Donnerstag, 13. Oktober 2016

Warcraft: The Beginning


Hypothetisch gesprochen gibt es keinen guten Grund dafür, dass der Gedanke einer Videospielverfilmung verpönt sein muss. Wenn sich aus Büchern (endlos viele Beispiele), Comicheften (sehr viele Beispiele), Themenparkattraktionen (die Pirates of the Caribbean-Saga) und Bauklötzen (The LEGO Movie) gute Filme spinnen lassen, dann auch aus Games. Unter anderem mit dem erfrischenden Abenteuer Prince of Persia: Der Sand der Zeit fanden bereits manch solide Videospieladaptionen den Weg auf die Leinwand – und trotzdem haftet ihnen weiterhin ein Stigma an. Und daran weiß auch Duncan Jones' Warcraft: The Beginning nichts zu ändern …

Während im unter anderem von Menschen und Zwergen bevölkerten Reich Azeroth seit vielen Jahren Frieden herrscht, geht die Ork-Heimatwelt Draenor allmählich zugrunde. Daher nutzen die Orks das Dunkle Portal, um ihrer sterbenden Heimat zu entfliehen. Doch während Teile der Horde, wie sich die Draenor-Vereinigung nennt, ihre neue Heimat erobern wollen, sehnt sich Häuptling Durotan (Toby Kebbell) nach einer Lösung, Draenor zu retten. Anduin Lothar (Travis Fimmel), Anführer der Allianz von Azeroth, steht derweil unter dem Druck, sein Reich zu beschützen und Gerechtigkeit für seine Familie einzufordern. Zwischen den Fronten steht das Halbblut Garona (Paula Patton), die das Beste aus beiden Welten kennenlernt, so dass sie sich aufmacht, die sich abzeichnende, ungeahnte Bedrohung aufzuhalten, die Orks und Menschen zerstören könnte …

Wenn sich Duncan Jones eines nicht vorwerfen lassen muss, dann, dass er schnurstracks in die Fußstapfen der bislang langlebigsten Reihe an Videospielverfilmungen tritt. Denn der unter Gaming-Freunden am häufigsten geäußerte Kritikpunkt an den Resident Evil-Filmen ist, dass die Adaptionen verschwindend geringe Parallelen zu den Spielen haben. Eben jene „Was schert mich die Vorlage?“-Attitüde, die Paul W.S. Anderson in seinen Action-Horror-Filmen an den Tag legt, ist dem Moon-Regisseur indes fremd. Nur übertrieben strenge Profi-Erbsenzähler werden im Warcraft-Film Anreize finden, ihn als Beleidigung des Blizzard-Franchises zu empfinden.

Dass eine werkgetreue Vorgehensweise allerdings nicht zwangsweise in einen sehenswerten Film mündet, führte in jüngster Vergangenheit unter anderem Fifty Shades of Grey vor. Doch während die SM-Romanze schlichtweg die Makel ihrer drögen Vorlage auf die Leinwand importiert, hat Duncan Jones eine reichhaltige, epochale Mythologie, aus der er schröpfen kann, um ein fesselndes Fantasyspektakel zu kreieren. Und tatsächlich: Das Spektakel ist in dieser 160-Millionen-Dollar-Produktion gegeben – nur das mit der Spannungskurve will angesichts des spröden, an unausgegorene B-Fantasyfilme wie Dungeons & Dragons erinnernden Skripts nicht funktionieren.

Es mag sein, dass zahlreiche Orte, Gegenstände, Rassen und Figuren aus dem Warcraft-Mythos im Film zu sehen sind, schlussendlich erzählt Jones aber bloß eine trockene „Zwei Welten prallen aufeinander und beide haben Friedensstifter sowie Kriegstreiber unter sich“-Story. Da wird viel von A nach B und von B nach C zurück nach A gereist, und obwohl sich ständig irgendetwas tut, so geschieht für lange Strecken des Films nichts von Relevanz – Peter Jacksons erster und dritter Hobbit-Film lassen grüßen. Und wie schon in den der Herr der Ringe-Saga weit unterlegenen Prequels, so wird auch hier die gebotene Mythologie des sich auf der Leinwand erbreitenden Universums lediglich gezeigt. Nicht aber zu einem eigenständigen Leben erweckt – abgesehen davon, dass Durotan in heimeligen Familiensituationen gezeigt wird, nimmt sich Warcraft: The Beginning nie die Zeit, Alltag zu zeigen. Fans mögen manchmal nickend das Geschehen als ihnen bekannt bestätigen, Neulinge werden aber mit den Schultern zuckend dasitzen: „Ja, Fantasy halt. Schmiedende Zwerge, Elfen mit spitzen Ohren, etwas Hokuspokus, kenne ich alles schon.“

