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Dienstag, 21. November 2017

Aus Einflüssen munter und liebenswert zusammengeschnurrt

Es ist eines dieser "Walt Disney Meisterwerke", die keine eigene Themenparkattraktion erhalten haben, keine Serienfortsetzung, nicht einmal eine Weiterführung in Form eines DisneyToon-Studios-Films. Und von einem Realfilm-Remake ist auch nicht die Rede - und das, obwohl Disney die heutzutage mit ähnlichem Eifer ankündigt wie einst Fortsetzungen für den Videomarkt. Kurzum: Es ist ein Disney-Trickfilm aus der zweiten oder gar dritten Reihe. Schließlich hat es der Film nicht einmal auf irgendeine Referenz, und sei sie noch so klein, im Disney Infinity-System gebracht.

Und wenn an den Film gedacht wird, so kommt es gerne Mal vor, dass zynischere Zungen behaupten, er gehöre ans untere Ende der Meisterwerke-Rangfolge, da es doch nur ein ambitionsloses, zusammengeklautes Filmchen sei, das belanglos im Disney-Kanon rumdümpelt. Gleichzeitig ist es aber auch einer der erfolgreichsten Filme der deutschen Kinogeschichte und zudem eine durch und durch liebenswerte, kleine, feine Produktion. Es ist an der Zeit, für diesen Disney-Zeichentrickfilm eine Lanze zu brechen.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für ...

Aristocats

Egal, wie klein und nichtig Aristocats als Story und wieder verwendbare Marke erscheinen mag: Als Baustein des Disney-Imperiums ist Wolfgang Reithermans Regiearbeit gar nicht so unbedeutend. Es ist der erste Disney-Zeichentrickfilm, der ohne größeren Einfluss durch Walt Disney entstand und somit ist sein solider finanzieller Erfolg in den USA sowie seine große Popularität im Europa der frühen 70er-Jahre keinesfalls zu unterschätzen. Diese musikalische Zeichentrickkomödie hielt die Disney-Maschine am Laufen und in den Köpfen der Leute, nachdem der so einflussreiche Firmengründer 1966 verstarb.

Walts Beteiligung an Aristocats beschränkt sich nahezu darauf, dass er grünes Licht gab. Ursprünglich war die Story einer Katzenmutter und ihrer Kinder, die von einem Butler sowie einer Magd ausgesetzt werden, als Realfilm-Zweiteiler für Walt Disneys Fernsehsendung geplant, doch die Story, die Harry Tytle und Tom McGowan erarbeiteten, schien in Walt Disneys Augen Potential für einen Zeichentrickfilm zu haben. 1966 beauftragte er Cinderella-Autor Ken Anderson, dies genauer zu überprüfen, woraufhin er gemeinsam mit Reitherman an einem Treatment tüftelte, in dessen Rahmen der Fokus stärker auf die Katzen gelegt wurde. Nur kurz vor seinem Tod gab Walt Disney, basierend auf einigen frühen Skizzen, den Daumen hoch für die Aristocats.

Nach Walts Tod änderte sich die Story weiter: Aus zwei Schurken wurde einer, die Absicht der Katzenmutter, für jedes ihrer Kinder eine neue Heimat zu finden, wo sie ihre Talente ausleben können, wurde gekippt. Reitherman befand, dass eine Abenteuerkomödie im Stile von 101 Dalmatiner reizvoller sei.

Rückblickend mögen viele Disney-Fans die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, wie rührend Aristocats hätte sein können, aber im Kontext des filmischen Zeitgeschehens muss ich Reitherman das richtige Näschen attestieren: Das Publikum war auf amüsante Trickabenteuer aus, wie der immense Erfolg von Das Dschungelbuch und zuvor auch 101 Dalmatiner bewies. Nach Disneys Tod keine Risiken eingehen zu wollen, sollte einige Jahre später für den Konzern zu einem schwerwiegenden Problem werden, allerspätestens Cap & Capper verzettelte sich viel zu sehr in Disney-Formeln. Aber der erste aktiv in Produktion geschickte Film ohne Walt brauchte ein "Keine Sorge, wir sind noch da, und wir unterhalten euch weiterhin wie gewohnt"-Feeling.

Dies lieferte Aristocats, und selbst wenn der jazzige Einfluss von Dschungelbuch, das Tier-Entführungsabenteuer von 101 Dalmatiner und die Romanze zwischen Haustier und Streuner aus Susi und Strolch in ein Paket gepresst wahrlich keinen superoriginellen Film ergeben: Diese Katzenabenteuerkomödie gleicht dies mit einer geballten Ladung Charisma aus.

Dazu trägt unter anderem das Pariser Flair des Films aus. Vielleicht ist es das romantisch-pittoreske Setting selbst, doch in der Xerox-Ära der Disney-Trickstudios fällt es schwer, einen Film mit hübscheren, detaillierteren Hintergründen zu finden als Aristocats. Katzenmutter Duchesse ist zwar eine betont feine Dame, dennoch wird ihr durch die freundliche Charakteranimation und Eva Gabors respektive Brigitte Grothums warme Stimme eine zugängliche Art attestiert, genauso wie Thomas O'Malley (Phil Harris bzw. Edgar Ott) nicht einfach nur eine Katzenkopie vom feschen Draufgänger Strolch ist, sondern auch ein schnell dem Familiengedanken gegenüber auftauender Nicht-so-ganz-Cassanova. Das neckische Zusammenspiel der Katzenkinder Marie, Berlioz und Toulouse beruht nur minimal auf geschwisterlichem Streit, und bringt auch einige entspanntere Momente mit sich, und sowohl die Romanze zwischen Thomas und Duchesse als auch das Anfreunden zwischen Thomas und den Kindern wird selbst bei einer sehr knackigen Laufzeit von rund 78 Minuten in recht plausiblen Fortschritten skizziert.

Höhepunkt des Films ist dennoch die explosive Gute-Laune-Nummer Katzen brauch'n furchtbar viel Musik von Floyd Huddleston und Al Rinker, die gewiss im Alleingang dafür gesorgt hat, dass die Ende der 70er aufkeimenden Vorwürfe, die Disney-Studios seien eingestaubt, nicht schon in den frühen 70ern aufgekommen sind. Gleichwohl sticht die Szene nicht dornig aus dem Film hervor oder wirkt wie ein "Wir sind noch immer relevant!"-Hilfeschrei, sondern ist ein organischer Moment, in dem Lebemann Thomas und die elegante Duchesse durch ihre Liebe zur Musik näher kommen und die erschöpften Katzenkinder wieder Energie schöpfen.

Aristocats mag sich weder so hartnäckig in die Popkultur festgebissen haben wie Das Dschungelbuch, noch so viele Herzen verwirrt haben wie der in meinen Augen öde geratene und brutal überbewertete Robin Hood, doch mit Flair und Schwung hat er einige typische Disney-Zutaten neu zu einem liebenswerten Film zusammengemischt und so das Studio zu einem entscheiden Zeitpunkt auf dem Kurs gehalten.

Und deshalb hat Aristocats mehr Respekt verdient!

Freitag, 4. Juli 2014

Yo-Ho, Yo-Ho, 'ne Piratenbraut für mich!

Es ist schon ulkig. Filme, die Rekorde brechen, dürfen fest damit rechnen, dass sie einen gewaltigen Backlash erhalten. Es ist schwer, eine Gruppe von Menschen zusammenzutrommeln, die Avatar – Aufbruch nach Pandora gesehen haben, ohne dabei auch eine Handvoll eifriger Gegner des Kassenschlagers zu finden. Ebenso wird über Titanic, die Transformers-Filme oder auch Skyfall gelästert. So mancher Hass ist gerechtfertigt, andere Male ist er überzogen.

Nun lässt es sich halbwegs logisch erklären, weshalb es einfacher ist, Feinde eines bombastischen Blockbusters zu finden, als Gegner eines mittelgroßen Erfolgs wie Die Unfassbaren: Schon allein die simple Tatsache, dass mehr Menschen Avatar gesehen haben, erhöht die Möglichkeit, mehr Kinogänger zu finden, die eine negative Meinung über den Film haben. Genauso ließe sich mutmaßen, dass eine wenig besuchte Produktion demnach vergleichsweise sicher sein sollte, keine lautstarken, von vielen Filmfreunden wiederholten Hassparolen erdulden zu müssen. Denn wenn ja kaum jemand das Projekt gesehen hat, können auch längst nicht so viele Personen lästern ... Aber weit gefehlt. Wenn eine Hollywood-Produktion über ein hohes Budget verfügt und dann an den Kinokassen scheitert, herrscht nur selten eine überwältigende Gleichgültigkeit vor. Stattdessen herrschen Schadenfreude und Gehässigkeit vor. Und es werden verdächtig viele Stimmen laut, die dem Film seinen Misserfolg gönnen – so dass sich teilweise die Frage stellt, wo auf einmal die zahlreichen Besucher herkommen, wenn das Projekt doch eigentlich gefloppt ist.

Und so entwickeln sich fast schon in schöner Regelmäßigkeit aufwändige Produktionen zur Punchline der Filmbranche und diskussionsfreudiger Kinofreunde. Infolgedessen bleiben einige Flops länger im Gespräch als so manches gewinnbringende Werk. Immer und immer wieder werden Werke wie John Carter, Lone Ranger, Ishtar, Howard – Ein tierischer Held oder Die Abenteuer von Pluto Nash ans Tageslicht gezerrt und zum Prügelknaben gemacht. Manche dieser Flops haben sich ihre Häme redlich verdient, andere sind Opfer eines Teufelskreises aus mieser PR, ungerechten Kritiken und voreingenommenen Betrachtungsweisen. So mancher Flop konnte sich über die Jahre zum Kultfilm verwandeln oder gar zum großen Klassiker (man denke etwa an Fantasia), doch was ist mit diesen vielfach geschundenen Streifen, die nicht ganz das Zeug zum später wiederentdeckten Filmjuwel haben, es aber vollauf verdient hätten, schlicht als ansprechender, kurzweiliger Bombast angesehen zu werden?

Lasst uns einen Blick auf den letzten aufwändig produzierten Piratenfilm werfen, der ohne Johnny Depp auskam und staunen, wie viel Spaß er trotz mancher Mängel macht.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für …

Die Piratenbraut

Der 1995 in den USA gestartete Abenteuerfilm mit Geena Davis in der Hauptrolle ist ein Misserfolg, wie er im Buche steht. Bei einem Budget von 98 Millionen Dollar spülte er weltweit weniger als elf Millionen in die Kassen, woraufhin das verantwortliche Studio Carolco Pictures (unter anderem Heimat der ersten drei Rambo-Filme) Konkurs anmelden musste. Hauptdarstellerin Davis und Piratenbraut-Regisseur, ihr Ehemann Renny Harlin (Stirb langsam 2), gerieten aufgrund dieses Films und ihrer nächsten Zusammenarbeit (Tödliche Weihnachten) in einen so großen Krach, dass sie sich scheiden ließen. Und zudem sorgte dieser Flop dafür, dass Filmstudios das Genre des Piratenfilms als sicheres Kassengift erachteten. Erst mit Fluch der Karibik startete 2003 wieder ein großer Realfilm über Seeräuber. Dieser wurde bekanntlich zu einem gigantischen Hit, aber so ganz sind die Rum saufenden Schurken der sieben Meere ihren Ruf nicht los geworden: Abseits der Disney-/Bruckheimer-Reihe gibt es weiterhin keine nennenswerten Realfilm-Piratenabenteuer ...

