Samstag, 31. Dezember 2016

Meine Filmhits 2016


Es ist Silvester. Traditionell der Tag, an dem ich hier im Blick die Filmbrille abnehme und auf meine liebsten Songs des Jahres zurückblicke. Ein Relikt aus Tagen, als dieser Blog ein wildes, ungeordnetes, persönliches Gedankensammelsurium war. Und aus Tagen, als ich mich noch nicht völlig aus der tagesaktuellen Musikwelt verabschiedet habe. Die letzten Jahre wurde es für mich zunehmend schwerer, abseits von Eurovision Song Contest-Nummern noch Favoriten für diese Liste zu finden, in der ich gemeinhin Filmsongs nicht zulassen wollte. Dieses Jahr habe ich es dann völlig aufgegeben: Natürlich gab es dieses Jahr neue Lieder, die mir gefallen haben. Doch zwei, drei Metal-Alben und etwas ESC mixen und in eine gezwungene Hitliste zu quetschen, wo ich doch zehn Minuten später die Rangfolge ganz anders formen würde, schien mir unergiebig.

Aber Musik gehört einfach zum Jahresausklang dazu - respektive eine Musikhitliste. Also nähere ich mich nun den Kernkompetenzen, die hier auf der Webseite hervorblitzen. Und schaue auf das filmmusikalische Jahr 2016. Genauer gesagt: Auf meine liebsten Originalsongs aus Filmen, die 2016 ihre deutsche Premiere hatten. Und um es etwas spannender zu machen (sowie mir Material für künftige Disney-Hitlisten offen zu halten) lege ich mir hier noch eine Regel auf: Pro Film ist nur ein Lied genehmigt. Gemein, ich weiß. Aber es erspart euch viel Leserei, denn ich fand 2016 in Sachen Originalmusik echt stark - so kommt ihr hier nur mit zehn Songs davon, die ich unbedingt nennen muss, weil ich meinen Silvesterjahresrückblick sonst als inkomplett empfinden würde!


Platz 10: Waving Goodbye (The Neon Demon)
Nach einer von eiskalter, harter, stylischer Elektromusik untermalten, gefühlskalten und finsteren Tour durch die Modelwelt rund um Los Angeles kommt Sias ruhig, mit dezent-warmem Timbre gesungenes Abspannlied in The Neon Demon einer Wohltat gleich. Ein freundliches Lied mit angenehmer Melodie und einem etwas abweisenden Beiklang, das erst recht durch seine Platzierung im Film doppelbödig wirkt.


Platz 9: Get Ghost (Ghostbusters)
Wie hält man sein Publikum auch während des Abspanns in den Kinosesseln? Erstens: Durch lustige Szenen. Zweitens: Durch einen kunterbunten, sich bewegenden Abspann, durch den Chris Hemsworth in enger Jeans und engem Shirt tanzt. Drittens: All dies, während ein munterer, schwungvoller Elektrofunkdancesong läuft, der den Ghostbusters-Song sampelt. Das macht Laune!



Platz 8:
Can't Stop The Feeling (Trolls)
Jeffrey Katzenbergs Abschiedsfilm aus den DreamWorks-Trickstudios ist zwar eine optisch starke, zuckersüße, seelenlose Geduldsprobe, die obendrein unfähig ist, Justin Timberlakes für ihn geschriebenen Hitsong so einzusetzen, dass er im Kontext nochmal zusätzlich an Feuer gewinnt. Aber Timberlake ist einfach ein Mordsentertainer, der mit seinen Nummern für Stimmung sorgt. Dieser Song ist zwar mehr ein Sammelsurium an Ansätzen aus Gute-Laune-Klassikern, trotzdem (oder gerade deswegen) geht er nicht nur ins Ohr, sondern auch in die Tanzmuskulatur.


