Sonntag, 19. August 2012

Darkwing Duck: The Duck Knight Returns


Mit Darkwing Duck erreichte die legendäre, von damaligen Fans bis heute verehrte und regelmäßig von Kindern der Folgejahren neu entdeckte, erste Ära der Disney-Zeichentrickserien ihren Höhepunkt. Der maskierte Erpel mit dämlichem Hut und mordsmäßigem Ego parodierte mit großer Passion und ehrlichem Respekt die Comicwelt des Silver Age, ohne dabei ahnungslose Zuschauer auszustoßen. Durch Darkwings sarkastischen Sprüchen, lebhafter Animation und einer denkwürdigen Schurkengallerie wurde diese Serie zu einem von Jung und Alt geliebten Höhepunkt im Disney-Fernsehportfolio.

Als Superheldenpersiflage bietete sich Darkwing Duck rein konzeptuell schon immer perfekt für eine Comicadaption an, selbst wenn dadurch die großartigen Sprecherleistungen von Jim Cummings und Co. (im englischen Original) beziehungsweise Gudo Hoegel und Co. (in der deutschen Synchrofassung) verloren geht. Doch wenn Disney etwas beherrscht, dann zwei Dinge: Enttäuschende Comicadaptionen seiner aktuellen Kino- und Fernsehproduktionen und das Lebendighalten seiner Marken. In den Neunzigern litt Darkwing Duck unter dem ernstgenannten Talent des Mäusekonzerns: Die hierzulande vor allem in Limit veröffentlichten Comics boten lahme Storys und scheiterten daran, den Humor der Fernsehserie einzufangen.

Glücklicherweise trat 2010 die andere, vorhin genannte Disneyregel in Kraft: Disneystoffe können jederzeit wieder zum Leben erweckt werden. In diesem Fall mit Hilfe des Boom!Studios-Redakteurs Aaron Sparrow, der den Erwerb der Disney-Lizenz seines Arbeitgebers als perfekte Gelegenheit empfand, den Schrecken, der die Nacht durchflatterte, wieder auf Schurkenhatz zu schicken. Zusammen mit Autor Ian Brill und Zeichner James Silvani erschuf er so endlich einen Comic, der Darkwing Duck gerecht wurde.

Zu Beginn von The Duck Knight Returns bekommen die Leser St. Erpelsburg zu sehen, wie sie es noch nicht kannten: Frei von Superschurken und Großverbrechen. Dies ist jedoch nicht Darkwing Duck zu verdanken, denn der Schrecken, der die Nacht durchflatterte, hing nach einem einschneidenden Ereignis sein Cape an den Nagel. Seither ist ein Jahr ins Land gezogen, in dem er seinen Kumpel Quack nicht mehr gesehen hat, Kiki auf eine Schule für hyperaktive Kinder schickte und als Eddie Erpel eine Anstellung bei Quackwerks annahm, einem jungen Megaunternehmen, für welches nahezu die gesamte Stadt arbeitet und das unter anderem für die Wasserversorgung und Verbrechensbekämpfung zuständig ist. Diese erledigen allerdings Roboter, während Eddie Erpel sein Dasein hinter dem Schreibtisch fristet, wo er Papierkram zu bewältigen hat, den er selbst nicht versteht. Seinen Tag versucht der demoralisierte Enterich mit Erinnerungen an verrückte, frühere Einsätze als Darkwing zu versüßen, doch dass die Bürger St. Erpelsburg ihren maskierten Helden bereits vergessen, deprimiert ihn nur weiter. Doch wie aus dem heiteren Himmel formiert sich eine neue Bedrohung für ihn, seine geliebten Mitmenschen und seine Heimatstadt: Der zurückgetretene Megavolt wird aus seinem Verbrechensruhestand gezerrt, um wieder elektrisierenden Terror zu verbreiten. Unterdessen verrennt sich die Kriminalitätsbekämpfung Quackwerks in herrische Strafen für Bagatellendelikte. Eddie Erpel hat keine Wahl: Er muss sich wieder in den Einsatz schwingen!