Selbstredend kann ich nur mutmaßen, was passieren würde, käme Die Piratenbraut erst heutzutage in die Kinos. Jedoch erscheint es mir angesichts der Launenhaftigkeit dieses visuell aufwändigen, nicht all zu geistreichen Films glaubwürdig, dass er zu einem soliden Sommerhit aufsteigen würde. Zu einer Art "Fluch der Karibik light", ähnlich, wie auch die Vermächtnis-Filme mit Nicolas Cage den Hunger der nach spaßigen Abenteuerfilmen gierenden Kinogänger stillten. Aber im Jahr 1995? Damals brauchte es keine süffig-unterhaltsamen Abenteuerfilme, um zwischen all den zappendusteren, explosiven Giga-Blockbustern etwas Abwechslung in Sachen Popcorn-Unterhaltung zu haben. Mit Ace Ventura, Goldeneye (Bonds Rückkehr ins leichtfüßige Fach), Jumanji, Batman Forever und Casper waren einige der größten Hits des Jahres bereits flott, leicht verdaulich und launig. Doch anders als Die Piratenbraut spielten sie in der Gegenwart, so wie die meisten Hits dieser Dekade. Erst dank der Fantasywelten von Harry Potter, Herr der Ringe oder nunmal Fluch der Karibik wurden die Zuschauer wieder für andere Zeiten gewonnen, wovon Die Piratenbraut als Film der 2010er-Jahre gewiss profitieren würde.

Aber gut. Die Piratenbraut kam bekanntlich 1995 heraus und legte eine denkwürdige Bauchlandung hin. Und eben dieser Misserfolg scheint nahezu die einzige Raison d'être in der Filmgeschichte zu sein, die dieses Projekt aufweisen kann. Denn unter den geschundenen Riesenflops ist Die Piratenbraut eines der Werke, die kaum inhaltlich besprochen werden. Dabei ist Renny Harlins Swashbuckler dank interessanter Schwächen und liebenswerter Stärken wahrlich aufregend genug, um auch abseits dieses wirtschaftlichen Aspekts besprochen zu werden!

Das stärkste Element dieses Piratenspaßes ist die Instrumentalmusik von John Debney, der sich in späteren Jahren unter anderem durch Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast, Ein Königreich für ein Lama, Die Passion Christi und Iron Man 2 einen Namen gemacht hat. Die bombastischen, kraftvollen Melodien aus der Pirates of the Caribbean-Saga sind für mich zwar unschlagbar, dennoch lässt sich Debneys Score nicht genug loben, weil er in der Welt der filmischen Piratenmusik die ideale Brücke zwischen den klassischen Hollywood-Swashbucklern und der Disney-/Bruckheimer-Reihe schlägt. Lauter, stärker und wilder als das, was in den urigen Piratenfilmen zu hören war, aber konventioneller, harmonischer und fideler als Hans Zimmers durch rockig-moderne Einflüsse eingefärbte PotC-Musik. Die Stücke gehen ins Ohr, wecken Abenteuerlust und Sehnsucht nach einem Karibikurlaub. Aber auch abseits der subtil zahlreiche Leitthemen aufbauenden und dann komplex verwebenden Musik Debneys, die sich vor allem auf Holzblasinstrumente, enorme Percussionarbeit und einen heroischen Chor verlässt, ist Die Piratenbraut besser als man erwarten mag.

Da wären etwa die weitwinkligen Kulissen von Mindy Marin, Norman Garwood, Roger Cain, Keith Pain und Maggie Gray, die vor allem aus heutiger Sicht eine Augenweide sind. Heute würden solche Sets nur mit ausführlicher digitaler Hilfe erstellt, aber in diesen Kulissen könnte man sich glatt verlaufen. Vor allem die Tavernen sind mit ihrem Detailreichtum und einem leichten Grad von Stilisierung sehenswert. Die Kostüme wiederum sind (erst recht jetzt, nachdem Filme wie Fluch der Karibik oder zahlreiche gelungene Superheldenfilme eine neue Ära des fantastischen Realismus einläuteten) eine komplizierte Sache: Einerseits sind sie prunkvoll und abwechslungsreich. Andererseits sehen sie ungeheuerlich künstlich aus. Die Piratenbraut fällt nämlich genau zwischen den Ästhetiken großer Swashbuckler-Klassiker und modernem Kostümbombast wie in Fluch der Karibik zu bestaunen: Die Kameratechnik und die Farbwelt dieses 1995 veröffentlichten Flops sind modern genug, um den altmodisch-theatralen Charme der Ära von Douglas Fairbanks und Errol Flynn hinter sich zu lassen. Gleichwohl ist noch nicht der Aufwand eines Fluch der Karibik oder Herr der Ringe erreicht. In diesen Filmen sind die Figuren schmutzig, verdreckt, verschwitzt. Jack Sparrow ist voller Hautunreinheiten, Verbrennungen und Narben, andere Piratencharaktere haben auffallend vergilbte Augen und die Zähne der PotC-Figuren sind nicht gerade gepflegt. In Die Piratenbraut hingegen sind zwar Leinenhemden, Kapitänsmäntel und allerhand exzentrische Outfits zu sehen, doch all dies sieht aus wie frisch von der Stange. Die Kostümwahl stimmt, doch der Alterungsprozess wurde nicht so intensiv betrieben wie bei den Bruckheimer-Piraten. Man nehme noch das gepflegte Auftreten der Darsteller hinzu (Hauptdarstellerin Geena Davis bekommt irgendwann mal eine kleine Rußschmiererei im Gesicht ab und das war es fast schon) und schon will die Illusion nicht mehr so ganz aufgehen.


Fluch der Karibik breitet vor seinem Publikum ein lebendes, atmendes Paralleluniversum aus. Die Piratenbraut sieht dagegen so aus, als hätte jemand intensiv über Piraten recherchiert ... und dann einen Haufen gut aussehender Schauspieler für ein Hochglanz-Fotoshooting eingekleidet. Geena Davis' Zähne strahlen und ihr Schweiß glänzt gerade so sehr, dass es den Bereich "Karnevalskatalog" verlässt und den Sektor "FHM-Cover für eine Sommerausgabe" penetriert. Oder vielleicht auch die Ecke "Frau in einem Michael-Bay-Film, vor der Finalstunde". Aber "ja, so sehen Piraten nach Tagen auf hoher See aus"? Den Status erreichen Davis und ihre Nebendarsteller nie. Was Die Piratenbraut daran hindert, optisch in allen Belangen herauszuragen, jedoch unfreiwillig den schrillen Charme dieses Films unterstützt. Peinlicher als die künstlichen Kostüme sind da schon die Totalen und Weitaufnahmen auf See, die zwar die Prächtigkeit der für den Dreh genutzten Schiffe einfangen, gleichzeitig aber auch durch das ruhige Wasser vorführen, dass Die Piratenbraut zu weiten Teilen in statischen Gewässern gedreht wurde. Und nicht etwa im Ozean (oder wenigstens in einem Wassertank, bei dem man sich die Mühe machte, Wellen zu erzeugen).

Um auf Geena Davis zurückzukommen: Ja, die Stylisten und die Kostümabteilung haben sie so hergerichtet, dass es wirkt, als sei ihre Figur der kessen Piratenkapitänin Morgan Adams vom Set eines Softcore-Films mit Piratenthematik geflohen (ein Eindruck, der durch ihre Einführungsszene und die überbeleuchtete, leicht verschwommene Optik der ersten halben Filmstunde verstärkt wird). Doch Davis' weiß, dies zu ihrem Vorteil zu nutzen: Obwohl es unentwegt so aussieht, als würde sie sich gleich ausziehen und mit ihren Welpenaugen ihre Feinde verführen, spielt sie mit kesser Wirkung gegen dieses Auftreten an. Mit verschmitztem Lächeln und schneidigen Sprüchen erschafft sie eine Piratenkapitänin, die sich schlicht dadurch definiert, dass sie gerissen und abenteuerlustig ist. Und nicht dadurch, dass sie eine "Frau in einer Männerdomäne" ist. Da nunmehr Jahr für Jahr das Frauenbild in Blockbustern auseinandergepflückt wird und viele Frauenfiguren als desolat eingeordnet werden müssen, ist es ziemlich erstaunlich, wie selbstverständlich und gelungen die Positionierung dieser Figur geraten ist.

Etwas glatt skizziert ist Morgan Adams zugegebenermaßen schon: Ihr Erzfeind ist immerhin ihr Onkel Dawg Brown, der ihren Vater tödlich verletzte, um an eine Schatzkarte zu gelangen. Statt das Motiv familiärer Rachegelüste in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen, schenken die Drehbuchautoren Robert King und Marc Norman dieser viel Potential aufweisenden Dynamik aber nahezu keine Beachtung. Stattdessen nutzen sie diesen Plotpunkt allein, um eine Schatzsuche in die Wege zu leiten. In deren Rahmen begegnet sie in einer schwer bewachten britischen Kolonie dem Gentleman-Betrüger William Shaw (Matthew Modine), den sie dank seiner Sprachkenntnisse für die Schatzsuche anheuert. Zwischen den beiden Tricksern entwickelt sich eine gewisse Anziehungskraft, wobei diese Lovestory genau das richtige Maß trifft und daher als "humoriger Beigeschmack und Plotmotor" dient, nicht etwa als überbordende Pseudoromanze, die die weibliche Hauptfigur untergräbt.

Shaws Figur ist ähnlich wie Morgan Adams ein unterhaltsamer Archetyp, dem zumindest im Original der letzte Feinschliff fehlt. In der deutschen Synchronfassung wiederum weiß Christian Tramitz dem Betrüger einen zusätzlichen Pfiff zu verleihen, ebenso wie Sabrina Trooger dynamischer ihre Zeilen von sich gibt als Davis, der zuweilen leider die Strapazen anzuhören sind, die die hinter den Kulissen von Zankereien geplagte Produktion mit sich zog. Und wie es halt so öfters bei Vergleichen zwischen Synchro und Original ist: Auch hier gibt es nicht allein auf einer Seite Licht und auf einer Schatten. Frank Langella trägt in der Originalfassung extrem dick auf und belebt somit jede einzelne Szene, in der er zu sehen ist. Sein deutscher Sprecher Michael Mendl hingegen hält sich deutlich stärker zurück, was Langnellas Rolle des manischen Dawg einen Teil seiner Wirkung raubt.

Glücklicherweise funktionieren Actionszenen in jeder Sprache (okay, die Oneliner mal ausgenommen, aber die haben in Die Piratenbraut in der deutschen wie in der englischen Fassung den Witz eines albernen 80er-Actionfilms - und die Autoren sowie Darsteller wissen es!), und in dieser Hinsicht liefert Renny Harlin ein pralles Entertainment-Paket. Flotte Schwertkämpfe, packende Schiffsduelle und auch sehr packende, amüsante Verfolgungsjagden (die explosive Kutschfahrt durch die Hafenstadt Port Royal könnte einige Elemente der London-Verfolgung in Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten inspiriert haben) sind allesamt mit versierter Hand inszeniert und haben neben den knalligen Schaueffekten auch stets eine inhaltliche Relevanz zu bieten. Gleichzeitig ist die Action einer der Gründe, weshalb Die Piratenbraut so ein seltsamer Film ist. Denn Harlin legt eine klare 80er-/90er-Actionsensibilität zu Tage, was sich unter anderem in den riesigen Explosionen äußert und den gelegentlichen Spitzen des Grauens. Die Pirates of the Caribbean-Filme würde ich insgesamt als düsterer bezeichnen, jedoch haben diese auch eine dunklere thematische Grundlage und heben sich ihre Gewaltspitzen für dramatische oder atmosphärische Momente auf. Die Piratenbraut handelt hingegen nur von einer Schatzsuche, schwenkt auf dem Weg dahin aber dann und wann auf einen brutalen Mord, eine verrottende Leiche oder ähnliche Elemente rüber, schlicht um daran zu erinnern "hey, wir sind ein Piratenspaß ... für Erwachsene!".

