulose Unterhaltung... mit leichtem Augenzwinkern. Es sollten ganze Abhandlungen, Doktorarbeiten und filmwissenschaftliche Manifeste über Grindhouse verfasst werden, denn für ein strunzdummes Schundepos von über 3 Stunden Spielzeit hat es diese Kooperation zwischen Tarantino, Rodriguez und den Gastregisseuren Edgar Wright (Hot Fuzz, Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) und Eli Roth (Hostel) gewaltig hinter den Ohren. Die Mechanik, die Wissenschaft, die Kunst, die dahinter steckt, gehört bis ins kleinste Detail ergründet sowie erläutert.
Bis sich irgendjemand, dessen Knowhow das meinige übersteigt, dessen freie Forschungszeit geräumiger ist als meine und der anerkannt genug ist, um seine Erkenntisse weiter zu tragen, als ich meine jemals könnte... bis dahin muss ich wohl die Lücke füllen. Und deswegenhalben präsentiere ich nun als Artikel-im-Artikel die Top 37 der besten Gründe, wiesoweswegenweshalbwarum Grindhouse saumegageile Scheiße ist:
1) Der Machete-Fake-Trailer, der das Wesen der Rache-Exploitation gekonnt auf's Korn nimmt, ohne sich über sie zu mokieren.
2) Robert Rodriguez' Musikstück Grindhouse (Main Titles), welches das sexy Saxophon-Riff aus Sin City entführt und in eine siffigere, vorantreibendere neue Umgebung packt. Dieses amüsiert verruchte, die augenzwinkernde Frivolität. Das ist in Musik gepacktes Exploitation-Kino.
3) Die kleinen Zwischentitel, die die Trailer und den Hauptfilm ankündigen, uns über die Jugendfreigabe der Hauptfilme informieren und einfach nur so wundervolle nostalgische Fundstücke sind.
#4: Das ganze verfluchte Intro zu Planet Terror, das es vollbringt, gleichzeitig purer Exploitation-Fanservice sowie der feuchte Traum eines Filmanalysten zu sein. Es beginnt schon mit dem umgemodelten Dimension Films-Logo (während dem richtig schönes Projektor-Knattern zu hören ist) sowie dem extra für diesen Film ersponnenen Rodriguez International Pictures-Logo, woraufhin wir die Kopfüber in die Funktion von Grindhouse als Schundkino-Hommage getaucht werden. Rodriguez' Credit wird über schmelzendem Film gezeigt (unmöglich und somit ein Fehler in der Darstellung von Fehlern...), bevor der Titel Grindhouse mühevoll an uns vorbeizieht (den Film gucken wir ja auch wirklich). Los geht's mit Rose McGowans verdammt heißen Go-Go-Tanz, während dem Dutzende Staubpartikel das Bild beschmutzen (denn der Film Grindhouse handelt ja im Grunde davon, dass wir in einem schlecht gewarteten Kino sitzen und zwei miese Filme zu vergünstigtem Eintrittspreis gucken). Nur sind die "technischen" Probleme in unserem Grindhouse kleine, witzige Geniestreiche. Kaum erblicken wir Rose McGowan, streckt sie uns schon ihre in einem knappen Lederoberteil gepressten Brüste entgegen, und erneut schmilzt uns das Zelluloid davon. Als es so scheint, als gebe sie jemandem einen Zungenkuss, vibriert die gesamte Leinwand, Flammen schlagen fast schon dem Zuschauer entgegen. Oh, und ein paar Frames fehlen, denn in der Realität des Films Grindhouse (nicht in der Realität von Planet Terror und Death Proof) hat sich der Projektionist mal wieder die heißesten Einstellungen rausgeschnitten und sie mit nach Hause genommen. Und so kann man die gesamten Filme, aber insbesondere die pickepackevolle Introsequenz durchhecheln. Oder sich einfach an dem toll choreographierten und engergiegeladenen Tanz erfreuen. Oder sich über die Dreistigkeit der Vorspann-Titel erfreuen. Da wird der Credit "the Crazy Babysitter Twins" tatsächlich von einer Nahaufnahme der Brüste McGowans begleitet. Gemeint sind aber Rodriguez' Nichten, denen er eine Minirolle schrieb.
5: Sie zicken sich an, treten sich mit ihren blanken Füßen (hallo, Quentin) auf die in enge Tops gesteckten Brüste, zicken sich weiter an und benehmen sich wie wilde Zombies im Randale-Modus. Aber sie sind keine Zombies. Sie sind einfach nur mies gelaunt.
6) In Planet Terror ist ein Kamerakran zu sehen, der da nicht reingehört. Rodriguez wollte ihn wegretuschieren lassen, dann fiel ihm ein, welchen Film er gerade dreht.
7( In Planet Terror gehen Dinge in Flammen auf. Weil... äh... Actionszene!
8. Die Darsteller sind einfach alle saugut drauf.
#11 Die Gesamtheit von Death Proof und das ganze Metakonzept. Kann man sich bei der Planet Terror-Introsequenz zu Tode analysieren, kann die Struktur von Death Proof die Köpfe zum Rauchen bringen. Klar, man kann sich zurücklehnen und einen etwas seltsamen Tarantino-Film genießen, der erst einen auf miesen Slasher macht, dann zu einer riesig langen Retro-Verfolgungsjagd wird und zwischendurch schlicht cool ist. Aber wenn man sich auf das Grindhouse-Konzept einlässt... Was ist dieser Film-im-Film, dieser Streifen den wir uns im versifften und vollgerotzten (ich hoffe, das ist Rotze... riecht jedenfalls nach Ananas...) Kino ansehen? Mittendrin wechseln sowohl das Filmmaterial, als auch der Stil radikal. Zu Beginn erkennt man sehr kurz, dass der Vorspann einen Film namens Thunderbolt gehört, dessen Titel aber sehr stümperhaft rausgeschnitten und durch Death Proof ersetzt wurde. Nun, begibt man sich in die Welt der Filme, die sich The Cinema Snob so gerne ansieht, dann ist fast keine Sauerei der Verleihfirmen undenkbar. Ist Thunderbolt irgendein ambitionierter Thriller, dem irgendwann das Geld ausging, und das Studio hat ihn mit einem anderen Regisseur und Autor zu Ende gedreht? Daher die verkorkste Charakterisierung? Sehen wir gerade Thunderbolt und Thunderbolt 2 (größer, schneller, lauter, mehr Action... äh... Charakterisierung... öh... oh, guck mal, neue Muschis!), aus irgendwelchen rechtlichen Gründen zu einem einzelnen Film zusammengeschnipselt?! Zwei Filme, die nichts gemeinsam haben, bis auf den Hauptdarsteller mit markanter Narbe? WHAT THE HELL, MOVIE!? :-D
9) Das Ende von Death Proof. Man muss es mit gut gelauntem, jugendlichem Publikum in ausverkauftem Hause erlebt haben... Super.
10) Ich bin nunmal jemand, der sich über eine intelligent eingesetzte Meta-Referenz freuen kann. Grindhouse ist Meta - Der Film.
#15: Die Faketrailer in der Mitte. Lachmuskelkrampf, das hatte ich nach dem ersten Mal ansehen.
47: Dafür werden mir manche afrotragende Liebhaber von Big Kahuna Burger sicher böse sein, aber ich finde den Mädchentratsch in Death Proof tatsächlich insgesamt interessanter und spannender, als die Dialoge in Pulp Fiction. Ja, kein Austausch reicht an die legendäre "Fast Food in Europa"-Ansprache heran, doch all das Gegeeke über altmodische Stunts ist für mich mindestens genauso gut wie die Fußmassage-Philosophiererei und der Rest spricht mich ebenfalls an. Nicht, dass Pulp Fiction öde Dialoge hat, aber so skurril-interessant sie sein mögen, Death Proof ist für mich fast durchgehend ein Quentchen... interessanter. Nicht besser geschrieben, aber interessanter. Ihr High-Five-Muschis.
22) Super-Duper-Soundtrack. Das ganze Grindhouse-Teil.
23) Kurt Russel glüht geradezu vor Spielfreude. Wie er als Stuntman Mike über alte Zeiten quatscht, flirtet und mit einem kurzen, verschmitzten Blick die vierte Wand durchbricht, bevor er sein todsicheres Auto wegbrettern lässt ist John Travolta in Pulp Fiction ebenbürtig.
25) Endlich wieder eine reale, dreckige und scheppernde Auto-Verfolgungsjagd.
27) Die Zombie-Abschlachterei in Planet Terror macht richtig schön Spaß. Weil Rodriguez Dynamik reinbringt und den ganzen Splatter mit Tribut zollender Selbstironie würzt. Es ist wie die Action in From Dusk Till Dawn, nur peppiger.
26: Quentin Tarantinos beste Gastrolle.
33) Während die Effekte in Rodriguez' Kinderfilmen eher... reden wir nicht drüber... sind die in Planet Terror richtig gut. Da, wo sie's sein sollen...
Sagte ich, dass Sin City ein malerisches Kunstwerk im Bereich des knallharten Gewaltfilms sei? Nun, Sin City ist dann wie diese schönen alten Gemälde, die sich viele Leute Problemlos als Nachdruck an die Wohnzimmerwand hängen würden. Grindhouse ist dagegen die Art von Kunst, die im Museum hängt, Leute zum Anhalten und Kopf kratzen bewegt. Einige werden staunen und sich über Künstler und Werk informieren und sich dann mit Freuden ein sehr, sehr großes Poster von Grindhouse online bestellen, mit Begleitbuch und allem. Andere gehen nach ihrer Kopfkratzpause unberührt weiter und nehmen sich im Geschenkeshop am Ausgang lieber ein Poster von Sin City mit. Beides legitim.
Platz 2: Kill Bill (Tarantino, 2003 & 2004)
Nagut, jetzt da ihr eh alle ahnt, dass The Faculty überraschend auf Platz 1 dieser Hitliste steht, kann ich ja endlich ganz frei über Tarantino schreiben: Bevor Inglourious Basterds erschien, kannte ich nur drei Arten von Leuten. Jene, die Pulp Fiction für Tarantinos besten Film halten; jene, die Kill Bill am besten finden und jene, die unbedingt über diesen Kultregisseur aufgeklärt werden müssen. Abhängig vom Alter dieser dritten Gruppe fühlte man sich auch genötigt zu fragen, wo sie denn bitte aufgewachsen sind. Wenigstens gehört muss man doch von dem Kerl haben... (Wo bitte? Ahso, in Gummi-Glen, natürlich, wo denn auch sonst...)
Nun, wie dem auch sei, wenn wir diesen riesigen Schrank mit drei Schubladen wirklich aufmachen wollen, so bin ich ganz klar ein Kill Bill-Typ.
Pulp Fiction ist sehr viel heiße Luft um nahezu gar nichts. Diese heiße Luft wird uns von Tarantino äußerst denkwürdig verkauft, und es fällt schwer, nicht seinen Spaß an dieser postmodernen Ansammlung von Schund zu haben. Doch wie ich bereits in meinem Kommentar zu Pulp Fiction schrieb: Ich kann diesen Sack heißer Luft nicht ewig meinen Film-Olymp aufsteigen lassen. Irgendwann ist die Grenze erreicht, wo ich nach was anderem verlange. Pulp Fiction ist ein postmodernes Stück (Neo?-)Neo-Noir, Gewalt regiert denn Alltag unserer Anti-Helden. Aber haben sie Motivation, entsteht eine emotionale Bindung zum Betrachter, gibt es in Pulp Fiction irgendetwas, worauf es hinzufiebern gilt? Nicht wirklich, finde ich. Pulp Fiction ist die Art Film, bei die ich beim ersten Mal erstaunt bin, was (nicht) passiert und ab der zweiten Sichtung warte ich auf meine Lieblingsmomente. Das ist keinesfalls schlecht, aber bei Kill Bill wird diese überdeutliche Handschrift Tarantinos, dieses genussvolle Balancieren zwischen Schund und Kunst dazu verwendet, mehr als nur Kritzeleien auf's Papier zu bringen. In Kill Bill erzählt Tarantino eine echte Geschichte, mit Kopf, Hand und Fuß, mit Motivationen und Gefühlen. Die Braut gehört zu den beeindruckendsten Filmheldinnen, die je von männlicher Autorenhand geschaffen wurden, ohne uns aufdringlich ihre inneren Konflikten, Ängsten und Wünschen entgegenzuschleudern, schaffen Regisseur/Autor Tarantino und Uma Thurman in der Rolle ihres Lebens eine differenziert ausgearbeitete Killerin, die nach persönlicher Rache sinnt. Rache-Erzählungen sind ganz archetypische Geschichten - und sie sind seit jeher eine zweischneidige Sache. Ohne die nötige Gewalt erscheinen sie häufig unbefriedigend, doch die von Gewalt getränkten Rache-Erzählungen sind dafür meistens auf narrativer Ebene so nachlässig, dass sie enttäuschen. So kommt es, dass Rache oftmals nur das Motiv einer Figur ist, die Geschichte aber eigentlich von etwas anderem handelt.
Dieses Epos ist ganz anders. Kill Bill nimmt sich seine Zeit. Wir lernen die Rächerin kennen, machen ihre blutgetränkte Odyssee mit, überstehen Tiefen und erreichen Höhepunkte, es ist eine wahre Tortur. Eine die sich auszahlt. Denn nicht nur die Braut ist denkwürdig, auch David Carradines Bill ist eine ikonische Filmfigur. Ominös - und uns dennoch bekannt. Eloquent, ein Gentleman, verrucht, abscheulich. Eine komplexe Persönlichkeit, die mit jeder einzelnen ihrer Szenen zu begeistern weiß.
Es stimmt natürlich, dass Kill Bill deutlich abhängiger von anderen Filmen ist, als Tarantinos vorhergegangenen Regiearbeiten. Während Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Jackie Brown ein paar direkte (jedoch obskure) Anspielungen enthielten, insgesamt aber eher ein Tarantino-Konzentrat aus all dem darstellten, was er im Gangstergenre sah und wünschte, ist Kill Bill wesentlich mehr, als "nur" eine Abwandlung all jener Stilelemente, die Tarantino in Racheepen entdeckt und lieben gelernt hat. In Kill Bill ist Quentin Tarantino nicht mehr der Komponist einer eigenen Symphonie, die als Revolution einer etablierten Traditionsreihe gedeutet werden kann. Er wird zum experimentierfreudigen DJ, der sich eines schier unendlichen Fundus an Material bedient und gelegentlich ein paar eigene Noten dazwischenfriemelt, um die Übergänge flüssiger zu gestalten. Also ja, wenn Leute Kill Bill aufgrund mangelnder kreativer Eigenständigkeit herunterwerten, ist es sicherlich ihr gutes recht. Aber bloß weil sich Tarantino von ungezählten Schundfilmchen, vom billigen Samurai-Rachefilm hin zum Softcoreporno, inspirieren lässt, heißt es nicht, dass er keine Eigenleistung vollbringt. Er schafft es ein Pastiche zu kreieren, für dessen Verständnis und Genuss keinerlei Vorkenntnisse nötig sind, Tarantino gelingt es, aus stillosen Ideen etwas wertvolles zu machen. Wenn ein DJ es schafft, aus 47 Songs, die ich allesamt dämlich finde, einen besonders langen Remix zu erstellen, der über Notenfolgen seine ganz eigene Geschichte erzählt und mich wahrlich umhaut, dann hat dieser DJ mindestens so viel harte, künstlerische Arbeit vollbracht, wie die 47 als Muse dienenden Originalkünstler.
Platz 1: Inglourious Basterds (Tarantino, 2009)
Es fällt mir schwer, etwas über Inglourious Basterds zu schreiben, ohne mich zu wiederholen. Wenn zum Schluss in die Kamera genuschelt wird "This might be my masterpiece" und darauf ein selbstgefälliges Grinsen folgt, dann fällt es schwer, nicht Quentin Tarantino vor sich zu sehen, der über sein neustes Werk sinniert. Tarantino lässt seine Figuren seit Anbeginn seiner Karriere aussprechen, was er denkt, und während wir von einer verspielten Marschmusik aus der Feder Ennio Morricones in den Abspann von Inglourious Basterds begleitet werden, dann endet diese faszinierende Kriegs- und Rachegeschichte auf einem glühenden Moment der Selbstgewissheit. Diese Energie ist ansteckend.
Inglourious Basterds, nach rund einem Jahrzehnt Skriptarbeit fand dieser Film 2009 endlich den Weg ins Kino. Der hektisch fertiggestellte Cannes-Schnitt wurde für die endgültige Kinoveröffentlichung perfektioniert, die Rezensionen nach Cannes waren deutlich euphorischer. Dadurch zeigte sich die Macht, die eine gute Cutterin haben kann. Leider sollte es Sally Menkes letzte Arbeit mit Tarantino werden.
