Donnerstag, 5. Mai 2016

Die Peanuts – Der Film



Es hätte ordentlich schief gehen können, Charlie Brown! 20th Century Fox und die für die Ice Age-Filme verantwortlichen Blue Sky Studios versetzen den von Misserfolg verfolgten Jungen und seine illustres Umfeld mit Die Peanuts – Der Film erstmals in die Welt der Computeranimation. Und wie schmerzlich solch eine Transformation enden kann, zeigen unzählige Beispiele von gezeichneten Helden, die bereits den Sprung in die Dreidimensionalität gewagt haben: Die Biene Maja hat als computergeneriertes Geschöpf nicht einmal halb so viel Charme wie ihre handgezeichnete Ausgabe. Der clevere Wikingerjunge Wickie guckt in der neuen Digitaltrickserie bedauerlicherweise ziemlich dumm aus der Wäsche, und selbst der Trickfilmgigant Disney kam beim Versuch, seine Ikonen optisch zu modernisieren, ins Stolpern: In Micky Maus Wunderhaus sind Micky, Donald, Goofy, Pluto und Co. weniger als nur Schatten ihrer selbst. Sie sind seelenlose, billig wirkende Nachmachen ihrer liebenswürdigen, unverkennbaren Zeichentrickversionen.


Der rund 100 Millionen Dollar teure Peanuts-Film beweist derweil, dass es sehr wohl möglich ist, einen distinktiven Zeichenstil in den kühlen, üblicherweise sehr akkuraten Computeranimationslook zu übertragen: Nash Dunningan (der künstlerische Leiter des Films), die leitenden Animatoren Nick Bruno und Scott Carrol sowie CG-Supervisor Rob Cavaleri und Regisseur Steve Martino legten zu Beginn der Produktion unverrückbare Grundprinzipien fest. Diese engten bewusst die Design-Entscheidungen sowie die Animationsmöglichkeiten ein, um das fertige Produkt stilistisch an die Zeitungscomics von Charles M. Schulz sowie die kultigen Peanuts-Fernsehspecials anzulehnen.


Diese Grundregeln führen zu sehr charmanten Ergebnissen, die den Film zeitlos-schlicht erscheinen lassen und ihren Retro-Zweck makellos erfüllen. So sind die Wasserkopf-Kinder in lediglich sechs Posen zu sehen, und wenn sie agieren, wird nahezu vollständig auf die in der Computeranimation übliche Bewegungsschärfe verzichtet – stattdessen wiederholen sich, wie bei den kostengünstig animierten Zeichentrickspecials, oftmals weite Teile des Bildes für zwei Frames. Dies verleiht den Bewegungen der Figuren ein altmodisches Ruckeln – außerdem sind bei hektischen Aktionen für kurze Zeit mehr als nur zwei Arme oder Beine gleichzeitig zu erkennen, sind die Einzelbilder verwaschen oder mit Bewegungslinien versehen. 


Zudem entwickelte das Team des Horton hört ein Hu!-Animationshauses eine neue Software, die es erlaubt, Elemente wie die Augen oder Münder der Figuren wie eine krakelige Tintenlinie über die Gesichter der Figuren gleiten zu lassen. Generell erwies sich in der Produktionsphase, dass es eine ungeheuerliche Herausforderung ist, einen Film wie Die Peanuts – Der Film auf einem ansprechenden Niveau dennoch so schlicht aussehen zu lassen. Beispielsweise mussten aufgrund der stilistischen Einschränkungen für jede Figur mehrere Computermodelle erstellt werden, die obendrein nur in bestimmten Kameraeinstellungen Verwendung fanden – andernfalls hätten die Charaktere entstellt ausgesehen.


Der technisch einwandfreie, mit spürbarer Liebe zur Vorlage veranstaltete Aufwand wäre aber reiner Budenzauber, würde nicht auch das Drehbuch von Cornelius Uliano sowie Bryan und Craig Schulz die Mentalität der zeitlosen Peanuts-Geschichten erfolgreich einfangen. So ist die Handlung der rund 90-minütigen Kinoproduktion denkbar schnell zusammengefasst: Der ewige Verlierer Charlie Brown möchte seine hübsche, neue Mitschülerin beeindrucken, und legt sich so richtig ins Zeug, um endlich einmal als Gewinner dazustehen. Was sich natürlich als Herkulesaufgabe herausstellt … 


Die Simplizität dieser Geschichte hat zweifelsfrei großen Charme, insbesondere, weil die Autoren, zwei von ihnen immerhin Nachkommen von Charles M. Schulz, sie mit viel, doch ruhiger Situationskomik erzählen. Diese basiert auf den markanten, und sich auch Neulingen rasch erklärenden, Persönlichkeiten der zahlreichen Kinder-Figuren. Gestreckt wird die Laufzeit des Films allerdings auch durch mehrere Traumsequenzen, in denen die ersten schriftstellerischen Gehversuche von Charlie Browns Hund Snoopy illustriert werden – als ausgedehnte, getragene Action-Sequenzen, die ihn im Fliegerkampf gegen den legendären Roten Baron zeigen. Snoopys Flugobsession ist ein Standardelement der Peanuts und hat klar seine Fans. Für die Belange speziell dieses Films sind besagte Szenen aber gerade gegen Schluss zu lang geraten und rauben so Charlies Handlungsfaden das Momentum, das dem Jungen mit dem gelben Shirt gebührt. 


Abseits der verwegenen Snoopy-Fantasien finden die Filmemacher wiederholt Zeitz, um Charlie Browns nachdenkliche, fast schon dauerdeprimierte Seite darzustellen. An die melancholische Art der größten Peanuts-Klassiker reicht diese computeranimierte Komödie trotzdem nicht heran: Dafür ist Martinos Erzählweise dann doch zu optimistisch und freundlich – ohne Schulz' Weltsicht damit zu betrügen. Bei aller Passion, die der Regisseur und sein Team an den Tag legen, um dem Peanuts-Erbe gerecht zu werden, stoßen viel mehr die Schnitzer in der Musikauswahl auf. In dieser zeitlosen, noch Telefone mit Wählscheiben und Schreibmaschinen aufweisenden Kleinstadt-Welt, erklingt wiederholt ein sehr beliebiger Song von Meghan Trainor, der obendrein zu den am modernsten klingenden Nummern der Interpretin zählt. Und sogar Flo Rida ist mit einer laschen Dance-Nummer zu hören – viel konsequenter wäre es gewesen, durchweg auf die Archivmusik des Peanuts-Komponisten Vince Guaraldi sowie auf die stilistisch ähnlich gelegten, neuen Melodien von Christophe Beck zu setzen.


Fazit: Die Peanuts – Der Film ist ein kleines, digitaltricktechnisches Wunder mit viel Charme und zeitlosen Figuren. Wer nie etwas mit den großköpfigen Kindern anfangen konnte, wird ihre spröde Art jedoch auch hier nicht lieben lernen. Und eine Frage sei erlaubt: So beeindruckend die atypische Computeranimation auch ist, wieso ist man nicht den einfacheren Weg gegangen? Als Zeichentrick wäre dieser Film gewiss noch liebenswerter!

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