Im Gegenzug dazu zaubern Figuren zwecks einer knalligen Pointe gelegentlich Gegenstände wie ein Dreiklingenschwert herbei, die aus dem bodenständigen Swashbuckler, der allein auf flotte Sprüche und weitreichende Action setzt, urplötzlich eine "Everything goes!"-Actionkomödie machen. Diese fügen sich in die mitunter stilisierten Kulissen ein, die nicht so recht zu den realistischen Sets passen wollen. Ebenso wirken die Dialoge wie aus drei unterschiedlich gewichteten Piratenabenteuern entliehen. Vom romantisierten Abenteuerklassiker im modernen Gewand zur derben Komödie hin zum wilden Popcorn-Ritt: Die Piratenbraut will alles sein, aber nicht durchgehend, sondern in episodenhaften Schüben. Gutes Erzählen ist anders. Allerdings sind Skript und Inszenierung dieses Flops so geraten, dass Die Piratenbraut nicht zu einem qualvollen Zweistünder verkommt, sondern als launiger, unterhaltsamer Unfall erscheint: Alles in diesem Film wirkt leicht verschroben und zur gleichen Zeit sehr ansprechend. Dank der Action und des hohen Erzähltempos ist Harlins Swashbuckler jedoch kein "Guilty Pleasure" der Marke "so schlecht, dass es wieder gut ist". Dafür ist er dann doch zu kompetent zusammengestellt.

Nein, Die Piratenbraut ist viel eher einer dieser cineastischen Sonderfälle. Energetisch, verrückt und rasant, stets mit einer atmosphärischen Dissonanz, die so konstant spürbar ist, dass man sich mit der richtigen Einstellung einfach dran gewöhnt. Gut? Nein. Schlecht? Auch nicht. Großes Kino mit gesunder Planlosigkeit? Aber sowas von!

Und deshalb hat Die Piratenbraut mehr Respekt verdient!

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Freitag, 6. Juli 2012

Der erste Auswuchs von Disneys (kultig-)pubertärer Sinnkrise

Bevor Disney dank den Marvel Studios Milliarden von Dollar im Superheldengenre scheffelte, bevor Jerry Bruckheimer einen Kult-Schauspieler durch eine verfluchte Karibik torkeln ließ und dem Disney-Label so neue Zuschauerkreise erschloss ... Bevor eben dieser Überproduzent dem Disney-Konzern an Jugendliche und Erwachsene gerichtete Action-Blockbuster bescherte, die unter einem anderen Label veröffentlicht wurden, um den familientauglichen Disney-Markennamen nicht zu beschädigen, bevor Disney ein anderes Label nutzte, um nachdenkliche Tragikomödien sowie schroffe Komödien mit versoffenen Helden und blanken Hintern auf den Markt zu bringen ... Bevor Disney mit atypischen Realfilmen auf Knien herumrutschte und jugendliche Kinogänger um Aufmerksamkeit anflehte, wodurch kantige Kultfilme wie Tron oder liebenswerte Albernheiten wie Condorman entstanden, gab es einen Film, der Walt Disney Productions mit einem gewaltigen Schlag neue Möglichkeiten erbieten sollte und der nicht nur dazu gedacht war, finanziell überaus ergiebig zu sein, sondern den belächelten Studios ihre Achtung zurückerlangen sollte.

Stattdessen wurde er ein künstlerischer wie finanzieller Rückschlag, nach dem die Konzernleitung orientierungslos versuchte, die gesetzten Ziele mittels anderer Filme endlich zu erreichen, ohne durch die damit einhergehenden Risiken zu sehr anzuecken. Dieser Film ist ein skurriles Relikt seiner Zeit, welches nur wenigen bekannt ist, und jene, die von diesem kuriosen Stück Disney-Geschichte wissen, finden es entweder trashig oder rechnen ihm aus nostalgischer Milde einen trashigen Charme an. Dass es ein Haufen Weltraumschrott ist, steht für sehr viele Filmfans aber ohne merkliche Zweifel außer Frage.

Auch wenn es sich dabei wirklich um keinen Höhepunkt des Disney-Schaffens handelt, ist all dieser Negativismus übertrieben. Nicht nur, dass mit diesem Film eine faszinierende Ära der Konzerngeschichte anbrach und er über diese Epoche hinaus ein reichhaltiges Erbe nach sich zog, er hat trotz mancher Ungeschliffenheiten einige Qualitäten, die sogar ohne den größeren historischen Kontext für ihn sprechen.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für ...

Das schwarze Loch

Um wirklich zu begreifen, weshalb solch ein Film wie Das schwarze Loch entstand und welche Stellung er im Gesamtwerk des Disney-Konzerns einnimmt, ist Vorwissen darüber nötig, in welcher Lage sich das Unternehmen zu jener Zeit befand: Konnte sich Walt Disney Productions nach dem Tod des Namensgebers noch für einige Jahre gut mit Filmen über Wasser halten, welche die typische Formel wiederverwerteten, die Walts Kinoproduktionen in seinen letzten Jahren aufwiesen, erreichte diese Phase annehmbaren Erfolgs 1974 ihren Zenit. Mit Herbie groß in Fahrt (38,23 Millionen Dollar an den US-Kassen und somit Platz 9 der Jahrescharts), Castaway Cowboy und den Wiederaufführungen von Robinson Crusoe, der Amazonenhäuptling und Alice im Wunderland steigerten die Studios, obwohl sie von der Konkurrenz ob ihres zahnlosen Images und Kreativarmut belächelt wurden, ihren Gewinn um um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

1975 jedoch änderte sich, zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, das Gesicht Hollywoods von Grund auf: Nachdem in den Jahren zuvor die jungen Wilden der "New Hollywood"-Strömung dem klassischen Studiofilm die Stirn boten und den sauberen Hollywood-Film mit nachdenklichen, harschen und teils verstörenden Autorenfilmen in Bedrängnis brachten, formierte sich nun aus den gewachsenen (oder etwa gezähmten?) Regisseuren dieser Ära und den neu positionierten Vertretern des alten Hollywoods erstmals die moderne Blockbuster-Mentalität. Steven Spielbergs Der weiße Hai, alles andere als ein handzahmer Film und dennoch längst nicht so ungestüm wie die Denke des "New Hollywood", schrieb Geschichte, indem er als erste Produktion allein in den USA mehr als 100 Millionen Dollar einnahm. Auch Werke wie Einer flog übers Kuckucksnest, Rocky oder der neue Gewaltstandards setzende Taxi Driver deuteten an, dass sich die Kinowelt geändert hat, während Disney 1975 und 1976 weit unter ferner liefen abzubuchen war. Nicht ein Film schaffte es in die jeweiligen Jahres-Top-20, und auch wenn 1977 mit dem Freaky Friday-Original, Elliott, das Schmunzelmonster, dem dritten Herbie-Film und Bernard & Bianca ganz beachtlich schien, herrschten in der Konzernleitung Unstimmigkeiten. Präsident und Geschäftsführer Card Walker beharrte auf seiner Position, dass sich bei Disney nichts ändern dürfte, während Walts Neffe Roy E. Disney und Walts Schwiegersohn Ron Miller befürchteten, die Studios würden sich so in die Bedeutungslosigkeit manövrieren. Mit Star Wars, Die unheimliche Begegnung der dritten Art und Saturday Night Fever nahmen die Blockbuster-Einspielergebnisse erneut neue Formen an, doch kein Vertreter der neuen, erfolgreichen Hollywood-Riege vertraute seine Ideen Disney an, was wiederum zu immer größer werdenden finanziellen Schwierigkeiten führte, womit es allerdings noch schwerer werden würde, den Anschluss an die Mitbewerber zu halten.

Disneys Image verschlechterte sich derweil auch beim Kinopublikum, in dessen Auge aus dem geliebten Studio mit familientauglicher Qualitätsware allmählich ein ideenloser Verein von Kinderbespaßern wurde. Jugendliche verpönten in  Marktforschungsumfragen den Disney-Namen und schwörten, dass sie niemand in Kinovorstellungen von Disney-Filmen kriegen könnte. Dies alarmierte auch die konservativer eingestellten Entscheidungsträger in der Konzernleitung, so dass Ron Miller und Roy E. Disney ihren Willen bekamen und ein Projekt verwirklichen durften, das für die damaligen Disney-Studios ein wahrlich wagemutiges Experiment war: Die dramatische und vergleichsweise düstere Science-Fiction-Geschichte Das schwarze Loch rief nach einem PG-Rating, womit es die erste hauseigene Produktion Disneys werden sollte, die nicht ohne jegliche Alterseinschränkungen in die Kinos kommt. Außerdem wurde für den effektlastigen Film ein Budget von 20 Millionen Dollar genehmigt, das für Disneys damalige Verhältnisse eine große Unsumme darstellte. Der Disney-Markenname wurde im Marketing zur Seite gekehrt, um gezielt ein älteres Publikum in die Kinosäle zu locken.

Betrachtet man Das schwarze Loch vor diesem Hintergrund, erreicht dieser Streifen aus dem Jahr 1979 in mancherlei Bereichen mehr als nur ein achtbares Niveau. Zwar hat er manche inhaltliche Schnitzer, aber in seinen besseren Momenten ist Das schwarze Loch spürbar ambitioniert und zudem die faszinierende Filmwerdung eines Hollywood-Studios, das sich selbst neu erfinden möchte, ohne sich vollends von seiner ursprünglichen Identität zu lösen.

Die Geschichte handelt von der fünf Menschen und einen Roboter umfassenden Besatzung des Erkundungsraumschiffs USS Palomino, dass sich unter der Leitung von Captain Dan Holland (Robert Foster) sich auf der Suche nach kolonialisierbaren Planeten befindet. In der Nähe eines schwarzen Lochs bemerkt die Crew eine starre, von der Sogkraft des Lochs völlig unbeeinträchtigte Raumstation. Scheint sie zunächst unbemannt, leuchtet sie mit einem Mal hell auf. Wissenschaftlerin und Medium Doktor Kate McCraes (Yvette Mimieux) erkennt in der Station die stattliche USS Cygnus, welche seit zwanzig Jahren als vermisst galt und auf der einst ihr Vater zusammen mit dem begnadeten Dr. Hans Reinhardt (Maximilian Schell) arbeitete. Also beschließt die Besatzung der Palomino, die Cygnus zu erkunden. Der erste Eindruck der leergefegten, an eine gothische Kathedrale erinnernden Raumstation ist wenig vertrauenserweckend, doch dann wird die Mannschaft herzlich von einem etwas ungepflegten, wohl aber weiterhin äußerst eloquenten Dr. Rheinhardt begrüßt. Dieser erklärt, dass er seit vielen Jahren allein mit seinen Forschungs- und Wachrobotern an bahnbrechenden Erkenntnissen arbeitet und insbesondere über schwarze Löcher revolutionäre Theorien aufgestellt hat. Rheinhardts wissenschaftliche Behauptungen entzweien die Mitglieder der Palomino: Einige sind vom schwer nahbaren Genius fasziniert und wollen sich ihm anschließen, andere haben nur noch einen möglichst baldigen Aufbruch im Sinn ...

Eine Mannschaft, die auf ein von Gerüchten umwobenes, unheimliches Schiff stößt, dessen Kapitän ein belesener Zeitgenosse ist, dessen Wahn ebenso groß ist wie sein wissenschaftliches Genie. Die Parallelen zwischen Das schwarze Loch und 20.000 Meilen unter dem Meer sind schwer zu übersehen, und eigentlich ist es ein durchaus reizendes Konzept: Um die langsam in die Bedeutungslosigkeit abrutschenden, von einem Kinderimage geplagten Disney-Studios Ende der 70er wieder zurück auf den Schirm zu bringen, nahm man sich eines frühen Meilensteins der Konzerngeschichte an und verpackte ihn neu, indem man ihn in einem damals so enorm gefragten Sci-Fi-Gewand kleidete Mit Walt Disneys erstem vollständig auf US-Boden realisierten, reinen Spielfilm war man auch gut beraten, gilt dieser doch zu den geachtesten und ernstzunehmendsten Produktionen des Studios – und erfüllte somit alle Anforderungen, die man an eine Qualitäts- und Imageoffensive Disneys in den späten 70ern hätte stellen können. Der Film ist sogar eine derart gute Referenz für "Disney darf sich gerne mehr trauen, es hat schon einmal geklappt und Walt war begeistert", dass exakt dieser Klassiker auch herangezogen wurde, um 2003 Fluch der Karibik und sein PG-13-Rating durchzuwinken!

