Donnerstag, 13. November 2014

James Bond 007 – Casino Royale


Bond-Darstellerwechsel markieren stets einen Umbruch im großen, Jahrzehnte umspannenden 007-Franchise. Sowohl vor der Kamera, insbesondere hinsichtlich des Tonfalls der Filme, als auch hinter der Kamera. Doch die vier Jahre zwischen Stirb an einem anderen Tag und Casino Royale dürften die turbulentesten in der filmischen Bond-Geschichte sein. Allein schon aus wirtschaftlicher Sicht: Da Eons Geschäftspartner United Artists, beziehungsweise dessen Mutterfirma MGM, nach Stirb an einem anderen Tag in stetig größere finanzielle Sorgen geriet, verzögerte sich die Finanzierungsphase. Kurze Zeit nach Ankündigung des Films erwarb dann schließlich Sony das ins Trudeln geratene Studio mit Löwen-Logo. Ironie des Schicksals: Noch 1999 tauschte MGM seine Filmrechte an Spider-Man mit Sony gegen die Lizenz zu Ian Flemmings erstem Bond-Roman ein. MGM blieb vorerst noch auf Casino Royale sitzen, um erstmal Stirb an einem anderen Tag zu verwirklichen, während Sony sich mit dem Spinnenhelden ein goldenes Näschen verdiente. Fast parallel zum Lizenztausch kam es zu einer weiteren rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Sony und MGM/Eon Productions: Sony setzte sich mit Kevin McClory zusammen, der ein weiteres Mal ein Feuerball-Remake in Angriff nehmen und so ein alternatives Bond-Franchise starten wollte. Warhead 2000, dessen Hauptdarsteller McClorys Wünschen nach Timothy Dalton hätte werden sollen (auch wenn dieser sich nie zum Projekt bekannte), wurde 1999 gestoppt, McClory versuchte es im Jahr darauf jedoch erneut und 2001 wurde rechtlich endgültig geklärt, dass McClory kein Anrecht mehr habe, einen semi-offiziellen Bond-Film zu drehen. Sony gab sich nach dem Justizstreit 007-müde. Ein Anwalt verkündete im Namen des Studios: "Wir haben jeglichen Anspruch aufgegeben, einen Bond-Film zu machen." Tja, fünf Jahre später war Sony dann doch mit dem Vertrieb der Bond-Reihe beauftragt ...

Bekanntlich kam es trotz McClorys Niederlage zu einer neuen Bond-Kontinuität, wenngleich diese im offiziellen Eon-Kanon verortet ist. Und der Legende nach dürfen sich alle Gegner des Neustarts bei Jinx bedanken. Denn das geplante Spin-Off über Halle Berrys Figur aus Stirb an einem anderen Tag sollte eine Ursprungsgeschichte werden. Während der Arbeit daran wurde den Verantwortlichen bewusst, wie reizvoll die Thematik ist. Und da Jinx bei den Fans nicht gut ankam, wollte man diese Idee nicht für sie verschwenden. Bond selbst sollte seine erste Mission erleben: Casino Royale.

Somit war klar, dass ein neuer Bond-Darsteller her muss, selbst wenn Quentin Tarantino sich selbst ins Gespräch für den Regieposten brachte und die Bedingung stellte, dass Pierce Brosnan die Hauptrolle spielt. Im Februar 2005 erhielt aber GoldenEye-Regisseur Martin Campbell den Zuschlag, wenige Monate später wurde Daniel Craig der Welt als neuer 007 vorgestellt. Und bei diesem Event machte er sich gleich Feinde: Zu blond sei er, zu hässlich und darüber hinaus trägt er auf einem Speedboat eine Rettungsweste! Was für ein Weicheibond! Dass das Studio ihn aus versicherungstechnischen Gründen dazu zwang, interessierte nahezu niemanden ...