Acht Oscar-, vier Golden-Globe und sechs BAFTA-Nomminierungen sprechen eine deutliche Sprache: Tarantino fand mit Inglourious Basterds den Weg zurück, vom umfeierten Kultregisseur zum (mit finanzieller Unterstützung großer Studios arbeitenden) Star des Arthouses. Über 40 Auszeichnungen gingen in der Award-Saison 09/10 an den Film, und ich hätte ihm noch mehr als das Doppelte gegönnt. Denn in Inglourious Basterds nimmt Tarantino alles, was ihn ausmacht, um seine bis dato komplexeste und packendste Geschichte zu erzählen. Bereits in Kill Bill wuchsen die markanten Tarantino-Dialoge über sich heraus, aus dem lockeren und faszinierenden Geplapper wurden Wortgefechte, an denen auch Emotionen hingen. In Inglourious Basterds werden Auseinandersetzungen nur im Ausnahmefall mit Waffen geklärt, stattdessen sind es Worte, mit denen Regisseur und Autor Tarantino spannende Duelle austrägt. Sprachfertigkeiten entscheiden über Leben und Tod - das nimmt aufgrund des hervorragenden Ensembles (allen vorran der begnadete Christoph Waltz, an dessen Lippen man förmlich kleben bleibt) und dem scharf geschriebenen Drehbuch nicht nur erstaunlich involvierende Züge an, sondern zeigt sich unter der kernig grinsenden Oberfläche auch äußerst tiefsinnig. Inglourious Basterds lässt sich als comichafte Weltkriegs-Spinnerei mit Spaghetti-Western-Anleihen betrachten, allein über Brad Pitt kann man sich schieflachen, doch Tarantinos Meisterwerk ist noch so viel mehr. Es ist ein filmisch-fiktives Essay über die Macht der Kommunikation, eine vulgäre Dekonstruktion der gekünstelt-mitleidigen Holocaust- und Kriegsdramen und zugleich in seiner Emotionalität so viel stärker und ehrlicher, als die meisten Filme, denen Inglourious Basterds die lange Nase zeigt. Anspruchsvoller war Schund-Unterhaltung noch nie - und exakt diese Divergenz zwischen schalem Schein und erstaunlichem Sein ist es, die mich am meisten an Tarantino fasziniert. Da ist es nur angemessen, dass mir sein intelligentester "Drecksfilm" auch am besten gefällt.
Bevor jemand fragt: The Faculty von Robert Rodriguez klebt direkt hinter Jackie Brown, der dritte Spy Kids-Film ist eine Fingerbreit besser als Die Abenteuer von Sharkboy und Lava-Girl. Jetzt liegt es am wieder einmal massenhaft Filme ankündigenden Rodriguez und am Django loskettenden Tarantino, diese Hitliste wieder völlig auf den Kopf zu stellen.
Der schüchterne und verträumte Max liest in der Schule einen ausschweifenden Aufsatz vor, in welchem er davon erzählt, wie er im vergangenen Sommer den von Haien aufgezogenen, superstarken Jungen Sharkboy und das nicht minder erstaunliche, außerirdische Mädel Lavagirl kennenlernte. Damit macht sich Max, der schon zuvor ein Außenseiter war, zum Gespött seiner Mitschüler. Einer seiner Klassenkameraden stiehlt sogar Max' Traumtagebuch und kritzelt darin herum. Kurz bevor die Situation im Klassenraum des überforderten Mr. Electricidad zu eskalieren droht, kommt ein Tornado herbeigestürmt (höhö, höhö...), der sich letztlich als die in höchster Eile befindlichen Sharkboy und Lavagirl herausstellt. Sie bitten Max, ihnen dabei zu helfen, den bedrohten Planeten Schleck vor Mr. Electric, dem korrumpierten, einstigen Beschützer dieser Welt, zu schützen. Eine Kette skurrilster und traumartiger Ereignisse beginnt...
Robert Rodriguez, passionierter Hai-Beobachter und abseits seiner Tätigkeit als Schöpfer höchst familienunfreundlicher Gewalt-Unterhaltung zudem ein totaler Familienmensch, war nach der Fertigstellung von Spy Kids 3-D: Game Over (aka Mission 3D) vollkommen überarbeitet. Die nichtmal im Ansatz an die zwei Vorgänger reichende Fortsetzung in nur fünf Monaten aus dem Boden zu stampfen hat selbst diese hartknäckige Ein-Mann-Filmcrew erschöpft. Doch im Hause Weinstein war man vom kommerziellen Erfolg so erstaunt, dass man einen weiteren 3D-Kinderfilm von Robert Rodriguez erbettelte. Der gerade ausgebrannte Rodriguez griff nach der einzigen Idee, die sich ihm anbot: Hey, er könnte die verrückten Spinnereien seines Sohns Racer Rodriguez (ja, das ist sein richtiger Name...) verfilmen! Gesagt, getan. Die professionellen Filmkritiker waren von der traumartigen Logik und den cartoonartigen Effekten nicht sonderlich angetan. Rodriguez verteidigte seinen damaligen Lieblingsfilm aus dem eigenen Schaffenswerk: Es ist ein kindlicher, fantasiegetränkter Film, der die Kraft des Vorstellungsvermögens besingt, ein neunzigminütiger Ausflug in den unschuldigen, übersprühenden Verstand eines kreativen Kindes.
Ach... netter Versuch, Robert. Netter Versuch, diesen mit absolut unsympatischen Figuren bevölkerten Schund zu verteidigen, dessen Effekte einen vor lauter Fremdscham in die Fötusstellung zurückzwängen und der scheinbar unfähig ist, die Unterscheidung zwischen von Traumlogik bestimmter, kindlicher Fantasie und inkohärentem Schwachsinn zu treffen. Filme dürfen von Traumlogik beherrscht werden, Filme dürfen sich kindlicher Vorstellungskraft anpassen und dabei die erwachsene, bemühte Erdung wegfegen. Diese Filme können erwachsenen Zuschauern ungebrochen Freude bereiten. Allerdings muss der Regisseur/Autor dabei sehr bedachtvoll entscheiden, welchen aus dem Nichts kommenden Wahnsinn er denn nun auf den Zuschauer loslässt. Und in welcher Reihenfolge. Nur weil ein Film vermeintlich den Aufbau eines Gedankenstroms hat, heißt das nicht, dass die Verantwortlichen des Films sich zurücklehnen und darauf bauen können, dass sich der Film von selbst fertigstellt, da man alles, was einem in den Sinn kommt, ungefiltert einbringen kann. Nicht grundlos werden gelungene Projekte mit Traumlogik als herausragende Kunstwerke gefeiert; sie sind besondere Herausforderungen an ihre Schaffenden. Robert Rodriguez hat diesen Fakt in einem Anflug übertriebener Vaterliebe ignoriert. Was seine Kinder sagten, war Gesetz, und so wurde eine saudämliche Kinder-Fantasiegeschichte einfach auf die Leinwand geschmissen, vollkommen gleich, wie kinountauglich sie denn nun war. Es gibt keine Spannung, keine Emotionen, keine überraschenden oder das Kind im Betrachter weckende Momente. Nur lahme Wortspiele /visuelle Gags auf dem Niveau eines lahmen Schenkelklopfers und eine der schlimmsten Seuchen, die Kinderfilme je befiel: Diese dauernden, viel zu nahen und schrillen Close-Ups. Nur eins muss man Rodriguez lassen: Er hat schon vor James Camerons Avatar das geleistet, was andere 3D-Regisseure jetzt lernen müssen. Rodriguez weiß, wie er eine Einstellung zu wählen hat, damit das meiste aus der 3D-Illusion geschröpft wird. Da der Film dem Normalsterblichen nur in anaglyphem 3D vorliegt, bringt das zwar nicht viel, aber irgendeine optimistisch stimmende Sache muss es ja am bald startenden Spy Kids 4D geben...
Das war die unerenhafte Sondernennung! Nach einem Blick auf den bis dato schlechtsten Film, den es aus dem Regie-Universum von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zu bestaunen gibt, geht es nun weiter mit höchst löblicher Wertarbeit.
Und nun zu unserem Hauptprogramm...
Platz 4: Sin City (Rodriguez, 2005)Willkommen in der verrottenden Großstadt Basin City. Korruption zerfraß schon vor einiger Zeit den langen Arm des Gesetzes und die verbliebenen idealistischen Cops werden einer nach dem anderen von ihren verräterischen Kollegen ausgeschaltet. Die Bars sind hier versifft und die Kellnerinnen mögen zwar heiß sein, aber wehe, du kommst ihnen schief. Prostitution ist in diesem Loch ein im wahrsten Sinne des Wortes pulsierendes Geschäft, aber lüsterne Freier sollten unbedingt auf der Hut sein, denn während dir geprellte Kellnerinnen vielleicht ihren durchtrainierten Ex-Macker auf den Hals setzen, wissen sich diese scharfen Mädels kaltblütig selbst zu wehren. Basin City, die stadtgewordene Verkörperung von Sex and Crime; wo die Frauen perfekt gebaut sind und es faustdick hinter den Ohren haben. Wer hier als Mann überleben will, darf nicht aufgben, muss aus Granit gebaut sein. Basin City: Ein Südenpfuhl, der seinesgleichen sucht.
Obendrein ist Sin City ein so überdeutlicher Beweis für das künstlerische Engagement von Robert Rodriguez, wie es kaum einen zweiten gibt. Da Frank Miller aufgrund von RoboCop 3 dem Hollywood-Apparat den Rücken zukehrte, bat Robert Rodriguez die Schauspieler Josh Hartnett und Marley Shelton zu sich ins Studio, um die dreiseitige Kurzgeschichte The Customer is Always Right zu drehen. Das fertige Material führte Rodriguez als "Proof of Concept" Frank Miller vor, in der Hoffnung, es könne ihn überzeugen, dass eine seiner Vorlage gerecht werdende Kinoadaption möglich sei. Wie wir alle wissen, war Miller begeistert und willigte in die Zusammenarbeit ein. Moment, sagte ich "Adaption"? Nun, laut Rodriguez ist der Kinofilm Sin City viel eher eine "Übersetzung" der Sin City-Geschichten, von der Comicsprache in die Sprache des Films. Betrachtet man die Segmente für sich, so stimme ich Rodriguez liebend gerne zu. Ganze Webseiten beschäftigten sich bereits damit, einzelne Filmbilder zu nehmen und sie mit Comic-Panels zu vergleichen. Oft genug lassen sich Einstellungen finden, die exakt gleich sind. Dennoch ist Sin City, der Film, kein "Shot-for-Shot"-Remake der Comics, Rodriguez und der als Berater tätige und im Abspann schließlich zum Co-Regisseur beförderte Frank Miller leisteten für die Kinofassung mehr als genug Eigenarbeit, vor der man den Hut ziehen muss. Man merkt dies im Vergleich zu 300, der ebenfalls passagenweise die Comicbilder sher akkurat rekreiert. Zack Snyders Miller-Verfilmung ist klasse, aber Sin City ist um Längen besser. Denn beim "Abfilmen" der Comic-Panels muss ein filmtaugliches Timing erreicht werden. Schauspieler sind keine Comicfiguren, die man sich zurechtzeichnen kann, es muss also auf die Darstellung geachtet werden. Während Millers Comics nur aus Kontrasten bestehen (weshalb ich sie, ganz ehrlich gesagt, sehr schwer zu lesen finde), ist Sin City als Kinofilm plötzlich mit filigraneren Details, Texturen und ähnlichem gesegnet, etwas, um das sich gekümmert werden muss, damit es im stylischen Schwarz-Weiß auch gut aussieht und dem Comic zur Ehre gereicht. Ein Film bietet im Gegensatz zum Comic Musik, für die in diesem Fall drei Komponisten zuständig waren. Graeme Revell (From Dusk Till Dawn) leitete The Hard Goodbye, John Debney (Ein Königreich für ein Lama) übernahm die Federführung bei The Big Fat Kill, Robert Rodriguez kümmerte sich um das Titelthema, die Abspannmusik, That Yellow Bastard und kooperierte mit Debney und Revell bei mehreren Tracks ihrer Segmente. Dadurch wurde eine klangliche Selbstständigkeit der einzelnen Geschichten gewährleistet, die aber dank gemeinsamer Stilmittel genug Vereinheitlichung bietet, um Sin City auch musikalisch als kohärentes Werk zu erkennen.
Betrachtet man Sin City als Gesamtprojekt, muss ich Rodriguez aber widersprechen. Es ist eine Leinwandadaption der Comics. Allein schon deshalb, weil Rodriguez keine Fernsehserie mit einzelnen Episoden drehte, sondern mehrere Geschichten nahm, sie aneinanderreihte und sie miteinander verwebte, hat er ihnen ein neues Gesicht gegeben, einen neuen Rahmen. Einen Rahmen, der ihnen meiner Meinung nach nur gut tut. Die kurze Sequenz mit Hartnett und Shelton steht nun nicht weiter für sich, sondern dient als clevere thematisch-atmosphärische Exposition. Inhaltlich hat dieser Moment keinerlei wirkliche Relevanz für die folgenden Geschichten, aber er führt den ahnungslosen Erstzuschauer perfekt in die ihn erwartende Welt ein. Diese kurze Passage enthält alles, was man über Sin City wissen muss. Der einzigartige visuelle Stil, die ins Extreme gezerrte (ja, fast sogar verführerisch pervertierte) Film-noir-Romantik, die Ruchlosigkeit der Menschen in Basin City, diese Melancholie, die unter all der Gewaltbereitschaft und Derbheit brodelt...
Sin City ist einfach ein absolutes Meisterwerk. Es ist Robert Rodriguez' (und Frank Millers) Antwort auf Tarantinos Pulp Fiction. Inklusive Regie-Cameo des Oscar-tauglicheren Kumpels des saucoolen Tex-Mex-Regisseurs. Sin City spielt wie Pulp Fiction in einer gewaltbereiten, von Kriminalität beherrschten Welt, ebenso wie bei Tarantino wird die Brutalität durch lakonischen Humor ergänzt. Das ist meines Erachtens nach auch eine Leistung von Rodriguez, denn durch seine Inszenierung gewinnen Millers Geschichten und Texte einen sich ihrer selbst bewussten Sarkasmus, der für mich einen hohen Teil des Vergnügens an Sin City ausmacht. Sin City gefällt mir deshalb ganz klar um einiges besser als Pulp Fiction: Das Universum ist interessanter, die Figuren einprägsamer, der Humor sitzt noch fester im Sattel. Die Optik ist unwiderstehlich und die einzelnen Episoden finde ich auch spannender.
Mit einer vergnüglichen Verächtlichkeit schaffte Rodriguez ein malerisches Kunstwerk im Bereich des knallharten Gewaltfilms. Und irgendwas sagt mir, dass er nie näher an einer Oscar-Nominierung war. Aber das ist vielleicht bloß Einbildung meinerseits. Wie auch immer, seit 2005 warte ich auf die Fortsetzung. Wie so viele andere...
Platz 3: Grindhouse (Rodriguez/Tarantino, 2007)
It was called... The Grindhouse. Theatres that played back-to-back movies featuring uncensored sexuality and HARDCORE THRILLS!
From the directors of Reservoir Dogs, Desperado, Pulp Fiction, From Dusk Till Dawn, Once Upon a Time in Mexico, Kill Bill and Sin City... Tarantino and Rodriguez are back! Only this time... they're BACK-TO-BACK... with a double feature that will tear you in two! First... Robert Rodriguez's PLANET TERROR! Plus... Quentin Tarantino's DEATH PROOF! Two no holds barred, feature-length motion pictures... for the price of one! Only... at the GRINDHOUSE!
Den Schauspielern kauft man nichts ab. Die Dialoge sind saublöd. Die Handlung hat weder Hand, noch Fuß. Schlechte Filme, sie gibt es wie Sand am Meer. Meistens sind sie langweilig, ab und an richtig qualvoll. Aber manchmal, da findet man dieses Juwel der Schrecklichkeit. Einen Film, der so schlecht ist, dass er wieder gut ist. Einen ungewollt unterhaltsamen cineastischen Unfall. Solche Produktionen sind reine Glückssache. Es gibt keine Faustregel, wonach ein misslungener Film zum unbeabsichtigten Vergnügen werden kann. Entweder fallen alle Puzzleteile an ihren Platz, oder nicht.
Einen solchen Zufall zu rekreieren, ist eine wahrhaftige Kunstform. Den (nicht vorhandenen) solcher geglückten Missgeschicke nachzuahmen, haben bereits viele versucht, seit 2007 wohl mehr denn je zuvor. Aber die Herausforderung, absichtlich so schlecht zu sein, dass man wieder gut wird, die meistern nur die wenigsten. Gezielt "unfreiwillig" komisch rüberzukommen, das erfordert erstaunliche Fachkenntnisse, denn viel zu leicht verzockt man sich, und ist einfach nur peinlich. Statt etwa genial daneben. Man vergleiche nur den schlechte Witze erzählenden Bären Fozzie aus der Muppet Show-Truppe mit der 1Live-Nulpe Jimmy Breuer. Der eine ist dadurch, dass er nicht witzig ist, unglaublich komisch. Der andere Jimmy Breuer.
Absichtlich schlechte Filme, die durch ihre gewollten Mängel eine absurde Meta-Qualität erhalten und so wieder zu guten Streifen werden, dürfte sicherlich nochmal um einiges komplizierter sein, als durch schlechte Witze lustig sein zu wollen. Und während man den meisten dieser Experimente entgegenschreien möchte: "Ja, ich habe kapiert, dass du schlecht sein willst, aber das macht dich noch lange nicht gut!", gehört Grindhouse meiner Meinung nach ins Pflichtprogramm jeder filmischen Erziehung. Die meisten werden mit abgegriffenen Klassikern an die Filmanalyse herangeführt, wo die Interpretation der verfilmten Vorlage von den filmischen Stilmitteln und dem Ineinandergreifen von Form und Inhalt ablenkt. Grindhouse hingegen ist perfekt für eine Feuerprobe, denn hier gibt es dank der absichtlich eingefügten Filmfehler, den technischen Unreinheiten und dem ganzen anderen Kram so viele an der Oberfläche erkennbare Stilmittel, dass man unweigerlich wenigstens irgendwas erkennen muss. Etwa wenn die "Filmrolle" ganz offensichtlich zerschnitten wurde. Zufälligerweise genau an der Stelle, wo die Figuren eine Schnittbewegung mit der Hand machen.
