Donnerstag, 13. Oktober 2016

Don't Breathe


Willkommen im Club der Regisseure, denen ein gesteigertes Augenmerk zuteil zu kommen hat: Nach seinem auf brachial-erfreuliche Weise ultrabrutalen Evil Dead-Remake, das sich in einer wilden Orgie an praktischen Splattereffekten suhlt, geht Regisseur Fede Alvarez in exakt die entgegengesetzte Richtung. Sein Thriller mit Horrorelementen Don't Breathe ist ein kleiner, schlanker Originalstoff, bei dem nicht Blut und offensives Grauen im Zentrum stehen, sondern eine spannungsreiche, figurengesteuerte Aufeinanderfolge clever konstruierter Szenen. Und trotz des kompletten Stilwechsels innerhalb des Genres hält Alvarez das hohe Level an filmischem Esprit und nervenaufreibender Inszenierung aufrecht. Zwei Filme, zwei Volltreffer. Gratulation!

Nicht nur qualitativ, sondern auch auf der produktionstechnischen Seite gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Alvarez so grundverschieden auftretenden Horrorwerken. Das Drehbuch stammt von Alvarez und seinem Schreibpartner Rodo Sayagues, die effektive, wenngleich nicht sehr eingängige Musik von Roque Baños, Sam Raimi zählt zu den Produzenten, und die Hauptrolle ging an Suburgatory-Darstellerin Jane Levy – die nach ihrer guten Darbietung in Evil Dead nun ihre bislang magnetischste Performance abliefert: Sie spielt die Kleinkriminelle Rocky, die gemeinsam mit ihrem festen Freund Money (Daniel Zovatto) und ihrem guten Kumpel Alex (Dylan Minnette, Die Coopers - Schlimmer geht immer) Einbrüche begeht. Dabei verfolgen sie streng einen Kodex, der sie davor bewahrt, einen schweren Tatbestand zu erfüllen. Das durch den Weiterverkauf der gestohlenen Ware erbeutete Geld soll Rocky helfen, gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester aus dem verrottenden Detroit und vor ihrer versoffenen, räudigen Mutter zu fliehen.

Als Money den Tipp erhält, dass in einer verlassenen Straße ein alter, einsamer Army-Veteran (enorm bedrohlich: Stephen Lang) lebt, der bei sich einen sechsstelligen Geldbetrag gehortet hat. Dieser wurde ihm als Entschädigung für den Unfalltod seiner Tochter ausgehändigt. Das Trio plant, bei dem sich als blind herausstellenden Mann einzubrechen, stellt während des Versuchs jedoch fest, dass dieser sein Haus in ungewöhnlichem Maße abgesichert hat. Als es ihnen dennoch gelingt, einzusteigen, dauert es aber nicht lange, bis die Situation eskaliert: Money ist bewaffnet, was Alex aus Furcht vor etwaigen rechtlichen Konsequenzen in die Flucht schlägt. Und der Blinde? Der ist kein derart leicht ausgetrickstes Opfer, wie es Rocky lieb wäre ...

Levy spielt Rocky, ohne dabei in stereotype Manierismen zu fallen, als Rebellin mit Herz: Sie hat einen schroffen Charme, eine verletzliche Seite und eine fürsorgliche Ader, womit sie die ideale Protagonistin für diese Story ist. Es ist überaus glaubwürdig, dass jemand wie Rocky sich nicht anders zu helfen weiß, als kleinkriminell zu werden, und auch wenn man es nicht gutheißen mag, so fiebert man noch immer mit ihr mit. Zovatto ist neben ihr in seiner Gangsterattitüde durchaus etwas überzeichnet, während Minnette als schüchterner Mitläufer, der sich aber auch durchzubeißen weiß, zwar dem Film keinen Stempel aufdrückt, aber positiv auffällt. Heimlicher Star von Don't Breathe ist aber die Kameraarbeit von Pedro Luque: Ganz gleich, ob sie frei durch das vergammelte Haus schwebt und so vorsorglich ein Gefühl für den Aufbau des Ortes erschafft, was in späteren Szenen dem Spannungsaufbau zugute kommt, oder ob sie sachte, dezent bedrohlich in Nachtsichtaufnahmen an die Helden heranfährt, während diese durchs Dunkle tappen ... Die Kamera ist fast schon eine eigene Figur in diesem Thriller, bei dem Alvarez auf Jump-Scare-Soundeffekte verzichtet und sich mehr darauf beruht, schlicht packende Situationen zu kreieren. Werden die ertappten Einbrecher auf Schutt treten und so ihren Standort verraten? Rennen diebischer Held und brutal-wehrhaftes Opfer im Dunkeln unwissend ineinander? Wird eine Lage brutal enden oder wird sich jemand durch kluge Einfälle retten?

Mit punktgenauer Schnittarbeit verpackt Alvarez in seinem knackig erzählten Zweitling auch manche der etwas haarsträubenderen Wendungen so, dass sie als bitter-zynische Wende rüberkommen und daher eher einem den Atem stocken lassen, statt aus dem Film rauszureißen. Was Don't Breathe dafür braucht, ist einen laut aufgedrehten Ton: Der Soundmix gewinnt durch zahlreiche leise Knackser und Schritte sowie einen kaum hörbaren, sehr wohl aber spürbaren Bass in der Musikspur enorm an Spannung. Wer zuhause meint, die Lautstärke niedrig halten zu müssen oder sich in ein Kino verirrt, das dem Ton wenig Beachtung schenkt, verliert so einiges der Don't Breathe-Wirkkraft.

Fazit: Superspannend, enorm atmosphärisch und mit einer sehenswerten (Anti-)Heldin sowie einem schön bedrohlichem Fiesling: Don't Breathe ist schlicht, schlank, stark - einer der besten Suspensefilme der vergangenen Jahre!

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