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Donnerstag, 23. Mai 2013

Filmhistorische Fußspuren: Reale Sprechblasengeschichten II


Die Qualität der späteren Filmserials machten Superhelden im Kino trotz anfänglicher Einträglichkeit zunehmend unattraktiv. Allerdings entdeckten Fernsehmacher die Comichelden für sich – mit ihren kurzen Geschichten schienen sie für dieses Medium prädestiniert, auch wenn das Budget einige Kompromisse erforderte ...


Zwei Legenden erobern das Fernsehen
Im November 1951 startete in den US-Kinos der einstündige Film Superman and the Mole-Man, dessen Zweck es war, die geplante Superman-Fernsehserie Superman – Retter in der Not (Originaltitel: The Adventures of Superman) zu bewerben. Deren Ausstrahlung begann jedoch erst im September des Folgejahres, nachdem der Cornflakes-Hersteller Kellogg's als Sponsor gefunden wurde. Sowohl die Produktion, als auch der Tonfall der ersten zwei Staffeln glich Abenteuer-Serials und gelegentlich auch Noir-Kriminalmelodramen, wenngleich in familienfreundlicherer Form. Superman ist in diesen Episoden eine durch und durch ernsthafte, keinerlei Scherze machende Figur und die Storys behandelten ebenfalls ernst gemeinte Themen, selbst wenn die Durchführung sehr milde und aus heutiger Zeit betrachtet plakativ-naiv war. Der als Zweiteiler wiederverwertete Kinofilm zum Beispiel erzählt, wie die Bürger von Metropolis eine schrecklich aussehende Rasse von Maulwurfsmenschen entdecken, denen sie böse Absichten unterstellen und deswegen auslöschen wollen. Superman ahnt aber, dass es sich um friedliche Wesen handelt. Es war eine gut gemeinte, eine Aussage beinhaltende Botschaft zur Zeit der Kommunistenhatz, jedoch auch simpel.


Dennoch gingen einige Episoden auch mutigere Wege und beinhalteten für damalige Fernsehverhältnisse harte Actionsequenzen. Zudem muteten die Serienmacher dem Familienpublikum auch On-Screen-Todessequenzen zu. Die Schurken, die Superman bekämpfte, waren in der ersten Staffel ausnahmslos Räuber, hinterlistige Geschäftsmänner und Agenten, in der zweiten Staffel wurde auch ein Sci-Fi-Element eingeführt. Supermans populäre Erzschurken kamen in der Serie aber nicht vor.


Im Laufe der zweiten Staffel übernahm ein neuer Produzent, Whitney Ellsworth, die Leitung der Serie, woraufhin der generelle Tonfall und insbesondere der Gewaltgrad der Serie stark verharmlost wurde. Ab 1954 wurden die Episoden bereits in Farbe gedreht, um den Wert der Serie nachhaltig zu steigern. Vorerst strahlte der Sender ABC die Episoden aber nur in Schwarzweiß aus, erst Wiederholungen nach Beendigung der Serie waren in Farbe.


Mit dem Umstieg zum Dreh in Farbe kamen jedoch auch noch engere Budgetbegrenzungen hinzu. Oftmals konnte man es sich nicht mehr leisten, mehrere Takes einer Szene zu machen, so dass sich auch öfters Versprecher oder andere Pannen in die fertigen Folgen einschlichen. Außerdem ging die zuvor thematisch ambitionierte Serie den selben Weg, wie Superhelden-Comics generell: Das so genannte Silver Age nahm seinen Anfang, das aus den spannenden Heldenabenteuern sehr knallige, komödiantische und mit verrückten Sci-Fi-Spielereien ausgestattete Geschichtlein machte. Hauptgrund war die stark regulierte Zensur (im Namen des Jugenschutzes), wodurch Autoren gezwungen waren, brenzlige Situationen durch fantasievolle bis alberne Einfälle auszutauschen. In Superman – Retter in der Not resultierte dieser Stimmungswechsel dazu, dass Waffengewalt nahezu komplett ausgeklammert wurde, statt bedrohlicher Schurken bekämpfte Superman (teils ironisch gemeinte, teils alberne) Karikaturen und auch Superman selbst durfte nun öfters lockere Sprüche vom Stapel lassen.


Superman-Darsteller George Reeves, der seit Beginn der Serie landesweit nur noch als Superman wahrgenommen wurde und sich von den dünner werdenden Episodenhandlungen unterfordert fühlte, bemühte sich zu dieser Zeit weitestgehend erfolglos darum, ernstere Rollen zu ergattern. Außerdem übernahm er bei drei der letzten Superman – Retter in der Not-Episoden Regie, wo er wieder ernstzunehmendere Gefahren zeichnete und die Dramatik erhöhte.


Der mit ihm befreundete Filmproduzent Bill Walsh arrangierte für Reeves eine Rolle im Disney-Western Zug der Furchtlosen mit dem ebenfalls außerordentlich populären Davy Crockett-Darsteller Fess Parker. Es sollte Reeves letztes Engagement werden. Am 16. Juni 1959 starb Reeves im Alter von 45 Jahren durch eine Schussverletzung. Die näheren Umstände blieben ungeklärt, es gibt sowohl die Theorie, dass er von Kriminellen erschossen wurde, als auch, dass Reeves Suizid begann, weil er mit seiner Karriere unzufrieden war. 2006 thematisierte das Neo-Noir-Drama Die Hollywood-Verschwörung Reeves' Tod. Gespielt wurde die Fernsehlegende von Ben Affleck, der damit seine Rückkehr nach dem Fünffach-Flop von Daredevil, Gigli, Paycheck, Wie überleben wir Weihnachten? und Jersey Girl sowie der ganzen "Bennifer"-Krise gab. Affleck, den sehr viele Kinogänger zuvor nicht als fähigen Schauspieler betrachten konnten oder wollten, gewann bei den Filmfestspielen in Venedig für seine Performance den Preis als bester Darsteller.


Beeinflusst durch den anhaltenden Erfolg der Wiederholungen der farbigen (und leichtfüßigeren) Superman – Retter in der Not-Episoden sowie der gleichermaßen kindlich-unbeschwerten Lone Ranger-Serie auf CBS, sowie weiter inspiriert durch die aufgrund ihrer Vorführungen in Playboy Clubs einen Kultstatus erlangenden Batman-Serials, formierte sich in den frühen 60er-Jahren die Idee, dass der Fledermaus-kostümierte Held für eine ähnlich geartete Serie ins Fernsehen gehievt werden sollte.



Obwohl Batman ursprünglich bei aller Knalligkeit noch als ironiefreies Projekt angedacht war, änderte sich dies radikal, als der Sender ABC den Produktionsauftrag an 20th Century Fox reichte, welche ihn wiederum dem bekennenden Comichasser und Produzenten William Dozier erteilte. Unabhängig von der tonalen Neuausrichtung der Batman-Comics, welche kurz danach ebenfalls ins Blödelnde abgleiten sollten, beschloss Dozier, eine Camp-Show zu machen, die das Superheldengenre bewusst ins Lächerliche zieht. Dozier traf, zumindest anfänglich, den Nerv der Zeit: Die erste Staffel war immens erfolgreich, die zweite Staffel verstieß durch ihre repetierenden Handlungsabläufe und Gags die Kritiker, welche zudem bemängelten, dass jegliche Spannung aus den Drehbüchern entfleucht sei. Zu Beginn der dritten Staffel gingen dann auch massiv Zuschauer verloren, weshalb ABC die Anzahl der Folgen kürzte (von zwei neuen Sendungen wöchentlich zu einer), und dann auch drastisch das Budget reduzierte. Darüber hinaus beschlossen die Serienmacher, weitestgehend auf Cliffhanger zu verzichten. Ein verzweifelter Versuch, die Zuschauerzahlen zu verbessern, war die Einführung Batgirls, von der man sich versprach, weibliche Fernsehende anzulocken. Als dies misslang, zog ABC noch vor Ende der dritten Staffel den Stecker.


Es wäre beinahe zu einer vierten Staffel gekommen, weil NBC trotz gesunkener Einschaltquoten Interesse an der Serie hatte und den Produzenten mehr gestalterische Freiheit anbot. Die Bedingung war, dass NBC die alten Sets nutzen kann – diese wurden jedoch schon von ABC verschrottet. So hinterließ die von Januar 1966 bis März 1968 laufende, 120 Episoden (und einen Kinofilm) umfassende Serie zahllose Parodien, Generationen von Zuschauern, die die Reihe missverstanden und als seriös gedachte, Batman völlig fehl interpretierende Produktion auffassten sowie die Darsteller von Batman und Robin: Adam West und Burt Ward arrangierten sich, anders als George Reeves, mit ihrer beispiellosen Popularität in ihren Heldenrollen und spielten seither in unzähligen Serien sich selbst oder Hommagen/Parodien ihres jeweiligen Serien-Ichs.


Supermans Rückkehr ins Kino
Auf eine geglückte Reihe an Cartoons folgte für Superman eine beschämende Serial, gefolgt von einer ambitioniert gestarteten, jedoch heruntergewirtschafteten TV-Serie. Batman rammte dann die Seriosität von Comicverfilmungen völlig in Grund und Boden. Wie konnten sich die Comics aus diesem Sumpf retten?

Mit der Figur des Superman, dem geistigen Urvater aller Sprechblasensuperhelden, versuchte sich Produzent Ilya Salkind zusammen mit seinem Vater Alexander und Geschäftspartner Pierre Spengler an einer Rekonstruktion des Genres. Anders als einige Jahrzehnte später, wo sich die Comicverleger selbst ins Getümmel der Filmindustrie stürzen sollten und eine Verfilmung ihrer Lizenzen vorantreiben, haderte DC in den 70ern jedoch, Superman fürs Kino freizugeben. Als die Produzenten angaben, dass man als mögliche Darsteller des Capeträgers Muhammad Ali, Al Pacino, James Caan, Steve McQueen, Clint Eastwood Robert Redford und Dustin Hoffman ins Auge fasste, gab man jedoch vom Staraufgebot überzeugt seine Zustimmung. Auch bei der Wahl der Autoren klotzte man: Sci-Fi-Autor Alfred Bester wurde nach einer Ideenfindungsphase durch Der Pate-Autor Mario Putzo ersetzt (letzten Endes beteiligte sich allerdings eine Heerschar an Drehbuchschreibern am Projekt). Zu den Regisseuren, nach denen die Produzenten griffen, gehörten ein Pre-Star Wars-George-Lucas und Steven Spielberg.


Ein Deal mit Warner Bros., der einen Back-to-back-Dreh von Superman und einer Fortsetzung festlegte, ließ die Arbeiten am Drehbuch in die Höhe schnellen, zwischenzeitlich umfasste das Skript zu beiden Teilen über 500 Seiten. 1976 konnte man es auf 400 Seiten runterkürzen, zugleich fügten die Studiobosse und Geldgeber jedoch den Wunsch nach einer knalligeren Camp-Note ein und bestand darauf, Telly Savalas eine Gastrolle als Kojak zu geben. Als Retter in der Not engagierten die Filmemacher Tom Mankiewicz, Autor einiger James Bond-Filme, der eine neue Version des Putzo-Buchs, nun wieder 550 Seiten und ernster im Tonfall, komplett umschreiben sollte. Derweil begann ein Run auf die Rolle des Superman. Nachdem einige Größen wie Redford ablehnten, weil sie sich als zu berühmt für eine Rolle in einem Comicfilm hielten, und sich Leute wie Sylvester Stallone in beidseitig interessierten Gesprächen befanden, sich dennoch nie eine Einigung ergab, bewarben sich über 200 Stars, Sternchen und Amateure für die Titelrolle. Sehr viele Muskelpakete, darunter Arnold Schwarzenegger, wurden aufgrund mangelnden darstellerischen Talents abgelehnt, andere Darsteller hatten zwar das Talent, nicht aber das passende Aussehen.



Christopher Reeves kam in die engere Auswahl, allerdings bemängelte der mittlerweile als Regisseur gewonnene Richard Donner seine nicht ausreichend definierten Muskeln. Man überlegte, ihm einen Anzug mit Muskelpolstern zu geben, ähnlich wie ihn George Reeves in der Superman-Fernsehserie trug, was der Newcomer aber ablehnte, weshalb er innerhalb kürzester Zeit mittels intensivem Training enorm an Muskelmasse zulegte, was ihm wiederum die Rolle seines Lebens sicherte. Am 24. März 1977 begannen die Dreharbeiten für Superman I & II und sollten laut anfänglichem Drehplan noch im selben Jahr beendet werden, zahllose Produktionsprobleme dehnten die Produktionszeit jedoch auf 19 Monate aus. Dies wiederum ließ die Kosten in die Höhe schnellen, so dass Superman zusammen mit Die drei Musketiere & Die vier Musketiere nicht nur ein Vorreiter für Back-to-Back-Dreharbeiten (später ahmten dies Zurück in die Zukunft II & III, die Matrix-Fortsetzungen, PotC II & III und die Herr der Ringe-Trilogie nach) wurde, sondern auch der damals teuerste Dreh aller Zeiten. Aufgrund des außer Kontrolle geratenen Drehplans und Budgets gerieten Richard Donner und die Produzenten mehrfach aneinander, was letztlich dazu führte, dass man das Ende von Superman umschrieb und die Arbeiten am zu 80 Prozent vollendeten Superman II einstellte.

