Samstag, 19. Mai 2012

Wie es ein Dippy Dawg von der Zuschauertribüne ins Rampenlicht schaffte



Dieses Jahr feiert eine von Disneys beliebtesten und frühsten Figuren den achtzigsten Jahrestag ihres Leinwanddebüts: Goofy! In dieser Reihe zerren wir den optimistischen Tölpel aus dem Schatten der Maus und blicken zur Feier seines Jubiläums auf seinen cineastischen Werdegang unter Walt Disney. Dies sind Goofys Meilensteine.


Am 25. Mai 1932, also vor nahezu exakt 80 Jahren, feierte der Micky-Maus-Cartoon Mickey's Revue seine Weltpremiere. Um für einen Moment jegliche historische Relevanz auszublenden: Für sich genommen war dieser von Wilfred Jackson geleitete Kurzfilm keine Glanzstunde im Schaffen der überaus emsigen Walt Disney Studios. Micky musste aufgrund seiner immensen Popularität bereits etwas von seinem Frechdachs-Dasein ablegen, so dass vermehrt Kurzfilme wie Mickey's Follies, The Barnyard Concert oder The Barnyard Broadcast produziert wurden, in denen Micky und seine Freunde eine musikalische Show auf die Bühne stellen. Mickey's Revue nimmt sich einige der bereits abgearbeiteten Gags aus diesen Kurzfilmen und recycelt diese. Das einzige Alleinstellungsmerkmal dieses Kurzfilms ist einer der Zuschauer von Mickys Aufführung. Ähnlich, wie Jahre später Donald zunächst dazu dienen sollte, Micky zu nerven, wurde auch hier den etablierten Figuren Micky, Minni, Klarabella Kuh und Rudi Ross durch einen damaligen Niemand ein Knüppel zwischen die sprichwörtlichen Beine geworfen.


Mickey's Revue

Ein älterer, anthropomorpher Hund mit Ziegenbärtchen und Popcorntüte nervt sein Umfeld mit seiner sonderbaren Lache. Dieser wandelnde (naja, eher sitzende) Running Gag (Sitting Gag?) basierte zum einen auf dem ulkigen Lache von Pinto Colvig und zum anderen auf zur Stimme passenden Konzeptzeichnungen des Disney-Künstlers Frank Webb. Der Zirkuskünstler Colvig war derzeit Gagautor und Tierstimmenimitator bei Disney tätig und bot sich an, für den zu entwickelnden Störenfried mit schräger Lache vorzusprechen. Er basierte die Stimme auf Basis eines alten Kauz, der ihm und seinen Mitschülern während seiner Schulzeit abstruse Geschichten erzählte. Die Stimme begeisterte Colvigs Kollegen, und Diggy Dawg war geboren ...

Wenige Monate später, genauer gesagt am 17. September 1932, kehrte Goofy in einem weiteren musikalischen Cartoon auf. The Whoopee Party führt den als nervendes Publikumsmitglied für einige Lacher sorgenden Tölpel als Freund von Micky und seiner Gang ein, verjüngt ihn außerdem ein wenig. In diesem Cartoon hat der später als Goofy bekannte Neuankömmling im Disney-Kanon mehr zu tun, als mehrfach wiederholter Gag zu dienen, und darf zum Takt der Musik Snacks vorbereiten. Außerdem wird erstmals eine Art Beziehung zu Klarabella Kuh hergestellt, indem er sie mit Partykrachern erschreckt. Nicht mehr als ein simpler Gag, doch es rückte die wortwörtliche Lachnummer aus Mickey's Revue etwas näher an die Disney-Hauptstars.

Erstes Anzeichen, dass sich Goofy zu einem bleibenden Mitglied der Micky-Truppe mausert, folgte kurz darauf mit Mickey's Touchdown, der auch zu den ersten Cartoons gehört, in dem sich die Disney-Künstler einem populären Teamsport annahmen. In diesem temporeichen Kurzfilm übernimmt Goofy die Rolle eines kaum verständlichen, rumjucksenden Sportkommentators, wodurch seine Dümmlichkeit etabliert wurde und Pinto Colvig erstmals Gelegenheit bekam, Goofy mehrere Sätze in den Mund zu legen. Besonders einschneidend dafür, dass sich Goofy von einer komischen Stimme zu einer Disney-Persönlichkeit entwickelte, war jedoch erst der Cartoon Ye Olden Days vom 8. April 1933, bei dem sich erstmals der berühmt-berüchtigte Art Babbitt ausführlich mit dem schlaksigen Kerl beschäftigte.

Ye Olden Days

Ye Olden Days spielt im mittelalterlichen Europa und erzählt mit viel Musik die Geschichte des wandernden Musikers Micky, der die Prinzessin Minni befreit, welche vom König in einem Turm eingesperrt wurde, weil diese die Ehe mit dem ungalanten Prinzen Goofy ablehnte. Für diesen Frevel wird Micky zum Tod durch die Guillotine verurteilt, doch nachdem er diesem durch seine Trickserien entkommen konnte, erhält er die Gelegenheit mit Goofy um die Hand Minnis zu kämpfen. Babbitt nahm sich daraufhin intensiver des Charakters Goofys an, der auf dem besten Wege war, durch seine unverkennbare Stimme und sein trotteliges Aussehen dem weniger markanten Micky-Co-Star Rudi Ross den Rang abzulaufen. 1934 gab Babbitt seinen Kollegen in den Disney-Studios dann erstmals eine detaillierte Beschreibung dessen, wie "der Goof" tickt, und was deswegen beim Schreiben und Zeichnen dieser Figur zu beachten ist. Mit dieser Lektion legte Babbitt endgültig das Naturell Goofys fest und gab ihm eine klare Struktur, wodurch er in den Cartoons eine bessere Präsenz entwickelte und sich als glänzender Stern am Disney-Himmel empfahl.

