Dienstag, 31. Mai 2016

X-Men: Apocalypse


Lang habe ich gehadert, ob ich eine Kritik zu X-Men: Apocalypse verfassen sollte. Schließlich habe ich genug mit aktuellen Reviews zu Filmen zu tun, die ich in Pressevorführungen sah. Allerdings hallt mein Gefühl, das ich während meiner rein privaten Sichtung des neuen Bryan-Singer-Films hatte, so lange nach, dass ich ihm Luft machen muss. Denn in meinen Augen hat Singer es tatsächlich geschafft, seinen "Nachfolger" Brett Rattner zu toppen und den schlechtesten Film in der nunmehr sechsteiligen X-Men-Hauptsaga abzuliefern: X-Men: Apocalypse hat ungefähr so viele Qualitäten wie X-Men: Der letzte Widerstand (nämlich nahezu gar keine), teilt sich mit ihm viele, viele Schattenseiten, ist aber obendrein auch noch deutlich länger, ohne diese zusätzlichen Minuten Laufzeit rechtfertigen zu können ...

Die Story
Wir befinden uns im Jahr 1983 in der durch die Geschehnisse aus X-Men: Zukunft ist Vergangenheit losgetretenen Zeitlinie: Apocalypse (Oscar Isaac), möglicherweise der erste Mutant der Geschichte, erwacht nach Jahrtausenden des Schlummers und beschließt, die Welt zu zerstören. Dies, wie es sich für ihn geziemt, in Begleitung von vier Gefolgsleuten. Als seine vier Reiter erwählt er Storm (Alexandra Shipp), Psylocke (Olivia Munn), Magneto (Michael Fassbender) und Angel (Ben Hardy), zudem entführt er Charles Xavier (James McAvoy). Um den Weltuntergang abzuwenden, raufen sich daher zahlreiche junge Mutantenschüler Xaviers zusammen, darunter die ihre Kräfte noch nicht kennende Jean Grey (Sophie Turner), der erst seit wenigen Tagen seinen explosiven Laserblick verstehende Cyclops (Tye Sheridan) und der erst kürzlich von Mystique (Jennifer Lawrence) aus einem ostdeutschen Mutanten-Kampfklub befreite Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee). Auch Magnetos unehelicher Sohn Quicksilver (Evan Peters) schließt sich der Truppe an, um endlich eine Bindung zu ihm aufzubauen ...

"Na gut, wenn es denn sein muss ..."
Nach Erste Entscheidung und Zukunft ist Vergangenheit, in denen die meisten der Darsteller schauspielerische Leistungen weit über dem von Superheldenfilmen gewohnten Maß von sich gegeben haben, ist Apocalypse eine knallharte Klatsche: Ein Großteil der Wiederkehrer aus der "Retcon-Trilogie" spult in diesem Mutantenepos seine Zeilen lustlos runter. Vor allem Jennifer Lawrence erweckt mit einem dauerdemotivierten Blick den Eindruck, lieber irgendwo anders zu sein, als am X-Men-Set - da Mystique in Apocalypse angeblich eine getriebene, frustrierte Ikone ist, die vor den Mutantenjägern flieht, ist das nicht gerade eine der Spannung sowie der Glaubwürdigkeit förderliche Performance. Doch auch Nicholas Hoult und Lucas Till schauen desinteressiert aus der Wäsche, während James McAvoy Xavier zwar wenigstens Persönlichkeit verleiht, allerdings ebenfalls eher auf Autopilot agiert und schlicht in geschätzt 80 Prozent seiner Szenen mit traurigem Hundeblick die Verletzlichkeit seiner Rolle herauskehrt. Weitere Facetten Xaviers bringt McAvoy nur andeutungsweise zum Vorschein, selbst dann, wenn das so flache Skript ausnahmsweise Gelegenheit dazu gibt.

Einzig Fassbender gibt sich aus der Riege der Erste Entscheidung-Generation sichtlich Mühe, selbst wenn er ebenfalls mit teils nichtssagendem Material zu kämpfen hat (sobald Magneto von Apocalypse rekrutiert wird, blickt er praktisch ohne Unterlass "seelenlos, aber entschlossen" gen Horizont). Da Magneto aber (einmal mehr) mit seiner tragischen Kindheit konfrontiert wird und (schon wieder) vorgeführt wird, dass das Schicksal liebend gern Jojo mit ihm spielt, kann Fassbender zumindest in diesen Passagen in die Tiefe gehen und eine von Grund auf erschütterte Persönlichkeit formen.