Aber nicht nur das Aussehen und die vermeintliche Weichlichkeit Craigs sorgte vorab für medial geführte Debatten. Denn die Produzenten Michael G. Wilson und Barbara Broccoli sahen im inhaltlichen Neustart die perfekte Gelegenheit, die vorherrschenden Kritikpunkte an Bonds zwanzigster Kinomission zu berücksichtigen und gleichzeitig intensiv auf die Konkurrenz zu schielen. 2002 glich der Kinostart des Thrillers Die Bourne Identität als Revolution des Agentenkinos. Realer, härter, pessimistischer. Zwei Jahre später unterstrich die von Matt Damon verkörperte Figur unter der Regie Paul Greengrass' diese Wahrnehmung: Agenten leben nicht weiter in einer von Abenteuerromantik und wiederkehrenden, sich selbst zelebrierenden filmischen Merkmalen geprägten Welt. Sie leben in einer paranoiden, abgebrühten, verzweifelten Welt, die sich des gewandelten politischen Klimas nach dem 11. September 2001 bewusst ist. Und dies galt es in den Augen Wilsons und Broccolis, mit Casino Royale zu reflektieren. Was vor allem vor Kinostart die Geister schied: Kann das noch Bond sein? Nach Kinostart glätteten sich die Wogen weitestgehend. Zwar halten seither hartgesottene Liebhaber der früheren Bonds an ihrer Abneigung gegenüber dieser Neuausrichtung fest, jedoch konnte Casino Royale auch massives Lob von Filmfreunden, Gelegenheitsguckern und Kritikern einheimsen. Und genauso, wie ich dem bitteren Konsens bezüglich Brosnans Abgesang zustimme, stimme ich auch in den Lobgesang auf Craigs Anfänge als 007 mit ein.


Eines der überraschenden Elemente an Casino Royale, erst recht wenn man ihn mit etwas Abstand zur damaligen "Dieser Bond schert sich einen Dreck um die 007-Wahrzeichen"-Diskussion betrachtet, ist die clevere Weise, mit der dieser Agententhriller mit seinem filmischen Erbe umgeht. Statt sämtliche Bond-Tropoi über den Haufen zu werfen, schlicht Jason Bourne in einen schmuckeren Anzug zu stecken und ihn dann als MI6-Agenten zu bezeichnen, nehmen Martin Campbell und die Drehbuchautoren Neal Purvis, Robert Wade und Paul Haggis die zentralen Bond-Elemente der Filmreihe und mischen sie mit Bedacht in die neue Kinoidentität des Geheimagenten. Dadurch klopfen sie den metaphorischen Staub von der Reihe, was nicht nur die Reboot-Absichten unterstreicht, sondern zudem neuen Interessenten den Zugang erleichtert. Darüber hinaus sorgen sie dafür, dass die bekannten Bond-Markenzeichen nicht wieder zum Grundgerüst werden, an das sich die Story anpassen muss. Stattdessen hat die Geschichte nun Vorrang – und die Erkennungsmerkmale ordnen sich ihr als stützender Service für die eingefleischten Fans unter.

Dies wird bereits in der Eröffnungssequenz deutlich. Ohne die berühmte Pistolenlaufszene direkt nach den Studiologos schmeißt Regisseur Martin Campbell den Betrachter ins karge, schwarz-weiße Geschehen. Bond stellt einen Verräter aus den Riegen des MI6 zur Rede und enthüllt, dass er erst kürzlich seine erste Tötung im Dienste Ihrer Majestät absolvierte. Bonds Gegenüber wähnt sich in Sicherheit, da Bond demnach kein Doppelnull-Agent ist und somit wohl leicht zu bezwingen. Der junge, wilde Bond beweist aber, was er drauf hat und ein kurzer Flashback auf Bonds ersten Tötungsauftrag wird mit dem berühmten Gunbarrel-Intro abgeschlossen. Direkt danach haucht die von Daniel Kleinmann gestaltete Vorspannsequenz dem Film wieder Farbe ein. Angelehnt an die psychadelischen Buchcover der frühen 50er-Jahre und mit einem wiederkehrenden Spielkarten-Motiv versehen, stimmt dieses ungeheuerlich kreative Intro auf den restlichen Film ein: Bond wird morden, sich mit Müh und Not aus brenzligen Situationen befreien und sich an den Pokertisch setzen. Zudem erwartet uns ein rauer, dennoch temporeicher und unterhaltsamer 007-Film, wie der großartige, knallharte und energische Titelsong von Chris Cornell verpricht. Und sogar ein Metakommentar lässt sich im Lied entdecken: Ja, das Gesicht ist neu, die Atmosphäre ist anders, trotzdem erwartet uns das, was dieses Franchise ausmacht, denn das hier ist schließlich und letztendlich ein Bond-Film. Oder anders gesagt: Hey, You Know My Name!