Anfangs war vorgesehen, Superman auf einem Cliffhanger enden zu lassen, der zeigt, wie die Oberschurken General Zod, Non, und Ursa auf die Erde zufliegen. Unsicher, ob er jemals Superman II fertig stellen könne, ohne den Produzenten vor Wut an die Gurgel zu springen, und ob ein Cliffhanger funktionieren würde, sah Donner von diesem Ende ab. Sollte Superman im Kino gut ankommen, käme er zurück um die Fortsetzung zu drehen, anderweitig hätten die wenigen Kinogänger wenigstens ein rundes Ende.



Donner sollte nur teilweise Recht behalten: Superman war ein finanzieller Erfolg, aber der gegen Ende der Produktion hinzugezogene Assistenzregisseur Richard Lester erhielt von den Produzenten den Auftrag, den Film fertig zu stellen und ihm, ihren Wünschen entsprechend, eine leichtherzigere Gangart zu verleihen. Dies führte dazu, dass Gene Hackmans Präsenz als Supermans Rivale Lex Luthor um einige Szenen runtergekürzt werden musste, da sich der Oscar-Preisträger aus Loyalität weigerte, für Lester vor die Kamera zu treten.



Dass Superman zu einem Erfolg wurde, dürfte aus qualitativer Sicht kaum überraschen. Verfolgt man die Entwicklung der Comicverfilmungen von Anfang bis heute, statt vom jetzigen Zeitpunkt auf die frühen Versuche herabzublicken, so war es zwar keineswegs die erste ernstzunehmende Adaption eines Comichelden, zumindest aber die bis dahin durchdachteste. Auch manche Serials fügten Dramatik in ihren von Action bestimmten Handlungsfluss, aufgrund der episodenhaften Erzählweise und der generellen Erwartungshaltung an diese Filme, sowie wegen der Limitationen durch Budget und Effekttechnik, waren sie im Vergleich zu "normalen" Kinofilmen dennoch eher Stückwerk. Superman überbot die stärkeren Momente üblicher Serials und ließ sie somit noch älter aussehen.


Daran lässt sich allerdings auch der Kreislauf ablesen, den Comicverfilmungen lange durchlebten: Für ihre Zeit ambitionierte Werke unternahmen manche Fehler, die schlecht gealtert sind (etwa frühe Serials wie die Dick Tracy-Reihe oder die erste Superman – Retter in der Not-Staffel). Es folgten weniger liebevolle, aus Kommerzgier raus gehauene Produktionen, welche die Schwächen der Vorgänger überbetonten (etwa die späteren Superman – Retter in der Not-Folgen oder zuvor die Serial-Auftritte von Superman und Batman), und so nicht nur den finanziellen Durchmarsch, den Comicverfilmungen genossen, jäh unterbrachen, sondern spätere Zuschauer stärker auf die Mängel der gelungeneren Filme hinweisen. Donners Superman war seinerzeit ein Machtwerk, die Fortsetzung entzweite das Publikum in die üblichen "Besser als das Original" und "Komödiantischer, größer, mieser"-Lager, wurde insgesamt jedoch noch immer sehr gut aufgenommen.

Auch in Rückblicken erhalten diese zwei Filme häufig nostalgisch-warme Besprechungen, allerdings zeigen sie bereits ein gewisses Alter. So gewannen schon die ersten beiden Superman-Filme viel ihres Humors auf Kosten der Figuren oder der Situation. Die jüngsten Marvel-Filme und selbst Nolans Batman-Filme haben ebenfalls Humor, doch dieser wächst stark aus den Figuren heraus oder zwinkert liebenswert der Absurdität der Lage zu. In den ersten zwei Superman-Filmen wird die Gefahr hingegen völlig untergraben, etwa wenn in der Kinofassung von Teil 2 während einer Schurken-Sturmattacke einem Mann das Haarteil weggeweht wird und ein Regenschirm im Wind herumtänzelt. Auch wird das Heldentu in diesen Filmen noch recht einseitig gezeichnet, Sätze wie "I'm here to fight for truth, justice, and the American way" sind aus heutiger Sicht doch ziemlich schmalzig.

1983 erhielt das Superheldengenre nach den respektierten Superman-Filmen auch bereits seinen (damals unvermeidlichen?) Knacks in der glänzenden Fassade: Superman III von Richard Lester teilte mit seiner immens größeren Dosis kindischeren Humors die zeitgenössischen Fans und verstieß die der Reihe bis dahin wohl gesonnenen Kritiker. Erst 1987 folgte der vierte Teil, nun ohne Lester und die Salkinds. Christopher Reeves, der den dritten Film missachtete und als Beleidigung an die Fans betrachtete, wurde davon überzeugt, in seiner Paraderolle zurückzukehren, indem man ihm versprach, bei einem etwaigen fünften Teil Regie führen zu dürfen, und dass die neuen Produzenten (Menahem Golan & Yoram Globus) ein Projekt nach Reeves' Wahl gemeinsam mit ihm produzieren würden. Reeves wusste zum Zeitpunkt seiner Zusage aber nicht, dass für Superman IV an allen Ecken und Kanten gespart werden musste. Zusammen mit einer hastig zusammengeschusterten Story führten die grottigen Produktionswerte zu einer drastischen Ablehnung des Films seitens Kritiker und Kinogänger.


Zur gleichen Zeit, auf dem Fernsehschirm ...
Ein kleiner Sprung zurück, denn abseits von Superman waren die Siebziger für Comicadaptionen ein ziemlich unrühmliches Jahrzehnt. 1977 bis 1979 etwa lief auf CBS eine 13 Episoden und einen Pilotfilm umfassende, schäbige Fernsehserie zu The Amazing Spider-Man, die keine bemerkenswerte Schurken aufbrachte, ein lächerliches Spider-Man-Kostüm auf die Welt losließ und nur wenig mit der Vorlage gemein hatte. Trotzdem holte die Serie gute Quoten, da CBS aber fürchtete, als "Superhelden-Sender" verschrien zu werden, nahmen die Senderbosse das Format aus dem Programm. Neben The Amazing Spider-Man setzte CBS unter anderem auf einen TV-Film über Doctor Strange sowie auf die nach einer Staffel von ABC übernommene Wonder Woman-Serie. Diese konnte durch Hauptdarstellerin Lynda Carter immerhin einen Kultstatus erlangen, was die TV-Filme rund um Captain America und Co. nicht von sich behaupten können, weshalb diese nur aufgrund sarkastischer Reviews von Internetpromis wie dem Nostalgia Critic und The Spoony One heute ein Minimum an Bekanntheit aufbringen.

Qualitativ zwischen den Welten schwebte wiederum die von 1978 bis 1982 produzierte Serie Der unglaubliche Hulk mit Bill Bixby als Dr. David Banner [sic!] und Bodybuilder Lou Ferrigno als Hulk. Die Serie zeigt, wie Banner inkognito von Ort zu Ort reist, während er nach einer Möglichkeit forscht, seine Mutation rückgängig zu machen, wobei ihm ein Sensationsjournalist ständig auf den Fersen ist. Auf der Flucht diente gewissermaßen als Inspiration, die Plots der Episoden waren schnell repetitiv, allerdings attestieren viele, die mit der Serie aufwuchsen, ihr einen bodenständigen und ehrlichen Charme, weshalb Ferrigno für viele bis heute DIE Stimme des Hulks ist.


Die peinlichen Kinojahre
Im Kino lief es für Comicverfilmungen parallel zur Superman-Reihe und in den Jahren nach dem qualitativen Untergang des stählernen Mannes noch einmal ein gutes Stück mieser. 1984 sollte das Superman-Spin-Off Supergirl die Geldkuh noch einmal richtig melken, doch die 35-Millionen-Dollar-Produktion mit Helen Slater in der Titelrolle und Faye Dunaway als die prominenter beworbene Schurkin Selena nahm nicht einmal 15 Millionen an den US-Kassen ein. Dass Kritiker die Superheldenfarce belächelten, dürfte wohl kaum überraschen.

Ein Jahr später fand eine weitere Comic-Kämpferin den Weg auf die Leinwand: Red Sonja, eine Marvel-Schöpfung für die Comic-Adaption der Conan-Romane. Richard Fleischers komplett in Italien gedrehter Film gehört zu den aufwändigen 80er-Jahre-Flops des Fantasygenres: Das Magie-und-Schwert-Abenteuer kostete 17,9 Millionen Dollar, nahm allerdings bloß weniger als 7 Millionen innerhalb der USA ein, auch im Rest der Welt wurde der schleppend erzählte Streifen kein Erfolg. Aufgrund seiner zahllosen Klischees, fragwürdigen Charakterisierungen und der Abwesenheit jeglicher internen Logik ist Red Sonja allerdings mittlerweile Kult. Und Arnold Schwarzenegger betrachtet ihn als schlechtesten Film seiner Karriere. Eine ansehnliche Leistung.


Sanftes Aufatmen in Sachen Comicverfilmungen ermöglichte L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn (Originaltitel: Weird Science). Die John-Hughes-Komödie über zwei schüchterne High-School-Nerds, die mittels Computertechnik und einem übernatürlichen Gewitter ihre Traumfrau erschaffen, schied die Geister der Filmkritiker, traf beim jugendlichen Publikum aber einen Nerv und wird gerade in den USA bis heute als Kult-Geheimtipp gehandelt. Die Geschichte ist eine lose Adaption und Modernisierung der Geschichte "Made of the Future" aus dem 50er-Comicmagazin Weird Science und war mit einem Einspiel von 23,86 Millionen US-Dollar in den USA ein Genre-Achtungserfolg. Ein Jahr später betrat dann erstmals Marvel die Bühne der Kinoadaptionen (vom Captain America-Serial abgesehen), und niemand geringeres als Star Wars-Schöpfer George Lucas nahm sich mit seinem Produktionsstudio LucasFilm dem Projekt an. Was bei diesen Startvoraussetzungen ein Blockbuster besonderen Ausmaßes hätte werden können, wurde stattdessen ein historisches Desaster: Howard – Ein tierischer Held!



Howard gehört zu den Spitzenanwärtern auf den Titel der schlechtesten Comicadaption, die Hollywood jemals verbrochen hat, weshalb auf diesem Film bereits unzählige Mal rumgehackt wurde und es schwer ist, etwas Neues über ihn zu schreiben. Deshalb sei kurzerhand erwähnt: Er macht alles falsch, was er hätte falsch machen können. Er wurde im falschen Medium umgesetzt (mit einer anthropomorphen Ente in der Hauptrolle hätte man auf Zeichentrick zurückgreifen sollen, entweder komplett oder für die Titelfigur), aber da Universal dringend einen großen Sommerfilm wollte und Lucas die Fähigkeiten seiner Effektleute überschätzte, wurde Howard als Realfilm verwirklicht. Die Autoren warfen die Charakterisierung der Comic-Ente sowie den Noir-Ansatz der Vorlage aus dem Fenster, sie verloren den Überblick wer ihr Zielpublikum sein sollte, und schrieben letztlich völlig kindische Humorplattitüden, und dies nur wenige Drehbuchzeilen neben absurder, artübergreifender Erotik. Die Story? Kaum vorhanden. Der hintergründige Anspruch der Comics? Ersetzt durch misslungene Spezialeffekte. Nur von der Absurdität der Comicvorlage lassen sich vereinzelte Spurenelemente in der George-Lucas-Produktion finden. Nur längst nicht in nennenswert kreativer Form.

Die Rechnung folgte sofort: Kritiker verachteten den Film, das Publikum blieb den Kinoaufführungen fern und mit gleich sieben Nominierungen für die Goldene Himbeere gab es gleich noch eine kleine Quittung obendrauf. 

Ein weiteres Mal hat sich die Kunstform der realverfilmten Comicadaption in ein tiefschwarzes, qualitatives Loch manövriert. Werden Comicverfilmungen für immer und ewig als minderwertiger Dreck betrachtet? Oder können sie sich retten? Wie werden sie sich retten? Wer hilft ihnen dabei? Und steht etwa schon der nächste Ärger bevor?! Antworten auf diese Fragen erwarten euch, demnächst bei Filmhistorische Fußspuren!

Dienstag, 30. April 2013

Filmhistorische Fußspuren: Reale Sprechblasengeschichten

Comicverfilmungen sind mittlerweile nicht mehr aus dem Kinosommer wegzudenken. Seit 2008 eröffnen sie pünktlich wie ein Uhrwerk die US-Blockbustersaison und schon seit rund einem Jahrzehnt gehört auch regelmäßig mindestens eine Comicadaption zu den besten Spektakeln, die in den heißen Kinomonaten veröffentlicht werden. Aber bis es dazu kam, war es ein sehr langer Weg. Comicverfilmungen sind zwar seit vielen Jahrzehnten Bestandteil der Filmwelt, jedoch waren sie äußerst selten sowohl denkwürdige Publikums-, als auch Kritikerlieblinge. In Konsequenz dessen waren sie über einen Großteil ihrer Historie hinweg nur obskure Randnotizen der Kinogeschichte, und wenn sie einmal glückten, dann galten diese Fälle als rare Ausnahmen.