Platz 7: The Ballad of Wiener-Dog (Wiener Dog)
Das stärkste Segment im pessimistisch-garstigen Episodenfilm Wiender Dog ist ausgerechnet die (bei einem so kurzen Film bewusst-unnötige) Pause, während der aus den Lautsprechern eine großartige, stilistisch trocken-geradlinige Parodie auf die ganzen, großen, pathetischen, ehrfürchtigen Western-Powerballaden dröhnt. Ja, ja, so ein Dackel ist schon ein episches Tier!


Platz 6: No Dames (Hail, Caesar!)
So hätte Magic Mike XXL wohl in den frühen 50er-Jahren ausgesehen. Und so ähnlich wird wohl das noch titellose, R-rated Channing-Tatum/Joseph-Gordon-Levitt-Musical aussehen: Der wundervolle Coen-Brüder-Film Hail, Caesar! stoppt mal eben für knapp fünf Minuten, um die teils dramatisch-inhaltsarmen, aber ausschweifend-fröhlichen, amüsant choreografierten Musicals des Goldenen Hollywoodzeitalters zu persiflieren. Inklusive dem mal unbewussten, mal extrem bewusst am Zensurkodex vorbeigemogelten homoerotischen Subtext. Und, hey, Channing Tatum singt und tanzt! Und, hey, alter Musicalstyle! Das allein reicht doch schon für einen Topsong!


Platz 5: Montage (Swiss Army Man)
Augenzwinkernde Montagesongs werden allmählich zu einer meiner favorisierten Gattung von Filmsongs, direkt hinter solchen Kloppern wie Disney-Schurkenliedern und Disney-Eröffnungsnummern. Nach Monatge aus Team America: World Police kommt hier ein neuer Topsong, der das durch Schnitte und treibender Musik erzielte Komprimieren der Erzählzeit liebevoll Hopps nimmt. Der Gag wird für mich so schnell einfach nicht alt!


Platz 4: Mädchen gegen Jungs (Bibi & Tina - Mädchen gegen Jungs)
Als ich den ersten Trailer zu Bibi & Tina - Mädchen gegen Jungs gesehen habe, dachte ich entnervt: "Also, von dir, lieber Detlev Buck, hätte ich wahrlich keinen dummen Geschlechterkampffilm erwartet!" Tja. Filmtitel und Trailer werden dem dritten Teil der Bibi & Tina-Reihe einfach nicht gerecht: Buck gießt eben nicht Öl ins Feuer der veralteten Geschlechterrollen. Eigentlich geht es in dem Film um eine Schnitzeljagd bei einem Sommercamp, unsere Titelheldinnen sind sogar in einem gemischtgeschlechtlichen Team. Nichts, was alte, dumme Konzepte verstärken würde. Doch Tina hat gerade Stress mit ihrem Freund, während Bibi in einem vorlauten Mitcamper einen angestrengten Kontrahenten findet. Verquickt mit der sich allmählich stärker bemerkbar machenden Pubertät unserer Protagonisten mündet diese Konfliktsituation schließlich in den obigen Titelsong, in dem sich die zwischenpersönlichen Differenzen aus Unfähigkeit (oder Unwillen?), sie explizit zu benennen, in einen vorgeschobenen Geschlechterkampf. Den betrachten manche der Camper mit frech-amüsiertem Blick, andere nennen ihn total albern - und als genau das erkennen ihn später auch die Titelfiguren. Also gibt's hier kein sozialpolitisches Problem, dafür aber eine mitreißende Melodie und einen flotten Beat.


Platz 3: Finest Girl (Bin Laden Song) (Popstar: Never Stop Never Stopping)
Es ist eine Schande, dass der Film der Comedy-Musikkombo The Lonely Island so dramatisch untergegangen ist. Er erfindet das Mockumentary-Rad zwar nicht ansatzweise neu, trifft aber mit absurden Figuren, herrlich-bescheuerten Dialogen und mehreren Ohrwurm-Hits, die wundervoll-verrückt sind. So wie diese Ballade mit gewaltigem Haken ...


