Samstag, 25. Juli 2015

Project: Almanac


Die cineastische Schublade des Found-Footage-Films wird vornehmlich von Horrorfilmen dominiert. Vom Kannibalenthriller Nackt und zerfleischt über den subtilen Schrecken Blair Witch Project bis hin zum Geisterbeobachtungsschocker Paranormal Activity und all seinen Trittbrettfahrern haben zahlreiche Horror-Untergattungen bereits eigene Found-Footage-Vertreter erhalten. Gelegentlich nutzen Filmemacher die Spielerei, fiktive Storys in ein dokumentarische Formalien zu kleiden, jedoch für Projekte außerhalb der Horror-Ecke – und einige dieser Ausnahmen von der Regel zählen auch prompt zu den findigeren Found-Footage-Werken. So erntete im Herbst 2012 das spannende Polizei-Drama End of Watch mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle großes Kritikerlob, ebenso wie der wenige Monate zuvor gestartete Chronicle – Wozu bist du fähig?.

Die geistreiche Verquickung aus Außenseiter-Drama und pessimistischer Superheldenstory machte Regisseur Josh Trank kurzfristig zu einer immens gefragten Person in Hollywood – seither wurden ihm das Fantastic Four-Reboot sowie ein Star Wars-Ablegerprojekt zugetragen. Letzteres hat sich mittlerweile zwar erledigt, trotzdem fällt es schwer, nicht zu mutmaßen, dass es die überaus positive Resonanz auf Tranks Debüt war, die den Weg für Project Almanac ebnete. Denn auch in der Ende 2012 in Auftrag gegebenen Produktion hält eine Gruppe pubertierender Schüler auf Video fest, wie sie eine futuristisch anmutende Entdeckung macht, dadurch enger zusammenwächst und schlussendlich in Trubel gerät. Denn selbstredend treibt irgendwann einer von ihnen mit seinen neuen Fähigkeiten Schindluder.

Im unter anderem von Michel Bay produzierten Project Almanac geht es aber nicht erneut um solche Superkräfte wie Telekinese oder die Fähigkeit, zu fliegen. Das 17-jährige Physikass David (Jonny Weston), sucht zu Beginn des Films verzweifelt nach einem Experiment, das ihm ein Stipendium beim MIT verschaffen könnte. Da David aber mit seinem Latein am Ende ist, durchstöbert er den Kram seines vor Jahren verstorbenen Vaters, der als Erfinder tätig war. Als ihm und seiner Schwester Christina (Virginia Gardner) eine alte Videokamera in die Hände fällt, traut er seinen Augen nicht: Auf einer Aufnahme seiner siebten Geburtstagsfeier ist im Hintergrund sein heutiges Ich zu sehen. David versichert sich bei seinen Freunden Adam Le (Allen Evangelista) und Quinn Goldberg (Sam Lerner), ob sie dasselbe sehen wie er. Und tatsächlich: Auch sie meinen, den 17-jährigen David im Video auszumachen – was die Theorie aufkommen lässt, dass sich unter den Hinterlassenschaften seines Vaters eine Zeitmaschine befindet. David und Co. stellen das Haus auf den Kopf, woraufhin sie ein unfertiges, hochkompliziertes Projekt vorfinden. Sie glauben, dass es sich dabei um die unvollendete Zeitmaschine handelt. Mit der mehr oder minder unwillentlichen Hilfe ihrer populären Mitschülerin Jessie Pierce (Sofia Black D'Elia) machen sie sich drauf und dran, das Gerät zum Laufen zu bringen …

Eine ungeschriebene Faustregel des Found-Footage-Films besagt: „Wenn der Zuschauer sich Gedanken über Sinn und Unsinn des Bildmaterials macht, ist gehörig etwas schief gelaufen!“ Es sagt daher viel über Project Almanac aus, wenn sich immer wieder solche Fragen aufdrängen wie: „Wieso filmt jemand freiwillig, dass er eine Straftat begeht?“ oder „Wieso filmen die Jungs, dass gerade überhaupt nichts passiert?“ Dass sich das Publikum solche Fragen in aller Seelenruhe stellen kann, liegt vor allem in der Struktur dieses Sci-Fi-Streifens begründet.

Einen großen Teil der Laufzeit widmen die Autoren Jason Harry Pagan und Andrew Deutschman dem Alltag von David und seinen Freunden vor Entdeckung der Zeitmaschine sowie den Fehlversuchen, das Gerät zu perfektionieren. Weil die Figuren jedoch allesamt keinerlei Dimension aufweisen, sondern nur flache Stereotypen sind (wenngleich halbwegs sympathisch dargestellte Stereotypen), ist dieser lange Einstieg nur bedingt unterhaltsam. So mancher verbaler Schlagabtausch zwischen den Figuren sorgt für ein leichtes Schmunzeln, dies genügt aber nicht, um diesen ersten Akt aufrecht zu erhalten. Erst sobald die Zeitmaschine funktioniert, wird Project Almanac richtig lebendig. Dass sich die Freunde erstmal nur in allerlei Albereien versuchen, ist sogar noch genrekonform – im Mittelteil ist Dean Israelites Regiearbeit im Grunde genommen eine Teenie-Sci-Fi-Komödie im Found-Footage-Look. Und was Found-Footage-Jugendeskapaden angeht, sind die Eskapaden in Project Almanac um ein Vielfaches erträglicher als die im unsäglichen Project X.

Da sich der Einfallsreichtum von David und Konsorten (respektive der Filmemacher) aber in Grenzen hält, werden auch die zu erwarten stehenden Zeitreise-Späße irgendwann alt. Die Chemie zwischen den Darstellern ist ansehnlich genug, um Project Almanac davor zu bewahren, ein lästiges Seherlebnis zu werden, trotzdem mangelt es lange an einem treibenden Konflikt. Wenn dieser dann endlich eintritt, weil einer der Freunde die Zeitmaschine aus eigenen Motiven benutzt, ist es allerdings zu spät: Was im Sinne eines mitreißenden Spannungsbogens spätestens nach dem ersten Drittel hätte geschehen sollen, wird stattdessen eiligst herunter gerattert. Fesseln kann das Finale durch die hastigen Entwicklungen ganz und gar nicht, so dass schlussendlich dem geneigten Genrefreund bestenfalls die teils pfiffigen, teils aufdringlichen Referenzen auf andere Zeitreise-Filme besonders in Erinnerung bleiben. Und die atmosphärischen Partyszenen werden sicher auch ihre Freunde finden. Als Gesamtwerk ist Project Almanac jedoch zu unentschlossen, nicht zielstrebig genug und zu arm an Alleinstellungsmerkmalen, als dass er sich auch nur ansatzweise mit besseren Found-Footage-Produktionen messen lassen könnte.


Fazit: Überproduzent Michael Bay bringt mit Project Almanac einen Found-Footage-Zeitreisefilm in die Kinos, der zu wenig gute Elemente aufweist, um seine unausgegorenen Passagen vergessen zu machen.

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