Anlässlich des Starts der zweiten Phase von Marvels vereinigtem Kinouniversum möchte ich mit euch den Pfad entlang wandern, der von den trashigen Anfängen hin zu The Avengers, The Dark Knight Rises und nun auch Iron Man 3 führte.

Der Beginn: Comic-Strips und kurze Filmchen
Bereits als der Film in seinen Kinderschuhen steckte, nutzten die Pioniere dieser Kunstform andere Medien als Inspiration. Oder es wurde umgekehrt ein Schuh daraus, und sie nutzten ihr Medium, um andere Kunstformen neu zu transportieren. Jedenfalls kamen mit dem Aufgang des Films bereits die ersten Adaptionen, und das nicht nur von Büchern und Theaterstücken, sondern auch von Zeitungscomics.

Einer der allerersten Zeitungscomics ist die vom in die USA immigrierten Deutschen erschaffene Reihe The Katzenjammer Kids über Streiche spielende Zwillingsbuben. 1898 wurden diese bebilderten Witzgeschichten in Form realer Stummfilme adaptiert, was man durchaus als Geburtsstunde der Comicverfilmung betrachten kann.


Die Wurzeln der Comicadaption sind zudem eng mit den Anfängen des Zeichentrickfilms verbunden. Der Cartoonist Winsor McCay erschuf 1905 den surrealen Comic-Strip Little Nemo, der zu den einflussreichsten und am höchsten angesehenen seiner Art gehört. Noch bevor McCay mit dem legendären Gertie the Dinosaur dem Zeichentrickfilm zum Durchbruch verhalf, adaptierte er im Jahre 1911 seinen eigenen Zeitungscomic in Form eines zehnminütigen Kurzfilms. Dieser bestand jedoch hauptsächlich aus einer Realfilmhandlung über McCay, der seine Kollegen von der Idee eines Little Nemo-Zeichentrickfilms überzeugen will und versucht, seinen Zeichnungen das Laufen zu lehren. Nur die letzten Minuten bestehen aus bewegten Zeichnungen der Little Nemo-Figuren, dennoch war es ein wichtiger Fortschritt im Bereich des Zeichentricks.

Nachdem der Zeichentrick aus seiner überaus kruden Form in Winsor McCay, the Famous Cartoonist of the N.Y. Herald and His Moving Comics herauswuchs, folgten gleich mehrere Stummfilm-Cartoonreihen auf Basis von Zeitungscomics. Die Katzenjammer-Kids fanden im Dezember 1916 in gezeichneter Form den Weg zurück in die Kinos, bis die Cartoons trotz hoher Beliebtheit im August 1918 eingestellt wurden. Die Produzenten spürten aufgrund des Ersten Weltkriegs in der Bevölkerung eine steigende Animosität gegenüber den Deutschen und befürchteten, sie könne auf die Cartoonfiguren überschwappen. Zur gleichen Zeit wurden auch animierte Kurzfilme des damals sehr beliebten Zeitungscomics Bringing Up Father veröffentlicht. Diesem gelang in den 20er-Jahren dann der Sprung ins Realfilmsegment: 1920 bis 1921 entstanden drei jeweils zwei Filmrollen umfassende Realkurzfilme und 1928 folgte ein abendfüllender Spielfilm über den neureichen, irischen Immigranten Jiggs, der seinen früheren Lebensstil nicht ablegen kann, während sich seine Frau Maggie anzupassen versucht. Der Stummfilmkomödie folgten 1939 eine Tonkomödie aus Finnland und 1946 eine rund einstündige US-Komödie des Studios Monogram Pictures, die aufgrund ihres kommerziellen Erfolgs vier Fortsetzungen spendiert bekam.

Weitere nennenswerte Zeitungsstrip-Adaptionen waren Ella Cinders von 1926, eine Komödie mit zahlreichen Gastauftritten der damaligen Stars des den Film vertreibenden Studios First National Pictures sowie des populären Komödianten Harry Langdon (seinerzeit galt er als ärgster Mitbewerber von Charlie Chaplin, Harold Lloyd und Buster Keaton), sowie Harold Teen und Little Annie Rooney.

Der Strip Harold Teen startete am 4. Mai 1919 in der Chicago Tribune und war der erste, in der es weder um Streiche spielende Kinder, noch um Erwachsenenproblemchen, sondern um das Leben als Jugendlicher ging. Autor und Zeichner Carl Ed erhielt große Anerkennung für seine treffende Darstellung des Jazz Ages, weshalb Harold Teen zu einer subkulturellen Ikone aufstieg. Der 1928 veröffentlichte Stummfilm, der sich der beliebten Figur annahm, gehört zu den allerersten von Filmkritikern enthusiastisch aufgenommenen Comicverfilmungen, Hauptdarsteller Arthur Lake (der später die männliche Hauptrolle in den zahlreichen Verfilmungen der Blondie-Comics übernahm) wurde für seine treffende, originalgetreue Darbietung der Titelfigur gefeiert und der Film selbst wurde dafür gelobt, alles zu beinhalten, was den Comic groß machte. 1934 folgte ein Filmmusical mit dem legendären Stepptänzer Hal Le Roy in der Titelrolle.

Zuvor wuchsen Comicverfilmungen mit Little Annie Rooney erstmals aus der reinen Comedysparte heraus: 1925 spielte Stummfilmlegende Mary Pickford, damals schon 32 Jahre alt, die zwölfjährige Waise in einer stummen Tragikomödie, die zu einem der kommerziell erfolgreichsten Filme ihrer Karriere werden sollte.

Obwohl die Adaptionen von Zeitungscomics also gewisse Erfolge verbuchen konnten, waren die Machtverhältnis zwischen den Medien Kurzfilm und Comicstrip spätestens ab dann klar verteilt, als mit Walt Disneys berühmtester Schöpfung der Zeichentrickfilm zu einem weltweiten Massenphänomen aufstieg: Am 13. Februar 1930 wurde der erste Teil einer ausführlichen Comic-Strip-Adaption des Micky-Maus-Cartoons Plane Crazy veröffentlicht, und dieses Modell machte schnell Schule. Von da an waren die Comicseiten der Zeitungen gefüllt mit gedruckten Varianten beliebter Cartoons sowie neuen Geschichten populärer Cartoonhelden (bevorzugt witzige, anthropomorphe Tiere wie Micky, Donald und Co.). Dabei gab generell das Kinogeschehen den Takt an, und die Comics zogen nach. Nur ab und an stießen die Zeitungscomics voran, so etwa mit der von Entenzeichner Al Taliaferro und Comicautor Ted Osborne vorgeschlagenen Einführung dreier Neffen in Donald Ducks Alltag. Ab dem 17. Oktober 1937 trieben Tick, Trick und Track in gedruckter Form ihren Schabernack, das Licht der Leinwandwelt erblickten sie erst am 15. April des Folgejahres.

Serials und die Geburt der Superhelden
Parallel dazu, wie die Cartoonproduktion das Gesicht der Zeitungscomics einhergehend veränderte, formierte sich auch eine gesonderte Form des filmischen Mediums neu. Serials, rund zwanzigminütige Fortsetzungsfilmchen, waren durch die zunehmende Verbreitung des Tonfilms auf Basis der bloßen Verleihgebühren nicht mehr so rasch profitabel, wie noch zu Stummfilmzeiten. Da jedoch Stummfilm-Serials neben den klingenden Abenteuerreihen der größeren Konkurrenz nicht bestehen konnten, gingen zahlreiche kleinere Studios in den früheren 30ern bankrott.

Die meisten frühen Serials waren aufgrund der niedrigen Kosten für Requisiten, Sets und Kostüme im Western-Genre angesiedelt, sie deckten allerdings eine weite Spanne an Genres und Settings ab – von Ganoven- und Detektivgeschichten über Dschungel- hin zu Agentenabenteuern. Auch die Inspirationsquellen waren breit gefächert, originale Ideen reihten sich an Adaptionen von Groschen-, Fortsetzungs- und Abenteuerromanen (unter anderem Tarzan und Die drei Musketiere) oder Radio-Hörspiele und gelegentlich auch Zeitungscomics. Rückblickend wirken Serials aufgrund ihrer episodenhaften, in jedem Kapitel nach einem Spannungshöhepunkt zusteuernden Erzählweise und der überholten Effektarbeit auf viele Betrachter unfreiwillig komisch. Doch für das zeitgenössische Publikum boten gelungene Serials schnelle, aufregende Abenteuer im Sinne vieler heutiger Popcorn-Blockbuster, weshalb Filmemacher wie Steven Spielberg in leichtfüßigen Abenteuerfilmen diesen Stil zu adaptieren versuchen.

Aber schon gegen Ende der Stummfilmzeit kam es zu ersten Abnutzungserscheinungen: Nachdem sich in den frühen bis mittleren 30ern insbesondere bei älteren Kinogängern aufgrund der Vorhersagbarkeit der sich erzählerisch und optisch immer stärker ähnelnden Serials ein sinkendes Publikumsinteresse abzeichnete, nahmen sich die finanzstarken Universal Studios im Jahr 1936 des Science-Fiction-Comicstrips Flash Gordon an, um ein Serial von Ausnahmegröße auf die Beine zu stellen und verlorene Konsumenten zurück zu gewinnen.

Kosteten Serials üblicherweise zwischen 100.000 und 150.000 Dollar, verschlang das aufwändige Sci-Fi-Abenteuer die damalige Unsumme von geschätzt 350.000 Dollar. Für den Kinobetrachter sah Flash Gordon aufgrund der ausschweifenden Ausstattung sogar noch teurer aus – die Verantwortlichen werteten ihre Produktion auf, indem sie großzügig in den Archiven Universals plünderten. Der Wachturm aus Frankenstein (1931) wurde ebenso wiederverwertet, wie das Labor aus Frankensteins Braut (1935), das ägyptische Götzenbild aus Die Mumie (1932), die Raumschiffe aus Just Imagine (1930) sowie Musik, Weltraum-, Tanz- und Effektaufnahmen aus älteren Produktionen und sogar aus alten Wochenschauen. Insofern war Flash Gordon Hollywoods erste Big-Budget-Comicverfilmung, inklusive enormer Promotionarbeit. In zahllosen Zeitungen, ganz gleich ob sie den Comicstrip regulär abdruckten oder nicht, schaltete Universal Anzeigen, die drei Viertel einer Zeitungsseite abdeckten. Diese beinhalteten Flash Gordon-Geschichten, Zeichnungen des originalen Comickünstlers Alex Raymond sowie Standbilder aus dem Serial.

Da sich die Vorlage, die ihre Leser in actionreichen Geschichten quer durch atemberaubende Welten voller kurioser Monster, romantisch-verführerischen Situationen und gigantischen, futuristischen Städten entführte, zu dieser Zeit auf der Höhe ihrer Popularität befand, hielten sich die Serial-Macher auch sehr nah am Tonfall und Inhalt der Zeitungscomics.

Während andere Serials oft nur den Titel und das Setting mit ihrer Vorlage gemein haben (ein Musketier-Serial verstieß sogar gegen letzteres und verlegte das Geschehen in den Wilden Westen), nahm Flash Gordon sein überdrehtes, fiktives Universum inklusive der handelnden Figuren ernst, inklusive ihrer erotischen Verwicklungen. Die Erzählform der Serials war mit einem Schlag wiedererstarkt, Universals Risikofreude machte sich bezahlt und es folgten zwei weitere Serials mit dem futuristischen Comichelden.

Einige kleinere Produktionsfirmen fusionierten derweil zu Republic Pictures, ein Unternehmen, welches daraufhin ebenfalls eine zentrale Rolle im Goldenen Zeitalter der Serials spielen sollte. Eine der ersten und erfolgreichsten Republic-Pictures-Serials war die 1937 veröffentlichte Adaption des Zeitungscomics Dick Tracy. Im fünfzehnteiligen Serial wurde aus dem Kriminalpolizisten des Mittleren Westens ein G-Man aus San Francisco, außerdem wurde die Comicgalerie an Helden und Schurken nahezu komplett gegen Originalfiguren für das Serial ausgetauscht. Comicschöpfer Chester Gould soll diese Änderungen jedoch abgesegnet haben, Kinopublikum sowie Kritiker waren sogar geradezu begeistert von Dick Tracys Kinoableger, da trotz neuer Figuren und leicht geändertem Setting der Tonfall des Zeitungscomics adäquat für die Kinoleinwand umgesetzt wurde.