Das schwarze Loch ist dabei jedoch nicht einfach nur eine 1:1-Übertragung von 20.000 Meilen unter dem Meer, die schlicht ins Weltall verlagert wurde (wie es Jahrzehnte später bei Der Schatzplanet mit Robert Louis Stevensons Die Schatzinsel der Fall war), sondern bemüht sich um eigene Handlungswendungen, Figurenkonstellationen und auch eine eigenständige Atmosphäre. Letztere dürfte wohl auch ein wenig vom Mittelteil von 2001 inspiriert gewesen sein. Natürlich ist Disneys Sci-Fi-Thriller längst nicht so intellektuell und inhaltlich haben beide Werke kaum etwas gemein, aber die thematisch verkopft-trockene und sich klar von Star Trek und noch mehr vom Spaß-Ansatz von Star Wars Herangehensweise an die Gefahren und Wunder des Weltalls weisen doch einige Ähnlichkeiten auf. Die Menge an aufgeworfenen philosophischen Fragen dürfte ebenso kein Zufall sein, wenngleich manche auch der 20.000 Meilen-Inspiration geschuldet sein sollten: Die Figuren debattieren darüber, wo Menschlichkeit beginnt und wo sie aufhört sowie über das Verhältnis zwischen Macht und Wissen. Diese Fragen sind keineswegs aufgesetzt, sondern wachsen aus der Handlung heraus, was Das schwarze Loch in diesem Bereich jedoch schwächt, ist, wie hölzern die Dialoge von Jeb Rosebrook und Gerry Day diese Themen stellenweise ansprechen. Klar ein Fall von "Sehr gut gemeint, aber nur mittelprächtig gekonnt." Doch auch, wenn manche Wortwechsel was erzwungen sind, sind diese Debatten auch ein Qualitätsmerkmal von Das schwarze Loch, da sie davon zeugen, dass die Macher an mehr interessiert waren, als an einer Jugendliche anfixenden Spezialeffekt-Extravaganza. Das schwarze Loch kann zwischendurch sehr zynisch und nachdenklich werden, was ihn mit besser polierten Dialogen vom filmischen Pubertätssyndrom Disneys zu einem unterschätzten Geheimtipp gemacht hätte.

Der Schlusstwist überzeugt mich derweil völlig, es ist ein cooler Rausschmiss aus dem Film und bei aller Abgefahrenheit weniger urplötzlich und vor allem auch besser vorbereitet als das heimliche Vorbild, die Schlussequenz von 2001. Jaja, buhu, Sakrileg ...

Wie schon erwähnt, ist Das schwarze Loch trotzdessen kein strahlendes Glanzstück in der disney'schen Film-Schatztruhe. Man spürt dieser Produktion immer wieder an, zu welcher Zeit sie entstand – womit nicht bloß schlecht gealterte Elemente gemeint sind, sondern auch einige ungelenke, nicht völlig ausgeschliffene Punkte, die eine überdeutliche Sprache sprechen, wie unerfahren die damalige Studioleitung diesem relativ "erwachsenen" entgegnete. Viele Kritiken (heutige eher als jene aus der Entstehungszeit dieses ungewöhnlichen Disney-Films) bemängeln, dass V.I.N.C.E.N.T. und viel mehr noch B.O.B. L.F.28 mit der Brechstange in die Geschichte reingezwängte, unsinnige Figuren wären, die bloß als Kaufanreiz für Merchandising dienen sollten. So harsch würde ich mit den beiden Robotern nicht ins Gericht gehen – ohne zu wissen, weshalb sie in die Handlung eingefügt wurden, so dienen sie klar einem dramaturgischen Zweck. B.O.B. ist der einzige Verbündete der USS Palomino auf Rheinhardts Schiff und bringt auf diesem Weg die Handlung voran oder auch Licht ins Dunkel bezüglich der Roboterbesatzung und Rheinhardts Pläne, während V.I.N.C.E.N.T. sowohl für komödiantische Kurzweil sorgen soll, als auch die typischen Sci-Fi-Abenteueraufgaben eines Roboters erfüllt. Ja, er ist wohl ein Abklatsch von C3PO und R2D2 (in Personalunion!) und somit uninspiriert, überflüssig aber erscheint er mir nicht. Und in der deutschen Synchro ist er dank der stets freudigen Stimme von Wolfgang Ziffer weniger aufgeregt-nervig als im englischsprachigen Original.

Vollkommen deplatziert ist dagegen eine sinnlose Sequenz, in der V.I.N.C.E.N.T. gegen Rheinhardts Wächter-Roboter in einem Laser-Duell an einem Übungs-Schießstand antritt. Mit ihrem schleppendem Tempo ist diese Szene weder als auflockernde Actioneinlage dienlich, noch bietet sie auch nur irgendwelche Charakterexposition. Ähnlich dämlich sind Kates nur dann, wenn das Drehbuch sie gerade dringend braucht, eingesetzten telepathischen Fähigkeiten, auch manches des pseudo-wissenschaftlichen "Technobabble" an Bord der Palomino ist recht ungeschliffen. Irritierend ist auch, dass Regisseur Gary Nelso streckenweise durch die schaurige Musik und eine beengende Geräuschkulisse die beklommene Grundstimmung des Films erzeugt, in manchen Sequenzen aber plötzlich durch eine auffällige Stille die Kargheit eines 2001 1:1 imitieren will, was sich in diesen Film jedoch nicht einfügen mag.

Zu den großen Pluspunkten des Films gehört wiederum Maximilian Schell, der als bessesener Dr. Rheinhardt sowohl einschüchternd ist, als auch wunderbar theatralisch-kurzweilig. Die Crew der Palomino spielt ganz adäquat, wirklichen Eindruck hinterlässt bei mir nur Ernest Borgnine als der zweifelnde Jedermann Harry Booth, der die Crew aus journalistischem Interesse begleitet. Herausragend ist der Look von Das schwarze Loch, das für damalige Verhältnisse so enorme Budget wurde sehr effektiv eingesetzt. Das Setdesign unterstützt die unwohle Atmosphäre der Handlung sowie deren ernsten Implikationen und die Kameraarbeit von Frank V. Phillips wurde berechtigterweise mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Ursprünglich war es geplant, die bei Star Wars verwendete Dykstraflex-Kamera von Industrial Light and Magic auszuleihen, da die Leihgebühren jedoch zu hoch waren, entwickelte Disneys Technikabteilung ein neues Kamerasystem, welches es erstmals ermöglichte, die Kamera über eine Maskenmalerei zu schwenken. Für die beeindruckenden Malereien und weitere der ansehnlichen Spezialeffekte war Disney-Veteran Peter Ellenshaw verantwortlich, den das Studio zu diesem Zweck sogar aus seiner nunmehr zehnjährigen Rente rausquatschte. Ellenshaw, sein Sohn Harrison, Art Cruickshank, Eustace Lycett, Danny Lee und Joe Hale und erhielten für ihre Arbeit eine Oscar-Nominierung. Zu ihren bahnbrechenden Leistungen gehörte auch der Vorspann, welcher die bis dahin längste computeranimierte Einstellung der Filmgeschichte darstellte. Und wer weiß, hätte man sich bei der Beleuchtung von Das schwarze Loch mehr Mühe gegeben und so in allen, statt nur in einigen Sequenzen, die Fäden an den schwebenden Robotern vertuscht ...

Auch Komponist John Barry hätte meiner Ansicht nach eine Nominierung verdient gehabt, insbesondere die Overtüre ist genial, aber auch im weiteren Filmverlauf kitzelt er mit seinen düsteren Melodien die Nerven der Zuschauer. Zum Glück erschien der Soundtrack mittlerweile erneut auf CD, sogar mit zuvor unveröffentlichtem Material!

Den Film selbst schleppt Disney in größeren Abständen immer wieder ans Licht der Öffentlichkeit, wenn es gilt, unter Fans halbwegs bekannte Katalogtitel zu entstauben. Größere Aufmerksamkeit erhielt Das schwarze Loch von Disney aber nach seinem Kinostart nicht, da er trotz die meisten anderen Disney-Produktionen jener Zeit in den Schatten stellenden 35 Millionen an den US-Kassen weiterhin unter den Erwartungen lief. Der erhoffte Aufstieg zu den Großen in Hollywood wurde nur ein laues Lüftchen, das für Platz 21 der Jahrescharts genügte. Erst auf den Schwingen des Vorab-Hypes zu Tron: Legacy gewann der Film an Priorität und das Studio bat Regisseur Joseph Kosinski darum, ein Remake zu verwirklichen. Darum wurde es mittlerweile allerdings wieder still.

Das schwarze Loch ist zu ungeschliffen, um ein heimliches Meisterwerk zu sein. Doch es das Ergebnis redlicher Bemühungen Disneys, sich selbst neu zu erschaffen. Die Grundidee ist packend, der Tonfall des Films überraschend ernsthaft und rückblickend hat diese Disney-Produktion auch einiges an spätem 70er-Charme. Das Studio wollte mit diesem filmischen Wendepunkt unbedingt erwachsener werden, stolperte in diesem Prozess jedoch noch ab und an. Trotzdem ist es ein grundsolider Sci-Fi-Streifen aus der zweiten Reihe, der klar den ersten Star Trek-Film übertölpelt. Die durchwachsenen Dialoge sind dank der großen Ambitionen des Films zu verzeihen, zumal Das schwarze Loch Fans des ungewöhnlicheren Disney-Schaffens jede Menge liebenswerte Eigenheiten bietet. Selbst wenn manche Sequenzen dröge sind, ist dies der Film, mit dem so vieles seinen Anfang nahm: Die verzweifelte Sinnkrise der Disney-Studios ist damit ebenso gemeint, wie ihre erfolgreiche Öffnung gegenüber einem neuen Publikum. Ohne Das schwarze Loch kein Tron, keine Gründung von Touchstone Pictures und somit auch kein Splash!, kein Falsches Spiel mit Roger Rabbit und kein Club der toten Dichter. Disney hätte keine Anlaufstelle für weniger familienorientierte Autoren, Produzenten und Regisseure gehabt, und so hätte auch nie Jerry Bruckheimer zum Konzern gefunden. Ohne Das schwarze Loch gäbe es kein Armageddon und vor allem auch kein Fluch der Karibik. 

Das schwarze Loch scheint ein Kuriosum zu sein, und vielleicht ist es das auch. Aber es ist ein mühevoll erstelltes, trotz Schwächen unterhaltendes Kuriosum mit versteckten Tiefen und überzeugender audiovisueller Komponente. Und der Grundstein für einen immer weiter wachsenden Flügel des Disney-Schaffens.

Und deshalb hat Das schwarze Loch mehr Respekt verdient.

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Montag, 19. September 2011

Disneys moderner Swashbuckler aus der zweiten Reihe

Dies könnte der bislang populärste Film sein, den ich im Rahmen dieser Artikelreihe präsentiere. Zumindest landläufig ist diese Produktion aus den 90er-Jahren recht bekannt, und einige Leute hegen ganz gute Erinnerungen an ihn. Allerdings dreschen Kritiker liebend gern auf ihn ein, selbst beinahe zwanzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung. Bei puristischen Liebhabern der Vorlage bekommt er so viel Prügel, wie deutlich losere Adaptionen dieses Stoffs und unter Disney-Fans wird ihm auch viel zu wenig Beachtung geschenkt. In Retrospektiven auf die Realfilme des Studios steht er regelmäßig im Schatten solcher Filme wie Newsies (wenn es ein US-Rückblick ist) oder der Realverfilmung von 101 Dalmatiner (der, wie mir scheint, insbesondere hierzulande einige Anhänger hat).

