Samstag, 22. August 2009

Die Zehn-Satz-Rezension zu "Inglourious Basterds"


  1. Inglourious Basterds ist ein Paradebeispiel für irreführendes Marketing, da einem die Trailer und Poster suggerieren, es handle sich hierbei um einen blutrünstigen, simplen Gewaltfilm in dem eine Truppe rüpelnder US-Soldaten in Frankreich Nazis massakriert, obwohl Inglourious Basterds in Wahrheit ein (typisch Tarantino) anspruchsvoll strukturierter dialoglastiger Film ist und die titeltragenden Mannen rund um Brad Pitts (einvernehmend coole) Figur Lt. Aldo Raine bloß einen von mehreren Handlungssträngen tragen.
  2. Zugleich verrät der erste Trailer zu Inglourious Basterds auch den Kern des Films, den für eine stimmige Betrachtungsweise unerlässlichen Schlüssel zum Film, und zwar indem er erwähnt "Man hat den Krieg nicht gesehen, bis man ihn durch die Augen von Quentin Tarantino gesehen hat".
  3. Mit Inglourious Basterds präsentiert der visionäre Kultregisseur und Kinofanatiker einen ganz und gar ungewöhnlichen Weltkriegsfilm, der sämtliche Action- und Kriegsfilmkonventionen sowie aktuelle Hollywoodregeln über den Haufen wirft und sich in der Struktur eher Romanen anpasst, die Kameraführung bei Spaghettiwestern entleiht und nach allen Regeln des epischen Theaters von Brecht eine Distanz zwischen Zuschauer und Erzählung aufbaut, während er einen Kniefall vor der frühen europäischen Filmkunst begeht.
  4. In seinem multilingualen und -kulturellen, Genre übergreifenden Opus Maximus', das in Sachen Leidenschaft und ambitionierter Detailverliebtheit seinen bisheriges Kleinod Kill Bill locker überflügelt, treibt Tarantino die gesamte, illustre und facettenreiche Schauspielbesetzung zu Höchstformen an, vom vor Spielfreude überbohrenden Brad Pitt über die nicht mehr wiedererkennbar leidenschaftliche Diane Kruger und die einen in ihren Bann ziehende Mélanie Laurent bis in die kleinste Nebenrolle.
  5. Die schauspielerische Bestleistung liefert jedoch mit Abstand der Österreicher Christoph Waltz ab, dessen kultivierter, sprachbegabter, sadistischer, widerlich freundlich grinsender und triefend zynischer Oberst Hans Landa, genannt "Der Judenjäger", jede einzelne Dialogzeile stiehlt und sich eine Oscar-Nominierung (oder sogar -Auszeichnung) redlich verdient hat.
  6. Gewohnt großartig geriet auch der Soundtrack von Inglourious Basterds, der Pop, bekannte und unbekannte Oldies und den Meister Morricone zu einer ins Ohr gehenden, perfekt den Film unterlegenden Mischung vereint.
  7. Quentin Tarantino tötete mit Inglourious Basterds im Alleingang (und mit fast einer Dekade Vorbereitungszeit) das inoffizielle Subgenre des Zweiten-Weltkrieg-Films und setzt sein unvergleichliches, nicht gerade massentaugliches, Zeichen gegen sämtliche ehrfürchtigen, vor der Last der Thematik zusammenbrechenden und geschichtsbelasteten Charakter-, Historien-, Opfer- und Heldendramen, die von Kritikern in den Himmel gelobt und mit Preisen überhäuft werden, während er zugleich sämtlichen adrenalinsüchtigen Ballerkriegsfilmen seine gehaltvolle und zudem unterhaltsame Weltkriegsvision gegenüberstellt.
  8. Das größte Problem an Inglourious Basterds ist, dass er einen nach so viel mehr Gelüsten lässt, dass man seinen Figuren anmerkt, dass man mit ihnen noch so viele Stunden an Laufzeit füllen könnte, so dass einem als Zuschauer der Film nur wie ein (formidabler) Appettitanreger vorkommt.
  9. Aufgrund seines virtuosen Umgangs mit dem Thema Sprache und der Multilingualität einiger Charaktere (und fast aller Szenen) ist es bei Inglourious Basterds außerordentlich bedeutsam sich eine untertitelte Originalfassung anzusehen, statt der synchronisierten Fassung.
  10. Inglourious Basterds ist andersartig, unterhaltsam, anspruchsvoll, lang, faszinierend, irgendwo im Niemandsland zwischen "sich nicht selbst ernst nehmend" und "ernst zu nehmend" angesiedelt, das Publikum stets fordernd und je mehr man ihn nachwirken lässt, desto stärker ist er.
Anmerkung: Inglourious Basterds hat die große Ehre, hier in meinem Blog gleich zwei von mir verfasste Rezensionen zu erhalten. Es ist nahezu unmöglich, eine diesem Film gerecht werdende Rezension zu verfassen, ohne zu spoilern. Ich verfasste in der Vergangenheit zwar bereits öfter Spoiler-Kritiken, jedoch fühlte ich bei diesen Filmen nicht die Notwendigkeit einer spoilerfreien Alternative. Bei Inglourious Basterds dagegen möchte ich eine solche Rezension anbieten.