Grindhouse ist auch deshalb so ergiebig für Filmanalysen, weil er auf mehreren Ebenen arbeitet. Man hat die Handlungsebene und dann, wie bei jedem anderen Film auch, die normale handwerkliche Ebene. Es lässt sich also untersuchen, wieso X unbedingt A macht, und genauso kann man überlegen, warum das in einer Halbtotalen gezeigt wird. Doch dann kommt die Exploitation-Ebene hinzu, man kann auf die künstlerischen Schnitzer deuten - und sich darüber klar machen, warum sich das nicht gehört. Hinzu kommt außerdem die Schundkino-Ebene: Zerfledderte Filmrollen, Schmutzpartikel, fehlende Sequenzen. All dies mündet in die Grindhouse-Ebene: Wieso hat Tarantino gerade hier einen Tonaussetzer hingepflanzt, und wieso kann Robert Rodriguez in einer Actionszene absoluten Müll machen und dadurch wie ein Genie aussehen, während Uwe Boll ein Stümper bleibt. An der Absichtlichkeit alleine liegt es nicht. Bitch Slap! ist genauso wie Grindhouse gezielt mies, doch während Grindhouse reichhaltig ist, ist Bitch Slap! niveaulose Unterhaltung... mit leichtem Augenzwinkern. Es sollten ganze Abhandlungen, Doktorarbeiten und filmwissenschaftliche Manifeste über Grindhouse verfasst werden, denn für ein strunzdummes Schundepos von über 3 Stunden Spielzeit hat es diese Kooperation zwischen Tarantino, Rodriguez und den Gastregisseuren Edgar Wright (Hot Fuzz, Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) und Eli Roth (Hostel) gewaltig hinter den Ohren. Die Mechanik, die Wissenschaft, die Kunst, die dahinter steckt, gehört bis ins kleinste Detail ergründet sowie erläutert.
Bis sich irgendjemand, dessen Knowhow das meinige übersteigt, dessen freie Forschungszeit geräumiger ist als meine und der anerkannt genug ist, um seine Erkenntisse weiter zu tragen, als ich meine jemals könnte... bis dahin muss ich wohl die Lücke füllen. Und deswegenhalben präsentiere ich nun als Artikel-im-Artikel die Top 37 der besten Gründe, wiesoweswegenweshalbwarum Grindhouse saumegageile Scheiße ist:
1) Der Machete-Fake-Trailer, der das Wesen der Rache-Exploitation gekonnt auf's Korn nimmt, ohne sich über sie zu mokieren.
2) Robert Rodriguez' Musikstück Grindhouse (Main Titles), welches das sexy Saxophon-Riff aus Sin City entführt und in eine siffigere, vorantreibendere neue Umgebung packt. Dieses amüsiert verruchte, die augenzwinkernde Frivolität. Das ist in Musik gepacktes Exploitation-Kino.
3) Die kleinen Zwischentitel, die die Trailer und den Hauptfilm ankündigen, uns über die Jugendfreigabe der Hauptfilme informieren und einfach nur so wundervolle nostalgische Fundstücke sind.
#4: Das ganze verfluchte Intro zu Planet Terror, das es vollbringt, gleichzeitig purer Exploitation-Fanservice sowie der feuchte Traum eines Filmanalysten zu sein. Es beginnt schon mit dem umgemodelten Dimension Films-Logo (während dem richtig schönes Projektor-Knattern zu hören ist) sowie dem extra für diesen Film ersponnenen Rodriguez International Pictures-Logo, woraufhin wir die Kopfüber in die Funktion von Grindhouse als Schundkino-Hommage getaucht werden. Rodriguez' Credit wird über schmelzendem Film gezeigt (unmöglich und somit ein Fehler in der Darstellung von Fehlern...), bevor der Titel Grindhouse mühevoll an uns vorbeizieht (den Film gucken wir ja auch wirklich). Los geht's mit Rose McGowans verdammt heißen Go-Go-Tanz, während dem Dutzende Staubpartikel das Bild beschmutzen (denn der Film Grindhouse handelt ja im Grunde davon, dass wir in einem schlecht gewarteten Kino sitzen und zwei miese Filme zu vergünstigtem Eintrittspreis gucken). Nur sind die "technischen" Probleme in unserem Grindhouse kleine, witzige Geniestreiche. Kaum erblicken wir Rose McGowan, streckt sie uns schon ihre in einem knappen Lederoberteil gepressten Brüste entgegen, und erneut schmilzt uns das Zelluloid davon. Als es so scheint, als gebe sie jemandem einen Zungenkuss, vibriert die gesamte Leinwand, Flammen schlagen fast schon dem Zuschauer entgegen. Oh, und ein paar Frames fehlen, denn in der Realität des Films Grindhouse (nicht in der Realität von Planet Terror und Death Proof) hat sich der Projektionist mal wieder die heißesten Einstellungen rausgeschnitten und sie mit nach Hause genommen. Und so kann man die gesamten Filme, aber insbesondere die pickepackevolle Introsequenz durchhecheln. Oder sich einfach an dem toll choreographierten und engergiegeladenen Tanz erfreuen. Oder sich über die Dreistigkeit der Vorspann-Titel erfreuen. Da wird der Credit "the Crazy Babysitter Twins" tatsächlich von einer Nahaufnahme der Brüste McGowans begleitet. Gemeint sind aber Rodriguez' Nichten, denen er eine Minirolle schrieb.
5: Sie zicken sich an, treten sich mit ihren blanken Füßen (hallo, Quentin) auf die in enge Tops gesteckten Brüste, zicken sich weiter an und benehmen sich wie wilde Zombies im Randale-Modus. Aber sie sind keine Zombies. Sie sind einfach nur mies gelaunt.
6) In Planet Terror ist ein Kamerakran zu sehen, der da nicht reingehört. Rodriguez wollte ihn wegretuschieren lassen, dann fiel ihm ein, welchen Film er gerade dreht.
7( In Planet Terror gehen Dinge in Flammen auf. Weil... äh... Actionszene!
8. Die Darsteller sind einfach alle saugut drauf.
#11 Die Gesamtheit von Death Proof und das ganze Metakonzept. Kann man sich bei der Planet Terror-Introsequenz zu Tode analysieren, kann die Struktur von Death Proof die Köpfe zum Rauchen bringen. Klar, man kann sich zurücklehnen und einen etwas seltsamen Tarantino-Film genießen, der erst einen auf miesen Slasher macht, dann zu einer riesig langen Retro-Verfolgungsjagd wird und zwischendurch schlicht cool ist. Aber wenn man sich auf das Grindhouse-Konzept einlässt... Was ist dieser Film-im-Film, dieser Streifen den wir uns im versifften und vollgerotzten (ich hoffe, das ist Rotze... riecht jedenfalls nach Ananas...) Kino ansehen? Mittendrin wechseln sowohl das Filmmaterial, als auch der Stil radikal. Zu Beginn erkennt man sehr kurz, dass der Vorspann einen Film namens Thunderbolt gehört, dessen Titel aber sehr stümperhaft rausgeschnitten und durch Death Proof ersetzt wurde. Nun, begibt man sich in die Welt der Filme, die sich The Cinema Snob so gerne ansieht, dann ist fast keine Sauerei der Verleihfirmen undenkbar. Ist Thunderbolt irgendein ambitionierter Thriller, dem irgendwann das Geld ausging, und das Studio hat ihn mit einem anderen Regisseur und Autor zu Ende gedreht? Daher die verkorkste Charakterisierung? Sehen wir gerade Thunderbolt und Thunderbolt 2 (größer, schneller, lauter, mehr Action... äh... Charakterisierung... öh... oh, guck mal, neue Muschis!), aus irgendwelchen rechtlichen Gründen zu einem einzelnen Film zusammengeschnipselt?! Zwei Filme, die nichts gemeinsam haben, bis auf den Hauptdarsteller mit markanter Narbe? WHAT THE HELL, MOVIE!? :-D
9) Das Ende von Death Proof. Man muss es mit gut gelauntem, jugendlichem Publikum in ausverkauftem Hause erlebt haben... Super.
10) Ich bin nunmal jemand, der sich über eine intelligent eingesetzte Meta-Referenz freuen kann. Grindhouse ist Meta - Der Film.
#15: Die Faketrailer in der Mitte. Lachmuskelkrampf, das hatte ich nach dem ersten Mal ansehen.
47: Dafür werden mir manche afrotragende Liebhaber von Big Kahuna Burger sicher böse sein, aber ich finde den Mädchentratsch in Death Proof tatsächlich insgesamt interessanter und spannender, als die Dialoge in Pulp Fiction. Ja, kein Austausch reicht an die legendäre "Fast Food in Europa"-Ansprache heran, doch all das Gegeeke über altmodische Stunts ist für mich mindestens genauso gut wie die Fußmassage-Philosophiererei und der Rest spricht mich ebenfalls an. Nicht, dass Pulp Fiction öde Dialoge hat, aber so skurril-interessant sie sein mögen, Death Proof ist für mich fast durchgehend ein Quentchen... interessanter. Nicht besser geschrieben, aber interessanter. Ihr High-Five-Muschis.
22) Super-Duper-Soundtrack. Das ganze Grindhouse-Teil.
23) Kurt Russel glüht geradezu vor Spielfreude. Wie er als Stuntman Mike über alte Zeiten quatscht, flirtet und mit einem kurzen, verschmitzten Blick die vierte Wand durchbricht, bevor er sein todsicheres Auto wegbrettern lässt ist John Travolta in Pulp Fiction ebenbürtig.
25) Endlich wieder eine reale, dreckige und scheppernde Auto-Verfolgungsjagd.
27) Die Zombie-Abschlachterei in Planet Terror macht richtig schön Spaß. Weil Rodriguez Dynamik reinbringt und den ganzen Splatter mit Tribut zollender Selbstironie würzt. Es ist wie die Action in From Dusk Till Dawn, nur peppiger.
26: Quentin Tarantinos beste Gastrolle.
33) Während die Effekte in Rodriguez' Kinderfilmen eher... reden wir nicht drüber... sind die in Planet Terror richtig gut. Da, wo sie's sein sollen...
Sagte ich, dass Sin City ein malerisches Kunstwerk im Bereich des knallharten Gewaltfilms sei? Nun, Sin City ist dann wie diese schönen alten Gemälde, die sich viele Leute Problemlos als Nachdruck an die Wohnzimmerwand hängen würden. Grindhouse ist dagegen die Art von Kunst, die im Museum hängt, Leute zum Anhalten und Kopf kratzen bewegt. Einige werden staunen und sich über Künstler und Werk informieren und sich dann mit Freuden ein sehr, sehr großes Poster von Grindhouse online bestellen, mit Begleitbuch und allem. Andere gehen nach ihrer Kopfkratzpause unberührt weiter und nehmen sich im Geschenkeshop am Ausgang lieber ein Poster von Sin City mit. Beides legitim.
Platz 2: Kill Bill (Tarantino, 2003 & 2004)
Nagut, jetzt da ihr eh alle ahnt, dass The Faculty überraschend auf Platz 1 dieser Hitliste steht, kann ich ja endlich ganz frei über Tarantino schreiben: Bevor Inglourious Basterds erschien, kannte ich nur drei Arten von Leuten. Jene, die Pulp Fiction für Tarantinos besten Film halten; jene, die Kill Bill am besten finden und jene, die unbedingt über diesen Kultregisseur aufgeklärt werden müssen. Abhängig vom Alter dieser dritten Gruppe fühlte man sich auch genötigt zu fragen, wo sie denn bitte aufgewachsen sind. Wenigstens gehört muss man doch von dem Kerl haben... (Wo bitte? Ahso, in Gummi-Glen, natürlich, wo denn auch sonst...)
Nun, wie dem auch sei, wenn wir diesen riesigen Schrank mit drei Schubladen wirklich aufmachen wollen, so bin ich ganz klar ein Kill Bill-Typ.
Pulp Fiction ist sehr viel heiße Luft um nahezu gar nichts. Diese heiße Luft wird uns von Tarantino äußerst denkwürdig verkauft, und es fällt schwer, nicht seinen Spaß an dieser postmodernen Ansammlung von Schund zu haben. Doch wie ich bereits in meinem Kommentar zu Pulp Fiction schrieb: Ich kann diesen Sack heißer Luft nicht ewig meinen Film-Olymp aufsteigen lassen. Irgendwann ist die Grenze erreicht, wo ich nach was anderem verlange. Pulp Fiction ist ein postmodernes Stück (Neo?-)Neo-Noir, Gewalt regiert denn Alltag unserer Anti-Helden. Aber haben sie Motivation, entsteht eine emotionale Bindung zum Betrachter, gibt es in Pulp Fiction irgendetwas, worauf es hinzufiebern gilt? Nicht wirklich, finde ich. Pulp Fiction ist die Art Film, bei die ich beim ersten Mal erstaunt bin, was (nicht) passiert und ab der zweiten Sichtung warte ich auf meine Lieblingsmomente. Das ist keinesfalls schlecht, aber bei Kill Bill wird diese überdeutliche Handschrift Tarantinos, dieses genussvolle Balancieren zwischen Schund und Kunst dazu verwendet, mehr als nur Kritzeleien auf's Papier zu bringen. In Kill Bill erzählt Tarantino eine echte Geschichte, mit Kopf, Hand und Fuß, mit Motivationen und Gefühlen. Die Braut gehört zu den beeindruckendsten Filmheldinnen, die je von männlicher Autorenhand geschaffen wurden, ohne uns aufdringlich ihre inneren Konflikten, Ängsten und Wünschen entgegenzuschleudern, schaffen Regisseur/Autor Tarantino und Uma Thurman in der Rolle ihres Lebens eine differenziert ausgearbeitete Killerin, die nach persönlicher Rache sinnt. Rache-Erzählungen sind ganz archetypische Geschichten - und sie sind seit jeher eine zweischneidige Sache. Ohne die nötige Gewalt erscheinen sie häufig unbefriedigend, doch die von Gewalt getränkten Rache-Erzählungen sind dafür meistens auf narrativer Ebene so nachlässig, dass sie enttäuschen. So kommt es, dass Rache oftmals nur das Motiv einer Figur ist, die Geschichte aber eigentlich von etwas anderem handelt.
Dieses Epos ist ganz anders. Kill Bill nimmt sich seine Zeit. Wir lernen die Rächerin kennen, machen ihre blutgetränkte Odyssee mit, überstehen Tiefen und erreichen Höhepunkte, es ist eine wahre Tortur. Eine die sich auszahlt. Denn nicht nur die Braut ist denkwürdig, auch David Carradines Bill ist eine ikonische Filmfigur. Ominös - und uns dennoch bekannt. Eloquent, ein Gentleman, verrucht, abscheulich. Eine komplexe Persönlichkeit, die mit jeder einzelnen ihrer Szenen zu begeistern weiß.
Es stimmt natürlich, dass Kill Bill deutlich abhängiger von anderen Filmen ist, als Tarantinos vorhergegangenen Regiearbeiten. Während Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Jackie Brown ein paar direkte (jedoch obskure) Anspielungen enthielten, insgesamt aber eher ein Tarantino-Konzentrat aus all dem darstellten, was er im Gangstergenre sah und wünschte, ist Kill Bill wesentlich mehr, als "nur" eine Abwandlung all jener Stilelemente, die Tarantino in Racheepen entdeckt und lieben gelernt hat. In Kill Bill ist Quentin Tarantino nicht mehr der Komponist einer eigenen Symphonie, die als Revolution einer etablierten Traditionsreihe gedeutet werden kann. Er wird zum experimentierfreudigen DJ, der sich eines schier unendlichen Fundus an Material bedient und gelegentlich ein paar eigene Noten dazwischenfriemelt, um die Übergänge flüssiger zu gestalten. Also ja, wenn Leute Kill Bill aufgrund mangelnder kreativer Eigenständigkeit herunterwerten, ist es sicherlich ihr gutes recht. Aber bloß weil sich Tarantino von ungezählten Schundfilmchen, vom billigen Samurai-Rachefilm hin zum Softcoreporno, inspirieren lässt, heißt es nicht, dass er keine Eigenleistung vollbringt. Er schafft es ein Pastiche zu kreieren, für dessen Verständnis und Genuss keinerlei Vorkenntnisse nötig sind, Tarantino gelingt es, aus stillosen Ideen etwas wertvolles zu machen. Wenn ein DJ es schafft, aus 47 Songs, die ich allesamt dämlich finde, einen besonders langen Remix zu erstellen, der über Notenfolgen seine ganz eigene Geschichte erzählt und mich wahrlich umhaut, dann hat dieser DJ mindestens so viel harte, künstlerische Arbeit vollbracht, wie die 47 als Muse dienenden Originalkünstler.
Platz 1: Inglourious Basterds (Tarantino, 2009)
Es fällt mir schwer, etwas über Inglourious Basterds zu schreiben, ohne mich zu wiederholen. Wenn zum Schluss in die Kamera genuschelt wird "This might be my masterpiece" und darauf ein selbstgefälliges Grinsen folgt, dann fällt es schwer, nicht Quentin Tarantino vor sich zu sehen, der über sein neustes Werk sinniert. Tarantino lässt seine Figuren seit Anbeginn seiner Karriere aussprechen, was er denkt, und während wir von einer verspielten Marschmusik aus der Feder Ennio Morricones in den Abspann von Inglourious Basterds begleitet werden, dann endet diese faszinierende Kriegs- und Rachegeschichte auf einem glühenden Moment der Selbstgewissheit. Diese Energie ist ansteckend.
Inglourious Basterds, nach rund einem Jahrzehnt Skriptarbeit fand dieser Film 2009 endlich den Weg ins Kino. Der hektisch fertiggestellte Cannes-Schnitt wurde für die endgültige Kinoveröffentlichung perfektioniert, die Rezensionen nach Cannes waren deutlich euphorischer. Dadurch zeigte sich die Macht, die eine gute Cutterin haben kann. Leider sollte es Sally Menkes letzte Arbeit mit Tarantino werden.