Ich finde aber, dass diesem Film mehr zusteht, als nur ein gelegentliches "Ach ja, der war nett" von hie und da.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für...

 Die drei Musketiere

Oder sollte ich eher verkünden: "Verneigt euch vor Disneys mit zehn Jahren Vorlauf gestartete Beta-Version von Fluch der Karibik!"?

Nun gut, Die drei Musketiere von 1993 ist nicht hundertpro der kleine Bruder von Fluch der Karibik, aber ich fühle mich durchaus wohl zu sagen, dass Stephen Hereks Abenteuerfilm mit Kiefer Sutherland, Oliver Platt und Charlie Sheen so sehr Fluch der Karibik ist, wie man es 1993 unter der Disney-Flagge sein konnte.
Käme der Film heute raus, wäre jedenfalls der (gewiss sehr gehässig gezischte) Kritikerkonsens "Disney versucht, die Piraten-Formel zu wiederholen, nur in light" garantiert. Hauptargument für diese These wäre der von Oliver Platt verkörperte Porthos.

Der stämmigste der drei legendären Musketiere ist in dieser 90er-Disney-Version ein in stylischer Bandana und lässiger Schärpe gekleideter, den Alkohol wertschätzender, die Anwesenheit (käuflicher?) Frauenzimmer genießender, listiger Tunichtgut, der mit verworrenen Lügenkonstrukten ("Diese Schärpe ist ein Geschenk der Königin von Amerika!") und saucoolen Sprüchen ("Klar soweit?!") sämtlichen anderen Musketieren die Schau stiehlt. Oh, und natürlich ist er schockiert, wenn man ihn nicht erkennt, und stolpert mit verkniffenem Blick durch die Weltgeschichte. Das alles, und dass er einen ganz und gar anderen Kampfstil hat, als man es von stocksteifen, klassischen Swashbuckler-Helden kennt, machte Porthos durch diesen Film zu meinem Lieblings-Musketier. Als noch nicht bekannt war, in welche (nahezu sämtliches Potential verschenkende) Richtung Micky•Donald•Goofy: Die drei Musketiere geht, hatte ich mir vom ganzen Herzen gewünscht, dass Donald Porthos "spielt" und in auf vergleichbare Weise interpretiert. Jaja, manchmal sind die Filme, die wir uns ausmalen, zigtausendfach besser als das, was wir wirklich erhalten...

Oliver Platt als Porthos ist praktisch schon im Alleingang wert, sich die Disney-Realfilmversion des Musketier-Stoffes anzuschauen. Aber das toll aufgelegte Ensemble aus Stars und Sternchen der 90er bietet noch viele weitere Gründe, sich dieser Adaption anzunehmen. Ganz vorne dabei wäre Tim Curry in der wie für ihn gemachten Rolle des intriganten Kardinal Richelieu. Curry grinst sich gewohnt liebenswert fies durch den Film und schafft es, seine Zeilen auf eine wunderbar perfide Art rauszuschleimen. Sein Richelieu ist so hinterlistig, selbstverliebt und Currys Darbietung zeigt auch ein wenig Selbstironie - für mich ist es eine von Currys besten Rollen und zweifelsfrei der beste Kino-Richelieu. Vor allem ist Curry nicht nur einfach richtig unterhaltsam in der Bösewichtrolle (so sehr, wie ich es mir auch von Waltz in der 2011er-Version erhoffte), sondern kann (gerade für jüngere Zuschauer) auch wirklich einschüchternd wirken. Das gesamte Intro, mit einem fast schon höllengleichen Kerker, ist eine einzige, ausführliche Sequenz, die ihn als unbarmherzigen Schuft etabliert - und auch später im Film erreichen die Kerkersequenzen eine viel größere Düsternis, als Miramax' The Musketeer. Der Film wollte zwischen seinen modern-spaßigen Phasen ja oh-so-düster sein, und war stattdessen einfach nur (in jeglicher Bedeutung des Wortes) unterbelichtet.

Ebenfalls mit ansteckender guter Laune, aber längst nicht so ikonisch in ihren Rollen, sind die weiteren Musketiere Kiefer Sutherland als Athos und Charlie Sheen als Aramis. Sheen hat nicht viel zu tun, außer lustig zu sein und ein paar Stichworte zu geben, während Sutherland als der desillusionierte Romantiker etwas Dramatik zu tragen hat. Dies gelingt ihm auf einem soliden Niveau, trotzdem muss ich bemängeln, dass schlichtweg mehr drin gewesen wäre. Sowohl die Dialoge, als auch Sutherlands Schauspiel kratzen nur an der Oberfläche dessen, was diese dynamisch-abenteuerhafte Neuerzählung von Die drei Musketiere an romantischer Tragik hätte tragen können. Dennoch, für einen Disney-Blockbuster der 90er-Jahre, noch dazu einem, der so oft als Beispiel für fahle Literaturverfilmungen herangezogen wird, ist Aramis' Subplot schon recht ausgefeilt.

Wen ich ebenfalls loben muss, ist Rebecca De Mornay, die als Lady DeWinter zwar viel zu wenig zu sehen ist, aber dafür eine fantastische Performance abgibt. Sie ist verrucht, sinnlich, innerlich zerrüttet und überaus gefährlich. Manchen wird sie vielleicht etwas zu zu viel mit gepresster Stimme sprechen, wodurch sie DeWinter etwas steif gibt, aber wenn man ihre Darstellung des fatalen Weibsbildes insgesamt betrachtet, dann passt diese unnatürlich erotisch-garstige Stimme für meinen Geschmack perfekt. Und ihre letzte Szene ist sowieso ein vollkommen übersehener Disney-Moment. Wundervolle Landschaftsaufnahmen (von denen dieser Film eh einige zu bieten hat), eine kühle Stimmung und makelloses Timing - eigentlich gehört diese Sequenz wenigstens als eine ehrenvolle Randbemerkung in jede Auflistung der außergewöhnlichsten Momente in der Disney-Realfilmgeschichte.

Was Die drei Musketiere in den Augen vieler wohl von einem Abenteuerfilm-Kleinod und vergessenen Disney-Juwel zur dümmlichen 90er-Version degradiert, ist allen anderen Elementen voran Chris O'Donnell als D’Artagnan. O'Donnell, so manchem als Robin aus Joel Schumachers Batman-Filmen weiterhin in schrecklicker Erinnerung, spielt seine Dialogszenen sehr hölzern und mit einem so falschen, aufgesetzten Strahelächeln, dass man wirklich schwer umhin kommt, seine Anwesenheit mit "naja, es waren die frühen 90er" zu erklären. Glücklicherweise stimmt seine Chemie mit den Musketier-Darstellern und er ist ein guter Fechter, weshalb er Die drei Musketiere nicht  im Alleingang runterzieht. Dennoch hat der Sehspaß zwischen dem Intro mit Richelieu und der Einführung der Musketiere einen enormen Durchhänger.
Ebenfalls vergleichsweise unterwältigend ist die Filmmusik. Halt, halt, halt - liebe Fans der Zusammenarbeit zwischen Rod Stewart, Bryan Adams und Sting, ich meine nicht den kultig-pathetischen Song All for Love, sondern den Score. Der ist nicht schlecht, aber weder Fisch, noch Fleisch. Er ist zu modern und poppig für einen klassischen Swashbuckler-Soundtrack, aber zu gediegen für eine flotte Neuinterpretation. Unter anderem deshalb wäre er heutzutage für Kritiker in dieser Form "Fluch der Karibik light" - es fehlt die rockig-moderne Attitüde in der Filmmusik.

Trotzdem muss ich einfach hervorheben, wie gut Regisseur Stephen Herek die einzelnen Zutaten der Musketier-Geschichte abwägt und zu einem feschen 90er-Abenteuer zusammenmischt. Die ernsteren Untertöne über zerstörte Liebeshoffnungen und politische Intrigen, die sich ernstnehmenden Abenteuer- und Actionpassagen sowie ihre komödiantischeren Gegenparts ergeben ein ausgeglichenes, stimmiges Ganzes, statt in Einzelteile mehrerer, inkompletter Filme zu zerfallen. Dazu tragen auch die Änderungen an der Geschichte bei - mal ehrlich, die ganze "Juwelen der Königin stehlen und den König denken lassen, sie hätte eine Affäre"-Sache wirkt für ein modernes Publikum schon was albern. Darum passte es auch so gut in die Version von Paul W. S. Anderson, aber in die Disney-Fassung passte sie nicht. Nein, nicht etwa, weil es für Disney zu gewagt wäre. Hier wird unehelich rumgeschnackselt, gesoffen und ermordet, Menschenskinder, der Kardinal plant ein Attentat auf den König. Nein, es wurde zu einem Mordkomplott umgeschrieben, um den Abenteueranteil etwas ernster zu verwurzeln, so dass er die humoristischen Sperenzien besser verkraftet.

Appropos 90er, düster, Disney und alles: Die drei Musketiere erhielt in der ungekürzten Schnittfassung seinerzeit eine FSK ab 16 Jahren. Unglaublich, oder? Also, ich bin tatsächlich erstaunt, dass es in den USA für ein PG reichte (ein PG-13 war garantiert nicht weit entfernt), aber eine FSK ab 12 (die er heute sicherlich bekäme) ist problemlos drin. Was mir allerdings Hoffnung macht: Auch die ungekürzte Fassung wird in Deutschland als Disneyfilm verkauft. Auf dem DVD-Cover steht zwar Touchstone, aber anders als etwa bei The Rocketeer wurde im Vorspann kein "Touchstone Pictures" über die Disney-Einblendung gepflastert.

Wie dem auch sei: Mit einfallsreichen Actioneinlagen von Herr der Ringe-Kampfchoreograph Bob Anderson, einem wunderbar aufgelegten Ensemble und einem gelungenen Popcorn-Drehbuch ist die 1993er Auflage der Musketiere ein toller Abenteuerspaß, der auch bald zwei Jahrzehnte später sehr frisch wirkt.
Diese Version ist exakt so fesch, wie ein modernisierter Musketier-Film sein darf, um nicht amüsanter Camp (wie bei Paul W. S. Anderson) oder reiner Schund zu werden (wie The Musketeer). Es ist einfach rundum gelungene Unterhaltung.

Und deshalb hat Die drei Musketiere mehr Respekt verdient.

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Dienstag, 30. August 2011

Er hat Raketenantrieb! Er bekämpft die Mafia! Er bezwingt Nazis! Er verführt angehende Filmstars! Er... kann sich die Fortsetzung in die Haare schmieren.

Comicverfilmungen sind kaum noch aus Hollywod wegzudenken. Sie sind nicht nur recht verlässliche Publikumsmagneten, sondern ernten mittlerweile auch sehr viel Respekt seitens Cineasten und Kino-Kritkern.  Doch vor Captain America, Iron Man, The Dark Knight, Sam Raimis Spider-Man, Bryan Singers X-Men und meinethalben auch den ersten beiden Blade-Filmen sah dies noch völlig anders aus. Es gab viel weniger Comicadaptionen als heutzutage, und von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren sie auch deutlich schlechter. Wohl auch deshalb scheint das kollektive Gedächtnis in Sachen Comicfilmen erst um die Jahrtausendwende einzusetzen.

Aus der Zeit zuvor werden nur für die ganz großen unter den Superhelden Ausnahmen gemacht. Superman, der 1978 erstmals eine "glaubwürdige" Superheldengeschichte auf die Leinwand brachte und von Fortsetzung zu Fortsetzung immer mehr zum Ziel des Spotts wurde, sowie Batman, dessen Kassenschlager von 1989 meiner Ansicht nach arg überschätzt wird, eine (wie ich finde) viel bessere Fortsetzung hatte und daraufhin eine lächerliche Wende nahm.