Platz 2: Drive It Like You Stole It (Sing Street)
John Carney, Musikfilmspezialist: Nach Once und Can a Song Save Your Life? liefert der Ire erneut ab. Sing Street ist eine witzige, sich vor sämtlichen Musikströmungen der 80er verneigende Coming-of-Age-Geschichte über einen Bengel, der sich Freunde macht und seine musikalischen Talente entdeckt, um ein Mädel zu beeindrucken. Sing Street hat diverse, mal lustige, mal berührende Songs zu bieten, doch keiner ist so einprägsam und beeindruckend wie dieser vorwärtstreibende, flotte, beschwingte Synthie-Pop mit Mitklatsch- und Mitwippfaktor.


Platz 1: Shiny respektive Glänzend (Vaiana)
Absolute Außenseitermeinung, die ich hier vertrete: Mein liebstes Lied aus dem neuen Disney-Animationsfilmabenteuermusical Vaiana ist der (nahezu) aus dem Nichts kommende, fesch-exzentrische (und im Gegensatz zu den meisten anderen Nummern im Film auf Englisch UND auf Deutsch funktionierende) Fieslingssong Shiny. Disneymusical-Klangästhetik trifft Glamrock trifft Lin-Manuel Miranda. Und einen wunderbar amüsierten Jemaine Clement. Oder eben Tommy Morgenstern in der deutschen Fassung. Ein Lied, das ich dreckig-lächelnd in Dauerschleife abfeiern kann!

In diesem Sinne: Euch allen einen guten Rutsch und ein tolles 2017!

Sonntag, 25. Dezember 2016

Die schlechtesten Filme 2016 (Teil II)

Die Plätze 20 bis 11 haben wir schon hinter uns. Aber es geht noch nerviger, noch frustrierender und/oder noch langweiliger. Auf den nachfolgenden Rängen finden wir aufgeblasene Blockbuster, deren Spannungskurve einer horizontalen Linie gleicht, Dummbeutelhumor und Kunstkino, dem das Kunstvolle abhanden gekommen ist. Und noch vieles mehr. Wie immer gilt: Hier entscheidet vor allem meine ganz persönliche Abneigung gegenüber der Produktion, nicht zwingend die Qualität nach Lehrbuch. Allerdings kann hingeschludertes Handwerk und Abscheu sehr wohl korrelieren ...

Zuvor wollen wir aber kurz durchschnaufen und die unehrenhaften Nennungen abhaken, jene Filme, die mir zwar missfallen haben, die ich aber nicht mies genug finde, um sie hier ausführlich ins Negativrampenlicht zu zerren. So ist die durch eine völlig unnütze und lahm erzählte Lovestory runtergezogene Mechanic: Resurrection nur knapp meinen Flops entkommen, ebenso wie der nach einem schön ausgeleuchteten Einstieg und auf einfallslose Jumpscares verzichtenden Einstieg immer konventioneller, unästhetischer werdende deutsche Horrorfilm Unfriend. Ewan McGregors Regiedebüt Amerikanisches Idyll krankt an einer den Zuschauer für dumm verkaufenden Erzählstimme sowie einem Übermaß an bemüht angepackten Problemthemen, die nirgendwo hinführen. Die RomCom Prof. Love, der Fantasy-Gruselactionspaß Victor Frankenstein und der Horrorfilm The Boy fallen in ihrem dritten Akt völlig auseinander und Sing ist völlig anspruchslos, sieht völlig veraltet aus und hat keinerlei Liebe in seiner Weltgestaltung stecken - ist aber wenigstens zügig erzählt und eine ehrliche Verneigung vor dem Pop, was den Illumination-Unsinn in meiner Gunst über den tönenden Trolls stellt.