Dick Tracy wurde zu jener Zeit von Lesern sehr wegen des kernigen Titelhelden, den knallharten Kriminalgeschichten mit hoher Spannung und ehrlichen, dramatischen Beziehungen zwischen den wichtigsten Figuren geachtet. Das Dick Tracy-Serial schließlich wurde in Sachen Action als unerreichbar beschrieen und zudem für den gelungenen Versuch gelobt, ehrliche zwischenmenschliche Emotionen in diese filmische Erzählform einzuarbeiten, wofür besonders Hauptdarsteller Ralph Byrd hervorgehoben wurde. 1938, 1939 und 1940 folgten drei weitere, ebenfalls hervorragende Zuschauerreaktionen erntende Serials mit Dick Tracy, die auch zu zusammenhängenden Kinofilmen umgeschnitten wurden. Republic Pictures positionierte sich mit weiteren immens gefragten Serials, unter anderem auf Basis des Groschenromanhelden Zorro und der Hörspielfigur Lone Ranger, endgültig als einer der bedeutendsten Produzenten von Serials. Während Flash Gordon eine der größten Inspirationsquellen für Star Wars war, gehört Dick Tracy zu den zahlreichen Serials, an denen sich die Indiana Jones-Filme orientieren.

Währenddessen nahm auch das Comic-Medium neue Gestalt an. Dienten diese anfangs vornehmlich, um Zeitungsstrips gebündelt nachzudrucken, führte National Allied Publications (später: DC Comics) am 18. April 1938 das Comicgenre der Superhelden ein: Superman hatte in Action Comics #1 seinen legendären ersten Auftritt und läutete schlagartig das Goldene Zeitalter des US-amerikanischen Comichefts ein. Kreiert wurde er von Jerry Siegel und Joe Shuster, die einen mythologischen Helden nach den Vorbildern Samsons oder Herkules erschaffen wollten, der es allerdings mit den Übeln der Gegenwart aufnimmt. Sein Aussehen wurde nach dem Vorbild der Hollywoodstars Douglas Fairbanks und Harold Llyod gestaltet, sein Kostüm nach denen der Figuren in den Flash Gordon-Strips sowie den typischen Anzügen von viktorianischen Zirkus-Muskelmännern, die üblicherweise eine enge, kurze Hose über in Kontrastfarben gehaltenen Strumpfhosen trugen. Das Cape wiederum ist dem aktuellen Stand der popkulturellen Forschung in dieser Verwendungsweise eine originale Idee von Shuster & Siegel, deren ursprünglicher Zeichenstil sehr stark von den Dick Tracy-Comics geprägt war, verlegt in eine Großstadt mit einer wie aus Fritz Langs Metropolis entsprungen Architektur.

Ein Jahr nach seinem ersten Comicauftritt erhielt Superman eine eigene, nach ihm benannte Heftreihe, ungefähr ein weiteres Jahr später feierte der stählerne Blitz auch sein Leinwanddebüt. Dem von den Fleischer Studios im Auftrag des Mutterkonzerns Paramount Pictures produzierte Superman-Cartoon ging eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte voraus: Nachdem Paramount im Frühjahr 1941 die Filmrechte an den Superman-Comics erwarb, konfrontierte die Studioleitung im Mai des selben Jahres Dave Fleischer mit dem Wunsch nach einer Kurzfilmreihe über den Superhelden, doch dieser stand dem Projekt sehr kritisch gegenüber. Bislang produzierten die Fleischer-Studios bloß in Schwarzweiß gehaltene, hauptsächlich komödiantische Cartoons mit Cartoontieren und karikierten Menschen. Eine sich ernst nehmende, actionreiche Cartoonreihe mit einem in eher realistischen Proportionen gehaltenen Titelhelden schreckte ihn aufgrund des erwarteten Aufwands ab, so dass er das bombastische Budget von 100.000 Dollar verlang – damit ließen sich sechs Popeye-Cartoons produzieren.

Wider Erwarten wurde Fleischer nicht achtkantig aus dem Büro geworfen, sondern bekam ein Budget von 50.000 für den ersten und 30.000 für jeden weiteren Superman-Cartoon gestattet. Mit seinen aufwändigen Schattierungen, einem selbstbewussten Einsatz von Technicolor, ikonischen Art-Deco-Hintergründen und mühevoller (teils rotoskopierter) Animation des Titelhelden erntete der im September 1941 veröffentlichte Superman eine Oscar-Nominierung als bester animierter Kurzfilm. Paramount ließ bis 1943 sechzehn weitere Cartoons mit Superman folgen, die spätere Generationen von Trickkünstlern zum Design der erfolgreichen 90er-TV-Cartoonserien rund um Superman und Batman inspirierten, sowie den Look von Brad Birds Der Gigant aus dem All und des effektlastigen Realfilms Sky Captain and the World of Tomorrow beeinflussten. Der zweite Superman-Cartoon, The Mechanical Monsters, bildete sogar die Vorlage zu einer Kernsequenz von Hayao Miyazakis Das Schloss im Himmel.

Die Figur des Superman war darüber hinaus auch in Radio-Hörspielen zugegen, trieb ein florierendes Merchandisinggeschäft an und darüber hinaus wurde er, als Motor der Comicheft-Branche, auch als Zeitungscomic adaptiert. Selbstredend herrschte auch reges Interesse seitens der Serial-Produzenten, sich Amerikas ersten und größten Superhelden anzunehmen. National Comics eröffnete Ende 1940 Gespräche mit dem Platzhirsch Republic Pictures, wo man sofort mit der Entwicklung eines Serials begann. Doch während der Geschäftsverhandlungen stieg der Comicverlag aus den Gesprächen aus (letztlich erteilte man Paramount Pictures die Exklusivrechte), weswegen das Drehbuch hastig umgeworfen werden musste- So entstand das keine offizielle Vorlage nennende Serial Mysterious Doctor Satan, welches von Filmhistorikern als ausschlaggebend dafür beschrieben wird, dass das beliebteste Serial-Setting von der Prärie in die Großstadt wanderte.

Diesem Lizenzpoker rund um Superman war es zu verdanken, dass sein damals populärster Mitbewerber im Comicmarkt sogar noch einige Monate vor ihm auf die Leinwand preschte: Im Frühjahr 1941 startete die Republic Pictures seine Reihe Adventures of Captain Marvel, wodurch dieser heutzutage vergleichsweise unbedeutend gewordenen Figur die Ehre zu Teil kam, der erste verfilmte Superheld zu sein.

Die Figur des Captain Marvel wurde vom Texter Bill Parker und Zeichner Charles Clarence Beck erschaffen und feierte ihre Premiere im Februar 1940 im Rahmen der Heftserie Whiz Comics. Die Comics rund um den Waisenjungen Billy Batson, der sich durch das magische Wort "Shazam" in den ausgewachsenen, starken Helden Captain Marvel verwandelt, erreichten in kürzester Zeit eine derartige Nachfrage, dass sie den Superheldencomic-Urvater Superman in Bedrängnis brachte. So sehr, dass die Superman-Herausgeber 1941 eine Plagiatsklage einreichten, um sich Captain Marvel vom Hals zu schaffen. Auch wenn das Grundkonzept etwas anders war, entschied das Gericht nach einem jahrelangen Rechtsstreit, dass die Geschichten tatsächlich eine große Ähnlichkeit aufweisen, weshalb der Klage stattgegeben wurde. Erfolglos blieben dagegen die Versuche des Comicverlags, gegen die Produktion des Serials zu klagen.

Und so baute die Superheldenfigur ihre Beliebtheit zunächst einmal enorm aus: Nach Start des zwölfteiligen Serials Adventures of Captain Marvel stiegen die Verkaufszahlen der Comicvorlage noch einmal stark an, so dass sie die von Superman sogar für einige Zeit überflügelten. Auch die Filmadaption selbst erwies sich als sehr beliebt und hinterließ bei ihrem Publikum einen bleibenden Eindruck. Filmhistoriker bezeichnen sie geschlossen als eines der gelungensten Exemplare ihres Mediums und bis in die 80er-Jahre hinein wurde Tom Tylers Darbietung in der Titelrolle als eine der besten Darstellungen eines Serial- oder Superhelden beschrieben. So reüssierte zum Beispiel Filmkritiker William Cline: "Tylers vorzügliche Performance [...] bleibt in den Köpfen die des bei Weitem denkwürdigsten Serialhelden".

Das Serial erzählt eine eigens entworfene Geschichte, in der Captain Marvel einen mysteriösen, maskierten Superschurken bekämpfen muss, der unter dem Namen The Scoripon eine magische, goldene Skorpion-Statuette an sich gerissen hat. Diese dient ihm als fürchterliche, tödliche Laserwaffe. Der Film dient zugleich als neue Originstory Captain Marvels, da Billy Batson von einem weisen Magier die Fähigkeit verliehen bekommt, sich in einen Superhelden zu verwandeln, damit er dessen Aufgabe übernehmen kann, die magische Statuette davor zu bewahren, von den falschen Händen missbraucht zu werden.

Die Flugszenen wurden mittels aufwändig hergestellter Puppen, die an Drähten entlang gezogen wurden, und schnellen Schnitten zu einem springenden oder landenden Stuntman umgesetzt. Es war für diese Zeit die gelungenste Illusion vom Fliegen, während andere Serials oft darauf zurückgriffen, Menschen im Flug als Zeichentrickfigur darzustellen.

Nachdem Adventures of Captain Marvel den Studios bewies, dass sich Superhelden im Kino rentieren, folgte ein Boom an Comicadaptionen. Und wie es sich in der Geschichte der Filmindustrie stets zeigen sollte, variierte die Qualität der kommerziellen Trittbrettfahrer enorm. 1943 veröffentlichte Columbia Pictures ein (auch für Serial-Verhältnisse) mit außerordentlich niedrigem Budget realisiertes Batman-Serial. Als Batmans erste Filmadaption, welche noch dazu von sehr vielen Menschen gesehen wurde, führte das Serial einige Elemente in die Batman-Mythologie ein, an der sich auch zukünftige Geschichten mit dem maskierten Helden orientieren sollten: Der in den Comics ursprünglich glatt rasierte, kleine und übergewichtige Alfred wurde zu einem großen, schlanken älteren Herr (meist mit Schnurrbart) und Batman erhielt sein legendäres Versteck, die Bat-Höhle.

Die Filmzensur forderte allerdings, dass aus dem maskierten Vigilanten der Comics auf der Leinwand ein vom Staat beauftragter Geheimagent wurde. Außerdem beeinflusste die während des Zweiten Weltkriegs herrschende, gesellschaftliche Stimmung den Filminhalt: Batman nutzt zahlreiche fremdenfeindliche Beschimpfungen, die vor allem Deutsche und Asiaten zur Zielscheibe hatten.


Auch davon abgesehen war Batman, trotz kommerziellen Erfolgs, ein qualitativer Abstieg gegenüber die zuvor genannten Comic-Serials: Die für Serials typischen Cliffhanger waren zumeist lächerlich überdramatisch und erhielten konsequent einfache Auflösungen. Ein Kapitel der Reihe endet mit einem Flugzeugabsturz, zu Beginn des nächsten Kapitels kraxelt Batman ohne den kleinsten Kratzer aus dem Wrack. Hauptdarsteller Lewis Wilson spielte den Part von Bruce Wayne zwar mit Würde und Ernsthaftigkeit, erwies sich in den Actionszenen allerdings als unkoordiniert sowie als schwer aus der Form für so eine Rolle. Auch den Stuntmännern lässt sich nur wenig Grazie attestieren, ebenso wie den Kostümen, in die das Ensemble gesteckt wurde.

Viele der Serials von Columbia Pictures boten qualitativ das, was der unbedarfte Filmkonsument heute einfach pro forma von allen Serials erwartet. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Verfilmung des Abenteuer-Zeitungscomics The Phantom, auf die zwar ebenfalls die sehr cartoonesquen Faustkämpfe und ulkigen Versuche zutreffen, das niedrige Budget zu vertuschen (so versucht man die Hollywood Hills als tiefsten Regenwald zu verkaufen). Doch Tom "Captain Marvel" Tyler nahm auch dieses Mal seine Rolle ernster und konnte sie besser ausfüllen, als sonstige Columbia-Serial-Hauptdarsteller und der Tonfall entsprach klar den Comics.

Republic Pictures widersetzte sich hingegen dem Spartrend bei der Serial-Produktion und veröffentlichte am 5. Februar 1944 mit dem ersten Teil seiner Captain America-Verfilmung das teuerste Serial seiner Studiogeschichte. Das anvisierte Budget von 182.623 Dollar wurde massiv überzogen, letztlich kostete das von Kinogängern enthusiastisch verschlungene, patriotische Serial 222.906 Dollar. Rückblickend betrachtet markiert dieses 15-teilige Superheldenabenteuer den Zenit des Goldenen Serial-Zeitalters, denn nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sowohl Zuschauerakzeptanz als auch der Enthusiasmus der Produzenten (und somit die durchschnittliche Qualität) enorm nach.