Nach dem Vorspann ist James Bond zwar offiziell der MI6-Agent mit der Kennnummer 007, gleichwohl ist er noch längst nicht der weltmännische, galant-aalglatte Spitzenagent, als der er dem Kinopublikum seit Jahrzehnten bekannt ist. Die nachfolgenden Filmstunden aber zeigen den Fall, der ihm vom engstirnigen, hitzköpfigen Anfänger zum "echten" 007 formte. Ihren Anfang nimmt diese Transformation in Madagaskar, wo Bond einen Auftragsterroristen dingfest machen soll. Stürmisch, wie diese Tötungsmaschine ist, legt er den Bombenleger jedoch um, wenngleich nicht, bevor er sein Moblitelefon sicherstellen kann. Dieses führt Bond zu einem Komplizen des Bombenlegers, welcher wiederum für den schurkischen Börsenspekulanten Le Chiffre (Mads Mikkelsen) arbeitet. Dieser handelt mit Aktien großer Unternehmen und lässt deren Kurse nach seinem Willen zusammenkrachen, indem er zum Beispiel Attentate auf Flugzeuge börsennotierter Airlines verübt. Bond vereitelt Le Chiffres neusten Plan, tötet dabei jedoch einmal mehr den einzigen Verdächtigen, den MI6 hätte verhören können.

So ermöglicht Bond unwissentlich ein Aufeinandertreffen mit Le Chiffre: Dieser verliert durch die Einmischung des Geheimagenten Unsummen an Geld, die er einem Warlord schuldet, der ihm daraufhin im Nacken sitzt. MI6 wiederum setzt Bond unter Druck, sich endlich als Agent zu beweisen, der Befehlen aufs Wort gehorcht. Um schnell wieder an Geld zu kommen, kauft sich Le Chiffre in ein hoch dotiertes Pokerspiel im prunkvollen Casino Royale, und da Bond der beste Kartenspieler des britischen Geheimdienstes ist, soll er ebenfalls bei diesem Turnier mitspielen und Le Chiffre vom Tisch zocken. MI6 hofft, damit Le Chiffre in die Klemme zu treiben: Ohne Geld hätte er die Wahl zwischen der Freiheit, wo ihn seine Auftraggeber töten würden, oder einer Kooperation mit dem MI6, der ihm zusichern würde, sein Leben zu bewahren. Auf dem Weg zum Pokerturnier in Montenegro macht Bond Bekanntschaft mit der belesenen, wortgewandten und scharfsinnigen Schatzbeamtin Vesper Lynd (Eva Green), die mühelos die üblichen Maschen des Doppelnullagenten durchschaut. Vespers Raffinesse ist wohlgemerkt das geringste Problem, das sich Bond in Montenegro stellt. Denn Le Chiffre hat 007s Plan durchschaut und setzt alles daran, den Briten am Pokertisch auszuschalten ...

Nicht nur zu Beginn von Casino Royale wissen Campbell und die Autoren, die üblichen Bond-Tropoi gerissen einzusetzen, sondern auch im weiteren Verlauf des obig geschriebenen Plots. Stets markieren sie in ihren Abwandlungen für den Kenner des Franchises, in welcher inneren oder äußeren Lage sich Bond gerade befindet, ohne Nichtkenner durch aggressive Selbstparodie oder fadenscheinigen Fanservice aus der Story zu reißen. Wie eh und je ist auch Craigs Bond beispielsweise extrem wählerisch, was seinen Martini angeht. Hier dient seiner Sonderbestellung aber der Charakterisierung des Agenten, der einerseits eine effiziente Killermaschine ist, andererseits auch gehörig von sich selbst überzeugt. Da darf man gerne detaillierte Bestellungen aufgeben. Insbesondere, wenn sich damit ganz nebenher die Konkurrenz am Pokertisch ablenken lässt. Wenn Bond später behauptet, ihn würde es nicht interessieren, ob ein Martini geschüttelt oder gerührt wird, dann ist es nicht Craigs Interpretation der Rolle, die auf frühere Bond-Versionen pfeift. Denn 007 grunzt diese Behauptung raus, kurz nachdem er beinahe gestorben ist und schon davor seine ganze Mission in Gefahr brachte. Er ist gestresst, unter Leistungsdruck und verbissen, endlich wieder ins Spiel zu kommen. Was schert ihn da noch ein Martini?