Acht Oscar-, vier Golden-Globe und sechs BAFTA-Nomminierungen sprechen eine deutliche Sprache: Tarantino fand mit Inglourious Basterds den Weg zurück, vom umfeierten Kultregisseur zum (mit finanzieller Unterstützung großer Studios arbeitenden) Star des Arthouses. Über 40 Auszeichnungen gingen in der Award-Saison 09/10 an den Film, und ich hätte ihm noch mehr als das Doppelte gegönnt. Denn in Inglourious Basterds nimmt Tarantino alles, was ihn ausmacht, um seine bis dato komplexeste und packendste Geschichte zu erzählen. Bereits in Kill Bill wuchsen die markanten Tarantino-Dialoge über sich heraus, aus dem lockeren und faszinierenden Geplapper wurden Wortgefechte, an denen auch Emotionen hingen. In Inglourious Basterds werden Auseinandersetzungen nur im Ausnahmefall mit Waffen geklärt, stattdessen sind es Worte, mit denen Regisseur und Autor Tarantino spannende Duelle austrägt. Sprachfertigkeiten entscheiden über Leben und Tod - das nimmt aufgrund des hervorragenden Ensembles (allen vorran der begnadete Christoph Waltz, an dessen Lippen man förmlich kleben bleibt) und dem scharf geschriebenen Drehbuch nicht nur erstaunlich involvierende Züge an, sondern zeigt sich unter der kernig grinsenden Oberfläche auch äußerst tiefsinnig. Inglourious Basterds lässt sich als comichafte Weltkriegs-Spinnerei mit Spaghetti-Western-Anleihen betrachten, allein über Brad Pitt kann man sich schieflachen, doch Tarantinos Meisterwerk ist noch so viel mehr. Es ist ein filmisch-fiktives Essay über die Macht der Kommunikation, eine vulgäre Dekonstruktion der gekünstelt-mitleidigen Holocaust- und Kriegsdramen und zugleich in seiner Emotionalität so viel stärker und ehrlicher, als die meisten Filme, denen Inglourious Basterds die lange Nase zeigt. Anspruchsvoller war Schund-Unterhaltung noch nie - und exakt diese Divergenz zwischen schalem Schein und erstaunlichem Sein ist es, die mich am meisten an Tarantino fasziniert. Da ist es nur angemessen, dass mir sein intelligentester "Drecksfilm" auch am besten gefällt.
Bevor jemand fragt: The Faculty von Robert Rodriguez klebt direkt hinter Jackie Brown, der dritte Spy Kids-Film ist eine Fingerbreit besser als Die Abenteuer von Sharkboy und Lava-Girl. Jetzt liegt es am wieder einmal massenhaft Filme ankündigenden Rodriguez und am Django loskettenden Tarantino, diese Hitliste wieder völlig auf den Kopf zu stellen.
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Weiterführende Artikel:
Montag, 25. Juli 2011
Meine liebsten Tarantino/Rodriguez-Filme - Vol. 2
Sah nach einem abrupten Ende aus, oder? Dem war aber nicht so. Als ich auf die Idee kam, über Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zu schreiben, steigerte ich mich in einen, wie es in der Werbung so schön heißt, höchst subjektiven Salmon cineastischen Geschwurbels hinein. Ich subjektifizierte und schwurbelte und ich war damit bereits verflucht noch eins zufrieden. Ich habe eine Menge Leute verwirrt und einige Filme genannt, um bis an diesen Punkt zu gelangen. Aber ich habe noch ein paar Filme vor mir. Die, auf welche ich genau jetzt hinleite. Nur rund zwei Cartoonhände voll sind übrig. Und wenn ich mein Ziel erreicht habe, dann habe ich sie alle genannt, meine liebsten Tarantino/Rodriguez-Filme.
Platz 8: Machete (Rodriguez, 2010)
Sowohl Tarantino, als auch Rodriguez tragen ihre Ideen mitunter sehr lange mit sich. Wenn also ein Film wie Machete vorbeikommt, und mit Fug und Recht behaupten kann, dass er zu den Ideen gehört, die eine der längsten Anlaufzeiten sämtlicher Projekte dieser beiden Kultfilmer in Anspruch nahm, dann will das was heißen. Schon als Rodriguez und Trejo im Vorfeld der Produktion von Desperado Bekanntschaft machten, merkte der Regisseur an, dass Danny Trejo ein mexikanischer Jean-Claude Van Damme werden sollte - oder Rachefilme wie Charles Bronson machen müsste. Für ihn stand fest, dass man mit Danny Trejo die klaffende Lücke der Latino-Gewaltfilme schließen sollte. Amerikansiche Schund-Liebhaber nahmen asiatische Exploitation und Blaxploitation in ihre verdorbenen Herzen auf, doch einen nennenswerten Mexploitation-Streifen gab es nicht. Schon 1993 soll Rodriguez einen ersten Drehbuchentwurf zusammengekritzelt haben, in dem Danny Trejo als Machete der Mann für's Grobe war, die billige Aushilfskraft der US-Geheimbehörden, wenn es ihnen zu schmutzig wurde. Als er letztlich zusammen mit Tarantino Grindhouse verwirklichte, drehte er einige Machete-Sequenzen, um sie als Fake-Trailer in das Projekt zu integrieren. Die Fan-Reaktionen waren überwältigend, und so versprach Rodriguez, aus dem bereits fertigen Material und einigen neu gedrehten Szenen einen eigenständigen Kinofilm zu machen. Und wer weiß, vielleicht wird direkt eine ganze Trilogie daraus...
Als Machete letztes Jahr dann endlich das Licht der schmuddeligen Filmwelt erblickte, sah das fertige Projekt etwas anders aus, als von einigen Fans erwartet. Es war keine derart übertriebene, mit mehrfach gestaffelter Meta-Ebene versehene Schundkino-Parodie wie Planet Terror, sondern eine (vergleichsweise) bodenständigere Exploitation-Hommage. Insofern liegt Machete relativ nahe an Jackie Brown: Wie Tarantino nahm sich Robert Rodriguez der Exploitation-Welt des Rachekomplotts an und würzte sie mit einer Kunstfertigkeit, die sie selten zu sehen bekommt.
Ja, Machete ist flach, vulgär und voller exzessiver Gewalt. Und dennoch in seiner comichaften Übertreibung so zurückhaltend, dass man manchmal nicht so genau weiß, ob Rodriguez (mit seinem Co-Regisseur Ethan Maniquis) einen echten Schundfilm drehen wollte, oder doch eher eine parodistische Schund-Hommage. Aber man muss auch bejahen: Rodriguez ist ein ungeheuerlich versierter Regisseur, der etwa einem rücksichtlosen Gemetzel in einer Kirche etwas poetisches abgewinnen kann (siehe dazu auch meine Kinokritik) oder den Zuschauer sämtliche Zweifel über Bord werfen lässt, dass Danny Trejo der mexikanische Chuck Norris ist. Machete kann alles, kriegt alles, schafft alles. Und dennoch wird der Film nicht langweilig. Dies liegt nicht zuletzt am tollen Ensemble. Michelle Rodriguez, Jeff Fahey und Danny Trejo eben ihre Rollen, Robert DeNiro glüht vor Spaß an der Freude und Lindsay Lohan... naja, sie spielt sich selbst, was kann da schon schiefgehen. Steven Seagal ist kurzweilig, ebenso die Cameos einiger Rodriguez-Stammfreunde. Nur Frau Alba ist manchmal was zu zurückhaltend. Die Gewaltsequenzen sind mit Genuss inszeniert, häufig genug pointiert und der Soundtrack rockt sowieso. Ebenso wie die Titelsequenz.
Was mich allerdings etwas an Machete stört, ist, dass er irgendwie zwischen den Stühlen steht. Er nimmt sich "ernster" als Planet Terror, ist gleichzeitig aber noch immer selbstironisch-schundhafter als Rodriguez' andere Tex-Mex-Produktionen. Durch Trejos Charisma und einiger Randgags, die ich nach mehrmaligem Ansehen schlicht zu genial finde, hat sich Machete in meiner Gunst mittlerweile etwas weiter nach oben gearbeitet, doch er hat klar seinen Zenit erreicht. Ein paar kultige Sprüche mehr, dafür etwas weniger Exposition, dann wäre noch mehr drin. Oh, und ich finde es schade, dass der schrille Cameo von Rose McGowan rausflog. Allerdings wäre der Film dann gewollt alberner, und das hätte wiederum die Fans der "echten" Exploitation geärgert. Seht ihr... Machete ist einer dieser Filme, die sich in eine Zwickmühle dirigiert haben. Trotzdem... ist ja schon ein geiles Ding...
Platz 7: From Dusk Till Dawn (Rodriguez, 1996)
Auch wenn Machete und From Dusk Till Dawn in dieser Rangliste Nachbarn sind, klafft zwischen ihnen in meiner subjektiven Wahrnehmung eine gewaltige Lücke. Machete ist ganz cool, ein gelungener Rodriguez-Film. Aber mit From Dusk Till Dawn erreichen wir bereits die höheren Sphären meines Filmgenusses. Von nun an sind wir in der Pflichtzone angelangt, hier folgen die Filme, bei denen ich richtig ins Schwärmen geraten kann.
From Dusk Till Dawn manifestierte die Kollegialität zwischen Quentin Tarantino und Robert Rodriguez. Tarantino schrieb das Drehbuch auf Anregung des Make-Up-Künstlers Robert Kurtzman, gewissermaßen als Entlohnung für seine hervorragende Leistung an der Folterszene in Reservoir Dogs. Nach kurzen anfänglichen Überlegungen verzichtete Tarantino allerdings auf den Regieposten und gab ihn an seinen Kumpel Robert Rodriguez weiter. Das Ergebnis ist die vielleicht beste stilistische Ehe dieser beiden Kultfilmer, die man sich denken kann (siehe auch meine Filmkritik). From Dusk Till Dawn ist zu gewissem Grade sein eigenes, kleines Grindhouse, nur mit einem strikteren, durchgehenden roten Faden. Wir eröffnen mit der Tarantino-Hälfte, dem kernigen Gangsterfilm, in dem sich Seth Gecko (George Clooney) mit seinem psychopathischen Bruder (Quentin Tarantino) rumschlagen muss, sowie mit einer bockigen Geisel (Harvey Keitel als vom Glauben abgefallener, besonnener Priester mit zwei Kindern). Im berühmt-berüchtigten Titty Twister angekommen, wird die Stimmung ungezwungener und WHAM, Rodriguez haut den ironischen Splatter raus.
Wieso, weshalb und warum die BPjM From Dusk Till Dawn indiziert hat, werde ich nie nachvollziehen können. From Duk Till Dawn ist zwar nicht gerade zimperlich, doch weder ist die Gewalt in diesem Film menschenverachtend, noch wird sie glorifiziert. Einer der faszinierendsten Aspekte an From Dusk Till Dawn ist schließlich sogar, wie Rodriguez und Tarantino ganz heimlich ihrem Publikum einen subversiven Kommntar bezüglich medialer Gewalt und deren Rezeption unterjubeln. Wie sie sich über Fernsehnachrichten, die sich an Amokläufen oder Massakern aufgeilen, lustig machen, ist kaum zu übersehen. Aber wie eine besonders abscheuliche Tat zwar angedeutet und kommentiert wird, deren Abbildung aber auf ein kurzes, die Neugier schürendes Aufflackern reduziert wird - das scheint den Moralaposteln entgagen zu sein. Tarantino und Rodriguez führen den Gewaltdurst des Publikums vor, nur um rund eine halbe Stunde später mehr (und albernere) Gewalt auf den Zuschauer loszulassen, als ihm zuvor lieb war.
From Dusk Till Dawn ist ein saucooler Film, er enthält alle Elemente, die für einen lässigen Kultfilm nötig sind. Lockere Sprüche, einen einprägsamen Soundtrack, eine absurde Grundidee, eine Prise Erotik und natürlich den selbstbewussten Trash-Faktor. Doch irgendwo darin versteckt sich auch ein erstaunlich solider Kandidat für's Programmkino - sei es beabsichtigt oder nicht. Und da kann ich nur sagen: (Texas-)Hut ab!
Platz 6: Desperado & Irgendwann in Mexiko (Rodriguez, 1995 & 2003)
Auf Platz 6 meiner liebsten Regiearbeiten von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino befinden sich, wie unschwer zu erkennen ist, gleich zwei Filme. Obwohl man sicherlich das Argument machen könnte, dass es eigentlich drei Filme sind. Denn als Robert Rodriguez sich aufmachte, Irgendwann in Mexiko zu verwirklichen, beschloss er, den Film als das epochale Finale einer Trilogie aufzuziehen. Jedoch nicht als das große Finale der mit El Mariachi gestarteten Trilogie, sondern als den gigantischen Abschluss der non-existenten Desperado-Trilogie rund um Antonio Banderas' Mariachi-Figur.
Und so enthält Irgendwann in Mexiko Rückblenden auf den niemals gedrehten zweiten Teil. Beziehungsweise auf den niemals gedrehten dritten Teil der El Mariachi-Filmreihe. Robert Rodriguez hat es also gewissermaßen geschafft eine Trilogie mit nur zwei Filmen zu drehen. Oder ist es letztlich doch eine vier Filme umfassende Trilogie?
Jedenfalls behandelt Robert Rodriguez in Desperado und Irgendwann in Mexiko sehr intensiv das Thema der Legendenbildung. Allein schon durch die (mangelnde) Kontinuität der Trilogie... Quadrologie... des Double-Features... ähm, ist ja auch egal. Desperado mit Antonio Banderas und Salma Hayek ist gleichzeitig Remake, als auch Fortsetzung von El Mariachi. Die Darsteller wurden ausgetauscht, Details in der Geschichte des sagenumwobenen, einen Gitarrenkoffer mitschleppenden Killers abgewandelt. Die kleinere, bodenständigere Geschichte ist praktisch die "wahre" Geschichte des Mariachis, mit Desperado betreten wir bereits mythisch überhöhten Grund und Boden. Größer, härter, verwegener. Es ist die Hollywood-Version einer wahren Geschichte - und sie wird bis zum letzten Tropfen gemolken. Aus einer kleinen Verwechslung, die einen armen Musiker zwang, zum abgebrühten Revolverhelden zu werden, wird eine nicht enden wollende Sage eines legendären, unschlagbaren, mexikanischen Motherfuckers.
Und, oh die Ironie, selbst Desperado, die übertriebene Nach- und Weitererzählung von El Mariachi, beginnt damit, wie ein runtergekommener Loser (der wie immer begnadete Steve Buscemi) in eine Bar kommt und Geschichten dieses Mariachis erzählt. Er macht den Leuten in dieser Bar mit seinen Übertreibungen Angst, während der Zuschauer aus dem Grinsen nicht herauskommt - denn Buscemis Erzählung verliert jegliche Bodenhaftung.
Das ist es auch, was letztlich Irgendwann in Mexiko ausmacht. Im Original auf Anraten Tarantinos Once Upon a Time in Mexico betitelt, nimmt die Legende des Mariachis verworren komplexe sowie politische Züge an, sie entückt mit den weit vorausgeplanten Schachzügen seiner Handlungsträger und den fast übermenschlichen Fähigkeiten der Schlüsselfiguren vollends der Realität von El Mariachi.
Man könnte es als einen "Jumping the Shark"-Moment in abendfüllender Spielfilmlänge betrachten, doch Rodriguez bedient sich einer Kameraarbeit, die viel Gravitas versprüht, verwendet einen solch "epochal" klingenden Soundtrack und macht sich in gesunden Dosen ausreichend über sich selbst lustig, dass Irgendwann in Mexiko meiner Ansicht nach eben kein Totalausfall, sondern ein konsequenter Abschluss dieser Filmreihe wird. Außerdem hat Rodriguez durch den Film dafür gesorgt, dass das überaus köstliche Fleischgericht Puerco Pibil bekannt wird. Muss man ja auch loben. Und, jaaa, Johnny Depp bringt auch ein paar Pluspunkte. Genug, damit ich die von mir verhasste Eva Mendes gepflegt vergessen kann. Weitere Pluspnkte gibt es für die Kackendreistigkeit, mit der Robert Rodriguez das Studio über's Ohr haute: Er schwörte, dass das Drehbuch zu Irgendwann in Mexiko fertig sei und dass das Skript nach dem Wochenende den entsprechenden Entschaidungsträgern vorliegen könnte. Nach diesem Telefonat fing er mit der Skriptarbeit an. Und um seine schnell an den Haaren herbeigezogenen Notizen auf Spielfilmlänge zu strecken, hat er einfach das Drehbuch zu einem Kurzfilm über einen Banküberfall wahllos dazwischen gelegt. Als dieses Drehbuch genehmigt wurde ("Nur, Robert... also, dieser Subplot mit dem Banküberfall... der sollte raus!"), fing Rodriguez mit der richtigen Schreibarbeit an. Gewiss, man merkt Irgendwann in Mexiko an, dass er nicht über Jahrzehnte entwickelt wurde, so wie Tarantino es mit manchen Drehbüchern pflegt, aber ich glaube nicht, dass durch eine längere Vorbereitungsphase was kohärenteres bei rumgekommen wäre.
Platz 5: Pulp Fiction (Tarantino, 1994)
Pulp Fiction ist immens populär. Er vereint sowohl Cineasten auf seiner Seite, als auch den sich ach-so-cool haltenden, rumgammelnden Schüler, der einen Arthouse-Film normalwerise selbst dann nicht gut fände, wenn er ihm ein Bier ausgibt. Pulp Fiction ist sowohl was für die besoffenen, lärmenden Typen aus der Studentenverbindung, als auch für die verschnupften Intelektuellen. Pulp Fiction-Poster verkaufen sich wie geschnitten Brot, die Dialoge sind längst nicht mehr aus der Popkultur wegzudenken und seinem Soundtrack allein wird für die Wiederbelebung des Surfrocks zugeschrieben. Man wähle einen Song aus Pulp Fiction, lass ihn irgendwo laufen, und genügend Leute werden aufschreien: "Moment, der ist doch aus Pulp Fiction!"