Die ausführliche Spoilerrezension wird noch erarbeitet - ihr könnt euch sicherlich denken, was für ein Monstrum an Filmkritik euch damit erwartet und dass es deshalb noch ein wenig dauern wird, bis sie fertig ist. (Update: Hier findet ihr die ausführliche Besprechung von Inglourious Basterds)

9 Kommentare:

kroko_dok hat gesagt…

Dann muss ich wohl aber auf die DVD warten, denne meine CinemaxXe spielen den nur in der Synchro-Version. GI Joe spielen sie übrigens auch auf englisch, das erklär mir mal einer. Werd ihn mir dann halt erst synchronisiert angucken.

Unknown hat gesagt…

Es ist ja fast schon eine Schande diesen genialen Film in nur Zehn Sätzen erklären zu wollen ;-)
Kann auch nur jedem dazu raten sich die OmU Fassung anzusehen!
Freue mich schon auf die ausfürhliche Rezension!

mfg
Martin

Anonym hat gesagt…

Wer gerne sieht, wie den eigenen Landsleuten der Kopf mit einem Baseballschläger zertrümmert wird, der MUSS sich den Film ansehen. Wer sich aber der Tatsache bewusst wird, dass man als Deutscher anscheinend weniger wert ist als Dreck, und wer das nicht gutheißt, sollte dem Film fernbleiben. Im Film handelt es sich eben nicht nur um "Nazis", sondern um ganz normale deutsche Soldaten, um unsere Großväter.

Von der Machart her ist er ein typischer Tarantino-Film: gute Schauspieler (wenn auch Pitt eindeutig zu Unrecht so hochgelobt wird), witzige Dialoge, wie Stan schon geschrieben hat, gute Regiearbeit. Insgesamt eine typische Tarantino-Atmosphäre, die es einem schwermacht, den Film einem eindeutigen Genre zuzuordnen. So isser halt, der Quentin. ;)

Vom rein objektiven Standpunkt ist der Film vielleicht nicht der beste, aber auf jeden Fall ein guter Tarantino-Film. Wer Quentins Arbeit mag, mag auch diesen Film.
Vom subjektiven Standpunkt aus ist der Film natürlich nicht gerade erheiternd, wenn man selbst Deutscher ist. Und wenn dann noch im Publikum jedes Mal irgendwelche Idioten lachen (gibt es nervtötenderes Verhalten im Kino?), wenn ihre eigenen Landsleute abgeschlachtet werden, macht das die Sache nicht besser.

Sir Donnerbold hat gesagt…

"witzige Dialoge, wie Stan schon geschrieben hat"

Wer ist Stan?

Abseits dessen: Muss man sich denn mit allem und jedem identifizieren, nur weil er aus dem eigenen Land stammt? Man kann doch überhaupt nichts für sein Heimatland. Man wurde da geboren, und so lange man keinen guten Grund hat umzuziehen verbringt man halt viele Jahre seines Lebens dort. *schulter zuck* Sich da zu erbiestern, dass der Film sagt, Deutsche seien weniger wert als Dreck finde ich da ziemlich kurz gedacht.
Der an Exploitation angelehnte Basterd-Subplot lebt halt von der Freude an der Gewalt - soll ich sie mir vermiesen lassen, nur weil die Opfer dieses Mal die selbe Sprache wie ich sprechen? Müsste man als Deutscher weniger bedenken mit dem Film haben, würden die Basterds in Japan auf einen blutrünstigen Feldzug gehen?

Man sollte seine Sympathien mehr nach der Persönlichkeit der Figuren aussuchen, als nach ihrer Herkunft (die sympatischste Figur des ganzen Films ist für mich wohl ganz klar die Rolle von Mélanie Laurent).

Zumal der Film dahingehend von dir wohl falsch verstanden wurde. Der Film behauptet nicht, dass Deutsche weniger wert als Dreck sind. Die Basterds, eine Gruppe von Charakteren innerhalb des Films, DIE sagen das, und selbst die unterscheiden zwischen Leuten in Nazi-Uniform und anderen. Immerhin haben sie zwei Deutsche in ihren eigenen Reihen.

Zu behaupten, "Inglourious Basterds" zeichne alle Deutsche als Würmer, die einen brutalen Tod verdient haben, nur weil eine Hand voll Charaktere Spaß daran hat sie abzumeucheln wäre so, als würde man dem Film Antisemitismus vorwerfen, weil ja schließlich einige Charaktere im Film Juden als minderwertige Staatsfeinde sehen.

Du erwähnst ja die typische, Genrekonventionen auseinanderhebelnde Tarantino-Atmosphäre. Aber du hast da wohl die ebenso typische Ironie und das Spiel mit dem Zuschauer übersehen. Wenn Hitler es im Laufe des Films dem Publikum von "Inglourious Basterds" gleichtut und über getötete Statisten "von der Feindesseite" lacht, dann hat das schon seinen Sinn.

In der (weiterhin in der Produktion befindlichen) ausführlichen Rezension geh ich nochmal etwas genauer darauf ein. Außerdem gibt es ein Stern-Interview mit Tarantino, in dem er diesen Aspekt anspricht. Nur weil die Basterds cool sind, heißt das nicht, dass er keinerlei Mitgefühl für ihre Opfer zu Beginn des Films beabsichtigt, sagt er dort sinngemäß.

Anonym hat gesagt…

Entschuldigt bitte. Ich wollte hier natürlich keinen Ärger im Board provozieren, indem ich mit einem bissigen Kommentar politisch stark rechtsorientierte Vorposter angreife.

....allerdings kann ich mir nicht verkneifen, nun ausschließlich zu lachen, wenn ich sehe, wie mein Opa in dem Film mit dem Baseballschläger geschlachtet wird.

Anonym hat gesagt…

Ich kann Tarantino Filme nicht leiden, mein Standpunkt ist, dass sie bloße plumpe Gewaltverherrlichung sind, von Pulp Fiction bis zu diesem strunzdoofen Machwerk.
Tarantino ergeht sich in teilweise echt kranken Gewaltphantasien und das ist alles vollkommen okay, weil es ja satirisch ist. Oder weil es ja die Gewalt nur anprangern soll... oder, und das ist ja am häufigsten, weil es einfach so cool ist. Ja, klar... cool. Wow.

Zu meinem Leidwesen ist mein Freund Tarantino Fan und will mir bis heute immer wieder weißmachen, Pulp Fiction hätte einen philosophischen Sinn und so einen Krempel. Aber selbst er will Inglorious Basterds nicht sehen.
Nazis - oder wie hier bereits von Hyrule gesagt, deutsche Soldaten - töten ist ja immer spaßig anzusehen in amerikanischen Filmen (ich will damit jetzt nicht irgendwelche Statements in der Richtung machen, dass die Taten der Nazis nicht absolut grauenhaft waren, das waren sie nämlich!), dann noch eine unsinnige Geschichte und Mr. "Ich-bin-die-geilste-Midlife-Crisis-der-Welt" Brad Pitt. Ich kann den Mann nicht mehr ertragen. Unser "deutscher Hollywood Star" (hahaha) Diane Kruger als billige Marlene Dietrich Kopie mit in den Topf und dann noch die typische pseudo-coole Tarantino Dialog-Sülze... ne, echt nicht.

... sorry, das war jetzt vielleicht harsch, ich seh nur bei Tarantino irgendwie rot und das nicht vom Blut :ugly:

Besonders gut an solchen Filmen - besonders von so übermäßig hoch gelobten "Genies" wie Tarantino - ist, dass ich denke, das viele Amerikaner das sogar teilweise für bare Münze nehmen könnten... ich meine, es gab auch welche, die sich beschwert haben, dass im Trailer von "Troja" das Ende "gespoilt" wurde, weil man die Stadt brennen sah... von daher... wer weiß

Sir Donnerbold hat gesagt…

"oder wie hier bereits von Hyrule gesagt"

Wer ist denn Hyrule jetzt schon wieder? Und warum meint jemand, das hier als Board zu bezeichnen? Kann es sein, dass sich irgendwelche Forenbeiträge hierhin verirren?

Außerdem: Mit Ausnahme von "Kill Bill Vol. 1" ist in Tarantino-Filmen so wenig Gewalt zu sehen (wobei "Vol. 1" ja eigentlich nur ein halber Film ist, "Kill Bill" als Gesamtwerk ist wieder prozentual gewaltärmer), dass man die ganzen "FSK ab 12"-Actionstreifen, in denen Leute ballernd durch Großstädte rasen und es lustige, schöne Explosionen zu sehen gibt ja wohl wesentlich eher zum nachahmen laden, als "Pulp Fiction" und Co.

Aber kann ja den Kritikern, mit den schönen Formulierungen "Gewaltexzess-Maestro Tarantino..." immer wieder gerne nachplappern. *g*

Anonym hat gesagt…

Okay, erst Kubrick's 2001 verreißen, dann diesen Mist, der nichts ist als schlechte Unterhaltung, hochloben. Danke, das war's. Viel Spaß mit deinem dummen Blog und deinem schlechten Geschmack.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Bloß weil ich "2001" nicht über den grünen Klee gelobt habe, bedeutet das nicht, dass ich ihn verrissen habe. Zwischen hochloben und verreißen liegen noch ein paar Welten.

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