Ursprünglich war das Drehbuch für eine andere Hauptfigur konzipiert, allerdings ist nicht weiter überliefert, wer sich mit den mysteriösen Mächten hinter einer Suizidwelle anlegen sollte. Die Filmhistoriker Jim Harmon und Don Glut mutmaßten, dass dieses Maya-Kinoabenteuer ursprünglich als Fortsetzung zu Mysterious Doctor Satan verfasst wurde, sich das Studio dann aber die zur Zeit boomende Captain America-Lizenz krallte. Das führte jedoch zu zahlreichen Abweichungen von der Comicvorlage: Captain Americas wahre Identität ist nicht die des U.S. Army Privates Steve Rogers, sondern die des Staatsanwalts Grant Gardner, der auch nicht erst durch ein Supersoldatenserum so stark wurde. Statt eines Schilds verwendet er eine handelsübliche Pistole, und weder kommen Nazis vor, noch Captain Americas bester Freund Bucky. Timley Comics, der damalige Rechteinhaber des Captain, legte während der Produktion erfolglos Beschwerde ein.

Wie bereits erwähnt, ging es nach Captain America mit dem Film-Serial als solchem bergab. Um Kosten zu sparen, wurden zum Beispiel auch wieder vermehrt Western-Reihen gedreht, außerdem wurden alte Serials neu zusammen geschnitten und wiederveröffentlicht oder mit einem Minimum an neu gedrehten Szenen als frische Ware verkauft. Unter der dadurch sinkenden Akzeptanz und somit auch Rentabilität von Serials litten selbst die Produktionswerte der weiterhin sehr erfolgreichen Superhelden-Serials: 1948 musste man selbst bei der lang erwarteten, ersten Realverfilmung des beliebten Superman auf Zeichentick-Flugeffekte zurückgreifen, außerdem mussten zahlreiche Aufnahmen mehrfach wieder verwendet werden. Dennoch buchten selbst angesehene Kinos das Serial, die sich sonst von dieser Filmform fernhielten. Batman and Robin von 1949 erfüllte letztlich mit zahllosen Logikfehlern, schlecht vertuschten Kostüm- und Budgetproblemen sowie sehr kindlicher, unaufregender Action sämtliche Klischeevorstellungen, die das moderne Publikum von Serials hat.

Werden sich Comicadaptionen von diesem qualitativen Absturz erholen? Wohin verschlägt es Superman und Batman als nächstes? Wie lange dauert es bis zur nächsten originalgetreuen Superheldenverfilmung? Erfahrt es in der nächsten Ausgabe von ... Filmhistorische Fußspuren!

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Donnerstag, 17. September 2009

Filmhistorische Fußspuren: Untote Filmtechniken

Wie angeblich veraltete Techniken und Methoden immer wieder zurückkehren

Die Zeit vergeht unaufhaltsam, und mit ihr erweist sich auch der technische Fortschritt als eine stetig vorantreibende Kraft.
Zunächst erlernten die Bilder das Laufen, einige Zeit später wurden sie farbenfroh. Leinwände wuchsen in die Breite, nachdem Kameras fähig waren breitere Aufnahmen zu machen. Das Farbspektrum wurde immer naturgetreuer, verbesserte Tiefenschärfe ließ das Publikum noch weiter in die Welten hineintauchen, die auf die großen Leinwände projiziert wurden. Die Computertechnik letztlich eröffnte den Filmemachern zahlreiche ungeahnte Möglichkeiten.

Wer allerdings denkt, dass mit jeder Neuentdeckung ein Stück alter Filmtechnik ausstirbt, der irrt sich, zumindest ansatzweise. Denn es gibt kein Naturgesetz, dass für jede Weiterentwicklung den Tod einer antiquierten Methode erfordert. Zwar mag es sein, dass die Allgemeinheit der Filmemacher mit dem Fortschritt mitgeht, aber durch wachsende Anzahl an Möglichkeiten erhalten Künstler eine immer größere Palette an Inspirationen. So kommen Techniken selbst Jahrzehnte, nachdem sie "offiziell" abgelöst wurden zum Einsatz.

Und genau damit möchte ich mich in den folgenden Absätzen genauer beschäftigen.


Bilder, die sich verweigerten, das Sprechen zu lernen
Zunächst einmal sollte an dieser Stelle etwas verdeutlicht werden, was mittlerweile hoffentlich völlig überflüssig geworden ist: Eine wortwörtlich zu verstehende Form des Stummfilms konnte sich niemals durchsetzen. Als es technisch noch nicht möglich war eine zufriedenstellende Form der gemeinsamen Aufnahme und Wiedergabe von Bild und Ton zu bewerkstelligen wurden Filme in Kinos üblicherweise akustisch untermalt. Manche Kinos konnten sich eine Livebegleitung mit einem Orchester leisten, in anderen Kinos musste sich der Zuschauer mit einem Klavierspieler oder mit einer Pianola begnügen.
Völlig geräuschlos ging es in Kinos normalerweise aber nicht zu.

Nachdem das geklärt ist, muss ich natürlich zugeben, dass es durchaus wagemutig von mir ist, einen Artikel über nicht tot zu kriegende Filmtechniken ausgerechnet mit dem Stummfilm zu beginnen. Einigt man sich großzügig darauf, dass ein Stummfilm ein Film ist, in dem nicht gesprochen und idealerweise außer Musik auch keine sonstige Geräuschkulisse zu hören ist, so scheint der Stummfilm nach aufkommen des Tonfilms wirklich schnell ausgestorben zu sein.

Nachdem mit Der Jazzsänger 1927 der erste abendfüllende Tonfilm in die Kinos kam werkelten die Warner Studios schnell an einem reinen Dialogfilm (beim Jazzsänger bestanden rund 3/4 des Films noch immer aus stummen Passagen, sogar inklusive Texttafeln) und ab Mitte 1928 wandte sich auch MGM trotz anfänglicher Bedenken dem Tonfilm zu.
Welche Versprechungen die Reaktionen des Publikums auf den Tonfilm bei findigen Filmemachern auslösten kann man wohl am besten an Walt Disneys Entscheidung ablesen die bereits fertig produzierten Micky-Maus-Cartoons zurückzustellen und den als dritten produzierten Cartoon Steamboat Willie in mühesamer Kleinarbeit mit seinem kleinen Team zu vertonen.
Dabei hatten Walt und Micky den Spielfilmen gegenüber einen unfairen Vorteil: Während Micky in Steamboat Willie wild herumtoben konnte. Eine solche Bild- und Tondynamik war dem Realfilm nicht gegönnt. Die schwerfällige Tontechnik engte den Bewegungsfreiraum von Darstellern und Kamera unglaublich ein.

Dennoch empfing das Publikum den Tonfilm mit offenen Armen, die Besucherzahlen explodierten von 55 Millionen wöchentlich im Jahr 1927 auf 155 Millionen wöchentlich im Jahr 1930. Kein Wunder, dass nur noch wenige amerikanische Künstler, vornehmlich Stars der Stummfilmzeit, weiterhin dem Stummfilm treu blieben. Ironischerweise stellten sich gerade Produktionen wie Chaplins Moderne Zeiten als besonders langlebige Stummfilme heraus.
Allerdings spielt dies wiederum dem Thema dieses Beitrages in die Hände. Obwohl sich der Tonfilm zur Zeit ihrer Veröffentlichung bereits durchsetzte, konnten sich Moderne Zeiten oder Lichter der Großstadt als Klassiker der Filmgeschichte beweisen.

Als jedoch die letzten Größen der "alten" Ära ins klingende Fach hinüberwechselten verendete die Kunst des stummen Films. Erst in der jüngeren Vergangenheit interessierten sich wieder manche Filmemacher für den verzicht auf Dialog. Prominentestes Beispiel dafür dürfte wohl Mel Brooks Silent Movie aus dem Jahre 1976. Ein weiterer junger Stummfilm ist Call of Cthulhu von 2005, eine 47-minütige Verfilmung des berühmten Lovecraft-Mythos.
Vor allem aber deutsche Filmemacher scheinen sich in den Stummfilm verliebt zu haben:

Diese "modernen" Stummfilme sind allerdings nahezu ausnahmelos auf Hommagen an die Stummfilmära beschränkt. Wim Wenders' Die Gebrüder Skladanowsky, Franka Potentes Der die Tollkirsche ausgräbt und das surreale Märchendrama Tuvalu können weitesgehend als Stummfilme bezeichnet werden.
In der Sitcom ALF gab es ebenfalls eine weitesgehend stumme (und schwarz-weiße) Episode, in der sich ALF vorstellt wie es wäre, wenn er und die Tanners in einem Stummfilm leben würden. Wie bei den meisten anderen "modernen Stummfilmen" hängt hier die Wahl des Stilmittels eng mit dem Verweis auf die Stummfilmzeit zusammen. So ist Call of Cthulhu zwar auch aus Bequemlichkeit der Verantwortlichen ein schwarzweißer Stummfilm geworden, jedoch möchte er auch den Anschein erwecken im Jahr 1926 gedreht worden zu sein, in dem Entstehungsjahr der Cthulhu-Sagen.

Zu den wenigen Ausnahmen dieser Regel zählen Tuvalu und die Qatsi-Trilogie (Koyaanisqatsi, Powaqqatsi und Naqoyqatsi), eine Reihe von Dokumentarfilmen, die ihre Themen allein durch unkommentiertes lediglich mit Musik von Philip Glass untermaltes Filmmaterial behandeln.
Der im Vorfeld von vielen als Stummfilm bezeichnete erste Akt von WALL•E indes qualifiziert sich laut seinem Regisseur Andrew Stanton nicht als Stummfilm. Bei WALL•E handelt es sich nämlich, so Stanton, um einen Film, in dem seine zwei Hauptfiguren dem Zuschauer unbekannte Fremdsprachen sprechen.

Seine eigenständige Existenz hat der Stummfilm also zugegebenermaßen verloren, auch wenn er nicht vollkommen von der Bildfläche verschwand. Der Schwarz-Weiß-Film indes lebt nicht nur in Form von Hommagen weiter.


Farblose (und farbarme) Filme
Die vermehrte Verwendung von Schwarz-Weiß als Stilmittel und/oder Hommage könnte durchaus zum Teil darin begründet liegen, dass die Schwarz-Weiß-Ära wesentlich länger lief als die Stummfilmära. Obwohl Hollywood den Farbfilm bereits in den frühen 30ern für sich entdeckte (die ersten Experimente fanden sogar noch früher statt) fanden bis in die 60er Jahre reguläre Schwarz-Weiß-Filme den Weg in die Kinos. Während der Stummfilm schnell zu einem Relikt verkam, existierten Farbe und Schwarz-Weiß gleichberechtigt nebeneinander, was sich zum Beispiel darin zeigt, dass die Academy of Motion Picture Arts & Sciences von 1940 bis 1966 den Oscar für das beste Szenenbild in zwei Kategorien vergab, einmal für Filme in Farbe und einmal für die in Schwarz-Weiß.
Gründe für das lange Festhalten vieler Filmemacher am Schwarz-Weiß-Film waren unter anderem der finanzielle Aspekt sowie die Abneigung einiger Kreativer gegenüber den unrealistischen Farbtönen, die das Technicolor-Verfahren in den Anfangsjahren erzeugte. Ähnlich wie beim Übergang vom Stumm- zum Tonfilm erschwerte auch das damals sehr sperrige Equipment den Gebrauch der neuen Filmtechnik, weshalb einige Regisseure lieber ganz auf Farbe verzichteten.

Ebenso wie beim Tonfilm erkannte Walt Disney nicht nur die Zeichen der Zeit sondern auch die Vorteile des Mediums Zeichentrickfilm, weshalb er sehr früh vollsten Gebrauch von Technicolors Drei-Farbstreifen-Prozess machte und sich sogar für die Anfangsjahre die Exklusivrechte daran sicherte. Der ursprünglich in Schwarz-Weiß geplante Film Flowers and Trees (1932) wurde in diesem Verfahren neuproduziert und gewann den ersten Oscar für den besten animierten Kurzfilm.

Die Disney-Studios lieferten generell Pionierarbeit beim künstlerischen Gebrauch von Farbe als Stilmittel in Filmen. Dass wütende Charaktere knallrot anlaufen, frierende Figuren fieslig blaue Farbe im Gesicht zeigen und dass Charakteren, den speiübel wird so grün wie Spinatsuppe werden mag heute als das selbstverständlichste in der Cartoonwelt gelten, aber seinerzeit musste man sich das erstmal ausdenken. Auch das Vorurteil, dass Zeichentrickfilme knallbunt sein müssen hebelten Walt Disney und seine begabten Künstler aus, und zwar mit Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937). Manche gehen sogar so weit, und sagen, dass die gediegenen Brauntöne des Zeichentrickklassikers für lange Farbfilme an sich der Durchbruch war, egal ob Animation oder Realfilm. Erst durch diesen massiven Kinoerfolg konnte Hollywood davon überzeugt werden, dass das Publikum den Technicolor-Farben stundenlang ausgesetzt werden kann, ohne Kopfschmerzen zu erleiden.
Bei den Schwarz-Weiß-Filmen späterer Jahre waren solche Bedenken natürlich längst passé. Dass einige Regisseure auch bis in die 60er hinein in Schwarz-Weiß drehten hatte vornehmlich persönliche Vorlieben zu Grunde liegen, oder auch die Annahme, dass Farbe bei intimeren, dramatischeren oder spannenderen Stoffen ablenkend wirke.
Trotzdem wurde Farbe im Laufe der 60er endgültig zum Standard, und Schwarz-Weiß-Filme bildeten von dort an eine rare Ausnahme, womöglich nicht zu Letzt weil Hollywood sich mit Farbe und breiten Kinoleinwänden einen Vorteil gegenüber dem Fernsehen verschaffen wollte.

Was mit der endgültigen Übernahme des Farbfilms als Standard eintrat, ließe sich fast schon als Naturgesetz in der Filmkunst beschreiben: Sobald eine Technik nicht mehr der Standard ist, wird sie gezielt als Stilmittel eingesetzt.

Einer der ersten Filme die gezielt zwischen Farbe und Schwarz-Weiß wechselten ist natürlich Das zauberhafte Land von 1939, bei dem Vor- und Abspann sowie die Kansas-Sequenzen in Schwarz-Weiß gedreht wurden (welche man danach in Sepiatönen einfärbte), während der in Oz spielende Großteils des Films in Farbe gedreht wurde um die triste Trostlosigkeit von Kansas und die fantasievolle, farbenfrohe Welt von Oz deutlich gegenüberzustellen. Aus der Zeit, als Schwarz-Weiß schließlich zu etwas altmodischem verkam ist eines der frühsten Beispiele einer solchen Technik der brasilianische Drogenhorrordrama-Experimentalfilm O Ritual dos Sádicos (dt. Titel Coffin Joe: Awakening the Beast) in dem sich vier Frewillige einem LSD-Experiment unterziehen. Die erste Stunde (schwarz-weiße) des Films wurde in einem ironischen, pseudo-dokumentatorischen Stil gedreht, in der sich Wissenschaftler über die Auswirkungen von Drogen unterhalten. Erst nachdem die vier Patienten unter Drogeneinfluss das Poster zum Horrorfilm The Strange World of Coffin Joe anstarrten wechselt der Film zu einem farbenfrohen, halluzinatorischen Sex-, Horror- und Drogentrip.

Ein frühes Beispiel für einen bewusst komplett in Schwarz-Weiß gedrehten Kinofilm nach den 60er Jahren ist Peter Bogdanovichs Die letzte Vorstellung von 1971. Der vom amerikanischen National Film Registry als Kulturerbe eingestufte, melancholische Film aus der Ära des New Hollywood zeichnet das Ohnmachtsgefühl einer Generation nach und wurde deshalb in schlichtem Schwarz-Weiß gedreht, eine Entscheidung die von Orson Welles beeinflusst wurde.

Viele heutige Kultregisseure begannen (aus unterschiedlichen Gründen) ihre Karriere mit Schwarz-Weiß-Filmen. David Lynchs ersten zwei Filme, der surreale Horror Eraserhead und das auf wahren begebenheiten basierende Drama Der Elefantenmensch wurden komplett in schwarz-weiß gedreht, was beiden (trotz ihrer Unterschiedlichkeit) eine beklemmende, albtraumhafte Atmosphäre verleiht.
Kevin Smith dagegen konnte sich für sein Erstlingswerk Clerks schlicht und ergreifend keinen Farbfilm leisten und musste deshalb in Schwarz-Weiß drehen.
Christopher Nolans Erstlingswerk, der moderne Film noir Following, wurde ebenfalls aus Kostengründen in schwarz-weiß gedreht, doch seine Form passt perfekt zum Inhalt: Durch das Schwarz-Weiß erinnert Following nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch an frühere Film noir-Werke. Generell beschließen viele Regisseure, ihre an Film noir erinnernden Projekte komplett in schwarz-weiß zu drehen (wie etwa Soderberghs The Good German) oder wenigstens die Farbe zu entsättigen (etwa Die Hollywood-Verschwörung). Die Film noir-Hommage Tote tragen keine Karos, die aus neu gedrehten Szenen und alten Filmschnipseln besteht, hatte sogar keine andere Wahl - mit eingestreuten Farbsequenzen würde sie gar nicht mehr funktionieren.

Besonders beim modernen Film noir bin ich jedoch kritisch, was das absichtlich gewählte Schwarz-Weiß angeht: Bei manchen erkennt man noch, dass es ein Kunstgriff ist oder eine für die Wirkung des Films nötige Entscheidung. Andere jedoch würden problemlos auch in Farbe funktionieren und es entsteht der Eindruck, dass der Regisseur den Film nur deshalb in Schwarz-Weiß drehte, weil er zu stark abguckte (oder das Publikum für so blöd hält, dass es den Film anderweitig nicht als Film noir verstehen würde). "Seht mich an, ich dreh' in Schwarz-Weiß, ich bin ja soooo kreativ! Und als nächstes schreib ich ein Ende, das keinen Sinn macht! Haha, ich bin ein Künstler!" scheint zu oft der Vater des Gedanken zu sein - und sowas frustriert mich als Zuschauer.
Ein weiteres positives Beispiel für einen komplett in Schwarz-Weiß gedrehten Film ist dagegen wieder Tim Burtons Ed Wood. Zwar ist, ähnlich wie bei The Good German, die Hommage der offensichtliche Grund für die Entscheidung, in Schwarz-Weiß zu drehen (dieses Mal an die C-Klasse-Filme von Ed Wood und nicht an den Film noir), jedoch rechtfertigt sich in Burtons Biographie des schlechtesten Regisseurs aller Zeiten der Rückgriff auf veraltete Filmtechnik durch die Passion, mit der Burton Wood darstellt. Es ist keine ordinäre Filmbiographie, erst Recht keine, wie sie über Ed Wood eigentlich ablaufen müsste. Stattdessen endet sie, ähnlich wie Scorseses Jahre später gedrehte Howard-Hughes-Biographie Aviator, vor seinem Absturz. Burton inszeniert sogar Woods legendär-miserablen Plan 9 from Outer Space als den glamourösen Höhepunkt in Woods Leben. Dass diese Verneigung vor Ed Wood in schäbigem Schwarz-Weiß daherkommt unterstreicht, wie Tim Burton das Thema anging und geht somit über simples Mimikry hinaus.

Noch häufiger als reines Schwarz-Weiß kann man in jüngeren Jahren im Kino eine Mischung aus Farbe und Schwarz-Weiß begutachten. Die Inspiration daher stammt (mehr oder minder) aus dem vorher erwähnten Beispiel Der Zauberer von Oz: Um ein örtliches oder zeitliches Setting vom anderen hervorzuheben, wird eines der beiden Settings in Schwarz-Weiß gezeigt, das andere in Farbe. In American History X sehen wir den wohl am häufigsten verwendeten Abwandlung dieses Kniffs: Die Rückblicke sind schwarz-weiß, während das Jetzt in Farbe abläuft. Memento von Christopher Nolan nutzt eine Variation dieses Kunstgriffes und färbt von seinen zwei Zeitebenen die vorwärts ablaufende in Schwarz-Weiß, während der für die Reputation des Films bedeutsamere, rückwärts laufende Zeitebene Farbe aufweisen kann.

In zwei hervorragenden Schwarz-Weiß-Filmen mit Farbelementen werden letztlich sogar nur einzelne Elemente eingefärbt, und nicht ganze Szenen, um sie vom restlichen Film hervorzuheben. Sie stellen mit ihrer Verwendung meine Lieblingsbeispiele für die Vermischung von Farb- und Schwarz-Weiß-Film dar, selbst wenn sie sonst nicht sonderlich viel gemeinsam haben: Steven Spielbergs Schindlers Liste und Robert Rodriguez verruchte Comicadaption Sin City. In Schindlers Liste sticht aus dem depremierenden Schwarz-Weiß des Nazi-Deutschlands ein junges Mädchen in einem roten Mantel heraus. Spielberg hebt so die bereits in der Buchvorlage besonders hervorgehobene Figur heraus und signalisiert uns, wie das kleine Mädchen Schindler in die Augen stach und so unwissend seine Persönlichkeitsveränderung in Gang setzte.

Sin City ist in seiner Verwendung von Farbelementen zweifelsohne bei weitem nicht so tiefsinnig, besticht jedoch mit einer komplexen, stilistischen Ästhetik und ist somit aus künstlerischer Sicht nicht zu verachten. Erneut werden Dinge eingefärbt, die den handelnden Figuren ins Auge stechen. Die babyblauen Augen einer jungen Prostituierten, das güldene Haar einer engelsgleichen Hure, die zarte Haut der in einer Bar als Go-Go-Tänzerin/Stripperin arbeitenden Nancy Callahan, die roten Turnschuhe die nicht zum restlichen toughen Outfit eines kernigen Kerls passen. Blut. Der stinkende gelbe Bastard.

Sin City ist ein visuelles Meisterwerk und erstaunt immer wieder mit seinen Farbspritzern in Mitten des knallharten Schwarz-Weiß. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Schwarz-Weiß-Filmen wurde Sin City zunächst in Farbe gedreht, bevor digital die Farbe herausgenommen wurde. Normalerweise sind Schwarz-Weiß-Filme ja in Wahrheit eigentlich Grau, doch in Sin City ist das Schwarz tiefschwarz und finster wie die Nacht, während es mit stechendem Weiß kontrastriert wird. Robert Rodriguez ahmt nicht bloß Frank Millers Graphic Novel nach, während wiederum als überstylisierte, moderne und schmutzigere Comicform des Film noir bezeichnet werden könnte, sondern bewirkt mit seiner Farbauswahl weiteres. Anstatt als bloße Verbeugung vor früheren Arbeiten dient sie auch dazu die raue Atmosphäre und die kantigen Figuren stärker zu übermitteln, die irreale Gestaltung Basin Citys und der Bewohner prägnanter zu gestalten. Alles wirkt saucool, doch unfreundlich. Der erträglichste Platz, die mehrmals vorkommende Bar in der Nacy auftritt und sich die Geschichten überkreuzen, ist konsequenterweise das elaborierteste Set (der Löwenanteil des Films wurde auf einer grünen Bühne gefilmt) und ist farblich am wenigsten heruntergeregelt.
Außerdem wirken in Schwarz-Weiß Robert Rodriguez' Discount-Computeranimationen und Guerilla-Make-Up realistischer denn je zuvor, was die Effektarbeit Sin City deutlich beeindruckender macht als man es von Rodriguez gewohnt ist.

Nichts geht für ewig
Neben den beiden großen Weiterentwicklungen in der Filmtechnik lassen sich auch kleinere technische Möglichkeiten nicht völlig unterkriegen, völlig gleich, wie viele modernere Alternativen es geben mag. Sei es aus Nostalgie, künstlerischen Vorlieben oder als gezielt eingesetztes Stilmittel: Die Technik von früher fasziniert Filmemacher noch heute und wird immer wieder ausgegraben. Und manche Techniken werden sogar dauernd totgesagt, und kommen dennoch nie erst unter die Erde.

Da wäre die Technik der Stop-Motion-Animation. Früher war sie in Spielfilmen das Mittel für große Spezialeffekte. Ob ein Mann gegen Skelette kämpfen muss oder Monster eine Stadt plattmachen, wo heutzutage Computereffekte eingesetzt werden, hatten früher Stop-Motion-Künstler ihre Finger dahinter, vorzugsweise Ray Harryhausen.
Heutzutage verzichtet man auf das für heutige Sehgewohnheiten klobige Stop-Motion-Monster, es sei denn jemand möchte Harryhausen einen Tribut zollen. Manchmal werden sogar CGI-Effekte entsprechend umgesetzt, wie etwa in Robert Rodriguez' Spy Kids 2, der zeitweise wie ein alter Abenteuerfilm wirken soll, selbst wenn die verwendeten Techniken auf der Höhe der Zeit waren.
Vor allem aber wird Stop-Motion heutzutage für Animationsfilme verwendet, wie etwa die Wallace & Gromit-Reihe, Corpse Bride oder Henry Selicks Nightmare before Christmas und Coraline. Hier erweist sich die Regel, dass im Bereich der Animation kein Medium totzukriegen ist. Stop-Motion-Trickfilme stecken international seit den 90ern eher sogar eine Blütezeit, während die früheren, typischen US-Weihnachtsfernsehspecials auf dieser Seite des Atlantiks kaum jemandem etwas sagen. Die Computeranimation konnte Stop-Motion nicht verdrängen, egal wie viele Leute dies prophezeiten. Für skurrile, schrulligere Stoffe ist Stop-Motion einfach wesentlich besser geeignet. Ganz zu schweigen davon, dass manche Künstler halt einfach viel lieber mit kleinen Sets und winzigen Darstellern arbeiten, als hinter dem Computer.