Von den ersten Zeilen an wird spürbar, dass bei Boom!Studios passionierte Fans der Darkwing Duck-Zeichentrickserie tätig waren und mit Begeisterung das Feeling der Disney-Serie rekreieren wollten. Im Gegensatz zu den Neunziger-Comics, die Disney als Werbemittel für die Serie in Auftrag gab, entstand The Duck Knight Returns, weil Liebhaber des Originals neue Abenteuer des lila gekleideten Entenheldens erleben wollten. Die archetypische Story des in den Ruhestand getretenen, am unspektakulären Alltag zerbrechenden Superhelden konterkarieren Sparrow und Brill gekonnt mit haarsträubenden Tagträumen/Erinnerungen von außerordentlich lachhaften Abenteuern Darkwings, die selbst während des durchgeknallten Silver Age der Superheldencomics wegen ihrer Albernheit aufgefallen wären. Die Dialoge und Monologe lesen sich so, als wären sie 1:1 aus ungesendeten Originalepisoden entnommen. Darkwings selbstverliebten, komischen Intros, der trockene Sarkasmus, Megavolts Verwirrtheit ... Einfach jede einzelne Figur spricht so, wie aus der geliebten Serie gewohnt. Auch die Charakterisierungen treffen den Nagel auf den Kopf – lediglich der ebenfalls auftauchende Quackerjack ist eine Spur diabolischer und manischer, als einst in der Fernsehserie, was aber begründet wird und ihm auch gut zu Gesicht steht. Dafür stört es mich ein wenig, dass Quackerjack eine größere, breitere Zahnpartie spendiert bekam als in der Serie – alle anderen Figuren sind stimmig zu ihrer TV-Inkarnation, ausdrucksstark sowie mit festem und dennoch dynamischen Strich gezeichnet und wunderbar koloriert. Da stach mir der "neue" Quackerjack einfach zu sehr hervor.

Wie in den besten Serienfolgen kann The Duck Knight Returns nicht nur amüsieren, sondern auch Spannung erzeugen. Es fällt schwer, den Comicband wegzulegen, ehe sich herausstellt, wer hinter der Verschwörung steckt und weshalb Darkwing in den Ruhestand trat (und ich muss zugeben, beides vorab nicht erraten zu haben). Trotz der kleinen Prisen packender Atmosphäre und Dramatik herrscht der Humor ganz eindeutig vor: Neben den genialen Sprüchen der Figuren gibt es pfiffige Running Gags, knackigen Comic-Slapstick und auch zahlreiche Disney-Insiderjokes zu bestaunen. Von ironischen Seitenhieben auf offene Fragen rund um Darkwing Duck hin zu Gastauftritten von Entenversionen aktueller Kinohelden und mal deutlichen, mal versteckten Cameos weiterer Figuren hat nahezu jede Seite tolle Lacher und vergnügliche Details zu bieten. Und für das ältere Publikum hat der Comic auch Anspielungen auf extravagante Fetische zu bieten.

Von der Stimmung her würde ich den Darkwing-Comic als die Komplementärreihe zu Paperinik New Adventures bezeichnen: Während beim modernen Phantomias die Dramatik, die Action, das Erschaffen einer eigenen Mythologie und die Spannung im Vordergrund stehen, Donald und Co. dennoch auch Spaß bereiten, ist diese Mischung bei The Duck Knight Returns genau umgekehrt. Paperinik New Adventures ist allerdings fähiger darin, seine Story kontrolliert zu Ende zu erzählen. Das letzte Viertel von The Duck Knight Returns ist so überdreht und mit Gastauftritten, Seitenhieben und schneller Action überfrachtet, dass es sich wie ein Stück Fanfiction anfühlt, und nicht mehr nach einer von Fans gestützten, offiziellen Weiterführung. Wenngleich es immerhin noch gute Fanfiction ist. Trotzdem wäre mir etwas mehr Bodenhaftung am Ende lieb gewesen.

Dies trübte meinen Spaß am Comic jedoch nur minimal. The Duck Knight Returns ist ein absoluter Pflichtkauf für jeden Darkwing-Fan und auch Neulinge sollten am Band ihren Spaß haben.

Siehe auch:

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen