Samstag, 30. September 2017

Inferno


Das Dan-Brown-Fieber hat sich im Buchhandel nie völlig gelegt. Und dennoch spielen die Geschichten des Romanautoren im popkulturellen Diskurs nunmehr eine deutlich kleinere Rolle als etwa vor zehn Jahren zum Kinostart von The Da Vinci Code – Sakrileg. Damals stapelten sich in den Buchläden die Historienverschwörungsthriller von Trittbrettfahrern, während sich selbst Wissensmagazine an abstrusen Ablegern versuchten, um diesen Hype mitzunehmen. Auch 2009, als Illuminati anlief, ging wenigstens ein leichter Ruck durch die Popkultur. Inferno, die dritte Adaption eines Romans rund um den Symbologen Robert Langdon, hatte 2016 dagegen kaum Vorabhype im Rücken. Das ist, je nach Standpunkt, bedauerlich, weil Inferno der am kompetentesten verwirklichte Film der Reihe ist. Oder ausgleichende Gerechtigkeit, weil den Film trotzdem viele der Probleme plagen, die schon bei den Vorgängern gegeben waren.

Die Geschichte beginnt damit, wie der amerikanische Biochemiker Bertrand Zobrist (Ben Foster) verfolgt wird. Der gegen die Überbevölkerung wetternde Milliardär wählt den Ausweg durch den Freitod. Kurz darauf erwacht Harvard-Professor Robert Langdon (Tom Hanks) in einem Krankenhaus in Florenz. Er ist körperlich verletzt, sichtbar geschwächt und leidet an Amnesie. Dennoch bemerkt er, dass er sich in großer Gefahr befindet und flieht zusammen mit Ärztin Dr. Sienna Brooks (Felicity Jones) vor einer schießfreudigen Frau (Ana Ularu). Während sich Langdon an die Umstände zurückzuerinnern versucht, die ihn ins Krankenhaus verfrachtet haben, stellt sich heraus, dass er in die verworrene Hatz um eine von Zobrist erschaffene Seuche involviert ist: Wenn das Virus freigesetzt wird, könnte die Hälfte der menschlichen Population sterben. Neben Langdon scheint auch die Weltgesundheitsorganisation von dieser Bedrohung zu wissen, sowie diverse weitere, geheimnisvolle Personen, die sich nicht so leicht aufhalten lassen …

Inferno startet mit einem von den bisherigen Langdon-Filmen ungewohnten Tempo: Zügig schneiden die Cutter Tom Elkins (Annabelle) und Daniel P. Hanley (Rush – Alles für den Sieg) zwischen einer dynamisch gefilmten Verfolgungsjagd und einer magnetisch-apokalyptischen Rede Zobrists hin und her. Auch nach diesem Prolog hält Regisseur Ron Howard zunächst die Erzählgeschwindigkeit auf einem eiligen Level: Rund das erste Drittel über vermeidet Howard jeglichen Leerlauf, wie er im zähen The Da Vinci Code – Sakrileg vorkam, und vermengt das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Langdon & Sienna einerseits und den teils unbekannten Verfolgern andererseits stimmiger mit der obligatorischen Hinweissuche als in Illuminati.

Dass Inferno spannender und amüsanter beginnt als die Vorgänger, ist zu großem Teil dem bereits in der Romanvorlage vorkommenden Kniff zu verdanken, Langdons lexikalisches Wissen durch seine Amnesie auszubremsen. Tom Hanks erhält so eingangs die Möglichkeit, wieder sein komödiantisches Timing unter Beweis zu stellen, während die Entschlüsselung der historischen, kunsthistorischen und literarischen Rätsel etwas abwechslungsreicher ausfällt, statt in ein monotones „Na, klar, das weiß man doch!“ auszuarten.

Dessen ungeachtet verlangt Drehbuchautor David Koepp vom Publikum, teils haarsträubende Rätselkonstrukte ohne Widerrede zu schlucken. Anders als der augenzwinkernde Das Vermächtnis der Tempelritter oder die launigen Indiana Jones-Abenteuer will Inferno, genauso wie seine Vorgänger, ernstzunehmendes Entertainment sein: Der Tonfall der allein auf Spannung angelegten Geschichte ist zunehmend dramatisch (natürlich erübrigt sich Langdons Amnesie noch lange vor Filmschluss), die Verweise von Kunstwerk zu Kunstwerk zu historischem Schauplatz sind oftmals hanebüchen, ohne je vom humorigen „Auf der Rückseite der Unabhängigkeitserklärung befindet sich eine Schatzkarte, und wir müssen sie stehlen, um sie zu schützen!“-Schlage zu sein.

So fragwürdig die innere Logik dieser Schnitzeljagd gelegentlich sein mag, so führt sie Langdon (und das Publikum) durch zahlreiche Originalschauplätze, die Kameramann Salvatore Totino (Everest) in packenden Bildern festhält. Vor allem das Finale im beeindruckendsten Konzertsaal der Welt und Langdons schaurige Visionen heben Inferno vom visuell drögen Erstling dieser Reihe und vom gelegentlich in seinem bemühten Pathos ungewollt komischen Zweitling ab. Gleichwohl ist Hans Zimmers Musikuntermalung hier die schwächste der Reihe – nach den mystischen Da Vinci Code-Themen und der adrenalingeladenen Illuminati-Mucke fällt das (von Rückverweisen abgesehen) generische Inferno-Klangbett deutlich ab.

Sobald sich das Feld derer, die an Langdons Fersen haften, ausgedünnt hat, verkompliziert Koepp die Handlung unnötig durch ständige Wechselspielchen, wer denn nun welche Handlungsmotivation haben könnte. Diese Enthüllungen und Täuschungsmanöver werden praktisch durchweg von gestelzten Expositionsmonologen begleitet, was die „Schnell, wir müssen den Ausbruch einer Seuche stoppen!“-Narrative arg verlangsamt und so dem Spannungsbogen in den abschließenden zwei Akten gehörig schadet.

Der mit Spielfreude vor der Kamera stehende Hanks und eine insgesamt solide agierende Felicity Jones sowie Irrfan Khan als Chef einer dubiosen Sicherheitsfirma wissen allerdings zumindest einige der erzählerisch misslungenen Szenen auf passables Niveau zu retten. Ziemlich beste Freunde-Star Omar Sy und Borgen – Gefährliche Seilschaften-Mimin Sidse Babett Knudsen dagegen hinterlassen keinen bleibenden Eindruck in diesem Langdon-Thriller, der als erster Teil der Saga wenigstens ein knackiges (wenngleich vom Roman abweichendes) Ende findet, statt in den Abspann zu plätschern.

Fazit: Inferno bügelt manche Probleme der Robert-Langdon-Filmreihe aus, ohne nunmehr vom Dan-Brown-Hype zu profitieren. Übrig bleibt somit ein optisch ansprechender, rasant startender Thriller, der später über massig gestelzte Dialoge und narratives Kuddelmuddel stolpert.

Diese Kritik erschien zuerst bei Quotenmeter.de

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