Ein Schurke ohne Sinn und Verstand
Eine Superheldengeschichte ist nur so gut wie ihr Schurke - diese Binsenweisheit erwies sich spätestens mit dem Aufstieg des Marvel Cinematic Universe als veraltet. Schließlich scheitern die Marvel Studios wiederholt daran, einen denkwürdigen Fiesling zu erschaffen, und trotzdem wissen Filme wie Guardians of the Galaxy zu begeistern, während Thor mit Loki einen hoch angesehenen Schurken aufweist, aber nur eine mäßige Produktion darstellt. Dennoch kann es zweifelsfrei nicht schaden, einen guten Fiesling zu präsentieren, insbesondere, wenn er die Titelfigur darstellt und das extralange, extramonotone Finale dominiert. Aber leider ist Apocalypse eine ungeheuerlich lahme Figur: Oscar Isaac verschwindet unter Tonnen an inkonsistentem Make-up und hat als einzigen Charakterzug ... tja ... Es ist schwer, auch nur einen Aspekt von Apocalypses Persönlichkeit festzuhalten. Er will die Welt zerstören, und hat dazu noch weniger Motivation als die Dunkelelfen aus Thor: The Dark Kingdom. Seine Fähigkeiten sind obendrein schwammig definiert, so dass der abschließende Endkampf daraus besteht, dass die Helden so lange auf ihn eindreschen, bis nicht nur ich als Zuschauer sämtlichen Sinn aus meinem Leib geschlagen bekommen habe. Die zwei Neuen unter seinen Gefolgsleuten sind kaum besser: Während Magneto und Angel von Apocalypse stabile Ausrüstungen erhalten, laufen Storm und insbesondere Psylocke wie Dead or Alive Xtreme Beach Volleyball-Flittchen herum und dürfen entweder überheblich-genervt (Storm) oder aufgegeilt-genervt (Psylocke) aus der knapp bemessenen Wäsche schauen. In Kombination mit den teils halbgaren Computereffekten führt dies dazu, dass die sich um Apocalypse drehenden, actionreichen Momente dieses Films klar die schwächsten sind, während sich die "Xavier findet neue Schüler und Magneto ein neues Leben"-Passagen wenigstens erdulden lassen.

Rare Beinahe-Lichtblicke
Wie schon in Zukunft ist Vergangenheit dreht sich eine er einfallsreicheren Actionszenen um Evan Peters alias Quicksilver. Aber im Gegensatz zur von vorne bis hinten durchdachten Sequenz im Vorgänger hat Quicksilvers zweiter großer Moment eine gigantische, nicht aber ironisch aufgezogene Ton-Bild-Schere: Die albern-verspielte Rettungsaktion, die Quicksilver in Apocalypse durchzieht, wird durch das atmosphärisch-dunkle Sweet Dreams untermalt - eine lahme Wahl. Ein weiterer Beinahe-Lichtblick ist Erste Entscheidung-Veteranin Rose Byrne, die mit Engagement, Charme und Freude im ersten Akt die Exposition liefert ... und daraufhin durch den restlichen Film mitgeschleppt wird, ohne irgendetwas zu tun zu haben. Und auch wenn Sheridan, Taylor und Smit-McPhee angesichts des dünnen, mit Plattitüden gespickten Drehbuchs ihren Rollen kaum Individualität verleihen können, so machen sie einen interessierten Eindruck und scheinen ihre Mutantenfiguren auszufüllen. Einer Fortsetzung mit ihnen sehe ich tatsächlich vorsichtig, aber neugierig entgegen.

Fazit: X-Men: Apocalypse ist ein langweiliger, lauter, runtergeleierter Superheldenactioner, der größer und länger ist, als es das maue Skript rechtfertigt.

Donnerstag, 26. Mai 2016

Meine Top 5 der Videospielfilme

Videospielverfilmungen sind wieder in aller Munde. Oder zumindest innerhalb der Filmfancommunity wieder ein heißes Gesprächsthema: Aktuell kämpft Warcraft: The Beginning darum, ein großes Publikum in die Säle zu locken und so das Stigma floppender Videospieladaptionen in alle Winde zu zerstreuen. Zudem ging erst kürzlich der Trailer zu Assasin's Creed online, der (trotz diskutabler Musikuntermalung) durchaus Hoffnungen auf eine ansprechende Action-Agenteuergeschichte mit guten Darstellern macht. Und dann ist da ja noch Angry Birds - Der Film, der zwar nicht den gewaltigen finanziellen Überknaller darstellt, den sich Sony einst bei der Ankündigung gewiss ausgemalt hat, der aber sehr wohl beachtliche Zahlen schreibt.

Grund genug, mir eine ruhige Minute zu nehmen und aus der großen Auswahl an Videospielverfilmungen meine fünf Favoriten zu küren. Dabei habe ich mir als Regel gesetzt, pro Franchise nur einen Film auszuwählen. Und Filme über Videospiele gelten nicht, also leider kein Tron oder Tron: Legacy in denen neue Spiele erschaffen, statt bereits erschienene adaptiert werden. Es müssen schon real existierende Videospiele zu cineastischem Leben erweckt werden. Nun dann ... los geht's!