Der wohl wichtigste Punkt, in dem sich Casino Royale enorm von der normalen 007-Ware unterscheidet, ist indes die Stellung, die das Bondgirl einnimmt. Und nein, es ist nicht die Rede von einer Stellung im Sinne einer Sexpraktik. Sondern ihre Bedeutung für den Protagonisten, die Handlung sowie die Stimmung des Films. Denn Eva Green respektive Vesper Lynd prägt "ihren" Bond-Fall stärker als jedes andere Bondgirl zuvor, und allein Tracy Vincenzo aus Im Geheimdienst Ihrer Majestät hatte zuvor einen vergleichbaren Einfluss. Green jedoch spielt deutlich stärker als Tracy-Darstellerin Diana Rigg und hebt jede Szene, in der sie vorkommt, auf ein höheres Niveau. Green vermittelt, scheinbar mühelos, eine schwer durchschaubare Vielschichtigkeit und beherrscht nicht nur schneidenden Witz, sondern kann auch eine eiskalte, überzeugende Fassade aufbauen. Dessen ungeachtet erzeugt sie mit ihren großen, ausdrucksstarken Augen und ihrer wandelbaren Stimme mit jeder Filmminute mehr das Bild einer verletzten Seele, die sich ... Ja, klammert sie sich an Bond oder verfällt sie ihm widerwillig? Wie genau Vesper tickt, bleibt in Casino Royale lange verborgen und obwohl am Ende eine Erläuterung folgt, wird diese durch die in Ein Quantum Trost gestreuten Informationen sogar undeutlicher. Aber ganz egal, wie der Zuschauer Vesper nun einschätzt: Das einnehmende Spiel Greens wärmt nicht nur diesen sonst recht grimmen Film, Vesper taut zudem Craigs stoischen Bond auf – und diese romantische Seite ist so glaubwürdig und mitnehmend, wie in sonst keinem der ersten 23 offiziellen Bond-Filme.

An Stelle der überhöhten Männerfantasie des markanten Baggerns treten in Casino Royale zwei gänzlich andere Darstellungen dessen, wie Agenten lieben. Im ersten Filmdrittel bezirzt Bond, sehr unterkühlt und stets mit seinem eigentlichen Ziel im Auge, die Gespielin eines Ganoven, um an Informationen zu kommen. Dabei bemüht sich 007 gerade so sehr, wie es nötig ist, die Dame reinzulegen, während Craig mit zerknautschtem Gesicht und gelangweilten Augen dem Zuschauer stets deutlich macht, dass sein Bond keinerlei Interesse an der Frau hegt. Sobald Vesper ins Spiel kommt, entwickelt sich hingegen etwas ganz Anderes: Obwohl schon sehr früh die Funken zwischen ihnen fliegen, handeln beide mit angezogener Handbremse, weil für sie die Mission im Vordergrund steht, welche sie nach dem Einsatz auch gänzlich hinter sich lassen wollen. Aber im Verlauf des Falls ändert sich ihre Einstellung, was vor allem vier Szenen unterstreichen, die Green und Craig formidabel spielen. Vom neckischen Kennenlernen im Zug über die urkomische, ein wenig an große Screwball-Filme erinnernde Ankleidungsszene, in der beide ihre Dominanz unterstreichen wollen, indem sie ihrem Gegenüber vorschreiben, was es zu tragen hat, hin zur beinahe wortlosen Duschszene mit einer durch die Geschehnisse am Boden zerschlagenen Vesper. Bis zur großartigen Dinnersequenz, in der Vesper und Bond einander besser kennenzulernen versuchen, Bond aber nicht gänzlich seine Gewohnheit aufgibt, blitzschnell zwischen seinen Gesprächsmodi zu schalten.

Nicht allein das Spiel Greens und Craigs trägt diese Szenen, sondern auch das, erst recht für einen Bond-Film, sehr gute Dialogbuch, welches weiterhin zahlreiche gepfefferte Humorelemente enthält, nicht nur zwischen den tragischen Turteltauben, sondern auch zwischen Bond und M oder auch Bond und dem von Mads Mikkelsen denkwürdig dargebotenen Le Chiffre. Und gerade diese Momente der Leichtigkeit machen den realistischeren Tonfall und die dramatischeren Wenden erst so wirkungsvoll. Sei es all das, was nach dem vermeintlichen Abschluss des Falls geschieht, oder eben die Rückkehr ausgetüftelter, stufenweise voranschreitender Ermittlungsarbeit. Denn bevor das MI6 überhaupt den Plan hat, Le Chiffre beim Pokern auszustechen, bereist Casino Royale zahlreiche Orte und enthüllt den Kern von Le Chiffres Plan erst nach und nach. Dies ist zwar, oberflächlich betrachtet, Standard für einen Bond-Film, doch nur selten geschieht dies so ausgeklügelt wie hier. Üblicherweise tourt 007 um den Globus, um direkt von Information zu Information zu kommen. In Casino Royale mischen sich glückliche Zufälle und mühevoll durch detektivische Arbeit erkämpfte Hinweise durch, so dass sich ein sehr stimmiger, spannender Aufbau ergibt, der die Dramaturgie stützt.