Mit Suite Française - Melodie der Liebe startete Anfang des Jahres ein rührselig-schales Stück Oscar-Baiting, in Burg Schreckenstein gab es ein Schaulaufen nervtötender Kinderfilm-Klischeefiguren nach urdeutschem Kinorezept, die Romanadaption Erlösung wäre als ZDF-Fernsehkrimi völlig banaler Durchschnitt und fällt im Kino ob seiner mangelnden Persönlichkeit und des von Zufällen lebenden Endes negativ auf. The Boss ist drei, vier nicht zu Ende gedachte Melissa-McCarthy-Komödien, die mittels Gezeter zu einer zusammengepresst wurden. Und Abattoir, zu guter Letzt, braucht ewig, um Fahrt aufzunehmen und führt aufgrund des völlig austauschbaren, ewig langen Vorlaufs erneut vor, dass Darren Lynn Bousman besser aufgehoben ist, seine durchgeknallten Grusicals zu drehen, statt sich zwischendrin an halbwegs massentauglichem Material zu versuchen.

Uff. So viele misslungene Filme. Und die Flop 10 kommen erst noch. Und zwar genau ... jetzt!


Platz 10: Dirty Grandpa (Regie: Dan Mazer)
Fast alles, was Dan Mazer mit seinem Regiedebüt Das hält kein Jahr ..! richtig gemacht hat, geht hier schief: Der zum Experten für (zumeist sonst gelungene) wilde Komödien herangewachsene High School Musical-Sweetheart Zac Efron spielt hier einen unter dem Pantoffel seiner herrischen Verlobten stehenden Buben, der mit seinem versauten Großvater eine Reise unternimmt. An Stelle der karikaturesk überspitzten, doch glaubwürdigen Figuren aus Mazers Rose-Byrne-Vehikel treten hier unsympathische Pappfiguren. Der gewitzt-freche Dialog von Das hält kein Jahr ..! weicht einem Schnellfeuer an Pipi-Kacka-Sperma-Dialogen ohne jegliches Gefühl für Timing und Eskalation. Laut, derb, und dann noch zwischendrin hilflos dabei bemüht, der Story eine Moral zu verleihen. Lästig – nur Jason Mantzoukas scheint vom Set eines anderen, herrlich-bescheuerten Film in diesen Flop hineingestoplert zu sein.

Platz 9: Warcraft: The Beginning (Regie: Duncan Jones)
Duncan Jones, du stehst auf der Kippe! Moon ist in meinen Augen ein Meisterwerk. Source Code eine gewaltige Enttäuschung, die aus ihrer fesselnden Prämisse und ihrem packenden ersten Akt eine nach und nach konventionellere, laschere, identitätslosere Luftnummer macht. Und Warcraft: The Beginning? Eine tranig erzählte, vor Klischees triefende Fließband-Fantasygeschichte, bevölkert von öden Fantasy-Stereotypen, deren mangelnde Persönlichkeit durch ständige Ultra-Close-ups überdeckt werden soll. Doch das für mich schlimmste an diesem Film? Er hat zahllose Fans der Vorlage gelinkt, die mich wegen meiner schlechten Meinung über diese schleppende, vorhersehbare, Geschichte anmaulen: „Ja, das denkst du nur, weil du kein Warcraft zockst, sonst … würdest du … äh … anerkennen … das … ähm … im Hintergrund total oft Dinge zu sehen sind, die man kennt!“ Ja. Wow. Super. Leute, kapiert ihr das nicht? Ihr habt besseres verdient!
Dem Spiel nachempfundene Requisiten sind Boni. Und kein Ersatz dafür, dass Jones es nicht gelingt, die Faszination Warcraft cineastisch zum Leben zu erwecken. Das hier ist nur Dummbatz-Tolkien auf Steroide. Zum Vergleich: Detlev Buck versteckt in den Bibi & Tina-Filmen auch hunderttausende von Referenzen an die Hörspiele und Trickserie, die nur Fans bemerken – aber er adaptiert auch die Essenz der Vorlage auf Neugier weckende Weise. Wäre Buck wie Jones drauf, würde er einfach 08/15-Pferdefilme hinklatschen!

