Samstag, 2. März 2013

James Bond 007 – Man lebt nur zweimal


Für Seherlebnisse wie Man lebt nur zweimal lohnt sich eine Retrospektivreihe an James-Bond-Kritiken, denn im fünften Teil der Agentenfilmreihe differenzieren sich erstmals auf gravierende Weise mein Sehvergnügen und das, was ich aus einer kritischen Position über den Film denke. Um die Pointe vorwegzunehmen: Man lebt nur zweimal ist streng betrachtet ein eilig zusammengeschusteter Film voller haarsträubender, lächerlicher Momente – und hat mir beim Anschauen viel mehr Freude bereitet als Feuerball und, ja, auch Goldfinger.

Zwei Jahre nach Feuerball und nur fünf Jahre nach dem Beginn der James-Bond-Filmreihe, wurde Sean Connery seiner Rolle und dem massiven Rummel um sie überdrüssig. Zu Beginn der Dreharbeiten verschlimmerte sich die Situation deutlich: Die ersten vier James-Bond-Kinoabenteuer erwiesen sich in Japan besonders populär, weshalb die Eon-Studios beschlossen, den nächsten Film dort spielen zu lassen (womit Ian Flemmings plotarmer Roman Man lebt nur zweimal als Storyvorlage festsstand, auch wenn sie für die Leinwand großzügig abgewandelt werden musste) und auch vor Ort zu drehen. Somit ließen die Produzenten Albert Broccoli und Harry Saltzman ihren Zirkus aber in die Höhle des Löwen ziehen, wo ein eh schon unenthusiastischer Sean Connery von übereifrigen Pressemitgliedern und Fans belagert wurde. Eine von Schlafmangel geprägte, desaströse Pressekonferenz genügte, um Connery in laute Zweifel zu stürzen, nachdem Paparazzi ihn und seine Frau unentwegt verfolgten und Connery sogar beim Stuhlgang fotografierten, zog der Filmstar mit Bestimmtheit den Entschluss, nach dem Dreh von Man lebt nur zweimal die Lizenz zum Töten an den Nagel zu hängen.

Daraus resultiert eines der Kernprobleme an diesem Agenten-Irrsinn: Sean Connery, dessen Ausstrahlung und Engagement zwei der wichtigsten Anziehungspunkte der bisherigen Bond-Filme darstellen, schlafwandelt sich durch die rund 100 Filmminuten und vertut damit eine gewaltige Chance. Denn das absurdeste und teils auch bewusst komödiantischste Skript von Connerys erster 007-Ära würde mit einer entsprechend augenzwinkernden, chargierenden Performance viel dynamischer aufleben.

Leider bleibt Connery also ziemlich monoton in diesem skurrilen Bond-Abenteuer, das so viele Gelegenheiten für das komödiantische Timing vom Feuerball-Beginn oder das gelassene Dr. No-Geplänkel bietet. Zu Beginn aber legt Man lebt nur zweimal eine Schippe auf alle bisherigen Bond-Openings drauf und eröffnet mit einer beachtlichen (und äußert kurzweilig überzogenen) Weltallsequenz, in der ein riesiges Raumschiff eine kleinere US-Rakete verschluckt. Auf die mit starker Modellarbeit umgesetzte Szene folgt der nunmehr dritte Versuch der Filmreihe, das Publikum glauben zu lassen, James Bond hätte ins Gras gebissen. Sobald der langweilige, mit klischeehaften Asia-Einflüssen gewürzte Titelsong (gesungen von Nancy Sinatra) mit seiner uninspirierten, eintönigen Vorspannsequenz vorüber ist, folgt die Auflösung, dass Bond nur seinen Tod vortäuschte, um nachfolgend besser operieren zu können. Der Plan ist völlig unsinnig und eröffnet einige Plotlöcher, sofern man als Zuschauer zu viel mitdenkt, und ist nur für den billigen "Oh nein, nicht James Bond, ich mag den Kerl!"-Effekt drin, aber wenigstens hält sich der Film nicht zu lang an Bonds Ableben auf, sondern mündet nach seiner vorgetäuschten Seebestattung in eine der ersten köstlich überzogenen, sich ihres Humors gewissen Blödelszenen der Reihe: Bond erhält seine Instuktionen von M in einem U-Boot und der übliche Ablauf wird durch das überbordende, maritime Setdesign wunderbar neu verpackt.