Die Liste der hervorgeholten alten Techniken ist nahezu unerschöpflich. Während Kameramänner etwa jahrzehntelang daran arbeiteten, Lichtbrechungen zu vermeiden und sie aus Filmen vernannten um realitätsnäher zu erscheinen, wünschen sich manche Regisseure mittlerweile das Gegenteil und nutzen Lichtbrechungen um einen besonderen Effekt zu erzielen. Wenn beispielsweise Jack Sparrow während des Krakenangriffs in Pirates of the Caribbean - Dead Man's Chest einen besonders heroischen Moment hat und nach einem Gewehr greift, während Elizabeth zu ihm aufsieht, erfüllt eine gewaltige Lichtbrechung das Bild. Diese wurde künstlich am Computer erstellt, um diesem Moment die Ausstrahlung eines heroischen Frank-Frazetta-Bildes zu verleihen. Und in Wall•E arbeiteten die Pixaranimatoren absichtlich Lichtbrechungen ein und berücksichtigten bei Kamerabewegungen den Raum, in dem sich eine echte Kamera während der Szene bewegen könnte, um den Film glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Realismus durch Makelhaftigkeit war die Methode, Wall•E sollte aussehen, als wäre er wirklich gefilmt worden.

Absichtliche technische Fehler sind in der Postmoderne gang und gäbe. Quentin Tarantino und Robert Rodriguez trieben es in Grindhouse völlig auf die Spitze, als sie nicht nur die Grobkörnigkeit und Farbsättigung alter Exploitationfilme imitierten, sondern sogar die Abnutzungserscheinungen, die deren Filmkopien beim übermäßigen Einsatz in schlechten Kinos erleiden mussten. Doch Tarantino und Rodriguez sind nicht die Erfinder dieses "Grindhouse"-Effekts. Wenn Oberanarcho Tyler Durden in Fight Club im Kino arbeitet, wird während der Erzähler erklärt was ein Brandloch ist im Film ein Brandloch eingeblendet. Und als Durden sich kurz darauf gen Kamera richtet und eine kleine, äußerst motivierte Rede hält, beginnt der Film zu wackeln und ist kurz davor durchzubrennen oder zu reißen. Durdens Ausstrahlung und Anarchie durchbrechen "die vierte Wand" des Films, Durden ist so eine mächtige Figur, die ihre radikale Einstellung so leidenschaftlich versprüht, dass sie ihren eigenen Film aushebelt. Unterschwellig wird diese Botschaft selbst im Zeitalter von digitalem Kino erfolgreich vermittelt, obwohl Filme heute nicht mehr reißen können.

Es hat gibt zahlreiche gute Gründe, sich als moderner Filmemacher an verstaubten Techniken zu bedienen. Sie können eine Situation unterstreichen (wer eine Szene über in seinem Film oder seiner Serie Western parodiert ist oft gut beraten während dieser Sequenz auf Super-Mega-Breitbild zu wechseln), wohlige Erinnerungen beim Publikum wecken oder manche Aussagen einfach besser vermitteln können.

So lange es kreative (oder einfach nur außergewöhnliche) Filmemacher gibt, werden auch vergangene Filmtechniken wieder zum Leben erweckt. Und sei es auch nur eine kurze Sequenz über.

In der unregelmäßig fortgeführten Artikelreihe Filmhistorische Fußspuren wurden bislang auch folgende Themen behandelt:

Mittwoch, 11. Februar 2009

Filmhistorische Fußspuren: Promisynchronisationen in deutschen Fassungen von US-Trickfilmen

Sind Promis wirklich ein Fluch hinter'm Mikro?

Die Promisynchronisation. Weithin als eines der größten Übel der Lokalisierungspolitik verschrieen, ein Topargument für die Originalfassungen. Und allgemeinhin als Scheuche bekannt, die ausschließlich den Animationsfilm bestrifft.

Letzteres stimmt sogar, die Promisynchronisation hat sich bislang nur im Animationsbereich durchgesetzt. Die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel ist selbstverständlich existent, so waren die Sprecherinnen von 8 Frauen dem durchschnittlichen deutschen Kinogänger um einiges geläufiger als die Schauspielerinnen im Film, die spanische Adaption des chaotischen Comicduos Clever & Smart wurde mit den Stimmen von Erkan & Stefan "bereichert", in Adam Sandlers Komödie Waterboy ersetzte die deutsche Synchronisation Stammsprecher Dietmar Wunder durch Matthias "Matze" Knop, der Sandler so sprach wie seine damals populäre (und schnell ausgereizte) Kunstfigur Richie, Harold & Kumar wurden mit Oliver Pocher und Rick Kavanian besetzt (auf den letzteren Sprecher werde ich später noch zurückkommen) und zu guter Letzt sprach der damalige Viva-Moderator Mola Adebisi die Hauptrolle in Ali G in da House. Als bemühtes, aber gelungenes Beispiel gäbe es dann noch Christoph Maria Herbst in Willkommen bei den Sch'ti. Gesondert erwähnt werden sollte noch Im Rennstall ist das Zebra los, in dem die Tiere von Promis wie Günther Jauch, Mario Adorf und Heiner Lauterbach gesprochen wurden, jedoch kann man diesen Film wohl getrost als großen Sonderfall betrachten.

Absolute Fehlbesetzung: Suparichie als Adam Sandler

Im Animationsfilm dagegen ist die Promisynchronisation oder -besetzung zwar nicht unbedingt ein Standard, jedoch weitaus verbreiteter, als im Realfilm. Sehr zum Unmut vieler deutschsprachiger Animationsfreunde. Es ist fast schon ein Ritus nach der Ankündigung eines großen US-Animationsfilms in zahlreichen Internetforen öffentlich um eine Nicht-Promisynchro zu betteln. Und fast genauso sehr ist es bereits Tradition, dass vor Kinostart eines Animationsfilm im Fernsehen ein Promi nach dem anderen erklärt, dass er wahlweise "Schon immer synchroniseren wollte" oder behauptet, er mache "sowas ja eigentlicht nicht, aber bei diesem Drehbuch erkannte, dass das mehr ist als ein dummer Kinderfilm".

Allein diese einseitigen Promotionmaterialien, die der geneigte Animationsfan vor Kinostart durchstehen muss sind schon ein Nervfaktor, doch der wahre Grund für den miesen Ruf von Promisynchronisationen sind die schlimmen, ohrenbetäubenden Fehlbesetzungen, die zu Gunsten bekannter Sprechernamen getroffen wurden. Absolute Krönung war wohl Dreamworks eh schon grenzwertiger Große Haie - Kleine Fische, dessen Hauptfiguren bewusst stark nach ihren Originalsprechern gestaltet wurden, in Deutschland aber mit Leuten wie Soapdarstellerin/Sängerin Yvonne Catterfeld, Soapdarsteller Daniel Fehlow, RTL-Klatschreporterin Frauke Ludowig und Mola Adebesi besetzt wurden.
Selbst wer den Film noch nicht gesehen hat kann sich das Ergebnis sicherlich vorstellen...

Neben diesem wohl wirklich krassen Fall gab es in der Vergangenheit aber auch noch viele weitere Beispiele, wo die Synchronisation zwar nicht völlig absurd besetzt wurde wie hier, aber dennoch eine eher fragwürdige Qualität aufwies: Wer braucht schon den unbetont dahinnäselnden Boris Becker in Himmel und Huhn? Überhaupt wollte Disney diesem Film wohl unbedingt mit "Starpower" auf die Beine helfen, schaut man auf die weitere Besetzungsliste. Verona Pooth als Susie Schnatter, Kim Frank als Hühnchen junior, Markus Maria Profitlich als Bruno Hühnchen, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude als Fritz von Vogelwitz und der damals dank einer Hitsingle mit Sasha ein bisschen bekannte Sänger Cosmo Klein als der Sänger des Lieds mehr weiß ich nicht. Und das größte Problem fängt am Ende der Liste an: Damals war Cosmo Klein bekannt. D-A-M-A-L-S. Der Film lief vor nichtmal einem halben Jahrzehnt in den Kinos und ich spreche von damals. So schnell veraltete diese Promisynchronisation (ganz zu schweigen davon, dass Klein die emotionale Nummer zum Schlummerlied verkommen lässt). Den Witz hinter der Besetzung einer Verona Pooth als hässliches Entlein versteht man dagegen noch immer, und ihre Stimme passt schon ein wenig zu der Figur. Dafür macht Kim Frank als Hühnchen junior wieder Probleme. Zwar hat man seine Stimme so sehr hingebogen, dass sie in manchen Szenen schon an Kim Hasper, den Stammsprecher von Hühnchens Originalsprecher Zach Braff, erinnert, an dessen Talent reicht aber längst nicht heran. Wieso einen bekannten, mäßigen "Imitator" wählen, wenn auch die Originalbesetzung bezahlbar gewesen wäre?
Nur Markus Maria Profitlich holt das meiste aus seiner Rolle. Über werde ich deshalb später nochmal zu sprechen kommen.

Weitere negative Beispiele für Promisynchros sind zum Glück nicht mehr als Komplettbesetzung zu finden, sondern nur stückweise. Ärgerlich bleibt es dennoch: Was suchen Ralf Möller und Eva Padberg in Triff die Robinsons oder etwa Guido Cantz und Mirja Boes in Tierisch wild? Vielleicht hätte ich da eine Antwort parat, da sich hier ein Schema abzeichnet: Eh schon schlechte Filme provozieren die deutschen Dependancen der Filmstudios allen Anzeichen nach zu urteilen dazu, dem Film mittels Promistatus hinter dem Mikrofon ein paar zusätzliche Zuschauer abzugewinnen.

Mit zwei weiteren Beispieenl werde ich mir wohl Feinde machen: Der meiner Meinung nach suboptimale Ab durch die Hecke wurde mit der geballten Starpower von Ralf Schmitz, Bernard Hoecker, Jeanette, Götz Otto und Ben Becker zu einem wahren Publikumsrenner. Ganze 3,4 Millionen Zuschauer sahen sich die Dreamworks-Komödie an, und das obwohl sie eine Zeit lang gegen die WM im eigenen Land ankämpfen musste. Zuvor konnte bereits Madagascar sowohl in den USA als auch in Deutschland durch namenhafte Sprecher (hierzulande immerhin Bastian Pastewka, Jan Josef Liefers, Rick Kavanian und die Fantastischen Vier) über inhaltliche Schwächen hinwegtäuschen.

Somit sollte sich die Theorie der erfolgsversprechenden Promisynchro dann doch bestätigen. Wer weiß, wie viele Zuschauer Triff die Robinsons ohne Gottschalk gehabt hätte?
Andererseits... Kann ein Disneyanimationsfilm wirklich weniger als 269.374 Besucher haben? Sogar der von normalen Kinogängern und Disneyfans gleichermaßen verhasste, von Disney "nur" mitfinanzierte und weltweit vertriebene Tierisch wild lockte mehr Leute ins Kino...

Drei Formen von Promisynchro (v.l.nr.): Super, schweigen wir darüber, überraschend gut

Doch ich schweife ab. Konzentrieren wir uns wieder auf die Promibesetzung, und weniger auf ihre (wie man sieht bestreitbare) Auwirkung auf die Kinoeinnahmen.
Auffällig wird: Bei all der Promi-Besetzungswut für miese Filme sind die Studios nicht vor versehentlichen Glücksgriffen geweiht: Wer konnte schon ahnen, dass Verona Pooth ein gutes, hässliches Entlein abgibt oder Thomas Gottschalk ein überzeugendes Familienoberhaupt in Triff die Robinsons? Nur bei Profitlich in Himmel und Huhn gab es gute Vorzeichen...

Da diese Sprecher bloß die raren Glücksmomente einer Talfahrt ins Verderben sind, erklärt sich die Herkunft des schlechten Rufs von Promisynchros von alleine. Und wirklich hilfreich für das Image von Promisprechern wird die Lokalisierung von Pixars Cars nicht gerade gewesen sein: Michael Schumacher, Mika Häkkinnen, Daniel Brühl, Bettina Zimmermann, Rick Kavanian, Christian Tramitz, Nikki Lauda, die Formel Eins-Kommentatoren Danner und Wasser, Franziska van Almsick, Mario Barth, Oliver Kalkofe und Cora Schumacher sprachen in Cars, was mit der allgemeinen Qualität des Films (er war nicht Pixars bester) verbunden so manchem wieder ein schlechtes Bild von dieser Besetzungstechnik vermittelt haben.
Dabei sprachen Schumacher und Häkkinnen bereits im Original, Tramitz und Kavanian warenschon zuvor im Synchronbereich tätig und mit Danner, Wasser, Lauda und van Almsick und Cora Schumacher wollte man ein bisschen den Spaßfaktor des Films für den deutschen Markt rüberretten, der mit Anspielungen auf die US-Rennszene nicht viel hätte anfangen können. Von daher war die Besetzung bei Cars ein anderes Kaliber als die "wir müssen diesen Film irgendwie bekannt machen"-Ideen der vorher besprochenen Filme. Zugegeben, mit dem nuschelnden und schwachen Lauda hat man sich einen akustischen Tritt ins Fettnäpfchen geleistet, und wo der Sinn hinter der durch ihr Rumgequiekse im Film unerkenntlich gemachte Cora Schumacher steckt will sich mir auch nicht erschließen. Dennoch ist die Cars-Synchro bei weitem nicht so schlecht, wie sich durch die Besetzungsliste vermuten lässt. Der schale Nachgeschmack, der von Cars überbleibt wird, meines Erachtens nach, allein durch den Film selbst verursacht. Cars gefiel mir zwar besser als Toy Story 2, doch so wie ich es von Pixar gewohnt war, hätte er Die Unglaublichen schlagen müssen.