Abgesehen von diesen Comicgiganten gab es viele Filme, die entweder vergessen wurden, oder die Comic-Liebhaber versuchen, endlich zu verdrängen. Howard - Ein tierischer Held, Steel, Barb Wire, Judge Dredd, Tank Girl,... Einzig der Disney-Konzern schien während der 90er-Jahre abseits der ganz großen Comic-Helden aus dem Hause DC kleine Achtungserfolge zu feiern. The Crow wurde ein waschechter Kultfilm und Dick Tracy ist heutzutage zwar weitestgehend vergessen, aber er fand überdurchschnittlichen Erfolg an den Kinokassen (selbst wenn sich Disney mehr erhoffte) sowie überraschenden Zuspruch bei den Academy Awards. Warren Beattys ambitioniertes Projekt erhielt sieben Nominierungen für den Oscar, wovon er drei Stück gewann.

Verschaffen wir uns also einen Überblick: Vor dem aktuellen Comic-Boom im Kino hatten wir die zwei berühmtesten Superhelden aller Zeiten, einen Nischen-Kultfilm, einen vergessenen mäßigen Erfolg, der von bei den Oscars Anklang fand und einen Haufen Müll. Moment, haben wir nicht etwas vergessen? Eine Comicadaption, die nicht nur die Stimmung ihrer Vorlage einfing, sondern auch abenteuerliche, spaßige Filmstunden bot. Ein dynamisches, flockiges Heldenabenteuer, das Raum für eine äußerst vergnügliche Kinoreihe ließ, aber leider nie den verdienten Publikumserfolg fand. Nicht einmal rückblickend. Naja, von ein paar sehr lauten, stolzen Fans abgesehen. Darum wurden auch die eingangs geplanten zwei Fortsetzungen niemals gedreht.

Aber man sollte nie aufgeben. Jetzt, da der Regisseur dieses Films einen anerkannten Superhelden-Blockbuster ablieferte, ist genau der richtige Zeitpunkt, um zurückzublicken!

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für...

Rocketeer

Der wichtigste Grund, weshalb mir Rocketeer so gut gefällt, ist seine das beste zweier (oder sogar dreier!) Abenteuer-Filmwelten vereinenden Grundstimmung. Regisseur Joe Johnston und die im Laufe der turbulenten Produktion mehrfach gefeuerten und wieder angeheuerten Drehbuchautoren Danny Bilson & Paul De Meo kreierten eine genüssliche Mischung aus dem naiv-ambitionierten Stil der Disney-Abenteuerfilme der 50er Jahre (nur mit einem wunderbaren Art-Deko-Setting an Stelle einer Jules-Vernes- oder Robert-Louis-Stevenson-Welt) und dem althergebrachten Pulp-Feeling einer Superhelden-Serial aus früheren Kinotagen.

Diesen Ansatz hat Joe Johnston sicherlich von George Lucas gelernt, dessen zwei großen Franchises (für die Johnston Effektarbeit leistete) bekanntlich ebenfalls moderne Rückgriffe auf alte Schundabenteuer sind. Und Johnston hat diesen spaßigen Filmstil ebenfalls drauf: Rocketeer fühlt sich wie ein guter Disney-Realfilm an, wie ein zeitgemäßer Blockbuster der frühen 90er und wie eine liebevolle Hommage an vergangenes Hollywood-Abenteuerkino.

Die Geschichte ist geradlinig, vergnüglich und grundsolide erzählt: Wir befinden uns im Jahr 1938, als Howard Hughs strenggeheimer Prototyp eines Jetpacks gestohlen wird. Zufällig gerät er in die Hände des unwissenden Stuntpiloten Cliff Secord (Billy Campbell), dessen Flugzeug kurz vor der großen Flugshow enormen Schaden nahm. Entgegen des Rats seines Mentors und Mechanikers Peevy (Alan Arkin), will er dieses Gerät unbedingt austesten. Auch wenn Peevy es nicht zugeben würde, ist er von dem Jetpack fasziniert und bemüht sich, es zu verbessern. Was die beiden nicht wissen: Sowohl das FBI, als auch die Mafia sind hinter dem Prototypen her, letztere im Auftrag des Hollywoodstars Neville Sinclair (Timothy Dalton), einem an Errol Flynn angelehnten Swashbuckler-Darsteller. Dieser wird von Herscharen von Frauen verehrt, darunter auch Cliffs Freundin Jenny (Jennifer Connelly), die als Statistin am Set von Nevilles neuen Film dabei sein darf.
Als Cliff während eines Notfalls bei einem Flugzirkus das Jetpack (sowie einen von Peevy entworfenen Helm) einsetzt, um einen Kollegen zu retten, machen Schlagzeilen über einen Superhelden namens "Rocketeer" die Runde - und natürlich dauert es nicht lange, bis die Mafia und das FBI sich an seine Fersen setzen...

Rocketeer hat ein paar kleinere Macken. Keine von ihnen ist gravierend, in der Summe sind sie dennoch auffällig. So hat der Film zwar eine sehr gesunde Dosis Humor, die hilft den Camp-Faktor seiner Handlung zu unterstreichen, aber dieser Humor findet keinen einheitlichen Tonfall. Manches ist der schiere Disney-Familienfilm-Slapstick, anderes ist schon etwas kerniger, etwa wenn ein älterer Mann in Jennifer Conellys Ausschnitt starrt und anmerkt, sie kennenzulernen sei ein doppeltes Vergnügen. Wohl auch wegen solcher Scherzchen (und der Ankunft der Nazis in Los Angeles via Zeppelin) hat sich Disney dazu entschlossen, Rocketeer in manchen Märkten als Touchstone-Film zu veröffentlichen, statt als Disney-Produktion. Dies war aber die ursprüngliche und in den USA bis heute geltende Einteilung - und die finde ich auch ganz und gar angebracht.

Wie dem auch sei, wenn man von manchen Problemen, den richtigen Humor zu finden oder auch von einer Eröffnungs-Verfolgungssequenz, die gerne etwas spektakulärer hätte sein dürfen, absieht, ist Rocketeer gebündeltes, tolles Unterhaltungskino. Campbell ist ein guter Durchschnittstyp, der in die Heldenrolle stolpert, Alan Arkin und Timothy Dalton sind richtig göttlich in ihren comichaften, und dennoch mit dem richtigen (herzlichen bzw. boshaften) Charme ausgestatten Rollen und Terry O'Quinn (Locke hochstpersönlich!) gibt ein nettes Stelldichein als Howard Hughes. Jennifer Connelly agiert mir etwas zu steif, doch wenigstens bricht ihre Figur etwas aus dem "Zu rettendens Püppchen"-Schema aus. Ja, gemäß der Pulp-Abenteuer-Orientierung muss auch sie mal befreit werden, aber verbal und auch körperlich teilt sie hie und da aus, was das ganze erfrischend hält. Dass ihre Figur in den Comics noch anders hieß und Aktmodell war, ist eine der grundlegendsten Änderungen gegenüber der Vorlage. Aber der Film profitiert davon, weil wir dadurch mehr Hollywood-Flair schnuppern dürfen.

Die Effekte waren für ihre Zeit sensationell, allerdings kam Rocketeer im Sommer von Terminator 2 in die Kinos, und verloren somit jeglichen Anspruch, die bahnbrechendsten Tricks des Kinojahres zu sein. Dafür kann die Ausstattung bei Liebhabern des 30er-Stils für Euphorie sorgen: Die Kostüme sehen toll aus und die Sets reflektieren den damaligen Hollywood-Zeitgeist. Natürlich auch inklusive seltsamer Architektur für Cafés und Restaurants. Für das verwendete Budget ist Rocketeer ein wahrer Augenschmaus. Und ein Genuss für die Ohren ist der Film obendrein: James Horner gab eine seiner besten Arbeiten ab, mit einem träumerisch-heroischen Soundtrack, der einen in Gedanken fliegen lässt. Ein paar altmodisch-jazzige Stücke haben sich auch mit eingeschlichen. Klassik, Jazz, schöner, nicht zu dick aufgetragener Filmpathos: Wie diese Filmmusik bei den Oscars komplett ignoriert werden konnte, ist mir ein Rätsel.

Rocketeer ist nicht perfekt. Aber Joe Johnstons zweite Regiearbeit beinhaltet schon sämtliche Qualitäten, die zwei Jahrzehnte später Captain America auszeichnen sollten, und ist schon für sich betrachtet ein so solides, charmantes Stück Hollywood-Kino, dass ihr die Apathie des Publikums einfach nicht gerecht wird. Dieses Disney- und Superhelden-Kleinod ist mir mit seiner handgemachten Action, dem wundervollen Score von James Horner und dem vergnügten Ensemble sogar lieber als der Vorzeigefilm Iron Man. Ja, die Downey-junior-Show ist reinstes Vergnügen, die Effekte sind keinesfalls mies, aber die Randfiguren sind nur halb so interessant, gegen Ende des zweiten Akts ist Iron Man was zäh und sich kloppende CGI-Roboter(anzüge) finde ich nur halb so cool, wie 30er-Mafiagangster in Nadelstreifenanzügen, die mit ihren MGs auf einen Nazi-Zeppelin feuern. Und Jeff Bridges' Leistung in Iron Man ist längst vergessen - Timothy Dalton in Rocketeer hingegen glüht vor Selbstgenuss.

Rocketeer ist im Vergleich zu modernen Comicverfilmungen eine Kleinproduktion. Doch in Sachen Sehvergnügen spielt er in der Liga der Pre-Avenger-Filme der Marvel Studios mit. Wo er sich mit den meisten der Filme auf verschmitzte Weise anlegen kann.

Und deshalb hat Rocketeer mehr Respekt verdient.

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Dienstag, 24. August 2010

Die geflügelte Witzfigur der Disneykultur

Als der Disney-Konzern Ende der 70er und zu Beginn der 80er sein verstaubtes Image durch kantigere Kinofilme aufbessern und seinen Marktwert bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufbessern wollte, entstanden zahlreiche Filme, die sich nicht an den studiointernen Erwartungen messen konnten. Manche dieser Filme wurden im Laufe der Jahrzehnte zu Kultklassikern und somit letztlich doch noch zu ansehnlichen Gewinnbringern (bestes Beispiel ist an dieser Stelle der Sci-Fi-Film Tron), andere gerieten dagegen in Vergessenheit.

Und dann wäre da noch ein Film, der sich zum gesammelten Gespött der (us-amerikanischen) Disneyfangemeinde mauserte. Im August 1981 als humoristische Antwort auf das James Bond-Franchise gestartet, ging er wie fast alle anderen Disney-Spielfilme seiner Zeit sang- und klanglos an den Kinokassen unter, die Kritiken bewegten sich von müde bis mäßig. Mittlerweile jedoch erlebt dieser Streifen eine Renaissance als Running Gag: Die Pixar-Köpfe Pete Docter und Julian Rivera nannten ihn frech grinsend neben 20.000 Meilen unter dem Meer und Mary Poppins den einzigen konkurrenzfähigen Kandidaten um den Titel des besten Disney-Realfilms aller Zeiten. Auf zahlreichen US-Webseiten wird er augenzwinkernd als Must See tituliert. Und selbst bei einer der ersten D23-Veranstaltungen stach er obskur hervor, als Kostüme und Requisiten aus den wichtigsten Disney-Realfilmen ausgestellt wurden. Und halt ein Kostüm aus dieser Produktion, die den wenigsten Leuten etwas sagen dürfte.