Auf der Suche nach den Verantwortlichen hinter dem galaktischen Angriff stürzt sich Bond zunächst in einen mit Wucht inszenierten, rasanten und rauen Katana- und Faustkampf, ehe er in die Falle eines Verbündeten tappt (öh, ja, klaro, ergibt Sinn!?) und weitere Instruktionen erhält. Die Spur führt zu einem Mitbewerber seines Kontaktmanns Tiger Tanaka (Tetsurō Tamba), der seine Handlanger auf Bond und seine Begleiterin Aki (Akiko Wakabayashi) ansetzt. Nach einer von langweiliger, atmosphärisch unpassender Musik begleiteten, doch großartig choreographierten Kampfszene, die so furios ist, dass nur eine Hubschrauberflug-Kamerafahrt dieses Faustduell einfangen kann, kommt es erstmal wieder zum obligatorischen Hin und Her zwischen schurkischer Dame, die Bond gefangen nimmt, verführt wird, ihm eine Falle stellt, aus der er entkommt, was später zu ihrer Hinrichtung durch den wahren Bösewicht (Ernst Stavro Blofeld, hier gespielt von Donald Pleasence) führt. Bond wird unterdessen von einem Fluggeschwader verfolgt, das er in seinem tragbaren Bausatz-Helikopter austricksen kann. Der Helikopter ist in seiner Einsatzfähigkeit und Absurdität ein Glanzstück der Bond-Gadget-Historie, der Luftkampf jedoch ist ein wildes Durcheinander aus beachtlichen Luftaufnahmen und miesen Bluescreen-Effekten.

Im letzten Drittel lässt Man lebt nur zweimal dann jegliche Bodenhaftung fallen und will uns weismachen, dass Bond sich Blofeld nur stellen kann, wenn er ein Ninja-Training absolviert und als Japaner ausgibt. Die Maskerade ist vollkommen dämlich, Connery spricht weiter sein breites Schottisch und hat einfach nur ein wenig die Augenbrauen gezupft bekommen und trägt ein neues Haarteil. Die Verwandlungssequenz wurde Jahrzehnte später in Team America: World Police persifliert und es ist nur mit der Lupe erkennbar, welche der beiden Szene gewollt und welche unfreiwillig komisch ist ... ja, so mies ist die "Transformation" in Man lebt nur zweimal. Das Ninja-Training ist zum wegschmeißen, und das nicht gerade im besten Sinne, und erst sobald Bond die in einem Vulkan befindliche Basis Blofelds infiltriert, nimmt der Film wieder an Fahrt auf. Das Finale ist überzogen, Blofeld eine einzige Karikatur und die verschreckte weiße Katze in seinen Armen sorgt für allerlei ungeplantes Amüsement, aber die aufwändigen Setbauten und die ausgetüftelten Actioneinlagen und die dick aufgetragenen Dialogzeilen lassen die Zeit wie im Flug vergehen.

Direkt nach Goldfinger ist dies der wohl am häufigsten parodierte Bond, und während es bei Goldfinger an der Fülle an ikonischen Momenten liegt, brockt sich Man lebt nur zweimal auch vieles mit seiner Dämlichkeit ein. Doch es findet sich auch eine Masse an tollen Sequenzen wieder, allein schon visuell und akustisch: Blofelds Basis bildet die Blaupause für Syndromes Versteck in Die Unglaublichen und Michael Giacchino zollt in diesem Film auch dem Weltall-Leitmotiv seinen Tribut.

Man lebt nur zweimal ist für mich eines der geballtesten Bündel Sehvergnügens in der Bond-Filmographie und gleichwohl einer der aus nüchterner Sicht betrachtet schwächsten Filme der Reihe. Ein desinteressierter Protagonist, ein formelhafter Handlungsaufbau voller Logiklücken und zahllose Vorfälle ungewollter Komik stehen hier der Vorstellungskraft des Kinderbuchautoren Roald Dahl und einer energiereichen Inszenierung Lewis Gilberts gegenüber.

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