Die Unglaublichen wurde übrigens ebenfalls mit einigen bekannten Namen unter den Synchronsprechern bereichert: Markus Maria Profitlich sprach Bob Parr /Mr. Incredible, Kai Pflaume Bobs Kumpel Frozone, Barbera Schöneberger lieh ihre Stimme Mirage und Herbert Feuertsein war als Bob Parrs Giftzwerg von Chef zu hören.
Im Voraus hagelte es in Film- und besonders in Disney-Foren zahlreiche Proteste, dass Disney in Deutschland hiermit einen viel versprechenden Pixar-Film zerstören würde. Brad Birds erster Film nach seinem riesigen Kritikererfolg Der Gigant aus dem All verbindet ein seriös und emotional behandeltes Familiendrama mit waschechter Action und stylischem Retro-Charme, und da seien rumscherzende Promis und der aalglatte Kuppelshowmoderator Kai Pflaume, der ausgerechnet Samuel L. Jacksons obercoole Figur Frozone spricht, einfach fehl am Platz.

Feuerstein deutet auf die falsche Figur, doch da der von ihm erstaunlich gut gesprochene Chef eh kein eigenes Poster vorzeigen kann, ist ihm das verziehen

Entgegen aller Erwartungen überraschte Disney Ende 2004 den deutschen Zuschauer mit einer hervorragenden Synchronisation. Vor allem Markus Maria Profitlich überzeugte als Mr. Incredible. Profitilich sieht dem Superhelden mit Gewichtsproblemen nicht nur sehr ähnlich, sondern bewies auch ein breites darstellerisches Spektrum. Herbert Feuerstein traf den, ihm erschreckend ähnlich sehenden, nörgelnden und abgezpckten Chef auf den Kopf und auch Barbera Schöneberger verlieh der rätselhaften Mirage einen verführerisch-geheimnisvollen Klang. Wieso zum Dreiteufelsnamen Kai Pflaume als Frozone ausgesucht wurde wird sich mir dagegen nie erschließen. Profitlich und Feuerstein wird man wohl aufgrund ihres Aussehens angefragt haben, und bei Schöneberger spielte wohl die Darstellung der Figur Mirage ein wenig bei der Entscheidung mit, aber wer kommt auf den Gedanken Pflaume einen obercoolen, von Smauel L. Jackson gesprochenen Superhelden eindeutschen zu lassen?
Wer auch immer auf diese Idee kam - er hat Glück. Manchmal muss Pflaume schon ziemlich pressen, um Frozones Stimmungslage und Ausdrücke zu untermalen, am Ende passt es aber wirklich. Ich finde die Besetzung tatsächlich gelungen, auch wenn ich Pflaume, im Gegensatz zu Profitlich aus Mr. Incredible, nicht als "Muss" sehe.

Mit Profitlich schneide ich übrigens einen Punkt an, der beim Thema "Promisynchro" gerne unter den Tisch gekehrt wird: Promistimmen, die wirklich perfekt auf die Figur passen. Immer wieder wird über Promisynchros gemeckert, das manchmal wohl verdiente Lob wird dagegen liebend gern ausgelassen.
Otto ist als Faultier Sid (Ice Age) und vorlauter Drache Mushu (Mulan) ein wahrer Traum, vor allem Ice Age hätte es ohne Otto in Deutschland wohl nicht so weit gebracht. Komikerkollege Michael "Bully" Herbig verlieh dem arroganten Kuzco in Ein Königreich für ein Lama auf Deutsch jede Menge Charme und Witz und ist trotz Bullys unverkennbarer Eigennote noch immer vorlagengetreu. Und Terk aus Disneys Tarzan ist mir nur mit Heike Makatsch als Sprecherin sympathisch.
Die perfekte Promibesetzung fängt, wie man sieht, bei komödiantischen Rollen an, ist aber keineswegs auf sie beschränkt, wie sich ebenfalls durch Disneys Tarzan-Adaption beweisen lässt. Anke Engelke ist eine großartige Jane, verleiht der Figur Stärke, Charme, Liebenswürdigkeit und eine schlagfertige Natur. Auch als Fisch mit Gedächtnisstörung ist Anke Engelke mehr als nur witzig: Als Dorie in Findet Nemo musste sie auch das dramatische Element des Films mittragen und war für ein paar rührende Szenen verantwortlich.
Großen Respekt verdient hier auch ihr Kollege Christian Tramitz, der den Clownfischvater Marlin mit viel Herzblut sprach.

Synchronsprecher, der versehentlich bekannt wurde: Tramitz

Christian Tramitz' großes Engagement in der Synchronbranche wirft eine weitere, entscheidende Frage auf: Was ist überhaupt eine Promisynchro?
Denn Tramitz mag zwar dank der Bullyparade eine bekannte Persönlichkeit sein, aber er verdient sich durch Synchronjobs auch sein tägliches Brot, ganz anders als Thomas Gottschalk, Markus Maria Profitlich, Yvonne Catterfeld und Co. Tramitz tritt nicht gelegentlich hinter's Mikrofon, sondern regelmäßig.
Mehr noch, denn Tramitz war sogar schon als Synchronsprecher tätig, bevor er zu einem deutschlandweit bekannten Star wurde. Er sprach mehrfach den "frühen" Jackie Chan, war in Police Acadamy 2 bis 6 zu hören und ist mehr oder weniger der deutsche Stammsprecher von Judge Reinhold (Santa Clause). Tramitz war zudem niemand geringeres als die deutsche Stimme vom Schurken Eisenbeiß aus Disneys unglaublich populärer Zeichentrickserie Darkwing Duck sowie der Sprecher von Willie Tanners Bruder Neal aus der Serie ALF.

Wenn man Tramitz, der erst Synchronsprecher war und dann berühmt wurde, nun als Promisprecher bezeichnet und seine Synchronleistungen runterputzt kann man nur von blindem Hass reden, von der kopflosen Verfolgung eines Trends, dem "Promi-Synchro-Bashing".

Mögen mir bei Tramitz jedoch vielleicht noch einige Gegner von Promisynchros zustimmen, stellt sich die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist. Ab wann ist ein bekannter Mensch als "ernst zu nehmender" Sprecher akzeptiert? Liegt es an der Anzahl der Einsätze? Ist dann auch Rick Kavanian (12 Filme) ein etablierter Sprecher? Was ist mit Anke Engelke? Immerhin ist das Synchronisieren von Marge Simpson nun ihre geregelste TV-Arbeit, die sie zudem (nach einiger Eingewöhnungszeit an diese Rolle) sogar ganz gut hinkriegt. Spätestens seit ihrer Arbeit am Simpsons-Kinofilm akzeptiere ich sie, auch wenn sie in einigen früheren Folgen sehr künstlich klingt.

Fritsch war einst ein Star. Bejubelt ihn als Synchronsprecher!

Und was ist erst mit Leuten wie Anke Engelkes Vorgängerin Elizabeth Volkmann oder Thomas Fritsch, die vor ihrem dauerhaften Engagement als Synchronsprecher aufgrund von Fernsehprojekten und Theaterarbeiten im Rampenlicht standen? Als sich ihre Karrierelaufbahn veränderte, gingen sie in die Synchronbranche. Wenn man jeden Sprecher, der einem auch aus einem anderen Zusammenhang (also eigene Film- und Fernsehauftritte, Sport, Musik usw.) bekannt sein kann als "Promi-Sprecher" bezeichnet und diese Besetzung automatisch verteufelt, dann müsste man auch Fritsch hassen, der vor allem bei Disney seine Spuren hinterließ: Als Jeremy Irons bzw. Scar (Der König der Löwen), Tim Curry (Die drei Musketiere, Die Muppers Schatzinsel), Geoffrey Rush bzw. Nils (Findet Nemo), Liam Neeson bzw. Aslan (Narnia) David Hyde Pierce bzw. Dr. Doppler (Der Schatzplanet) und Patrick Stewart bzw. Bambis Vater (Bambi 2) prägte er schon mehrere Filme und vor allem sein galant-abartiger Scar gehört zu den Glanzstunden deutscher Disneysynchronfassungen.

Ja, für einen Promisprecher wurden sogar Petitionen ins Internet gestellt: Schauspieler und Komödiant Peer Augustinski wurde aus gesundheitlichen Gründen als Robin Williams' Stammsprecher abgesetzt, worauf zahlreiche Proteste folgten.

Aber nicht nur das Werk einzelner Personen müsste als Promisynchron abgetan werden, sondern ganze Filme. Wo sind die laut aufschreienden "Ich hasse Promisynchros, ich will die Disneys der 90er zurück"-Meckerfritzen, wenn über Der König der Löwen diskutiert wird?
Neben dem bereits angesprochenen Thomas Fritsch sprechen dort auch die Komikerin Hella von Sinnen und der Disco-Moderator Ilja Richter. Der ist übrigens als Mike Glotzkowski in Die Monster AG zu hören, einem weiteren Film dem trotz prominter deutscher Besetzung kaum jemand eins von über drei Millionen Haare (allein an Sullys Körper) krümmen mag. Dabei sprechen dort auch der stets angetrunkene Schauspieler Martin Semmelrogge, die Komikerin/Moderatorin Sissi Perlinger und Peter Lustigs Nachbar Paschulke (Helmut Krauss).

Oder springen wir Mal noch weiter in der Zeit zurück: Wieso sind Schlagersängerin Wencke Myre und Entertainer Harald Juhnke in Bernard & Bianca Kult, weshalb darf Aristocats mit dem Pianisten und Sänger Paul Kuhn sowie Schauspieler und Kabarettist Klaus Havenstein auftrumpfen? Von der Heiligsprechung der Dschungelbuch-Synchro ganz zu schweigen, wo dieser Promi ebenfalls rumhampeln darf...

Manche Promis verdienen halt ein "Daumen hoch"

So könnte ich mich durch zahlreiche ältere und beliebte Synchronisationen wüsten. Was ich natürlich nicht machen werde, denn mein Standpunkt sollte klar sein: Das stetige blinde Kritisieren einer Synchronisation, sobald ein Prominenter mit an Bord ist, ist völlig albern. Erst Recht, wenn derjenige, der kritisiert sich nur auf Berümtheiten "seiner" Generation wirft und etwa völlig vergisst, dass der ältere Bruder den ebenfalls mitsprechenden Ilja Richter als Prominenten ansieht.

Das Anti-Qualitätsmerkmal "Promi-Synchro" kann deshalb nur dann missachtend gebraucht werden, wenn der jüngeren Zielgruppe derzeit in den Medien tätige, Zuschauer anlockende Namen vorgesetzt werden, obwohl diese Leute eigentlich nicht als Synchronsprecher tätig sind.
Selbst dann würde ich nicht immer von einer Promisynchro sprechen - es kann auch Glücksgriffe geben und eine aktive Promotion mit dem Promi ist für die Definition der Klischee-Promisynchro auch nötig. Profitlich machte ein paar kurze Interviews für WALL•E sowie ein Pressefoto. Profitlich als der Sprecher des dialoglastigsten Charakters im Film war allerdings auch so ziemlich der einzige Ansprechpartner für exklusives Material in Deutschland. Disney verzichtete auf eine große Werbetour mit ihm und wer den Film auf Deutsch und Englisch gesehen hat wird mir sicher beipflichten: Profitlich wurde nicht wegen seines Namens gewählt. Er klingt einfach fast genauso wie der Originalsprecher des AXIOM-Kommandanten, Jeff Garlin. Als ich den Film das erste Mal auf Englisch sah, traute ich meinen Ohren nicht.
Hier wurde Profitlich eindeutig deshalb gewählt, weil er stimmlich perfekt passt und bereits bewies, dass er auch die Dramatik der Rolle tragen kann.

Und das ist nur eines von vielen Beispielen.

Wenn das nächste Mal also ein Prominenter für die Synchronisation eines Animationsfilms angekündigt wird, denkt daran: Das gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten und muss wirklich nicht in einer Katastrophe enden. Und wenn es doch wieder grausam wird: Schimpft die Sprecherwahl generell aus, nicht bloß den Bekanntheitsgrad des Sprechers.

In der unregelmäßig fortgeführten Artikelreihe Filmhistorische Fußspuren wurden bislang auch folgende Themen behandelt:
Außerdem empfehlenswert:
Und jeder, der mehr Infos über die Sprecher von (Disney-)Animationsfilme wissen möchte, geht bitte auf Edi Griegs Synchronarchiv!