Platz 5: Angry Birds - Der Film (Regie: Clay Kaytis & Fergal Reilly)

Die Verfilmung der Spiele-App Angry Birds ist schwach. Sie hat so ihre ulkigen Momente, insbesondere in der dank Christoph Maria Herbst mit trockenem Sarkasmus aufwartenden deutschen Synchronfassung. Dennoch gibt es viel Leerlauf zu erdulden, während das Chaosfinale irgendwann seinen Reiz zu sehr in die Länge zieht und der Mittelteil dann und wann seine innere Logik auf Standby schaltet. Dennoch: Die Animation ist solide und manch absurder Gag trifft. Angesichts der bislang noch sehr wackligen Lage, in der sich Videospieladaptionen befinden, reicht das für Rang fünf.

Platz 4: Resident Evil: Retribution (Regie: Paul W.S. Anderson)

Ich sehe vor meinem inneren Auge schon die fauligen Tomaten, die ihr gerade gen Monitor, Tablet oder Smartphone schmeißt. Und während ich mich wundere, wo ihr die so plötzlich her habt, zucke ich mit den Schultern und sage: Anderson mag (von Film zu Film immer mehr) die Vorlage mit Füßen treten. Doch seine stylischen, mit toll choreografierten Kämpfen und (später) mit tollem 3D aufwartenden, kleinen, bescheuerten Zombie-Actioner sind nicht nur total Banane, sondern zumeist auch sehr unterhaltsam. Und somit haben sie dem Großteil der bisherigen Videospielverfilmungen einen bis drei Schritte voraus. Der bislang jüngste und (voraussichtlich/angeblich) vorletzte Teil der Reihe gefällt mir am meisten: Er wirft die Alibihandlung über Bord und konzentriert sich allein auf Look, Sound und Action. Darüber hinaus mag er eine dürftige Umsetzung des Resident Evil-Spielemythos sein, als Videospielfilm trumpft er dennoch auf, denn mit seinen Settingsprüngen imitiert Resident Evil: Retribution wunderbar die Level-Logik vieler Games. Hier ist das Lava-Level. Das Großstadt-Level. Das Vorstadt-Level. Das kühle Sci-Fi-Basis-Level. Das Finale!

Platz 3: Need for Speed (Regie: Scott Waugh)

Nach dem großen Qualitätssprung zwischen Platz fünf und Platz vier folgt hier ein noch deutlicher Hopser: Scott Waughs benzingetränkte Blechschadensause Need for Speed mag an den Kinokassen untergegangen sein und wurde zudem von Kritikern verlacht. Aber ihr habt doch alle keine Ahnung! Der auf haptische, turbulente Autostunts setzende Regisseur nimmt die "Glaubwürdiger als Mario Kart, aber mit nachgiebigerer Physik als Gran Turismo"-Logik des Arcade-Style-Rennfranchises und zelebriert eine altmodische, manchmal pathetische, zumeist aber extrem launige Autorennaction, die zumindest in meinen Augen die gesamte Fast & Furious-Saga Staub schlucken lässt. Darauf erstmal ein Bier, und zwar ein gutes!

Platz 2: Prince of Persia: Der Sand der Zeit (Regie: Mike Newell)

Verdammt noch eins, was habe ich diesen Film lieb! Gewiss, dieser klar unter den Erwartungen laufende, nie die geplante Fortsetzung erhaltende Jerry-Bruckheimer-Abenteuerspaß könnte zwischendurch einen Hauch zügiger voranschreiten und das Finale verlässt sich etwas zu stark auf reines Effektgewitter. Aber mit einem charismatischen, augenzwinkernden Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle, einer kessen Gemma Arterton in der weiblichen Hauptrolle und einem immens amüsanten Alfred Molina als Tagelöhner mit gutem Herzen sowie mit tollen Kampfsequenzen rund um Steve Toussaint hat diese Kreuzung aus Abenteuerromantik-Nostalgie und modernem, ironisch gewürztem Blockbuster-Pomp allerhand zu bieten. Eine tolle Kameraarbeit, ein schwelgerischer Score und kecker Dialogwitz sind ebenfalls Teil dieses unterschätzten Gesamtpakets. Aber nein, die Welt wollte den Film ja unbedingt ignorieren, also gibt es halt kein Sequel. Tzzz ...

Platz 1: Ralph reicht's (Regie: Rich Moore)

"Du mogelst!", wird nun sicher mancher von euch in den Raum brüllen. Aber was kann ich dafür, wenn der beste Film, in dem Videospielschöpfungen zu den handelnden Figuren gehören, ein Disney-Animationsmeisterwerk ist, in dem die zentralen Rollen an neu geschaffene Persönlichkeiten gingen? Ralph reicht's ist eine wunderschöne Geschichte darüber, wie sehr unsere Tätigkeit unsere Position in der Gesellschaft und unser Selbstwertgefühl beeinflussen kann, und obendrein eine äußerst spaßige Buddy-Komödie, in der halt auch diverse Videospiel-Kultfiguren zu sehen sind. Schade, dass Ralph reicht's (gefühlt) nur eine kleine Disney-Fandom-Halbwertszeit hatte. Aber vielleicht wird der solide Hit irgendwann wiederentdeckt und bleibt dann länger im gemeinschaftlichen Gedächtnis haften?