Tarantinos Überraschungshit sorgte 1994 im Disney-Konzern für vergrößertes Vertrauen in die frisch eingekaufte Independent-Schmiede Miramax, prägte die gesamte Indie-Kultur, beeinflusste Filmstudenten rund um den Globus und dürfte bis heute den Protoypen des postmodernen Kinos darstellen. Und so ganz nebenher ist Pulp Fiction auch der Grund, weshalb es hier im Blog diese Hitliste zu lesen gibt. Denn als ich vor ein paar Wochen andere Fälle präsentierte, wo ich bezüglich des Schaffens eines Regisseurs oder den Teilen einer Kinoreihe nicht mit der Mehrheit übereinstimme, war schlichtweg kein Platz mehr für meinen Kommentar in Sachen Tarantino.
Denn diese Situation könnte sich als etwas komplex herausstellen. Ich finde nämlich nicht, dass Pulp Fiction überschätzt ist. Ich gönne diesem Streifen jedes Stückchen Anerkennung, das es erhält - und sogar noch mehr. Die Leser der Cinema wählten ihn beispielsweise zum zweitbesten Film aller Zeiten. Ich bin mit dieser Wahl vollauf zufrieden und werde kaum ins Zetern geraten. Pulp Fiction erhielt fantastische sieben Oscar-Nominierungen, obgleich er wirklich überhaupt nicht in das übliche Aufgebot der Academy Awards passt, und Quentin Tarantino & Roger Avary gewannen immerhin einen der begehrten Goldjungen. Und zwar für das beste Original-Drehbuch. Ohne nachgezählt zu haben, bin ich mir sicher: Mehr "fucks" gab es bis heute in keinem Oscar-prämierten Drehbuch. Und, wenn ich was zu sagen hätte, so hätte Pulp Fiction gerne mehr als nur diesen einen Oscar gewinnen dürfen.
Wäre ich in einem Komitee, das einen Filmkanon erstellen soll, der darüber entscheidet, welche Produktionen für die Nachwelt auf jeden Fall erhalten bleiben sollen, und ich dürfte aus einem mir unerklärlichen Grund nur einen Tarantino-Film auf die Liste setzen, so fiele meine Wahl (nach ausreichendem Protest, da Tarantino mindestens zweimal vertreten sein müsste) auf Pulp Fiction. Es ist ein pop- und filmkulturelles Testament mit einer solchen Aussagekraft über unser Medienverhalten und einem so weitreichenden Einfluss, dass ich guten Gewissens schlichtweg nicht anders entscheiden könnte.
Es ist Tarantinos wichtigster Film. Hinischtlich der Frage, ob es sein bester Film ist, darüber könnte man schon viel einfacher mit mir in eine hitzige Diskussion geraten. Tarantinos bester Film ist für mich viel eher auch der bestplatzierte auf dieser Liste - doch ich lasse sehr wohl mit mir reden, dass Pulp Fiction "besser" ist als die anderen drei Filme, die euch noch in meiner Hitliste erwarten. Vielleicht.
Und dennoch ist Pulp Fiction nur mein fünftliebster Streifen des kultigen Duos Tarantino/Rodriguez. Verwirrend, hm? Ich sagte ja, es könnte kompliziert werden. Wenn ich jeglichen filmjournalistischen Anspruch in mir ausschalte, und mich schlichtweg frage, welcher Film mir mehr Genuss gab, jedes Mal wenn ich ihn sah, und auf welchen ich häufiger nochmal Lust habe, dann steht Pulp Fiction halt unter manch anderen Tarantino-Regiearbeiten. Ich liebe Pulp Fiction. John Travolta und Samuel L. Jackson sind großartig (Jackson war niemals besser als hier), Uma Thurman ist klasse, Harvey Keitel gefällt mir in seiner Mini-Rolle besser als in der Gesamtheit von Reservoir Dogs. Christopher Walken, zu guter Letzt, erwischte in Pulp Fiction einen seiner Tage, an dem man ihn auch ernsthaft gut finden kann. Bruce Willis ist ebenfalls sehr gut in seinem Segment, allerdings finde ich diese Geschichte etwas zäh erzählt. Obwohl... das ist nicht ganz das richtige Wort. Sie ist eigentlich solide erzählt, vom sadistischen Höhepunkt im Keller des Pfandhauses ist sie jedoch längst nicht so ikonisch wie der Rest des Films, wodurch sie sich so anfühlt, als bremse sie den kultig-genialen Irrsinn aus. Es hat halt schon seinen Grund, weshalb bei Pulp Fiction alle zunächst an Travolta, Jackson und Thurman denken. Ich liebe auch die verschachtelte Erzählweise Tarantinos, mit der er uns ein (anti?)klimatisches Ende zaubert, tja, und die Dialoge sind eh über alle Zweifel erhaben. Nie waren pseudo-philosophische Gedanken wie die über kulturelle Unterschiede zwischen den USA und Europa (beobachtet an den französischen und niederländischen Fast-Food-Gewohnheiten) oder die tiefere emotionale Bedeutung einer Fußmassage einprägsamer.
Aber dennoch ist mir Pulp Fiction dann ganz persönlich weniger lieb als das, was auf dieser Liste noch folgt. Mal ganz davon abgesehen, dass Pulp Fiction ja trotzdem in meinem cineastischen Olymp ruht und es deshalb eigentlich unnötig ist, eine all zu ausschweifende "Verteidigungsrede" abzuhalten: Es geht eigentlich viel weniger darum, was Pulp Fiction nicht hat, sondern darum, was mir die noch ausstehenden Rodriguez/Tarantino-Filme mehr bieten. Ich werte Pulp Fiction nicht ab, ich werte den Rest bloß auf. Vielleicht dürfte das ja schon manche besänftigen. Ansonsten kann ich mich ja noch um weitere Argumente bemühen:
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Platz 8: Machete (Rodriguez, 2010)
Sowohl Tarantino, als auch Rodriguez tragen ihre Ideen mitunter sehr lange mit sich. Wenn also ein Film wie Machete vorbeikommt, und mit Fug und Recht behaupten kann, dass er zu den Ideen gehört, die eine der längsten Anlaufzeiten sämtlicher Projekte dieser beiden Kultfilmer in Anspruch nahm, dann will das was heißen. Schon als Rodriguez und Trejo im Vorfeld der Produktion von Desperado Bekanntschaft machten, merkte der Regisseur an, dass Danny Trejo ein mexikanischer Jean-Claude Van Damme werden sollte - oder Rachefilme wie Charles Bronson machen müsste. Für ihn stand fest, dass man mit Danny Trejo die klaffende Lücke der Latino-Gewaltfilme schließen sollte. Amerikansiche Schund-Liebhaber nahmen asiatische Exploitation und Blaxploitation in ihre verdorbenen Herzen auf, doch einen nennenswerten Mexploitation-Streifen gab es nicht. Schon 1993 soll Rodriguez einen ersten Drehbuchentwurf zusammengekritzelt haben, in dem Danny Trejo als Machete der Mann für's Grobe war, die billige Aushilfskraft der US-Geheimbehörden, wenn es ihnen zu schmutzig wurde. Als er letztlich zusammen mit Tarantino Grindhouse verwirklichte, drehte er einige Machete-Sequenzen, um sie als Fake-Trailer in das Projekt zu integrieren. Die Fan-Reaktionen waren überwältigend, und so versprach Rodriguez, aus dem bereits fertigen Material und einigen neu gedrehten Szenen einen eigenständigen Kinofilm zu machen. Und wer weiß, vielleicht wird direkt eine ganze Trilogie daraus...
Als Machete letztes Jahr dann endlich das Licht der schmuddeligen Filmwelt erblickte, sah das fertige Projekt etwas anders aus, als von einigen Fans erwartet. Es war keine derart übertriebene, mit mehrfach gestaffelter Meta-Ebene versehene Schundkino-Parodie wie Planet Terror, sondern eine (vergleichsweise) bodenständigere Exploitation-Hommage. Insofern liegt Machete relativ nahe an Jackie Brown: Wie Tarantino nahm sich Robert Rodriguez der Exploitation-Welt des Rachekomplotts an und würzte sie mit einer Kunstfertigkeit, die sie selten zu sehen bekommt.
Ähm... Auf... Rodriguez-Art.
Ja, Machete ist flach, vulgär und voller exzessiver Gewalt. Und dennoch in seiner comichaften Übertreibung so zurückhaltend, dass man manchmal nicht so genau weiß, ob Rodriguez (mit seinem Co-Regisseur Ethan Maniquis) einen echten Schundfilm drehen wollte, oder doch eher eine parodistische Schund-Hommage. Aber man muss auch bejahen: Rodriguez ist ein ungeheuerlich versierter Regisseur, der etwa einem rücksichtlosen Gemetzel in einer Kirche etwas poetisches abgewinnen kann (siehe dazu auch meine Kinokritik) oder den Zuschauer sämtliche Zweifel über Bord werfen lässt, dass Danny Trejo der mexikanische Chuck Norris ist. Machete kann alles, kriegt alles, schafft alles. Und dennoch wird der Film nicht langweilig. Dies liegt nicht zuletzt am tollen Ensemble. Michelle Rodriguez, Jeff Fahey und Danny Trejo eben ihre Rollen, Robert DeNiro glüht vor Spaß an der Freude und Lindsay Lohan... naja, sie spielt sich selbst, was kann da schon schiefgehen. Steven Seagal ist kurzweilig, ebenso die Cameos einiger Rodriguez-Stammfreunde. Nur Frau Alba ist manchmal was zu zurückhaltend. Die Gewaltsequenzen sind mit Genuss inszeniert, häufig genug pointiert und der Soundtrack rockt sowieso. Ebenso wie die Titelsequenz.
Was mich allerdings etwas an Machete stört, ist, dass er irgendwie zwischen den Stühlen steht. Er nimmt sich "ernster" als Planet Terror, ist gleichzeitig aber noch immer selbstironisch-schundhafter als Rodriguez' andere Tex-Mex-Produktionen. Durch Trejos Charisma und einiger Randgags, die ich nach mehrmaligem Ansehen schlicht zu genial finde, hat sich Machete in meiner Gunst mittlerweile etwas weiter nach oben gearbeitet, doch er hat klar seinen Zenit erreicht. Ein paar kultige Sprüche mehr, dafür etwas weniger Exposition, dann wäre noch mehr drin. Oh, und ich finde es schade, dass der schrille Cameo von Rose McGowan rausflog. Allerdings wäre der Film dann gewollt alberner, und das hätte wiederum die Fans der "echten" Exploitation geärgert. Seht ihr... Machete ist einer dieser Filme, die sich in eine Zwickmühle dirigiert haben. Trotzdem... ist ja schon ein geiles Ding...
Platz 7: From Dusk Till Dawn (Rodriguez, 1996)
Auch wenn Machete und From Dusk Till Dawn in dieser Rangliste Nachbarn sind, klafft zwischen ihnen in meiner subjektiven Wahrnehmung eine gewaltige Lücke. Machete ist ganz cool, ein gelungener Rodriguez-Film. Aber mit From Dusk Till Dawn erreichen wir bereits die höheren Sphären meines Filmgenusses. Von nun an sind wir in der Pflichtzone angelangt, hier folgen die Filme, bei denen ich richtig ins Schwärmen geraten kann.
From Dusk Till Dawn manifestierte die Kollegialität zwischen Quentin Tarantino und Robert Rodriguez. Tarantino schrieb das Drehbuch auf Anregung des Make-Up-Künstlers Robert Kurtzman, gewissermaßen als Entlohnung für seine hervorragende Leistung an der Folterszene in Reservoir Dogs. Nach kurzen anfänglichen Überlegungen verzichtete Tarantino allerdings auf den Regieposten und gab ihn an seinen Kumpel Robert Rodriguez weiter. Das Ergebnis ist die vielleicht beste stilistische Ehe dieser beiden Kultfilmer, die man sich denken kann (siehe auch meine Filmkritik). From Dusk Till Dawn ist zu gewissem Grade sein eigenes, kleines Grindhouse, nur mit einem strikteren, durchgehenden roten Faden. Wir eröffnen mit der Tarantino-Hälfte, dem kernigen Gangsterfilm, in dem sich Seth Gecko (George Clooney) mit seinem psychopathischen Bruder (Quentin Tarantino) rumschlagen muss, sowie mit einer bockigen Geisel (Harvey Keitel als vom Glauben abgefallener, besonnener Priester mit zwei Kindern). Im berühmt-berüchtigten Titty Twister angekommen, wird die Stimmung ungezwungener und WHAM, Rodriguez haut den ironischen Splatter raus.
Wieso, weshalb und warum die BPjM From Dusk Till Dawn indiziert hat, werde ich nie nachvollziehen können. From Duk Till Dawn ist zwar nicht gerade zimperlich, doch weder ist die Gewalt in diesem Film menschenverachtend, noch wird sie glorifiziert. Einer der faszinierendsten Aspekte an From Dusk Till Dawn ist schließlich sogar, wie Rodriguez und Tarantino ganz heimlich ihrem Publikum einen subversiven Kommntar bezüglich medialer Gewalt und deren Rezeption unterjubeln. Wie sie sich über Fernsehnachrichten, die sich an Amokläufen oder Massakern aufgeilen, lustig machen, ist kaum zu übersehen. Aber wie eine besonders abscheuliche Tat zwar angedeutet und kommentiert wird, deren Abbildung aber auf ein kurzes, die Neugier schürendes Aufflackern reduziert wird - das scheint den Moralaposteln entgagen zu sein. Tarantino und Rodriguez führen den Gewaltdurst des Publikums vor, nur um rund eine halbe Stunde später mehr (und albernere) Gewalt auf den Zuschauer loszulassen, als ihm zuvor lieb war.
From Dusk Till Dawn ist ein saucooler Film, er enthält alle Elemente, die für einen lässigen Kultfilm nötig sind. Lockere Sprüche, einen einprägsamen Soundtrack, eine absurde Grundidee, eine Prise Erotik und natürlich den selbstbewussten Trash-Faktor. Doch irgendwo darin versteckt sich auch ein erstaunlich solider Kandidat für's Programmkino - sei es beabsichtigt oder nicht. Und da kann ich nur sagen: (Texas-)Hut ab!
Platz 6: Desperado & Irgendwann in Mexiko (Rodriguez, 1995 & 2003)
Auf Platz 6 meiner liebsten Regiearbeiten von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino befinden sich, wie unschwer zu erkennen ist, gleich zwei Filme. Obwohl man sicherlich das Argument machen könnte, dass es eigentlich drei Filme sind. Denn als Robert Rodriguez sich aufmachte, Irgendwann in Mexiko zu verwirklichen, beschloss er, den Film als das epochale Finale einer Trilogie aufzuziehen. Jedoch nicht als das große Finale der mit El Mariachi gestarteten Trilogie, sondern als den gigantischen Abschluss der non-existenten Desperado-Trilogie rund um Antonio Banderas' Mariachi-Figur.
Und so enthält Irgendwann in Mexiko Rückblenden auf den niemals gedrehten zweiten Teil. Beziehungsweise auf den niemals gedrehten dritten Teil der El Mariachi-Filmreihe. Robert Rodriguez hat es also gewissermaßen geschafft eine Trilogie mit nur zwei Filmen zu drehen. Oder ist es letztlich doch eine vier Filme umfassende Trilogie?
Jedenfalls behandelt Robert Rodriguez in Desperado und Irgendwann in Mexiko sehr intensiv das Thema der Legendenbildung. Allein schon durch die (mangelnde) Kontinuität der Trilogie... Quadrologie... des Double-Features... ähm, ist ja auch egal. Desperado mit Antonio Banderas und Salma Hayek ist gleichzeitig Remake, als auch Fortsetzung von El Mariachi. Die Darsteller wurden ausgetauscht, Details in der Geschichte des sagenumwobenen, einen Gitarrenkoffer mitschleppenden Killers abgewandelt. Die kleinere, bodenständigere Geschichte ist praktisch die "wahre" Geschichte des Mariachis, mit Desperado betreten wir bereits mythisch überhöhten Grund und Boden. Größer, härter, verwegener. Es ist die Hollywood-Version einer wahren Geschichte - und sie wird bis zum letzten Tropfen gemolken. Aus einer kleinen Verwechslung, die einen armen Musiker zwang, zum abgebrühten Revolverhelden zu werden, wird eine nicht enden wollende Sage eines legendären, unschlagbaren, mexikanischen Motherfuckers.
Und, oh die Ironie, selbst Desperado, die übertriebene Nach- und Weitererzählung von El Mariachi, beginnt damit, wie ein runtergekommener Loser (der wie immer begnadete Steve Buscemi) in eine Bar kommt und Geschichten dieses Mariachis erzählt. Er macht den Leuten in dieser Bar mit seinen Übertreibungen Angst, während der Zuschauer aus dem Grinsen nicht herauskommt - denn Buscemis Erzählung verliert jegliche Bodenhaftung.
Das ist es auch, was letztlich Irgendwann in Mexiko ausmacht. Im Original auf Anraten Tarantinos Once Upon a Time in Mexico betitelt, nimmt die Legende des Mariachis verworren komplexe sowie politische Züge an, sie entückt mit den weit vorausgeplanten Schachzügen seiner Handlungsträger und den fast übermenschlichen Fähigkeiten der Schlüsselfiguren vollends der Realität von El Mariachi.
Man könnte es als einen "Jumping the Shark"-Moment in abendfüllender Spielfilmlänge betrachten, doch Rodriguez bedient sich einer Kameraarbeit, die viel Gravitas versprüht, verwendet einen solch "epochal" klingenden Soundtrack und macht sich in gesunden Dosen ausreichend über sich selbst lustig, dass Irgendwann in Mexiko meiner Ansicht nach eben kein Totalausfall, sondern ein konsequenter Abschluss dieser Filmreihe wird. Außerdem hat Rodriguez durch den Film dafür gesorgt, dass das überaus köstliche Fleischgericht Puerco Pibil bekannt wird. Muss man ja auch loben. Und, jaaa, Johnny Depp bringt auch ein paar Pluspunkte. Genug, damit ich die von mir verhasste Eva Mendes gepflegt vergessen kann. Weitere Pluspnkte gibt es für die Kackendreistigkeit, mit der Robert Rodriguez das Studio über's Ohr haute: Er schwörte, dass das Drehbuch zu Irgendwann in Mexiko fertig sei und dass das Skript nach dem Wochenende den entsprechenden Entschaidungsträgern vorliegen könnte. Nach diesem Telefonat fing er mit der Skriptarbeit an. Und um seine schnell an den Haaren herbeigezogenen Notizen auf Spielfilmlänge zu strecken, hat er einfach das Drehbuch zu einem Kurzfilm über einen Banküberfall wahllos dazwischen gelegt. Als dieses Drehbuch genehmigt wurde ("Nur, Robert... also, dieser Subplot mit dem Banküberfall... der sollte raus!"), fing Rodriguez mit der richtigen Schreibarbeit an. Gewiss, man merkt Irgendwann in Mexiko an, dass er nicht über Jahrzehnte entwickelt wurde, so wie Tarantino es mit manchen Drehbüchern pflegt, aber ich glaube nicht, dass durch eine längere Vorbereitungsphase was kohärenteres bei rumgekommen wäre.
Platz 5: Pulp Fiction (Tarantino, 1994)
Pulp Fiction ist immens populär. Er vereint sowohl Cineasten auf seiner Seite, als auch den sich ach-so-cool haltenden, rumgammelnden Schüler, der einen Arthouse-Film normalwerise selbst dann nicht gut fände, wenn er ihm ein Bier ausgibt. Pulp Fiction ist sowohl was für die besoffenen, lärmenden Typen aus der Studentenverbindung, als auch für die verschnupften Intelektuellen. Pulp Fiction-Poster verkaufen sich wie geschnitten Brot, die Dialoge sind längst nicht mehr aus der Popkultur wegzudenken und seinem Soundtrack allein wird für die Wiederbelebung des Surfrocks zugeschrieben. Man wähle einen Song aus Pulp Fiction, lass ihn irgendwo laufen, und genügend Leute werden aufschreien: "Moment, der ist doch aus Pulp Fiction!"
Tarantinos Überraschungshit sorgte 1994 im Disney-Konzern für vergrößertes Vertrauen in die frisch eingekaufte Independent-Schmiede Miramax, prägte die gesamte Indie-Kultur, beeinflusste Filmstudenten rund um den Globus und dürfte bis heute den Protoypen des postmodernen Kinos darstellen. Und so ganz nebenher ist Pulp Fiction auch der Grund, weshalb es hier im Blog diese Hitliste zu lesen gibt. Denn als ich vor ein paar Wochen andere Fälle präsentierte, wo ich bezüglich des Schaffens eines Regisseurs oder den Teilen einer Kinoreihe nicht mit der Mehrheit übereinstimme, war schlichtweg kein Platz mehr für meinen Kommentar in Sachen Tarantino.
Denn diese Situation könnte sich als etwas komplex herausstellen. Ich finde nämlich nicht, dass Pulp Fiction überschätzt ist. Ich gönne diesem Streifen jedes Stückchen Anerkennung, das es erhält - und sogar noch mehr. Die Leser der Cinema wählten ihn beispielsweise zum zweitbesten Film aller Zeiten. Ich bin mit dieser Wahl vollauf zufrieden und werde kaum ins Zetern geraten. Pulp Fiction erhielt fantastische sieben Oscar-Nominierungen, obgleich er wirklich überhaupt nicht in das übliche Aufgebot der Academy Awards passt, und Quentin Tarantino & Roger Avary gewannen immerhin einen der begehrten Goldjungen. Und zwar für das beste Original-Drehbuch. Ohne nachgezählt zu haben, bin ich mir sicher: Mehr "fucks" gab es bis heute in keinem Oscar-prämierten Drehbuch. Und, wenn ich was zu sagen hätte, so hätte Pulp Fiction gerne mehr als nur diesen einen Oscar gewinnen dürfen.
Wäre ich in einem Komitee, das einen Filmkanon erstellen soll, der darüber entscheidet, welche Produktionen für die Nachwelt auf jeden Fall erhalten bleiben sollen, und ich dürfte aus einem mir unerklärlichen Grund nur einen Tarantino-Film auf die Liste setzen, so fiele meine Wahl (nach ausreichendem Protest, da Tarantino mindestens zweimal vertreten sein müsste) auf Pulp Fiction. Es ist ein pop- und filmkulturelles Testament mit einer solchen Aussagekraft über unser Medienverhalten und einem so weitreichenden Einfluss, dass ich guten Gewissens schlichtweg nicht anders entscheiden könnte.
Es ist Tarantinos wichtigster Film. Hinischtlich der Frage, ob es sein bester Film ist, darüber könnte man schon viel einfacher mit mir in eine hitzige Diskussion geraten. Tarantinos bester Film ist für mich viel eher auch der bestplatzierte auf dieser Liste - doch ich lasse sehr wohl mit mir reden, dass Pulp Fiction "besser" ist als die anderen drei Filme, die euch noch in meiner Hitliste erwarten. Vielleicht.
Und dennoch ist Pulp Fiction nur mein fünftliebster Streifen des kultigen Duos Tarantino/Rodriguez. Verwirrend, hm? Ich sagte ja, es könnte kompliziert werden. Wenn ich jeglichen filmjournalistischen Anspruch in mir ausschalte, und mich schlichtweg frage, welcher Film mir mehr Genuss gab, jedes Mal wenn ich ihn sah, und auf welchen ich häufiger nochmal Lust habe, dann steht Pulp Fiction halt unter manch anderen Tarantino-Regiearbeiten. Ich liebe Pulp Fiction. John Travolta und Samuel L. Jackson sind großartig (Jackson war niemals besser als hier), Uma Thurman ist klasse, Harvey Keitel gefällt mir in seiner Mini-Rolle besser als in der Gesamtheit von Reservoir Dogs. Christopher Walken, zu guter Letzt, erwischte in Pulp Fiction einen seiner Tage, an dem man ihn auch ernsthaft gut finden kann. Bruce Willis ist ebenfalls sehr gut in seinem Segment, allerdings finde ich diese Geschichte etwas zäh erzählt. Obwohl... das ist nicht ganz das richtige Wort. Sie ist eigentlich solide erzählt, vom sadistischen Höhepunkt im Keller des Pfandhauses ist sie jedoch längst nicht so ikonisch wie der Rest des Films, wodurch sie sich so anfühlt, als bremse sie den kultig-genialen Irrsinn aus. Es hat halt schon seinen Grund, weshalb bei Pulp Fiction alle zunächst an Travolta, Jackson und Thurman denken. Ich liebe auch die verschachtelte Erzählweise Tarantinos, mit der er uns ein (anti?)klimatisches Ende zaubert, tja, und die Dialoge sind eh über alle Zweifel erhaben. Nie waren pseudo-philosophische Gedanken wie die über kulturelle Unterschiede zwischen den USA und Europa (beobachtet an den französischen und niederländischen Fast-Food-Gewohnheiten) oder die tiefere emotionale Bedeutung einer Fußmassage einprägsamer.
Aber dennoch ist mir Pulp Fiction dann ganz persönlich weniger lieb als das, was auf dieser Liste noch folgt. Mal ganz davon abgesehen, dass Pulp Fiction ja trotzdem in meinem cineastischen Olymp ruht und es deshalb eigentlich unnötig ist, eine all zu ausschweifende "Verteidigungsrede" abzuhalten: Es geht eigentlich viel weniger darum, was Pulp Fiction nicht hat, sondern darum, was mir die noch ausstehenden Rodriguez/Tarantino-Filme mehr bieten. Ich werte Pulp Fiction nicht ab, ich werte den Rest bloß auf. Vielleicht dürfte das ja schon manche besänftigen. Ansonsten kann ich mich ja noch um weitere Argumente bemühen:
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Dienstag, 18. Januar 2011
Meine Lieblings-Kinofilme 2010
Mittlerweile ist es auch wieder ein paar Tage her, als ich in meinen Gedanken zum Kinojahr 2010 die Möglichkeit ansprach, eine Hitliste meiner liebsten Kinofilme des Jahres zu veröffentlichen. Mittlerweile steht mit Black Swan das erste für mich wirklich wichtige Kinohighlight von 2011 an, außerdem habe ich aktuell für Quotenmeter eine Kinovorschau auf die kommenden Monate verfasst... da wird es wirklich langsam Zeit, mit 2010 abzuschließen. Also, nicht mehr lange gefackelt und endlich an die Hitliste gesetzt!
Es handelt sich dabei übrigens strikt um eine Lieblingsliste, nicht um eine Jahresbestenliste. Für letzteres hätte ich mir alle Kandidaten nochmal hintereinander auf DVD ansehen müssen und mich intensiv mit ihnen auseinandersetzen - wozu ich einfach nicht die Zeit habe. Stattdessen lasse ich mein Filmherz sprechen.
Außerdem beschränke ich mich auf Filme, die ich im Kino sah - "DVD-Premieren" lasse ich allein schon deshalb aus, weil ich noch weitere Monate bräuchte, bis ich alle eventuell interessanten Filme des Jahres 2010 gesehen habe.
Des Deutschen zweitliebster Animationsfilm 2010 und Illumination Entertainments überraschendes Debütwerk vereint Humor für alle Altersklassen, wunderbar witzige Randfiguren (die Minions könnte ich mir sehr gut als Stars einer Kino-Kurzfilmreihe vorstellen - aber bislang müssen wir hiermit vorliebnehmen) und einen charismatischen Schurken-Protagonisten. Die deutsche Synchro mit Oliver Rohrbeck und Jan Delay war fantastisch und die Mischung aus Humor und Herzlichkeit war zwar nicht ganz auf Pixar-Niveau, aber dennoch sehr ausgewogen und ein Vorbild für alle Dreamworks-Streifen, die nicht von Ex-Disney-Regisseuren gemacht wurden. Ein toller Spaß, der auf DVD geholt wird!
Nach langer Wartezeit war es 2010 endlich so weit: Robert Rodriguez' Machete metzelte sich in die Kinos! Das Grindhouse-Spinoff mit dem absurd namenhaften Ensemble und der vollkommen abgefahrenen Gewalt nahm sich süffisant grinsend dem Rache-Exploitationfilm an und führte ihn gleichermaßen ad absurdum, wie er ihm eine hübsche Dosis stilsicherer Inszenierung schenkte. Rodriguez' Klasse als kunstvoller Regisseur, der seine gestalterischen Qualitäten halt lieber für banale sowie gewollt banale Stoffe hergibt, wird besonders deutlich, wenn man die Mexploitation-Hommage Machete mit der Blaxploitation-Parodie Black Dynamite vergleicht. Letzterer hat den abgedrehteren und irrwitzigeren Humor, ist aber viel steifer umgesetzt und unterscheidet sich in den Actionsequenzen nur durch den Witz von seinen Vorlagen. Machete hingegen bietet Momente wie seine eindrucksvolle Ave Maria-Passage.
Rob Marshalls Leinwandfassung der Musicaladaption von Fellinis 8 1/2 hat das Zeug dazu, ziemlich zu polarisieren. Entweder man findet Nine umwerfend oder unterwältigend. Ich geselle mich mit Freuden zur erste Gruppe, wenngleich mir sehr bewusst ist, in welchen Belangen Nine seinem heimlichen Vorgänger Chicago weit unterlegen ist. Der Spagat zwischen schimmernder und strahlender Musikunterhaltung und dem Versuch gleichermaßen das intelektuelle Arthousepublikum anzusprechen scheiterte und führte zu einem Musical, das sich von seiner Zuschauerschaft distanziert, obwohl es offensichtlich mit all seinem Glitzer Kurzweil stiften möchte. Über dieses seltsame Bauchgefühl während des Filmkonsums kann ich angesichts der tollen Regieführung, den großartigen Choreographien und der fantastischen Ausstattung großteils hinwegsehen. Für die Handlung habe ich ebenfalls einen schwachen Punkt und im Kontext des Films sind die Lieder ebenfalls recht gut. Wäre nicht die bemühte Oscaranbiederung zu spüren, stünde er sicher höher in meiner Gunst.
Und es bleibt polarisierend. Wie jeder potentielle Kultfilm zog auch der genüsslich schräg betitelte Männer, die auf Ziegen starren Scharen von ihn beknieenden Fans um sich, die ihn zitierend in den Alltag einbetteten, während andere den Kopf schüttelten. Mit Jeff Bridges als Jeff Bridges, Ewan McGregor in einer Rolle, die nur Ewan McGregor witzig auf die Leinwand bringen kann, George Clooney in vollstem Coen-Brüder-Modus und Kevin Spacey als... naja, Kevin Spacey in seiner Paraderolle des gelackten Affen ist diese groteske Komödie mit erschreckendem Realitätsbezug einfach makellos besetzt. Neben herrlich dämlicher Sprüche gibt es noch herrlich verplantes Armeetreiben und eine hübsche Dosis Flowerpower.
Ein großer Wermutstropfen bleibt jedoch... Nämlich die Gewissheit, dass der Film um ein vielfaches besser gelungen wäre, hätte Gore Verbinski Regie geführt.
A Serious Man erhielt ja einhelliges Kritikerlob, doch was viele verschwiegen, ist dass diese Komödie biblisch-kleinstädtischer Ausmaße wirklich nicht jedermanns Bier sein wird. Die in den mittleren Westen der USA und die 60er Jahre verlegte Hiobsgeschichte spielt auf der ganz leisen Klaviatur des Humors, erzielt damit aber eine sehr langanhaltende Wirkung und wird mit jedem Ansehen immer besser. Und es wären nicht die Coens, wenn man nicht auch jede Menge Diskussionsgrundlage in dieser intelligenten, bitterbösen Komödie finden würde. Sei es die selbst ausgedachte, "uralte" jiddische Parabel zu Beginn, der Ursprung des Unglücks unseres geschundenen Protagonisten oder die in zwei mögliche Richtungen interpretierbare Grundaussage des Films. A Serious Man ist eine ultrahohe Dosis des Coen-Stils. Entweder man lacht, oder man fühlt sich, als wäre man gegen eine Tafel gehämmert worden.
Obwohl Up in the Air das derzeitige Lebensgefühl vieler Menschen perfekt einfängt und mit seinem bedächtigen sowie pointierten Humor die eine oder andere Lebensweisheit ansehnlich und unaufdringlich verpackt, habe ich irgendwie die Befürchtung, dass Jason Reitmans Tragikomödie nicht vor dem Schlund des Vergessens gefeiht ist. Ja, sogar sechs Oscar-Nominierungen können solche Schicksale nicht verhindern. Vielleicht hat Up in the Air schlicht Pech, womöglich ist er etwas zu still oder aufgrund des Lebensstils seiner Hauptfigur auf oberflächlicher Betrachtungsweise für viele Zuschauer im ersten Moment nicht greifbar genug. Klar ist nur, dass ich es schade fände, wenn Up in the Air aus den Augen des Publikums und so aus dessen Sinn gerät. Also, wer ihn noch nicht hat, sollte ihn sich auf DVD oder Blu-ray holen! Ist nicht nur sehr smart, sondern auch ideal für einen kuscheligen, niveauvollen Filmabend auf dem Sofa. Muss ja nicht immer Tatsächlich... Liebe sein.
Das waren also die Filme, die es nicht in die Top Ten geschafft haben und die ich trotzdem unbedingt genannt haben wollte. Um eure Augen zu schonen (und mir etwas Bedenkzeit zu geben, wie die Rangfolge auf ein paar der höheren Plätze aussieht), möchte ich hier eine Zäsur setzen und euch auf demnächst vertrösten. Dann gibt es hier im Blog meine zehn Lieblings-Kinofilme des Jahres 2010!
Empfehlenswerte Artikel:
Es handelt sich dabei übrigens strikt um eine Lieblingsliste, nicht um eine Jahresbestenliste. Für letzteres hätte ich mir alle Kandidaten nochmal hintereinander auf DVD ansehen müssen und mich intensiv mit ihnen auseinandersetzen - wozu ich einfach nicht die Zeit habe. Stattdessen lasse ich mein Filmherz sprechen.
Außerdem beschränke ich mich auf Filme, die ich im Kino sah - "DVD-Premieren" lasse ich allein schon deshalb aus, weil ich noch weitere Monate bräuchte, bis ich alle eventuell interessanten Filme des Jahres 2010 gesehen habe.
Platz 16: Ich - Einfach unverbesserlich
Des Deutschen zweitliebster Animationsfilm 2010 und Illumination Entertainments überraschendes Debütwerk vereint Humor für alle Altersklassen, wunderbar witzige Randfiguren (die Minions könnte ich mir sehr gut als Stars einer Kino-Kurzfilmreihe vorstellen - aber bislang müssen wir hiermit vorliebnehmen) und einen charismatischen Schurken-Protagonisten. Die deutsche Synchro mit Oliver Rohrbeck und Jan Delay war fantastisch und die Mischung aus Humor und Herzlichkeit war zwar nicht ganz auf Pixar-Niveau, aber dennoch sehr ausgewogen und ein Vorbild für alle Dreamworks-Streifen, die nicht von Ex-Disney-Regisseuren gemacht wurden. Ein toller Spaß, der auf DVD geholt wird!