Nun, zumindest gerät diese Actionkomödie mit Michael Crawford (Hello, Dolly!) somit nicht in Vergessenheit. Allerdings läuft sie Gefahr durch all diese ironischen Lobpreisungen bei Nichtkennern irgendwann automatisch als einer der schlechtesten Disney-Realfilme aller Zeiten abgestempelt zu werden. Denn warum sonst sollte dieser stilistische Ausrutscher der Disney-80er immer gepiesackt werden? Zumindest ich finde, dass es sich dabei um einen ganz ansehnlichen Film handelt, der eher liebevoll hochgenommen wird. Bloß muss man seine Qualitäten auch Mal ernsthaft begutachten, außerhalb der Behandlung dieses Films als Steilvorlage für kecke Seitenhiebe. Und wenn es schon irgendjemand machen muss, wieso nicht ich?

Also, es wird Zeit, dass die geflügelte Witzfigur der Disneykultur wenigstens für einen Moment lang aus ihrem Status als Insidergag herauswächst und wir sie als das betrachten, was sie ist.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für...

Condorman

Basierend auf dem Roman Spaghetti mit blauen Bohnen des mit komödiantischer Feder schreibenden Sci-Fi-Autors Robert Sheckley, erzählt Condorman den abenteuerlichen, haarsträubenden Agenten-Werdegang des Comiczeichners und -autors Woody. Sich derzeit in Paris aufhaltend versucht der aufstrebende Comickünstler seinem an sich selbst gestellten Anspruch gerecht zu werden, ein ungewohnt realistisches Superheldenheft zu verfassen. Er möchte, dass sein Protagonist Condorman nur Dinge tut, die im wirklichen Leben funktionieren. Deshalb baut Woody selbst Flugapperate, um auszutesten, ob man als Normalsterblicher mit einem entsprechenden Superheldenkostüm wirklich vom Eiffelturm aus über Paris fliegen kann. Woodys bester Freund Harry findet dieses Vorhaben ziemlich albern, hält sich mit seiner Kritik allerdings so gut es geht zurück. Kurz nach Woodys misslungenem Flugversuch kommt Harry, der bei der CIA arbeitet, in die Verlegenheit einen Auftrag an einen unbedarft aussehenden, amerikanischen Zivilisten weiterzuleiten. In seinem besten Freund sieht er die ideale Zielperson, und so schickt er den abenteuerlustigen Woody mit geheimen Papieren mit dem Zug quer durch Europa, um in Istanbul mit einer sowjetischen Spionin einen Austausch abzuhalten. Aufgrund Woodys aufgesetztem Selbstbewusstsein kommt es jedoch zu Komplikationen: Er und die Agentin Natalia entkommen nur knapp und mit sehr viel Dusel feindlichen Auftragnehmern eines türkischen Geheimdienstes. In Natalias Augen aber erschienen Woodys chaotischen Selbstwehrmaßnahmen besonders kühn, aalglatt und stahlhart, weshalb sie dem CIA explizit ihn als persönliche Wunscheskorte für ihren kurz nach dieser Mission geplanten Überlauf angibt. Da Natalia für den amerikanischen Geheimdienst von großem Wert ist, sieht man sich gezwungen Woody auch für diese Mission anzuheuern. Woody sieht seinen großen Moment gekommen und wünscht sich für seinen Auftrag eine auf seinen Comics basierende, absurd kostspielige Ausrüstung - die er tatsächlich erhält. Und wie es der Zufall so will, erweisen sich seine technischen Spielzeuge sehr nützlich, denn der simple Überlauf Natalias entwickelt sich aufgrund des hartknäckigen Einschreitens ihres ehemaligen Bosses Krokov zu einer halsbrecherischen Mission, wie sie die CIA noch nie gesehen hat.

Weshalb von allen Disney-Realfilmen ausgerechnet Condorman zum Spielball der Disneyfankultur wurde, ist ein kleines Rätsel. Dass es einen Film aus den 80er Jahren erwischte ist durchaus nachvollziehbar, da die meisten Produktionen aus den "Dark Ages" aus einem sachlichen Blickwinkel betrachtet mit ihrer naiven Vorstellung der Bedürfnisse eines jugendlichen Publikums und dem unsicheren Versuch eines Balanceakt zwischen "Modern" und "Klassisch Disney" eine leichte Zielscheibe sind. Zugleich versprühen sie genau deswegen auch einen gewissen Charme, weshalb man diesen Filmen nicht böse sein kann, so dass man bei leicht ernst gemeinten, leicht spaßigen Seitenhieben endet. Weshalb aber Condorman als das spöttische Hauptziel, nicht etwa Schreie der Verlorenen?

Mein Erklärungsversuch: Condorman fällt selbst für einen Film dieser Phase der Disney-Geschichte besonders harsch zwischen den Stühlen. Als "kantiger, harter" Disneyfilm für die 80er-Offensive ist er zu albern und leichtherzig (er ist zum Beispiel auch deutlich knalliger als die ähnlich gelagerte Krimikomödie Trenchcoat), für einen vor den 00ern erschienenen Disneyfilm ist er aber auffällig actionreich. Somit sticht Condorman ins Auge. Zudem ist Condorman kein "tragisches" Beispiel für die frühen 80er Jahre der Disney-Studios. Hinsichtlich Schreie der Verlorenen beispielsweise ist bekannt, wie ambitioniert und tough der Film hätte werden können, weshalb sein scheitern betrüblicher ist. Über Condorman dagegen kann man ohne Gram scherzen.

Doch wieso sollte man über Condorman nicht verächtlich die Nase rümpfen? Weshalb sollte man über die Reputation dieser Actionkomödie hinaus gehen und ihr auch ein Stück weit Respekt entgegenbringen? Nun, was Condorman ausmacht, ist der feine Spagat zwischen James Bond-Parodie und erfrischend familientauglichem Agentenabenteuer, den Regisseur Charles Jarrott mir diesem Film auftischt. Einerseits ist Condorman eine für Kinder aufregende und spaßige Einstiegsdrogen in die Welt der Agentenaction, andererseits kann man sich sehr gut über die comichaften Geschehnisse des Films amüsieren. Michael Crawfords Spiel als versehentlich talentierter Agent und in seinen Illusionen vertiefter Comicschöpfer erinnert ein wenig an den Humor eines Leslie Nielsen, der ähnlich trocken und augenscheinlich bierernst durch absoluten Irrsinn stapft. Der Unterschied ist, dass Crawford weniger knalligen Slapstick hinlegt, dafür glaubwürdiger die glatt-verführerische Seite des Bond-esquen Agententums zu verkörpern weiß.

Zugegeben, fesselnde Spannung kommt in Condorman nicht auf, aber dennoch sind die Actionszenen für einen Familien-Agentenfilm sehr gut gemacht, insbesondere die explosive Autoverfolgungsjagd quer durch ein jugoslawisches Dorf ist gut choreographiert. Überhaupt sind die ganzen Gadgets von Condorman ein filmgewordener Jungstraum: Laserknarren, Autos mit Flammenwerfer und knallige Flugapperate zeichnen hier einen etwas bunteren Agentenalltag als beim an ein wenig ältere Zuschauer gerichteten Vorzeigeagenten. Das Spiel mit Klischees ist in seiner teils gespielten, teils authentischen Blauäugigkeit herzerfrischend und der von Pink Panther-Komponist Henry Mancini geschriebene, extra dick auftragende Filmmusik weiß mich ebenfalls zu überzeugen.

Die vergnügliche, quer durch Europa führende Hatz ist zu blutleer, um dem von der damaligen Geschäftsführung Disneys gesetzten Ziel der Kantigkeit gerecht zu werden oder heutzutage als Disney untypischer Geheimtipp zu gelten, aber werden an Condorman dennoch ungebrochene Freunde haben. Und für ältere Zuschauer bietet Condorman außerdem eine hübsche Prise Charme, weshalb Condorman irgendwo zwischen einem sündigen Vergnügen und einem schlichten, einfach gestrickten und sympatischen (sowie undschuldigem) Vergnügen steht. Crawford und Barbara Carrera sind ein nettes Protagonistenpärchen und die Handlung hat eine reizende sowie entwaffnende 80er-Familienaction-Ausstrahlung. Condorman ist sicherlich kein Glanzstück der Disney-Filmgeschichte, aber es ist ein unterhaltsamer und schmerzfreier Spaß für Kinder (fast) jeden Alters, dem man einfach nicht böse sein kann. Und ja, manche Szenen sind sogar durchaus denkwürdig, so dass Condorman im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Produktionen nicht nach einmaligem Sehen für immer und ewig vergessen ist.

Und deshalb hat Condorman mehr Respekt verdient.

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Montag, 21. Dezember 2009

Bruckheimers weihnachtlicher Verzicht auf Effektgewitter

Jerry Bruckheimer. Erfolgsproduzent und Miterfinder des modernen, schnell geschnittenen Blockbusters mit klar umrissenem, schnell verständlichem Konzept. Sofort assoziiert der Kinofan diesen Namen mit explosiven, rasanten Actionfilmen wie Der Staatsfeind Nummer 1, Con Air oder The Rock. Neuerdings fand Bruckheimer eine neue Heimat unter dem Disney-Markennamen und produziert erfolgreich spannende Actionfilme, die den Adrenalinpegel im Herzen junggebliebener Abenteurer in die Höhe schwellen lassen.

Der charismatische Produzent mit der goldenen Spürnase ist dank seiner zahlreichen, enormen Kinoerfolge ein unerlässlicher Teil des Disney-Konzerns geworden, und so wundert es nicht, dass Bruckheimer von Disneys Geschäftsführung besonders wertgeschätzt wird.
Bruckheimers Produktionen werden immer wieder erfolgreich neu für den Heimkinomarkt aufgelegt. Kein Wunder, sind sie ja hervorragendes Vorführmaterial für die neusten Glanzleistungen der Technik und zugleich ungeheuer unterhaltsam.

Die fruchtbare Verbindung zwischen Disney und Bruckheimer begann 1994. Michael Eisner und Frank Wells holten den Produzenten zusammen mit seinem Geschäftspartner Don Simpson ins Boot, um ihren Studios nach den segensreichen späten 80ern wieder eine Glückssträhne im Erwachsenenbereich zu verschaffen und den Disney-Konzern endlich im Bereich der Actionproduktionen zu etablieren. Bruckheimer und Simpson bescherten zuvor Paramount, der alten Heimat von Michael Eisner, solche Hits wie Beverly Hills Cop und Top Gun, und genau solche Filme sollten nun für Disney produziert werden.

Das geschah auch, und zwar mit schier unglaublichem Erfolg. "Mr. Blockbuster" stärkte seine Position in Hollywood noch mehr und konnte seinen Namen in eine feststehende Marke verwandeln.

Doch es gibt da einen Film, der oft vergessen wird. Wenn Disney zum wiederholten Male seine Kollektion an Jerry-Bruckheimer-Produktionen hervorholt, wird diese Produktion schnell unter den Teppich gekehrt. Denn dieser Film fällt aus dem Schema eines typischen Bruckheimer-Filmes, sowohl inhaltlich, als auch erfolgstechnisch.
Es war Bruckheimers erste Arbeit für den Disney-Konzern, und sie wurde prompt ein Flop. Völlig zu unrecht.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für...

No Panic

No Panic (in den USA als The Ref, in weiteren englischsprachigen Ländern als Hostile Hostages bekannt) hat das Zeug zu einem alternativen Kult-Weihnachtsklassiker wie Stirb langsam, Gremlins oder Schöne Bescherung: Diese schwarze Komödie von Regisseur Ted Demme (Blow) lässt einen hitzköpfigen Einbrecher mit rauem Charme an ein bis aufs Blut verkrachtes Ehepaar geraten, welches er als Geisel nimmt. Eine Entscheidung, die er schnell bereut, denn nach nur wenigen Sekunden des Schocks verlassen Caroline und Lloyd Chasseur ihre Opferrolle und beleidigen sich unbeirrt weiter, als wäre ihr Entführer gar nicht da.