Platz 8: X-Men: Apocalypse (Regie: Bryan Singer)
In einem Jahr, das dem Superheldenfilm starke Höhepunkte und herbe Tiefpunkte bescherte, ist es ausgerechnet Bryan Singer, der sich die rote Laterne unter den Comicadaptionen erarbeitet hat. Der Regisseur, der mit den ersten beiden X-Men-Filmen daran beteiligt war, Superheldenfilme im Mainstreamkino zu verankern, nimmt alles, was das Zeitreisenactiondrama X-Men: Zukunft ist Vergangenheit jüngst aufgebaut hat – und reißt es mit stümperhafter Inszenierung, antriebslosem Storytelling und einem teils unmotivierten (Jennifer Lawrence, Nicholas Hoult), teils verboten blassen (Lucas Till, Sophie Turner, Tye Sheridan) Cast ein. Langweiliger als in dieser dahinplätschernden Mutantenseifenoper war die Bedrohung des gesamten Globus im Big-Budget-Kino schon lange nicht mehr. Da hilft auch James McAvoys dauerverheulter Blick nicht mehr oder Michael Fassbender in der x-ten Neuauflage des ewiggleichen Magneto-Dilemmas. Gähn!

Platz 7: Die dunkle Seite des Mondes (Regie: Stephan Rick)
Die Adaption des gleichnamigen Romans aus der Feder von Martin Suter ist eine trübe Angelegenheit: Moritz Bleibtreu spielt einen verbissenen Wirtschaftsanwalt, der mal was wildes wagt und bei einer dubiosen Hippie-Kommune mit Pilzen experimentiert. Alsbald wird sein inneres Ungetüm geweckt und er überschreitet eine Grenze nach der anderen. Mit übertriebenem Schauspiel unter den Nebendarstellern, einer Haudrauf-Moral und lustlos vermittelten Twists schafft Die dunkle Seite des Mondes in verwaschen-grauen Farben ein Mysterium, das kaputtkompromittiert wirkt, statt zu fesseln.

Platz 6: Ice Age – Kollision voraus! (Regie: Mike Thurmeier und Galen T. Chu)
Die flauschige Patchwork-Herde rund um Faultier Sid und Wollmammut Manni hat bereits mit ihrem vierten Abenteuer eine kindische, sinnlose und wenig Persönlichkeit ausstrahlende Digitaltrickkomödie verbrochen. Mit Teil fünf erreicht das einst so amüsant begonnene Blue-Sky-Studios-Erfolgsfranchise nunmehr seinen Tiefpunkt: Eine Überzahl an Figuren, die nur noch ein schaler Schatten ihres früheren Ichs darstellen, irrt mit Pseudo-Catchphrases bewaffnet und alberne Referenzen auf das Jetzt abfeuernd durch eine Story, die gleichzeitig überfrachtet (so! viele! überdramatisch! vermittelte! Subplots!) und vollkommen unterkocht (nichts hat Hand und Fuß! es gibt keine Konsequenzen!) ist. Unbeseelt, handwerklich abseits der Fellsimulation unterdurchschnittlich und dabei so lautstark-dumm, dass es weh tut: Nur Scrats irrer Slapstick im Looney Tunes-Stil stimuliert weiterhin die Lachmuskeln.