Platz 15: Machete
Nach langer Wartezeit war es 2010 endlich so weit: Robert Rodriguez' Machete metzelte sich in die Kinos! Das Grindhouse-Spinoff mit dem absurd namenhaften Ensemble und der vollkommen abgefahrenen Gewalt nahm sich süffisant grinsend dem Rache-Exploitationfilm an und führte ihn gleichermaßen ad absurdum, wie er ihm eine hübsche Dosis stilsicherer Inszenierung schenkte. Rodriguez' Klasse als kunstvoller Regisseur, der seine gestalterischen Qualitäten halt lieber für banale sowie gewollt banale Stoffe hergibt, wird besonders deutlich, wenn man die Mexploitation-Hommage Machete mit der Blaxploitation-Parodie Black Dynamite vergleicht. Letzterer hat den abgedrehteren und irrwitzigeren Humor, ist aber viel steifer umgesetzt und unterscheidet sich in den Actionsequenzen nur durch den Witz von seinen Vorlagen. Machete hingegen bietet Momente wie seine eindrucksvolle Ave Maria-Passage.
Platz 14: Nine
Rob Marshalls Leinwandfassung der Musicaladaption von Fellinis 8 1/2 hat das Zeug dazu, ziemlich zu polarisieren. Entweder man findet Nine umwerfend oder unterwältigend. Ich geselle mich mit Freuden zur erste Gruppe, wenngleich mir sehr bewusst ist, in welchen Belangen Nine seinem heimlichen Vorgänger Chicago weit unterlegen ist. Der Spagat zwischen schimmernder und strahlender Musikunterhaltung und dem Versuch gleichermaßen das intelektuelle Arthousepublikum anzusprechen scheiterte und führte zu einem Musical, das sich von seiner Zuschauerschaft distanziert, obwohl es offensichtlich mit all seinem Glitzer Kurzweil stiften möchte. Über dieses seltsame Bauchgefühl während des Filmkonsums kann ich angesichts der tollen Regieführung, den großartigen Choreographien und der fantastischen Ausstattung großteils hinwegsehen. Für die Handlung habe ich ebenfalls einen schwachen Punkt und im Kontext des Films sind die Lieder ebenfalls recht gut. Wäre nicht die bemühte Oscaranbiederung zu spüren, stünde er sicher höher in meiner Gunst.
Platz 13: Männer, die auf Ziegen starren
Und es bleibt polarisierend. Wie jeder potentielle Kultfilm zog auch der genüsslich schräg betitelte Männer, die auf Ziegen starren Scharen von ihn beknieenden Fans um sich, die ihn zitierend in den Alltag einbetteten, während andere den Kopf schüttelten. Mit Jeff Bridges als Jeff Bridges, Ewan McGregor in einer Rolle, die nur Ewan McGregor witzig auf die Leinwand bringen kann, George Clooney in vollstem Coen-Brüder-Modus und Kevin Spacey als... naja, Kevin Spacey in seiner Paraderolle des gelackten Affen ist diese groteske Komödie mit erschreckendem Realitätsbezug einfach makellos besetzt. Neben herrlich dämlicher Sprüche gibt es noch herrlich verplantes Armeetreiben und eine hübsche Dosis Flowerpower.
Ein großer Wermutstropfen bleibt jedoch... Nämlich die Gewissheit, dass der Film um ein vielfaches besser gelungen wäre, hätte Gore Verbinski Regie geführt.
Platz 12: A Serious Man
A Serious Man erhielt ja einhelliges Kritikerlob, doch was viele verschwiegen, ist dass diese Komödie biblisch-kleinstädtischer Ausmaße wirklich nicht jedermanns Bier sein wird. Die in den mittleren Westen der USA und die 60er Jahre verlegte Hiobsgeschichte spielt auf der ganz leisen Klaviatur des Humors, erzielt damit aber eine sehr langanhaltende Wirkung und wird mit jedem Ansehen immer besser. Und es wären nicht die Coens, wenn man nicht auch jede Menge Diskussionsgrundlage in dieser intelligenten, bitterbösen Komödie finden würde. Sei es die selbst ausgedachte, "uralte" jiddische Parabel zu Beginn, der Ursprung des Unglücks unseres geschundenen Protagonisten oder die in zwei mögliche Richtungen interpretierbare Grundaussage des Films. A Serious Man ist eine ultrahohe Dosis des Coen-Stils. Entweder man lacht, oder man fühlt sich, als wäre man gegen eine Tafel gehämmert worden.
Platz 11: Up in the Air
Obwohl Up in the Air das derzeitige Lebensgefühl vieler Menschen perfekt einfängt und mit seinem bedächtigen sowie pointierten Humor die eine oder andere Lebensweisheit ansehnlich und unaufdringlich verpackt, habe ich irgendwie die Befürchtung, dass Jason Reitmans Tragikomödie nicht vor dem Schlund des Vergessens gefeiht ist. Ja, sogar sechs Oscar-Nominierungen können solche Schicksale nicht verhindern. Vielleicht hat Up in the Air schlicht Pech, womöglich ist er etwas zu still oder aufgrund des Lebensstils seiner Hauptfigur auf oberflächlicher Betrachtungsweise für viele Zuschauer im ersten Moment nicht greifbar genug. Klar ist nur, dass ich es schade fände, wenn Up in the Air aus den Augen des Publikums und so aus dessen Sinn gerät. Also, wer ihn noch nicht hat, sollte ihn sich auf DVD oder Blu-ray holen! Ist nicht nur sehr smart, sondern auch ideal für einen kuscheligen, niveauvollen Filmabend auf dem Sofa. Muss ja nicht immer Tatsächlich... Liebe sein.
Das waren also die Filme, die es nicht in die Top Ten geschafft haben und die ich trotzdem unbedingt genannt haben wollte. Um eure Augen zu schonen (und mir etwas Bedenkzeit zu geben, wie die Rangfolge auf ein paar der höheren Plätze aussieht), möchte ich hier eine Zäsur setzen und euch auf demnächst vertrösten. Dann gibt es hier im Blog meine zehn Lieblings-Kinofilme des Jahres 2010!
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Freitag, 19. November 2010
Machete
1997 nahm sich Kultregisseur Quentin Tarantino der Blaxploitation an. Drei Jahre nach seinem Welterfolg Pulp Fiction reichte er mit Jackie Brown einen um zwei Jahrzehnte verspäteten, kunstvolleren Beitrag zur Welle des "schwarzen Kinos", der Antwort auf das weißere und saubere Hollywoodkino nach.
Wenn sich Tarantinos texanischer Kumpel Robert Rodriguez dem ethnisch eingefärbten Exploitationkino widmet, sieht das Produkt vollkommen anders aus. Statt eines Rachefilms für Afro-Amerikaner dreht er (wen überrascht's?) einen an der US-mexikanischen Grenze spielenden Actioner. Und wo Quentin Tarantino den Schundfilm durch smarte Dialoge, markanter Ästhetik und verwobene Erzähldramaturgie ins Kunstkino hievt, nimmt sich Rodriguez das neu geschaffene Genre des Mexploitation-Movies und dreht sämtliche Mäkel, Geschmacklosigkeiten und politische Inkorrektheiten um zehn Stufen höher. Rodriguez kleckert nicht, er klotzt. Schließlich ist sein Machete die Verwirklichung eines Fake-Trailers aus Grindhouse - da geht es nicht um Niveau und Anspruch, sondern um die unheilige Dreifaltigkeit des Parodierens, Glorifizierens und Imitierens von bluttriefenden C-Filmen.
Dadurch zeigt Machete, wie unterschiedlich Rodriguez und Tarantino ticken. Das ist aber vollkommen nebensächlich. Stattdessen heißt es Hirn aus, zurückgelehnt, Nachos gemampft und derbe über sinnbefreite Gewalt gelacht. Die sich ihrer Herkunft als Schundfilm gewiss ist und deswegen mit selbstironischer Übertreibung glänzt. Denn Rodriguez ist nicht irgendein Gewaltregisseur, er ist ein Künstler des Kunstlosen. Auch wenn Machete das nicht ganz so sehr rauskehrt wie sein indirekter Vorgänger Planet Terror.
Die Handlung von Machete ist, genregemäß, schnell erzählt. Machete (Danny Trejo) ist ein Ex-Bundesagent und illegaler Einwanderer, der von einem sinistren Kerl mit zurückgegeltem Haar (Jeff Fahey) angeheuert wird, den für eine radikale Anti-Einwanderungspolitik stehenden texanischen Senator (Robert DeNiro) umzulegen. Dies stellt sich als Spiel mit doppeltem Boden heraus: Machete wird hintergangen und bekommt ein Beinaheattentat am Senator angekreidet. Also nimmt er sich vor, die bis zum Drogenboss Torrez (Steven Seagal) und dem Ultrakonservativen Von Jackson (Don Johnson) reichende Verschwörung aufzudecken und an seinen hinterlistigen Auftraggebern Rache zu nehmen. Während dieses vom örtlichen Pfarrer (Cheech Marin) unterstützten Feldzugs gerät er an eine Agentin der Einwanderungsbehörde (Jessica Alba), die burschikose Taco-Verkäuferin Luz (Michelle Rodriguez) und Drogenkind April (Lindsay Lohan). Lasst die Fetzen fliegen und die trockenen Sprüche kommen!
Einen Preis für die Story wird Machete wohl kaum gewinnen - aber das hat Rodriguez auch nicht vor. Sein Mexploitation-Streifen hakt viel lieber voller Genuss sämtliche Gemeinplätze des Rachegenres ab, lässt einen dabei jedoch stets spüren, dass es nicht ernst gemeint ist. Mal lauert die Selbstironie versteckt im Detail und lässt sich schwer genau benennen, andere Male holt Rodriguez hämisch den Hammer raus und lässt dumme Nebencharaktere ihre genrebedingte Blindheit gegenüber C-Actionfilmklischees launisch kommentieren. Meistens aber bedient er sich dem klassischsten aller parodistischen Stilmittel: Der (in diesem Fall gut getimten) Übertreibung. Machete ist der trockenste aller kernigen Rachehelden und da er der Held ist, sind die Waffen seiner Wahl (vorzugsweise die Machete) selbstverständlich die mächtigsten im gesamten Filminventar. Wie ein Onlinespiel auf der Film-Website auf herrliche Weise vorführt: Während andere scherzen "Blöd, wer mit einem Messer zur Schießerei kommt", gilt bei Machete die Maxime "Ohne Hand lässt sich der Abzug schlecht drücken, nicht wahr?"
Wenn Machete seine Vorbilder gerade Mal nicht parodiert oder auf extremere Weise imitiert, dann bedient sich die Ein-Mann-Filmcrew Robert Rodriguez tatsächlich einiger Seiten des Tarantino-Lehrbuchs und hebt den Exploitationfilm auf ein kunstvolleres Level. In Machete beschränkt sich Rodriguez' Elevation des Schundkinos auf eine markantere, durchdachtere audiovisuelle Ästhetik, während etwa sein From Dusk Till Dawn oder Tarantinos Regiearbeiten dem Schundkino mehr Flair und Kunstniveau verleihen. Aber es genügt längst, um mir Machete viel schmackhafter als den archetypischen Van-Damme- oder Bronson-Film zu machen.
Die für mich herausstechendste Szene ist Rodriguez' sinnästhetisch skizzierte Schießerei in der Kirche, die mit Ave Maria unterlegt nicht bloß zum Bersten ironisch ist, sondern im Gegensatz zu den oft eher komischen, manchmal auch leicht ekligen Metzeleien im Gros der Machete-Actionszenen die Poetik in der Zerstörung findet. Sie stellt sich als Moment der Legendenbildung dar - und trifft somit (obwohl die Titelfigur gerade nicht zu gegen ist) das heimliche Kernthema des Films.
Im Mittelpunkt steht klar Machete, der Mann, der mehr Legende als ein Mann ist. Ihm gelingt während seines Rachefeldzuges alles, und das auf denkwürdige Weise. Entweder besonders blutig oder überraschend locker. Doch wie es sich für eine Legende gehört: Eine große Niederlage musste er mitnehmen. Diese wird im Intro des Films gezeigt - die ultrakondensierte Form eines weiteren Rachefilms, dem lediglich das Finale fehlt in dem Machete zur Legende aufsteigt. Nach dem Vorspann erleben wir gewissermaßen die Fortsezung dieses ersten Films. Der Vorspann schreckt übrigens (in bester Grindhouse-Manier) nicht vor Spoilern zurück. Betrachtet man Machete klassisch. Doch er besitzt ja diese zweite Ebene, auf der die Spoiler dazugehören. Da sie zum Exploitationflair dazugehören. Und sie uns in die Legendenhaftigkeit der Figuren einführt. Figuren, die erst später im Film von der flachen Actionfilm-Person zur stilisierten Exploitation-Übermenschfigur aufsteigen (oder diese versteckte Seite wieder ans Tageslicht bringen), sind uns so duchweg als solche Figuren bewusst. Dass einige von ihnen aber erst spät im Film dieses Gesicht zeigen, kann beim für solche Spielereien mit der Erwartungshaltung unempfindliche oder schlicht unvorbereitete Zuschauer frustrierend wirken. Der (nun nicht mehr ganz so) Fake-Trailer lässt ein gewaltiges Nonstopfeuerwerk erwarten. Stattdessen ist Machete, wenn auch frei von Durchhängern, nicht in vollstem Planet Terror-Berserker-Modus. Die im Vorspann als Mega-Badass-Motherfucker-Revoluzzer-Braut vorgestellte Michelle Rodriguez hält erstmal bloß rotzige Reden, schwingt Eier durch die Gegend und verkauft Tacos. Und Rodriguez (die mir in Machete erst zum zweiten Mal sympatisch ist) ist von den zahlreichen Nebendarstellern rund um Machete in ihrem Auftritt noch die Grindhouse-igste. Dicht gefolgt wird sie von Cheech Marin und Tom Savini, die ihre üblichen Rodriguez-Paraderollen mit jede Menge Witz (und zu wenig Screentime) rüberbringen. Daraufhin sind Jeff Fahey als Überoberduperschmierlappen und DeNiro alsGeorge W. Bush texanischer Ultrakonservativer Opportunist mit brüllend komischen Werbespots. Lindsay Lohan gibt eine tolle Selbstparodie, ihrer Rolle fehlt allerdings der letzte Knall, ähnlich wie Jessica Alba zwar hübsch aus der Wäsche guckt und zwar durchaus in den Mix passen will, aber letztlich zu zahm für einen Film wie Machete bleibt. Von Steven Seagal bin ich ehrlich eher enttäuscht, er hinterlässt keinen großen Eindruck und die ironische Prise seiner Rolle stammt allein aus dem Drehbuch. Er selbst steuert als Darsteller nichts weiteres zur Wirkung bei.
Ein letztes besonders Element von Machete ist, wie flapsig, effekthascherisch und aufgetragen er die Immigrationsthematik behandelt, die in den vergangenen Monaten in den USA wieder heiß diskutiert wird. Bemerkenswert ist dies einerseits, weil es wieder als Rückgriff auf B-Movies mit angeblich tiefgehender Botschaft zwischen ihrem Schund zu deuten ist, und andererseits, weil Machete abgedreht war, bevor sein Thema wieder auf der tagesaktuellen Agenda stand. Durch Rodriguez' Timing und Augenzwinkerei bringen die "politischen" Elemente weitere Lacher mit sich und könnten fast als Politsatire durchgehen, wären sie nicht viel deutlicher eine Parodie auf "Politploixtation".
Auf seine Einzelteile reduziert ist Machete wahrlich gelungenes, selbstbewusstes und -ironisches Schund-Männerkino, dem einzig eine größere Note Sexiness abhanden ging. Ich will keinesfalls chauvinistisch klingen, aber für einen Film, der sich als kerniges Männer-Mexploitation-Kino mit dem postmodernen Metatwist verkauft und in Sachen Gewalt, Oneliner und Heroik klotzt statt kleckert, gibt es doch recht wenig nacktes weibliches Fleisch zu sehen.
Nimmt man alles zusammen, begeistert Machete etwas weniger. Er ist ungeheuer unterhaltsam, sofern man bei Gewalt nicht zu zimperlich reagiert und den richtigen Humor hat (was sich leicht testen lässt: Wer beim Fake-Trailer nicht lacht, lacht auch hier nicht), und gut inszeniert. Für sein Genre sogar herausragend. Aber mir fehlte noch ein Schuss mehr Selbstironie oder Genredekonstruktion. Machete muss nicht gleich dermaßen um sich schlagen wie Planet Terror, aber zwischendurch hält er doch zu sehr an (minimal aufgedrehten) Konventionen fest, statt sie (liebevoll) zum Bersten zu bringen. Andere Zuschauer hingegen würden ihn wohl etwas dreckiger sehen wollen, andere könnten auf die (Spannung ins Spiel bringende) Story verzichten um das Tempo weiter aufzudrehen und die Actionkonzentration zu erhöhen.
Für Fans von Robert oder Michelle Rodriguez, Exploitation, Danny Trejo, Grindhouse, Macheten oder machomäßigen Männerrachefilmen ist Machete ein klarer Kinotipp. Große Gruppe, Nachos mit Käse und/oder Salsa, dazu ein Tequillabier(-Sixpack) und abgelacht. Wer Grindhouse allein aufgrund seiner Metaebene mochte, der sollte sich Machete nur an einem richtig guten Tag in der richtigen Stimmung mit den richtigen Leuten ansehen. Und Moralapostel... äh, wieso denkt ihr überhaupt über einen Kinogang nach?