Diese Analyse Goofys war in den Augen Babbitts auch dringend nötig, da Goofy in seinen ersten Leinwandjahren "eine schwache Cartoonfigur war, weil sowohl seine physikalische, als auch geistige Gestaltung undefiniert waren." Er beschrieb seine Persönlichkeit als "Verzerrung", obwohl es galt, eine Karikatur anzustreben. "Sollte er dazu bestimmt gewesen sein, einen Verstand oder eine Persönlichkeit zu haben, so erhielt er definitiv keine nennenswerte Gelegenheit, dies zur Schau zu stellen", schloss Babbitt ein kritisches Fazit, bevor er darauf einging, was Goofy in seinen Augen darstellte oder noch darstellen sollte:

Model Sheet (Quelle: Disney Animation Archive)

"Stellt euch den Goof als eine Zusammenstellung aus einem immerwährenden Optimisten, einem gutgläubigen guten Samariter, einem Schwachkopf, einem unbeholfenen, gutmüigen Jungen und einem Bauerntölpel vor. Er hat lose Gelenke und ist schlaksig, nicht aber gummiartig. Er kann sich schnell bewegen, wenn er denn muss, bevorzugt es aber, jede Überanstrengung zu vermeiden, also nimmt er stets, was der einfachste Weg zu sein scheint. Er ist ein Westentaschenphilosoph. Was auch immer geschieht, akzeptiert er schlussendlich als das bestmögliche oder zumindest als amüsant. Er ist willens, jedem zu Helfen und bietet seine helfende Hand auch dann an, wenn sie nicht gefordert wird und nur weitere Verwirrung stiftet. Nur äußerst selten, wenn überhaupt, erreicht er sein Ziel oder beendet, was er zuvor begonnen hat. Mit seinem eher porösen Verstand fällt es ihm schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Jede noch so kleine Ablenkung kann ihn aus seinem Gedankengang bringen und es ist für den Goof sehr schwer, sein Vorhaben in Auge zu behalten.

Dennoch ist der Goof nicht die Art von Trottel, die zu bemitleiden ist. Er geifert, sabbert oder kreischt nicht. Er ist ein wohlwollender Kleingeist, der sich für schlau hält. Er lacht über seine eigenen Witze, weil er keine anderen versteht. Wenn er das Opfer eines Missgeschicks ist, macht er sofort das beste daraus und Anflüge von Wut verrauchen sehr schnell, um einem breiten Grinsen Platz zu machen. [...] Er hat Musik in seinem Herzen, selbst wenn es immer und ewig das gleiche Stück ist, und ich sehe ihn vor sich selbst hinsummen, während er arbeitet oder denkt. Er spricht zu sich selbst, weil es ihm leichter fällt, zu begreifen, was er denkt, wenn er es zuerst gehört hat.

Seine Körperhaltung ist nichtig. Sein Rücken beugt sich in die falsche Richtung und sei Bäuchlein guckt heraus. Sein Kopf, Bauch und seine Knie führen seinen Körper. [...] Er läuft auf seinen Fersen und seine Zehe zeigen aufwärts. Seine Schultern sind eng beieinander und fallen rapide ab, was seinen Oberkörper dürr macht und seine Arme lang und schwer erscheinen lässt, obwohl sie so nicht gezeichnet sind. Seine Hände sind sehr sensibel und ausdrucksstark, und auch wenn seine Gesten grobschlächtig sind, spiegeln sie noch immer einen Gentleman wider. [...] Seine Augen sollten zumeist teils geschlossen bleiben, um ihm ein dümmliches, müdes Auftreten zu verleihen, als kämpfe er unentwegt damit, wach zu bleiben. Aber natürlich können sie für eine Bandbreite an Emotionen sich sehr weit öffnen. Er blinzelt ziemlich häufig. [...] Er ist sehr schüchtern, doch wenn ihm etwas besonders dummes geschieht, grinst er in die Kamera wie ein Amateurschauspieler, der Verwandte im Publikum hat und vor denen er seine Peinlichkeit durch Grimassen verdecken möchte. [...] Er verfügt über fabelhafte Kontrolle seines Hinterns. Er kann damit zahlreiche kleine Kunststücke vollführen und sein Hintern sollte bei jeder Gelegenheit genutzt werden, um eine witzige Haltung zu unterstreichen.

Mit dieser kleinen Analyse habe ich den Goof von Kopf bis Fuß analysiert, und da ich an seinem Ende angelangt bin, ende auch ich."

Damit möchte auch ich meinen ersten Eintrag über Goofys Cartoonkarriere beenden, denn kurz nachdem sich Art Babbitt dem Goof annahm, formierte sich mit ihm, Walt Disneys Alter Ego Micky Maus und dem lautstarken Publikumsliebling Donald ein wundervolles Leinwandtrio, dessen chaotischen Erlebnisse den nächsten Absatz in Goofys Filmographie markieren.

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