Platz 5: Seitenwechsel (Regie: Vivian Naefe)
Eine Körpertauschkomödie, die sich mit Geschlechterbildern beschäftigt – und all dies mit der Beobachtungsgabe und dem Facettenreichtum einer 90er-Jahre-Privatfernsehenklamotte: Wotan Wilke Möhring ist ein maulfauler, fußballverrückter Macho, der bei seiner Tochter einen Stein im Brett hat. Mina Tander ist eine dauernd quasselnde, modebewusste Psychotherapeutin, die mit ihrem Nachwuchs keine Verbindung aufbauen kann. Die Ehe steht kurz vor ihrem Ende, als sie die Körper tauschen. Daraufhin muss die Frau im Männerkörper zahllose Lektionen darüber lernen, wie wichtig und komplex Fußball ist und wie arm ihr überforderter Gatte doch dran ist. Der Mann im Frauenkörper hingegen findet heraus, dass Spielerfrauen auf homoerotische Erfahrungen miteinander stehen, dass Psychotherapie zwar schwerer ist, als von ihm gedacht, aber dennoch ein recht simpler Job, sobald man nur mal zuhört, und dass es ein komisches Gefühl ist, sich ein Tampon einzuführen. Witzlos, klischeeüberfrachtet und vorhersehbar, zudem ohne Flair oder romantischen Funken – nur eine sehr kleine Handvoll pfiffiger Ideen bewahrt diese Humorkatastrophe davor, noch schlechter in dieser Rangliste abzuschneiden. Dass diese Parade an miesen Geschlechterrollenabziehbildern tatsächlich von weiblichen Filmschaffenden erdacht sein soll, ist kaum zu glauben!

Platz 4: The BFG – Big Friendly Giant (Regie: Steven Spielberg)
Hollywood-Größe Steven Spielberg erreicht einen neuen Tiefpunkt: Mit einer vor Kitsch triefenden Adaption des Roald-Dahl-Kinderbuchklassikers Sophiechen und der Riese liefert der Regisseur einen Film ab, der genau dem Klischee entspricht, dass seine größten Kritiker seit Jahrzehnten von ihm zumeist ungerechtfertigt zeichnen. Mit einem neunmalklugen Kind, seinem strunzdummen magischen besten Freund und einem schnell übers Knie gebrochenen Finale ist BFG ein Kinderfilm, der sich seiner jungen Zielgruppe mit anstrengender Verzweiflung anbiedert. Grottenhäßliches Produktions- und Figurendesign sowie eine erschreckend nervige „Holzblasinstrumente für Kindergärtner“-Instrumentalmusik von Komponistenlegende John Williams runden diese Attacke auf den Geduldsfaden ab – und bei all dem verschweige ich noch die als ach-so-lustig verkaufte Fantasiesprache der Riesen, die sich wie ein widerlicher Faden durch die Kinderbuchverfilmung zieht …

Platz 3: Toni Erdmann (Regie: Maren Ade)
Und noch ein Film mit einem Schwachfug radebrechenden, unansehnlichen alten Mann in der zentralen Rolle ... Ja. Ja. Schon gut: Ich sehe sie schon auf mich zurennen. All jene, die mir nun wutentbrannt jeglichen Geschmack, Verstand oder Anstand aberkennen wollen. Die, die denken, ich wolle hiermit nur provozieren (ähm, nein, dann wäre Toni Erdmann mein Flop Nummer eins!). Die, die mir meine Kritikerlizenz entreißen wollen (sorry, sowas gibt es nicht!). Tja. Jammert nur. Es muss und kann nicht jeder fröhlich singend in den Konsens mit einstimmen. Da muss auch der Toni Erdmann-Hype Gegenstimmen aushalten. Wenn ihr alle da draußen annähernd drei Stunden mit einem verlotterten Rentner verbringen wollt, der seine unabhängige Tochter ungefragt verfolgt, mit grenzdebilen Witzen (Pupskissen! Schiefe Kunstzähne! Er gibt ihr einen albernen Namen! Er reibt Käse in seine Haare! LACHT! LACHT! LACHT IHR DUMMEN MASSEN!) foltert und unreflektiert eine kleinbürgerliche Sicht auf die Welt der Wirtschaft runterbetet … Gerne.