Vereinzelte Schwächen sind auf der Strecke zwischen dem Vorspann und der ungeheuerlich atmosphärisch inszenierten Pokerrunde trotzdem zu vernehmen: Das Bild, wie eine wohlgebaute Frau von Kindern angehimmelt wird, während sie auf einem Prachtpferd einen wunderschönen Sandstrand entlang galoppiert, gehört vielleicht in einen Moore-Bond. Aber nicht hierher. So toll Mikkelsen spielen mag, er kommt nicht genügend vor. Und die Actionszene kurz nach dem Vorspann, in der Bond in Madagaskar einen Kleinganoven verfolgt: Sie ist einmalig in Szene gesetzt. Die Parcours-Stunts sind atemberaubend und zeigen auf, dass Craigs Bond zwar nicht so gelenk und galant wie sein Widersacher ist, aber trotzdem mit Willen und Kraft gewinnt. Das Setting ist toll, der Schnitt dynamisch und gewährt dennoch Übersicht. Aber sie ist schlicht ein paar Minütchen zu lang.

Und selbst das Herzstück des Films ist nicht makellos. Es ist plausibel, dass Le Chiffre 007 ausschalten will und sich nicht allein auf seine Pokerkünste verlässt. Die zahlreichen Actioneinsprengsler wirken in ihrer Quantität zugleich aber so, als hätten die Filmemacher zu wenig Vertrauen in ihr Publikum und fühlten sich gezwungen, das Kartenspiel durch knalligere Spannungselemente aufzulockern. Dies sind jedoch recht kleine Probleme. Auch der "Epilog" nach der Folterszene, der mich bei meiner Erstsichtung noch störte, ist eigentlich ziemlich schnörkellos. Er zeigt, welches Leben sich Bond wünscht, ist traumhaft fotografiert und nimmt dann eine für 007 und Vesper garstige Wende. Inklusive weiterer aufwändig choreographierter Action. Und dann endet der Film mit einem Knall.

Casino Royale ist somit ein klares Meisterwerk unter den Bond-Filmen. Spitze gespielt, musikalisch abwechslungsreich und treffend von David Arnold untermalt, kraftvolle Actionsequenzen, spannend und schön anzusehen. Vielleicht ein winziges Stück zu lang, um das Optimum aus der Story rauszuholen, doch nie schleppend.

Bleibt nur die Beantwortung der ewigen Frage: Ist Daniel Craig ein guter Bond-Darsteller? Schwer zu sagen, denn er ist einerseits ein richtig guter Schauspieler. Er drückt ein breiteres emotionales Spektrum aus als seine Vorgänger, gibt eine runde, glaubwürdige Figur ab und meistert hier das wohl stärkste Skript der Filmreihe. Doch andererseits verschmilzt er in meinen Augen nicht mit der Rolle. Alle anderen Bond-Performer "sind" in ihren Filmen 007. Craig "spielt" Bond, gibt aber eine beeindruckende Leistung ab.

Vielleicht liegt es auch nur an der Art seiner Figur. Connerys, Lazenbys und Moores Bond lieben (zumeist) ihren Job, Daltons Bond ist so angelegt, dass er mal Spaß an ihm hatte, diesen über die Jahre allerdings verlor. Craigs Bond wiederum hatte nie Freude an seinem Tun. Es ist lediglich sein einziges Talent, weshalb er das Agentendasein eifrig verfolgt. Dieser unterschwellige Widerwillen im Charakter ("Ich mach es, weil ich sonst nichts habe!") verhindert womöglich die völlige Verschmelzung zwischen Bond und Craig. Zumindest in diesem Film und seinen zwei direkten Fortsetzungen.

Dennoch: Casino Royale ist eine Wucht. Wie dumm, dass auf diesen Faustschlag von einem Bond-Film eine herbe, herbe Enttäuschung folgt.

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