Der Clou an dem nicht völlig abgegriffenen, aber ebenso wenig frischem "Entführer wird von Geisel genervt"-Konzept in No Panic ist, dass dieser derbe und schmerzhaft ehrliche Ehekrach an Weihnachten stattfindet, und sich im Herzstück des Films während eines "gemütlichen" Familien-Festtagsschmauses abspielt, während dem sich der Räuber Gus als Therapeut zu tarnen versucht. Von dessen Anwesenheit abgesehen, kann sich wohl jeder in dieser Situation wiederfinden, denn wenn die gesamte Familie lange genug beisammen sitzt kommt es gerne Mal zu hitzköpfigen Wortwechseln. No Panic treibt dies mit seinen gekonnten Dialogen über das Vernachlässigen der ehelichen pflichten, die Unfähigkeit sich von seiner Mutter zu lösen und duckmäuserische Charaktereigenschaften sowie der explosiven Figurenzusammentsellung pointiert auf die Spitze.

Dass No Panic trotz allem beim Zuschauer kein "Kriegstrauma" wieder wachrüttelt, sondern genüsslich betrachtet und belacht werden kann, haben wir vor allem den gut aufgelegten Darstellern zu verdanken, die ihren karikierten Figuren einen greifbaren, natürlichen Kern verleihen, allen voran Denis Leary (Diego in der Ice Age-Trilogie), der seinen Charakter Gus nimmt und von einem Urtypus des charmanten Ganoven (ihr wisst schon, der tunichtgute Lebenskünstler, der keine andere Wahl hatte und aussteigen will), und etwas eigenes aus ihm macht. Auch Kevin Spacey als sexuell eingeschlafener, gehörnter Ehemann und Judy Davis als sämtliche Beschwerden über ihren Gatten nach aussen tragende Ehefrau sind grandios.

Ebenfalls sehr lustig, wenngleich sie viel zu selten zu Wort kommt, ist Christine Baranski (Cybill, Mamma Mia) als lästige, dominante und zickige Schwägerin, der Weihnachten nicht traditionell genug gefeiert werden kann.

Die tiefer gehende Ergründung der Chausseur-Eheprobleme ist schlüssig und lässt No Panic zwischendurch ins dramatische gleiten, was den Figuren mehr Tiefe verleiht. Dabei wird es stellenweise auch ein wenig rührselig, und vor allem der Subplot über den Gus nacheifernden Sohn des verkrachten Ehepaares ist zu zuckrig und altbekannt.

Dies hält sich allerdings zeitlich in Grenzen und ist obendrein im Weihnachtssubgenre recht schnell zu verschmerzen.
Bruckheimers erste Produktion für den Disney-Konzern mag nicht sein rasantestes Werk sein, aber es ist eine bodenständige, schwarze Komödie mit herrlich fiesen Wortgefechten, die jedem, der schonmal in Mitten eines Familienkraches stand das Herz und das Zwerchfell erwärmen wird.

Und deshalb hat No Panic mehr Respekt verdient.

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Samstag, 10. Oktober 2009

Verdorbener Zucker

Gefeierter Independentautor und -regisseur, Stimme einer Generation von simpel gestrickten Männern mit großen und kleinen Problemen, Zyniker und Schandmaul. Zugleich auch Held zahlreicher infantiler Geister, die auf Schwanz-, Furz- und Kifferhumor abfahren. Er verärgerte zahllose Katholiken, ließ einen seiner Helden in der Liebe gegen eine Lesbe anlaufen.

Kevin Smith, Hollywoods unerzogener, frecher Vorzeige-Nerd. Comicfan, Star Wars-Fan, dick, bärtig und die Zahl seiner ausführlichen, unverschämten Sexgespräche stellt die Zahl seiner Rendez-Vous mit Sicherheit loooooocker in den Schatten.

Wer sich einen Film von Smith ansieht weiß, was ihn erwartet: Unsentimentaler, ehrlicher Trashtalk und verschrobene Figuren in kultverdächtigen Geschichten, auf die Kommerz-Hollywood sicher nie kommen würde. Wie wäre es mit einem Tag im Leben eines Kleinladen-Angestellten oder der Mission einen Engel zu töten - so ganz ohne Schwarzenegger-Actionpomp?

Ja, Smith ist ein Unikum, ein verdorbener Zyniker, der die Dinge ausspricht, die sich die konservativen in der amerikanischen Bevölkerung nicht zu denken wagen!

Doch dann kam ein Film, der das Image von Kevin Smith in sich zusammenstürzen ließ, wie ein umgepustetes Kartenhäuschen. Ein widerlicher, in den Hintern Hollywoods kriechender Schnulzenkitsch, der unbestätigten Berichten zu Folge mehreren Diabetikern das Leben kostete. Ein Schuss in den Ofen, der von der medienträchtigen Beziehung zwischen Schleimbacke Ben Affleck und Zimtzicke Jennifer Lopez profitieren wollte und zu Recht katastrophal scheiterte.
Oder stimmt das alles, was man sich sagt etwa gar nicht?

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für...

Jersey Girl

Jersey Girl ist für unglaublich viele Fans von Smith und zahlreiche Kinokritiker das schwarze Schaf der Smith-Filmografie. Oder sollte ich besser sagen, Jersey Girl gilt als "das weiße Schaf"?
Denn was die meisten Feinde von Jersey Girl so sehr von diesem Film abstößt ist seine vermeintliche Süßlichkeit, die große Untreue gegenüber seinem eigenen Stil, die Smith hier aufzeigt.
Allerdings sehe ich das etwas anders. Smith wurde sich mit Jersey Girl nicht untreu, und einige der Kritiker von Jersey Girl ließen sich zu Zeiten des Kinostarts von äußeren Umständen blenden, statt der romantischen Komödie mit deutlicher Smith-Handschrift eine faire Chance zu geben.
So beschweren sich einige über das Casting von Ben Affleck in der Hauptrolle. Haben diese Kritiker überhaupt je einen anderen Film von Kevin Smith gesehen? Clerks ist der einzige Film von Smith, der vor Jersey Girl erschienen ist und ohne Affleck auskommt. Wer vor Jersey Girl kein Problem mit Affleck hatte, der sollte auch dort keins mit ihm haben.
Klar, nun könnte man sagen "Nur weil er in Mallrats nicht störte, muss Affleck in Jersey Girl nicht gleich gut sein.", jedoch gehen viele Kritiker gar nicht erst auf Afflecks Spiel in Jersey Girl ein. Sie sehen Affleck, und kriegen die Krächze. Dass Affleck unter Kevin Smith aber beweist, dass er ein guter Schauspieler ist und in Chasing Amy und Jersey Girl die mit Abstand besten Leistungen seiner Karriere abliefert, das interessiert wohl niemanden.
In Jersey Girl gibt Affleck eine fantastische Figur als in New Jersey lebender, alleinerziehender Vater ab, der sein Leben als erfolgreicher PR-Manager in New York vermisst und sich in eine sexuell sehr offene Videothekarin verliebt. Wieso also meckern?

Vielleicht sind die vielen Attacken gegen Jersey Girl ein Produkt ihrer Zeit: Als der Film herauskam waren Affleck und Lopez in allen Klatschspalten und verpesteten obendrein die Kinos Amerikas mit ihrem Schrottfilm Gigli. Durchaus verständlich, dass einige damals einfach genug von Affleck und Lopez (die im Prolog Afflecks Ehefrau spielt) hatten. Allerdings sollte man die Größe haben, Jersey Girl neu zu betrachten, wenn man seine Affleck-Überstättigung irgendwann bekämpft hat.

Mich verwundert auch der Vorwurf, Kevin Smith verrate mit Jersey Girl seine Ideale und seinen eigenen Stil. Sofern man von Kevin Smith mehr gesehen hat als nur Jay und Silent Bob schlagen zurück, sollte man eigentlich wissen dass Smith nicht bloß ein Blödelregisseur ist, der zwei kultige Kifferkumpane erschuf und der in seinen geekigen Geschichten viel persönliches hineinlegt. Dogma (mein Lieblingsfilm von Kevin Smith) behandelt seinen Glauben (zugegebenermaßen auf sehr amüsante Weise), aber seine vorherigen Filme gingen unter ihren genial-komischen Dialogen auch mit Herz und Seele an ihre Themen heran. Erneut sei hier besonders Chasing Amy hervorgehoben, der über weite Strecken auf Lacher verzichtet und sehr ehrlich und gefühlvoll die Liebe aus einem neuen Blickwinkel betrachtet.

Wenn man nun Jay und Silent Bob rausstreicht (Jersey Girl war der erste Film von Kevin Smith, der auf die zwei Charaktere verzichtete und außerhalb des "View Askewniverse" spielte) - wieso sollte man da zwangsweise einen Film erhalten, der absolut untypisch für Smith ist und zu kitschigem Hollywood-Geblubber verkommt?
Jersey Girl mag zwar in den USA eine PG-13-Freigabe erhalten haben (ein Novum für Smith!), jedoch hatte auch er wieder enorm mit dieser Freigabe zu kämpfen (was Smith mittlerweile gewohn ist) und enthält deftige, unbeschönigten Gedankenaustausch über Enthaltsamkeit, Pornos und Masturbation. Kevin Smiths Spezialität ist es diese Themen geschmackvoll und (für manche schockierend) ehrlich anzupacken und mit ihnen eine gefühlvolle Geschichte über Treue, ewige Liebe und das Erwachsenwerden / das Vatersein zu erzählen.

Sicherlich ist Jersey Girl nicht makellos, und je nach meiner Stimmung ist er in meinen Augen der schwächste Film von Kevin Smith. Wenn meine Gefühlslage ein wenig anders ist, dann kommt diese "Ehre" Mallrats zu, das Ganze hängt auch ein wenig davon ab, welchen der Filme ich zuletzt sah.
Jersey Girl
ist manchmal etwas "unfair" zu seinem Hauptcharakter und forciert die Handlung gegen Schluss ein bisschen (man soll ihn hassen bzw. seine Familie hasst ihn, wenn ein leichter Zwist viel schlüssiger wäre, aber dann käme der nächste Akt nicht in die Pötte) und ein klein wenig unstrukturiert. Ansonsten brilliert er aber mit den hervorragenden Dialogen eines Kevin Smiths, einem alles gebenden Ben Affleck (die Nominierung für die Goldene Himbeere war reinste Gehässigkeit) und der faszinierenden Jungdarstellerin Raquel Castro als Afflecks Tochter, dem titelgebenden Jersey Girl. Liv Tyler als Afflecks neue Flamme ist solide, könnte aber durchaus etwas mehr Funken sprühen lassen.

Dass Jersey Girl, über dessen Scheitern an den Kinokassen Smith wenigstens lachen und scherzen kann, kein Welterfolg wurde, ist für mich ja angesichts seiner Unauffälligkeit ja noch ganz gut erklärlich, der Hass dagegen ist vollkommen irrational. Jersey Girl ist eine sentimental-amüsante Feel-Good-Romanze, die mit einigen frischen Ideen wie den Sweeney Todd-Szenen und großartigen Gastauftritten aufwarten kann. Und wäre die allergische Reaktion auf Ben Affleck und Jennifer Lopez nicht gewesen, hätte Smith vielleicht sogar ein beeindruckendes, kleines Epos schaffen können: Eigentlich sollte der Film eine ganz andere Struktur aufzeigen und rund drei Stunden dauern. Diese Version hätte mehr Szenen mit Jennifer Lopez enthalten und hätte, so Smith, einen anderen emotionalen Schwerpunkt gehabt, da man mehr vom früheren Leben Trinkés (Ben Afflecks Figur) gesehen hätte.

Aber auch in der Kinofassung ist Jersey Girl ein charmanter, cleverer und rührender kleiner Film, der zeigt, wie vielfältig Kevin Smith ist, ohne dass er sich selbst untreu werden muss. Er ist süß und frecherweise ehrlich zugleich.

Und deshalb hat Jersey Girl mehr Respekt verdient.

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