Ich kann weder dem Humor der Titelkunstfigur etwas abgewinnen, noch einem Großteil der Witze rund um ihn herum. Das vermeintliche Drama in Maren Ades globalem Kritikerliebling zündet bei mir nicht – mutmaßlich geht es um das Kitten einer Vater-Tochter-Beziehung und den steten Tropfen des Frohsinns, der einen Stein der Arbeitswut höhlt. Ich sehe aber bloß eine erfolgreiche Frau, die wegen ihres von ihrem peinlichen Vater losgelösten Alltags als eiskalt hingestellt wird und der man vor einem wichtigen Geschäftsdeal Steine in den Weg legt. Oh, und viel, viel Holzhammerhumor. Nur, dass der Holzhammer in Zeitlupe, statt im Eiltempo auf mich zurast. Feiert ihr Toni Erdmann so viel, wie ihr wollt – für mich wird es auf immer und ewig „Cars 2 mit Menschen, statt Autos, und mit Unternehmensberatung, statt Spionage sowie Autorennen“ bleiben. Selbst wenn Sandra Hüller ihr bestes gibt, um diesen Unfug mit einem Hauch Würde zu versehen.

Platz 2: Salt and Fire (Regie: Werner Herzog)
Eine so produktive lebende Legende wie Werner Herzog kommt nicht umher, dann und wann daneben zu greifen. Und wenn Werner Herzog danebengreift, dann mit voller Macht und sattem Anlauf: Die abendfüllende Adaption einer Kurzgeschichte aus der Feder von Tom Bissell ist eine gähnend langweilige Demonstration dessen, dass nicht alles, was bewusst gegen Sehgewohnheiten und die Dramenlehre von Aristoteles bis Lessing verstößt, sogleich ein bahnbrechendes, die Augen öffnendes Experiment ist. In unter einem Grauschleier des digitalen Grundrauschens erstickten, leblosen Bildern erzählt Werner Herzog ohne jeglichen Biss die schleppend vorwärtsgehende Geschichte einer Wissenschaftlerin (grauenvoll monoton: Veronica Ferres), die entführt wird.
Nach allerlei Auf-der-Stelle-treten und dem Einführen von Personal und Ideenansätzen, die für Story und thematischer Deutung nicht weiter von Belang sind, erreicht der Film irgendwann seinen zentralen Punkt: Sie strandet allein mit zwei blinden Kindern, die eine ihr fremde Sprache sprechen, in einer Salzwüste. Diese Grundidee für einen smarten Kurzfilm trocknet alsbald aus, da die Unlust der Kinderdarsteller, mit Ferres zusammenzuarbeiten, aus der Leinwand raustropft, die deutsche Schauspielallzweckwaffe mit Herzogs sperrigem Ansatz offenbar nicht komfort zu gehen scheint und letztlich die gesamte Geschichte durch eine saudämliche Auflösung entwertet wird. Frustrierend, träge und intellektuell so stimulierend wie ein Teelöffel voll Discounter-Jodsalz.

Platz 1: Affenkönig (Regie: Oliver Rihs)
Eine Tortur. Eine schleppende, unlustige, ohne cineastische Raffinesse gefilmte Tortur der krepierenden Gags und der inszenatorisch dreifach unterstrichenen Provokation, die nicht zu schockieren weiß. Oh, Schreck lass nach, Lebenspartner gehen einander fremd, haben unterschiedlich stark ausgeprägten Sexdrang und variierende Vorlieben im Bett? Ich bin ein großer, großer Verfechter des „Streitfilms“, Geschichten über kleine Figurengruppen, die sich an die Gurgel gehen. Was Gott des Gemetzels, Der Vorname, Frau Müller muss weg, Familienfest und Konsorten allerdings ausmacht, sind die geschliffenen Dialoge und die glaubwürdigen, aber zwecks einer fesselnden Eskalation überzeichneten Figuren. Affenkönig hat nichts dergleichen. Hingerotzte Dialoge, mäanderndes Erzähltempo, eine unharmonische Szenenfolge und gallige, zugleich unterkochte Figuren, die kurz vor Schluss aus heiterem Himmel einen Wandel durchmachen. Einzig und allein Tijan Marei als psychopathische Schwester im Geiste von Wednesday Addams und ein gelegentlich erschreckend-glaubhaft genervter Samuel Finzi verleihen dieser Möchtegernkomödie das Prädikat „veröffentlichbar“. Was für ein lieblos wirkender Schund!