Empfehlenswerte Filmkritiken:
Wenn sich Tarantinos texanischer Kumpel Robert Rodriguez dem ethnisch eingefärbten Exploitationkino widmet, sieht das Produkt vollkommen anders aus. Statt eines Rachefilms für Afro-Amerikaner dreht er (wen überrascht's?) einen an der US-mexikanischen Grenze spielenden Actioner. Und wo Quentin Tarantino den Schundfilm durch smarte Dialoge, markanter Ästhetik und verwobene Erzähldramaturgie ins Kunstkino hievt, nimmt sich Rodriguez das neu geschaffene Genre des Mexploitation-Movies und dreht sämtliche Mäkel, Geschmacklosigkeiten und politische Inkorrektheiten um zehn Stufen höher. Rodriguez kleckert nicht, er klotzt. Schließlich ist sein Machete die Verwirklichung eines Fake-Trailers aus Grindhouse - da geht es nicht um Niveau und Anspruch, sondern um die unheilige Dreifaltigkeit des Parodierens, Glorifizierens und Imitierens von bluttriefenden C-Filmen.
Dadurch zeigt Machete, wie unterschiedlich Rodriguez und Tarantino ticken. Das ist aber vollkommen nebensächlich. Stattdessen heißt es Hirn aus, zurückgelehnt, Nachos gemampft und derbe über sinnbefreite Gewalt gelacht. Die sich ihrer Herkunft als Schundfilm gewiss ist und deswegen mit selbstironischer Übertreibung glänzt. Denn Rodriguez ist nicht irgendein Gewaltregisseur, er ist ein Künstler des Kunstlosen. Auch wenn Machete das nicht ganz so sehr rauskehrt wie sein indirekter Vorgänger Planet Terror.
Die Handlung von Machete ist, genregemäß, schnell erzählt. Machete (Danny Trejo) ist ein Ex-Bundesagent und illegaler Einwanderer, der von einem sinistren Kerl mit zurückgegeltem Haar (Jeff Fahey) angeheuert wird, den für eine radikale Anti-Einwanderungspolitik stehenden texanischen Senator (Robert DeNiro) umzulegen. Dies stellt sich als Spiel mit doppeltem Boden heraus: Machete wird hintergangen und bekommt ein Beinaheattentat am Senator angekreidet. Also nimmt er sich vor, die bis zum Drogenboss Torrez (Steven Seagal) und dem Ultrakonservativen Von Jackson (Don Johnson) reichende Verschwörung aufzudecken und an seinen hinterlistigen Auftraggebern Rache zu nehmen. Während dieses vom örtlichen Pfarrer (Cheech Marin) unterstützten Feldzugs gerät er an eine Agentin der Einwanderungsbehörde (Jessica Alba), die burschikose Taco-Verkäuferin Luz (Michelle Rodriguez) und Drogenkind April (Lindsay Lohan). Lasst die Fetzen fliegen und die trockenen Sprüche kommen!
Einen Preis für die Story wird Machete wohl kaum gewinnen - aber das hat Rodriguez auch nicht vor. Sein Mexploitation-Streifen hakt viel lieber voller Genuss sämtliche Gemeinplätze des Rachegenres ab, lässt einen dabei jedoch stets spüren, dass es nicht ernst gemeint ist. Mal lauert die Selbstironie versteckt im Detail und lässt sich schwer genau benennen, andere Male holt Rodriguez hämisch den Hammer raus und lässt dumme Nebencharaktere ihre genrebedingte Blindheit gegenüber C-Actionfilmklischees launisch kommentieren. Meistens aber bedient er sich dem klassischsten aller parodistischen Stilmittel: Der (in diesem Fall gut getimten) Übertreibung. Machete ist der trockenste aller kernigen Rachehelden und da er der Held ist, sind die Waffen seiner Wahl (vorzugsweise die Machete) selbstverständlich die mächtigsten im gesamten Filminventar. Wie ein Onlinespiel auf der Film-Website auf herrliche Weise vorführt: Während andere scherzen "Blöd, wer mit einem Messer zur Schießerei kommt", gilt bei Machete die Maxime "Ohne Hand lässt sich der Abzug schlecht drücken, nicht wahr?"
Wenn Machete seine Vorbilder gerade Mal nicht parodiert oder auf extremere Weise imitiert, dann bedient sich die Ein-Mann-Filmcrew Robert Rodriguez tatsächlich einiger Seiten des Tarantino-Lehrbuchs und hebt den Exploitationfilm auf ein kunstvolleres Level. In Machete beschränkt sich Rodriguez' Elevation des Schundkinos auf eine markantere, durchdachtere audiovisuelle Ästhetik, während etwa sein From Dusk Till Dawn oder Tarantinos Regiearbeiten dem Schundkino mehr Flair und Kunstniveau verleihen. Aber es genügt längst, um mir Machete viel schmackhafter als den archetypischen Van-Damme- oder Bronson-Film zu machen.
Die für mich herausstechendste Szene ist Rodriguez' sinnästhetisch skizzierte Schießerei in der Kirche, die mit Ave Maria unterlegt nicht bloß zum Bersten ironisch ist, sondern im Gegensatz zu den oft eher komischen, manchmal auch leicht ekligen Metzeleien im Gros der Machete-Actionszenen die Poetik in der Zerstörung findet. Sie stellt sich als Moment der Legendenbildung dar - und trifft somit (obwohl die Titelfigur gerade nicht zu gegen ist) das heimliche Kernthema des Films.
Im Mittelpunkt steht klar Machete, der Mann, der mehr Legende als ein Mann ist. Ihm gelingt während seines Rachefeldzuges alles, und das auf denkwürdige Weise. Entweder besonders blutig oder überraschend locker. Doch wie es sich für eine Legende gehört: Eine große Niederlage musste er mitnehmen. Diese wird im Intro des Films gezeigt - die ultrakondensierte Form eines weiteren Rachefilms, dem lediglich das Finale fehlt in dem Machete zur Legende aufsteigt. Nach dem Vorspann erleben wir gewissermaßen die Fortsezung dieses ersten Films. Der Vorspann schreckt übrigens (in bester Grindhouse-Manier) nicht vor Spoilern zurück. Betrachtet man Machete klassisch. Doch er besitzt ja diese zweite Ebene, auf der die Spoiler dazugehören. Da sie zum Exploitationflair dazugehören. Und sie uns in die Legendenhaftigkeit der Figuren einführt. Figuren, die erst später im Film von der flachen Actionfilm-Person zur stilisierten Exploitation-Übermenschfigur aufsteigen (oder diese versteckte Seite wieder ans Tageslicht bringen), sind uns so duchweg als solche Figuren bewusst. Dass einige von ihnen aber erst spät im Film dieses Gesicht zeigen, kann beim für solche Spielereien mit der Erwartungshaltung unempfindliche oder schlicht unvorbereitete Zuschauer frustrierend wirken. Der (nun nicht mehr ganz so) Fake-Trailer lässt ein gewaltiges Nonstopfeuerwerk erwarten. Stattdessen ist Machete, wenn auch frei von Durchhängern, nicht in vollstem Planet Terror-Berserker-Modus. Die im Vorspann als Mega-Badass-Motherfucker-Revoluzzer-Braut vorgestellte Michelle Rodriguez hält erstmal bloß rotzige Reden, schwingt Eier durch die Gegend und verkauft Tacos. Und Rodriguez (die mir in Machete erst zum zweiten Mal sympatisch ist) ist von den zahlreichen Nebendarstellern rund um Machete in ihrem Auftritt noch die Grindhouse-igste. Dicht gefolgt wird sie von Cheech Marin und Tom Savini, die ihre üblichen Rodriguez-Paraderollen mit jede Menge Witz (und zu wenig Screentime) rüberbringen. Daraufhin sind Jeff Fahey als Überoberduperschmierlappen und DeNiro als
Ein letztes besonders Element von Machete ist, wie flapsig, effekthascherisch und aufgetragen er die Immigrationsthematik behandelt, die in den vergangenen Monaten in den USA wieder heiß diskutiert wird. Bemerkenswert ist dies einerseits, weil es wieder als Rückgriff auf B-Movies mit angeblich tiefgehender Botschaft zwischen ihrem Schund zu deuten ist, und andererseits, weil Machete abgedreht war, bevor sein Thema wieder auf der tagesaktuellen Agenda stand. Durch Rodriguez' Timing und Augenzwinkerei bringen die "politischen" Elemente weitere Lacher mit sich und könnten fast als Politsatire durchgehen, wären sie nicht viel deutlicher eine Parodie auf "Politploixtation".
Auf seine Einzelteile reduziert ist Machete wahrlich gelungenes, selbstbewusstes und -ironisches Schund-Männerkino, dem einzig eine größere Note Sexiness abhanden ging. Ich will keinesfalls chauvinistisch klingen, aber für einen Film, der sich als kerniges Männer-Mexploitation-Kino mit dem postmodernen Metatwist verkauft und in Sachen Gewalt, Oneliner und Heroik klotzt statt kleckert, gibt es doch recht wenig nacktes weibliches Fleisch zu sehen.
Nimmt man alles zusammen, begeistert Machete etwas weniger. Er ist ungeheuer unterhaltsam, sofern man bei Gewalt nicht zu zimperlich reagiert und den richtigen Humor hat (was sich leicht testen lässt: Wer beim Fake-Trailer nicht lacht, lacht auch hier nicht), und gut inszeniert. Für sein Genre sogar herausragend. Aber mir fehlte noch ein Schuss mehr Selbstironie oder Genredekonstruktion. Machete muss nicht gleich dermaßen um sich schlagen wie Planet Terror, aber zwischendurch hält er doch zu sehr an (minimal aufgedrehten) Konventionen fest, statt sie (liebevoll) zum Bersten zu bringen. Andere Zuschauer hingegen würden ihn wohl etwas dreckiger sehen wollen, andere könnten auf die (Spannung ins Spiel bringende) Story verzichten um das Tempo weiter aufzudrehen und die Actionkonzentration zu erhöhen.
Für Fans von Robert oder Michelle Rodriguez, Exploitation, Danny Trejo, Grindhouse, Macheten oder machomäßigen Männerrachefilmen ist Machete ein klarer Kinotipp. Große Gruppe, Nachos mit Käse und/oder Salsa, dazu ein Tequillabier(-Sixpack) und abgelacht. Wer Grindhouse allein aufgrund seiner Metaebene mochte, der sollte sich Machete nur an einem richtig guten Tag in der richtigen Stimmung mit den richtigen Leuten ansehen. Und Moralapostel... äh, wieso denkt ihr überhaupt über einen Kinogang nach?
Empfehlenswerte Filmkritiken:
Labels:
Grindhouse,
Kino,
Rezension,
Robert Rodriguez
Dienstag, 5. Oktober 2010
"Machete" rächt sich ungeschnitten
Welche Freude, welche Wonne: Nach dem R-Rated-Trailer hat wohl kaum wer damit gerechnet, aber Sony hat Machete tatsächlich ungeschnitten durch die FSK-Prüfung gekriegt!
Wie Schnittberichte vergangene Nacht meldete, wird Robert Rodriguez' Actionthriller auf Basis eines Faketrailers aus Grindhouse am 4. November ungeschnitten in den deutschen Kinos laufen. Statt der von manchen bereits prophezeiten Indizierung reichte es für die Kinoauswertung mit der höchsten FSK-Freigabe. Ob Rodriguez' angekündigte alternative DVD-Fassung ebenfalls problemlos nach Deutschland kommt steht aber noch in den Sternen. Aber so lange der Film so wie geplant im Kino läuft, ist ja vorerst alles in Ordnung.
Wie Schnittberichte vergangene Nacht meldete, wird Robert Rodriguez' Actionthriller auf Basis eines Faketrailers aus Grindhouse am 4. November ungeschnitten in den deutschen Kinos laufen. Statt der von manchen bereits prophezeiten Indizierung reichte es für die Kinoauswertung mit der höchsten FSK-Freigabe. Ob Rodriguez' angekündigte alternative DVD-Fassung ebenfalls problemlos nach Deutschland kommt steht aber noch in den Sternen. Aber so lange der Film so wie geplant im Kino läuft, ist ja vorerst alles in Ordnung.
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Dienstag, 28. September 2010
Sally Menke, Cutterin von Quentin Tarantinos Lebenswerk, ist verstorben
Denkt man an Quentin Tarantinos Filmästhtetik, so denkt man unbewusst an die Schnittarbeit von Sally Menke. Die zweifach für den Oscar nominierte Cutterin arbeitete an sämtlichen Filmen des Kultregisseurs und prägte maßgeblich den Stil seiner Filme. Freunde Menkes meldeten sie gestern Morgen vermisst und sie wurde heute früh tot in Beachwood Canyon, Los Angeles aufgefunden. Berichten der LA Times zu Folge ging sie am Montag mit einem Freund und ihrem Labrador wandern. Als ihr Bekannter, vermutlich aufgrund der derzeitig in Los Angeles grasierenden Hitze, den Heimweg antrat, führte Menke zusammen mit ihrem Hund die Wanderschaft fort. Obwohl von der Polizei momentan keine expliziten Aussagen getätigt werden, geht man davon aus, dass Menke einem Hitzschlag erlegen ist.
Sally Menke wurde am 17. Dezember 1953 in Mineola, New York geboren und nahm am NYU Film Program der Tisch School of the Arts teil, bevor sie 1990 mit Teenage Mutant Ninja Turtles ihren Einstand in Hollywood feierte. Bekanntheit und großen Respekt in der Filmbranche erlangte Menke allerdings durch ihre langjährige kreative Partnerschaft mit Quentin Tarantino, für deren Pflege sie zahlreiche Angebote anderer Regisseure ablehnte. Menke formte gemeinsam mit ihm die Bildsprache seiner Regiearbeiten und galt aufgrund ihrer intensiven Zusammenarbeit alsbald als seine heimliche Ko-Autorin. Sally Menke wurde durch ihr Schaffen mit Tarantino unter anderem auch als Verfechterin des gewissenhaft eingesetzten Regelbruchs in der klassischen Schnittarbeit bekannt. Für Menke galt, dass man, sofern man über intensive Kenntnisse der grundlegenden Gesetze der Filmgrammatik verfügt, durch bedachtvollen Bruch eben dieser Gesetze eine intensivere Wirkung erzielen kann. Menke und Tarantino verwendeten unter anderem bewusste Achsensprünge in ihren Filmen und der zum Grindhouse-Projekt gehörende Film Death Proof kokettierte mit dem stümperhaften Charme der Exploitation-Filme aus den 70er Jahren. Für ihr präzises, das Filmerlebnis intensivierende Timing in Pulp Fiction und Inglourious Basterds erhielt Menke jeweils eine Oscar-Nominierung. Letztes Jahr erhielt Menke bei den Hamilton Behind The Camera Awards eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk.
Zu Tarantinos letzten beiden Filmen wurden "Hi Sally"-Rollen veröffentlicht, Montagen aus witzigen, am Set gedrehten Grußworten, die der Cutterin Sally Menke die Arbeit versüßen sollten:
Sally Menke ist eine im Hintergrund agierende Künstlerin, deren verfrühter Tod definitiv seine Spuren hinterlassen wird. Ihre Arbeit an Tarantinos Filmen war ein elementarer Teil, der zur Verständlichkeit seiner unkonventionellen, zuweilen nonlinearen Erzählstrukturen beitrug und die dabei half, den stilisierten Rhythmus von Tarantinos Dialogsequenzen zu verstärken, sie vom endlosen Textschwall in Kultmaterial zu verwandeln. Es wird schwer, die nun enstandene Lücke zu füllen.
Sämtliches Beileid geht an ihre Verwandten und Anvertrauten. (1953-12-17)
Sally Menke wurde am 17. Dezember 1953 in Mineola, New York geboren und nahm am NYU Film Program der Tisch School of the Arts teil, bevor sie 1990 mit Teenage Mutant Ninja Turtles ihren Einstand in Hollywood feierte. Bekanntheit und großen Respekt in der Filmbranche erlangte Menke allerdings durch ihre langjährige kreative Partnerschaft mit Quentin Tarantino, für deren Pflege sie zahlreiche Angebote anderer Regisseure ablehnte. Menke formte gemeinsam mit ihm die Bildsprache seiner Regiearbeiten und galt aufgrund ihrer intensiven Zusammenarbeit alsbald als seine heimliche Ko-Autorin. Sally Menke wurde durch ihr Schaffen mit Tarantino unter anderem auch als Verfechterin des gewissenhaft eingesetzten Regelbruchs in der klassischen Schnittarbeit bekannt. Für Menke galt, dass man, sofern man über intensive Kenntnisse der grundlegenden Gesetze der Filmgrammatik verfügt, durch bedachtvollen Bruch eben dieser Gesetze eine intensivere Wirkung erzielen kann. Menke und Tarantino verwendeten unter anderem bewusste Achsensprünge in ihren Filmen und der zum Grindhouse-Projekt gehörende Film Death Proof kokettierte mit dem stümperhaften Charme der Exploitation-Filme aus den 70er Jahren. Für ihr präzises, das Filmerlebnis intensivierende Timing in Pulp Fiction und Inglourious Basterds erhielt Menke jeweils eine Oscar-Nominierung. Letztes Jahr erhielt Menke bei den Hamilton Behind The Camera Awards eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk.
Zu Tarantinos letzten beiden Filmen wurden "Hi Sally"-Rollen veröffentlicht, Montagen aus witzigen, am Set gedrehten Grußworten, die der Cutterin Sally Menke die Arbeit versüßen sollten:
Sally Menke ist eine im Hintergrund agierende Künstlerin, deren verfrühter Tod definitiv seine Spuren hinterlassen wird. Ihre Arbeit an Tarantinos Filmen war ein elementarer Teil, der zur Verständlichkeit seiner unkonventionellen, zuweilen nonlinearen Erzählstrukturen beitrug und die dabei half, den stilisierten Rhythmus von Tarantinos Dialogsequenzen zu verstärken, sie vom endlosen Textschwall in Kultmaterial zu verwandeln. Es wird schwer, die nun enstandene Lücke zu füllen.
Sämtliches Beileid geht an ihre Verwandten und Anvertrauten. (1953-12-17)
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