So oder so mangelt es an Momenten, die das Besondere dieser Filmwelt vorführen – ähnlich, wie halt Der Hobbit mitunter nur eine neue Wandertour durch eine zuvor viel aufregender verwirklichte Welt war. Bloß, dass Jackson in seinen späteren Mittelerde-Filmen bereits auf den Schultern einer gelungenen Zelluloid-Trilogie stand. Und selbst in den Hobbit-Abenteuern wenigstens ein Gefühl für Geografie mit sich brachte: Diverse Weitaufnahmen und ausschweifende Kamerafahrten quer durch distinktive Landschaftsstriche erlaubten es dem Publikum, abzuschätzen, wo sich welche Figuren gerade befinden, zudem wurde so eine optische Abwechslung geboten. Warcraft: The Beginning-Kameramann Simon Duggan hingegen klebt für einen Großteil der Szenen den handelnden Figuren direkt vor dem Gesicht, so dass von den zuweilen arg ihre digitale Herkunft offenbaren Örtlichkeiten wenig zu sehen ist – und das Bisschen ist nicht unbedingt eintönig, vielseitig und einladend ist es aber auch nicht.

Während zumindest der Turm des Wächters Medivh (faserig im Spiel: Ben Foster) mit seinem hellen Marmor einen denkwürdigen Look aufweist, schindet das Produktionsdesign trotz vorlagentreuer Details bei Waffen und Rüstungen wenig Eindruck. Ob im Ork-Lager direkt auf seiner Seite des Dunklen Portals oder in König Llane Wrynns (solide: Dominic Cooper) Burg: Jones hält zu wenig auf die Eigenheiten des Warcraft-Universums drauf, um dessen Filmversion nicht als reinen Tolkien-Abklatsch dastehen zu lassen. Vom muskulösen, menschenähnlichen Ork-Design und der stylischen Gestaltung magischer Tätigkeiten natürlich abgesehen – wobei die Orks aller filigraner Computermimik zum Trotz in Ultranahaufnahmen und in direkter Interaktion mit den Menschen noch immer sehr künstlich aussehen. In diesen Belangen hätten dem Film mehr Zeit fürs Shading und die Bildkomposition nicht geschadet – selbst wenn der Gesamteindruck der Effekte durchaus imposant ist.

Doch angesichts der gebotenen Geschichte würden Warcraft: The Beginning selbst makellos verwirklichte Ork-Gesichtszüge nicht sonderlich helfen. Orkhäuptling Durotan hat kaum mehr Charakterzüge aufzuweisen, als dass er ein gutmütig-ehrenwerter Vater ist. Paula Pattons Halbblut ist (klischeehaft, aber plausibel dargeboten) von ihrem neuen Umfeld fasziniert. Und Khadgar (Ben Schnetzer) hat als unerfahrener, aber auch neugieriger Jungzauberer bereits die komplexeste Charakterisierung im Rücken. Somit ist Schnetzer, der auch die wenigen Lacher im Film auf seiner Seite hat, so etwas wie die Seele des Films, selbst wenn seine Suche nach der Ursache einiger Probleme in Azeroth fast so vorhersehbar ist wie die nach wenigen Filmminuten folgende Erkenntnis, dass der grimmig drein guckende, mit ungeheuerlicher Macht hantierende Ork Gul'dan (bedrohlich: Daniel Wu) wohl böse sein könnte.

Die zahlreichen Scharmützel zwischen Mensch und Ork lassen nicht nur wegen des sich laut tönend ankündigenden Ausgangs Suspense missen, auch die Kampfchoreografie lässt zu wünschen übrig, wenn nicht gerade ein Greif austeilt und für etwas Chaos im eiligen Hauen und Stechen sorgt. Es wäre vermessen, gleich solche Höhepunkte wie die Schlacht um Helms Klamm in Der Herr der Ringe: Die zwei Türme mit einfallsreichen Stunts, guter (digitaler wie praktischer) Effektarbeit, flotten Sprüchen und glaubwürdiger Figureninteraktion zu erwarten. Doch wenigstens den einen oder anderen unerwarteten Schachzug hätte es gebraucht, um den grobmotorischen „Hau und weg!“-Kämpfen Dringlichkeit zu verleihen. Komponist Ramin Djawadi (Game of Thrones) ist abseits des während der Studiologos ertönenden, im Laufe des Films gelegentlich wiederholten, treibende Kriegstrommeln bietenden Leitthemas mit seinen austauschbaren Kompositionen nämlich auch keine große Hilfe.

Fazit: Trotz hoher Detailfreude tut Duncan Jones der von ihm geliebten Warcraft-Welt keinen Gefallen: In der vom Moon-Regisseur inszenierten Leinwandversion wirkt sie bloß wie Tolkien auf Steroiden. Und dieser Muskel-Tolkien strampelt sich in einem Treibsand der inhaltlichen Austauschbarkeit ab.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen